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I. Einführung

1. Entwicklung des Steuerrechts

(Doralt/Ruppe I12, Tz 6 ff)

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Die Entwicklung des modernen Steuerrechts setzt mit dem Ende des 18. Jahrhunderts ein.

Erst in der Zeit der Aufklärung entstand die Forderung, dass Abgaben gerecht sein müssen. Eine der Ursachen der Französischen Revolution war die Steuerwillkür. Aus der Forderung nach gerechten Steuern entwickelten sich die Steuern auf das Einkommen, die die Leistungsfähigkeit berücksichtigen sollten; die erste effektive Einkommensteuer wurde in England eingeführt, um den Krieg gegen Napoleon zu finanzieren.

Gleichzeitig mit der damals einsetzenden Industrialisierung und dem Übergang von der Naturalwirtschaft (Selbstversorgung) zur Geldwirtschaft wurden die Voraussetzungen für ein modernes Steuerrecht geschaffen, das an den Geldverkehr anknüpfen konnte. Mit der Industrialisierung wuchsen auch die Staatsaufgaben, und es entstand damit das Bedürfnis des Staates nach einem regelmäßigen und gesicherten Steueraufkommen.

In Österreich etablierte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ein System von Verbrauchsteuern und Verkehrsteuern (Gebührengesetz 1850). Auf dem Gebiet der direkten Steuern gab es zunächst ein zersplittertes System verschiedener Ertragssteuern, die ua die gewerblichen Einkünfte und den Mietzins erfassten, bis 1898 das Personalsteuergesetz in Kraft trat, mit dem im Wesentlichen das Einkommen erfasst wurde. 1923 wurde in Österreich die Warenumsatzsteuer eingeführt.

1938 wurde in Österreich das reichsdeutsche Steuerrecht übernommen und 1945 mit dem Rechtsüberleitungsgesetz 1945 in den österreichischen Rechtsbereich übergeleitet. In den Folgejahren wurden die deutschen Steuergesetze mit oft nur geringfügigen Änderungen als österreichische Steuergesetze neu beschlossen („Austrifizierung“ der reichsdeutschen Steuergesetze; zB UStG 1951, EStG 1953).

In den Grundstrukturen stimmt das österreichische Steuerrecht auch heute noch mit dem deutschen Steuerrecht überein. Hinzu kommen Steuerharmonisierungen innerhalb der EU vor allem im Bereich der Umsatzsteuer und der Verbrauchsteuern. Daher kann zur Auslegung des österreichischen Steuerrechts oft auf die (umfangreiche) deutsche Literatur und auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofs zurückgegriffen werden.

2. Einteilung der Steuern

(Doralt/Ruppe I12, Tz 16 ff)

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Die Steuern lassen sich nach verschiedenen Kriterien einteilen:

– Nach der Finanzverfassung wird danach unterschieden, welche Gebietskörperschaft die einzelne Steuer erhebt und welchen Gebietskörperschaften die Erträgnisse zufließen (Bundes-, Landes-, Gemeindeabgaben; § 6 F-VG).

– Nach der Anknüpfung wird danach unterschieden, ob die Steuern an persönliche Umstände, an bestimmte Objekte oder an bestimmte Vorgänge anknüpfen (Personensteuern, Objektsteuern, Verkehrsteuern).

– Nach der Erhebungsform wird danach unterschieden, wie die Steuern erhoben werden (Veranlagungssteuern, Selbstbemessungsabgaben, Abzugssteuern).

Finanzwissenschaftlich werden direkte und indirekte Steuern unterschieden, je nachdem, ob der Steuerschuldner die Steuer auch wirtschaftlich tragen soll.

Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben

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Auf der Grundlage des Finanz-Verfassungsgesetzes werden im Finanzausgleichsgesetz die Erträgnisse bzw die Einhebung dem Bund, den Ländern oder Gemeinden zugewiesen (Ertragshoheit bzw Verwaltungshoheit).

Gemeinschaftliche Bundesabgaben: Die Erhebung erfolgt durch den Bund, der Ertrag wird zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt (zB ESt, KSt, USt).

Ausschließliche Bundesabgaben: zB Gebühren nach dem Gebührengesetz.

Ausschließliche Landesabgaben: zB Feuerschutzsteuer (Bundesabgabe, jedoch an die Länder weitergegeben).

Zwischen Ländern und Gemeinden geteilte Abgaben: Fremdenverkehrsabgaben.

Ausschließliche Gemeindeabgaben: zB Kommunalsteuer, Grundsteuer.

Während der Bundesgesetzgeber nach der Finanzverfassung bei der Schaffung neuer Abgaben frei ist (uneingeschränktes Abgabenerfindungsrecht; § 7 F-VG), haben die Länder nur ein eingeschränktes Abgabenerfindungsrecht: Sie können zwar grundsätzlich neue Abgaben einführen, doch darf die Landesabgabe einer bereits bestehenden Bundesabgabe nicht „gleichartig“ sein (§ 8 Abs 3 F-VG).

Gemeinden können nur aufgrund einer Ermächtigung des Bundes bzw des Landes bestimmte Abgaben einheben; die Gemeinde hat dann nur ein Beschlussrecht, ob sie die Abgabe einheben möchte oder nicht (§ 7 Abs 5 und § 8 Abs 5 F-VG).

Der Bund kann sich bei Landes- und Gemeindeabgaben die einheitliche Regelung vorbehalten. Beispiele sind die Grundsteuer und die Kommunalabgabe; sie sind Gemeindeabgaben, aber bundesgesetzlich geregelt (§ 7 Abs 3 F-VG).

Zu den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben kommen EU-rechtliche Vorgaben hinzu: zB widersprach die frühere Getränkesteuer der Verbrauchsteuer-Richtlinie.

Personensteuern, Objektsteuern, Verkehrsteuern, Verbrauchsteuern

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Personensteuern knüpfen hinsichtlich des Steuergegenstandes und der Steuerhöhe an personenbezogene Merkmale an; Personensteuern sind die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer (bis 1. 8. 2008 auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer). Den Personensteuern gemeinsam ist die Anknüpfung an den Wohnsitz bzw Sitz (bei juristischen Personen).

Objektsteuern (Sachsteuern) knüpfen hingegen an bestimmte Gegenstände an; zu den Objektsteuern gehört zB die Grundsteuer.

Verkehrsteuern knüpfen an bestimmte Vorgänge im wirtschaftlichen oder im rechtlichen Verkehr an (Umsatzsteuer, Rechtsverkehrsteuern).

Verbrauchsteuern knüpfen an den Verbrauch an (Tabaksteuer, Mineralölsteuer).

Die Einteilung in Personensteuern und andere Steuern ist allerdings weitgehend unergiebig und überschneidet sich zum Teil. ZB ist die Körperschaftsteuer zwar eine Personensteuer, hat aber zunehmend starke Züge einer Objektsteuer angenommen. Die USt ist eine Objektsteuer und zugleich eine Verkehrsteuer und Verbrauchsteuer.

Veranlagte Steuern, Selbstbemessungsabgaben und Abzugssteuern

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Veranlagungssteuern werden aufgrund