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AGAPE – die Liebe ohne Objekt

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Schon nach wenigen Tagen des Liebe-Übens begriff ich, dass ich auf eine Goldader gestoßen war, doch als ich den Versuch unternahm, meine Erfahrung zu kommunizieren, machte ich die verblüffende Entdeckung, dass nahezu niemand verstand, wie das funktionieren soll. “Liebe kann ich doch nur dann empfinden, wenn es dafür einen konkreten Anlass gibt”, hielt man mir entgegen, “wenn ich verliebt bin zum Beispiel. Wenn mir Liebe entgegengebracht wird oder wenn ich richtig gut drauf bin! Aber wie um alles in der Welt soll ich denn unter all den Widrigkeiten des alltäglichen Lebens in der Schwingung der Liebe bleiben? Kann man Liebe denn einfach so mir nix dir nix erzeugen? Liebe ist doch schließlich kein Instant-Getränk aus dem Automat!”

Stimmt. Nur dass die Liebe dir viel näher ist, als jeder Automat es sein könnte. Liebe ist deine wahre Natur. Sie ist ständig bei dir. Ja sogar in dir. Sie ist dir näher noch als die Luft, die dich von allen Seiten umgibt. Ist es etwa anstrengend zu atmen?

Denk doch bitte mal daran, wie das war, als du dich verliebt hast. Wie kam das? Und was geschah da eigentlich mit dir? Du lerntest jemanden kennen, der dich magnetisch anzog. Vielleicht kannst du noch nicht einmal genau sagen, was genau der Grund dafür war. Auf jeden Fall hat es Zoom gemacht, oder? Die Liebe ergriff dich. Du warst wie verzaubert. Wie ausgewechselt. Wie umgedreht. Selbst wenn sich der geliebte Mensch nicht in deiner Nähe befand – du musstest nur an ihn denken, und schon stellten sich die grandiosen, elektrisierenden Empfindungen ein. Man konnte es dir ansehen. Man sprach dich vielleicht sogar darauf an: “Mein Gott, du bist ja auf Wolke sieben!”

Erinnerst du dich? Weißt du noch, wie glänzend du dich dabei fühltest? Entstand dieses wundervolle Gefühl etwa außerhalb von dir? “Natürlich nicht”, wirst du antworten, “natürlich entstand es in mir”. Wenn es aber in dir entstand, hast du es dann nicht in dir selbst erzeugt? “Nein, nein!” wirst du jetzt wahrscheinlich erwidern, “nicht ich habe es erzeugt, Peter, Petra (oder wie auch immer der geliebte Mensch hieß) hat es in mir erzeugt! Ohne ihn/sie wäre das völlig unmöglich gewesen!”

Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn eigentlich bewies dir die geliebte Person lediglich, zu welch großen Liebesgefühlen DU fähig bist! Mit anderen Worten: Sie befreite das Potenzial deiner eigenen Liebesfähigkeit. Sie durchbrach die Mauer, hinter der du dein Potenzial, zu lieben und geliebt zu werden, im Allgemeinen verbirgst. Sie fand den Schlüssel zu deinem Herzen. Und deshalb strömte die Liebe aus dir heraus. Denn wo nichts ist, kann nichts werden. Wie bei einem Dammbruch: Ohne aufgestautes Wasser kann ein Damm unmöglich brechen! Peters oder Petras Liebe zu dir ließ den Strom deiner Liebe ansteigen und brachte den Damm, hinter dem sich deine Liebe verbarg, zum Einsturz. Die Liebe war jedoch vorher schon da. War in dir selbst, in deinem Herzen. Nur eben nicht offenbar, nicht manifest.

Vielleicht hast du dich schon öfter als einmal verliebt. Warst du nicht irgendwann mal der Meinung, du könntest niemand anderen als “Peter oder Petra” so sehr lieben? Weshalb konntest du dann einige Zeit später beispielsweise gegenüber “Rainer oder Gabi” dieselben oder zumindest ganz ähnliche Empfindungen hegen? Manche Menschen verlieben sich während ihres gesamten Lebens viel öfter als zweimal und glauben dennoch jedes Mal, nun endlich, endlich die große Liebe gefunden zu haben. Hatten sie sich jedes Mal vorher getäuscht? Nein, sicher nicht! Sie hatten jedes Mal – wenn auch in verschiedener Intensität – ihre ihnen vorher lediglich verborgene Liebe im eigenen Inneren erfahren. Nur stellten sie später fest, dass die Person, die ihre Empfindungen zu erwecken vermochte, im Zusammenleben nicht zu ihnen passte. Und das blockierte schließlich den Liebesstrom in ihrem eigenen Inneren. Und so glaubten sie nun, sie hätten die Liebe wieder verloren …

Wenn wir begreifen, dass die Schwingung der Liebe nicht abhängig ist vom Objekt unserer Liebe, können wir uns jederzeit selbst in den Zustand der Liebe versetzen. Natürlich nicht mit den speziellen Gefühlen erotischer Liebe. Liebe in Form von EROS ist nur in romantischen Beziehungen oder sexuell stimulierenden Situationen erfahrbar. Zur Unterscheidung benutzten die alten Griechen für freundschaftliche Gefühle der Liebe den Begriff PHILIA. Und wenn sie uneigennützige oder absichtslose Liebe empfanden, nannten sie diese AGAPE.

AGAPE manifestiert sich jedoch nicht nur, wenn wir absichtslos lieben. Sie ist vielmehr der Ursprung aller anderen Formen der Liebe und lässt sich daher in keine Kategorie pressen. Wann immer du liebst, ob mit oder ohne Objekt, ist AGAPE essentiell gegenwärtig.

AGAPE scheint so weit von uns entfernt zu sein wie der Mars von der Erde. In Wirklichkeit aber ist uns AGAPE am allernächsten. Gerade AGAPE lässt sich zu jedem Zeitpunkt und in jeder Situation in uns selbst erzeugen, weil sie nicht von äußeren Umständen abhängig ist. Wie? Denke einfach das Wort “Liebe”, oder sage dir innerlich: “Ich liebe.” Behaupte es einfach, versuche nicht, es zu empfinden. Wenn du ein Gefühl erwartest, verweigert es sich paradoxerweise gerade dann, wenn du dich darauf konzentrierst oder es unbedingt haben willst. Wer sich in AGAPE übt, bekommt es “irgendwie”. Mal mehr, mal weniger intensiv. Wer sich hingegen fragt, wie Liebe sich anfühlt oder ob das Gefühl in ihm sich richtig anfühlt, steckt sofort fest. Gefühle richten sich nach deinen Gedanken. Oder anders gesagt: (Gedanken-) Energie fließt immer in die Richtung deiner Aufmerksamkeit. Ganz von allein. Letztlich ist es eine Entscheidung, nämlich die, den inneren Zustand der Liebe mehr zu lieben als jedes andere Objekt deiner Liebe. Mit der Zeit wird dir der innere Zustand der Liebe – AGAPE selbst – mehr bedeuten als jeder äußere Umstand!

Jetzt, in diesem Moment, ist Liebe verfügbar. Einfach, indem du deine Aufmerksamkeit auf sie lenkst. Mach dir keine Gedanken darüber, wie du sie erzeugst oder ob du sie “richtig” erzeugst. Sie ist da, sobald du dich für sie entscheidest. Selbst wenn du dich zunächst nicht außergewöhnlich liebevoll fühlst.

Probier es doch gleich einmal aus. Im Moment liest du. Also lies nicht nur einfach so weiter. Entscheide dich dafür, das Lesen zu lieben. Das wird keine euphorischen Liebesgefühle in dir erzeugen, aber deinen inneren Schwerpunkt verlagern. Vielleicht erfährst du einfach ein wenig mehr Freude. Ein wenig mehr Heiterkeit. Ein wenig mehr Frieden. Ein wenig mehr Harmonie. Ein wenig mehr Einssein.

AGAPE bewirkt keinen Dammbruch wie EROS, nur die Schleuse wird ein wenig geöffnet und – die Liebe kann fließen. Deine Entscheidung, das Lesen zu lieben, bewirkt womöglich nicht mehr als der Flügelschlag eines Falters.4 Doch diese vergleichsweise geringe Energie kann der entscheidende Faktor für einen Hurrikan sein. Ebenso deine Liebe, und sei sie zunächst auch noch so gering. Sie bringt dich sofort auf ein höheres Schwingungsniveau. Und wenn du dich während des Tages immer wieder an die Liebe erinnerst und Liebe in deine Situation fließen lässt, wird sich dein Schwingungsniveau stabilisieren. Und der Kosmos wird mit Geschenken der Liebe darauf reagieren. Sei sicher.

Ganz am Ende des Buches biete ich dir einige “Trockenübungen” an, um die Empfindung der Liebe sozusagen “im Stand” erzeugen zu können. Doch um zu erleben, dass sich dein Schwingungsniveau stabilisiert, brauchst du die kontinuierliche Übung in deinem alltäglichen Leben. Nur so wird sich die Schwingung der Liebe stabilisieren.

4) Im Jahr 1963 beschrieb der Meteorologe Edward Lorenz mithilfe eines einfachen Modells Luftströmungen in der Atmosphäre. Dabei entdeckte er den berühmten Effekt, wonach kleine Faktoren wie der Flügelschlag eines Schmetterlings in Südamerika darüber entscheiden können, ob sich Tage später ein Hurrikan auf die Westküste der USA zubewegt oder nicht. Zu diesem Ergebnis war er über eine sogenannte Näherungsrechnung gelangt. Unglaublich, nicht wahr? Aber Fakt.

Leide nicht - liebe

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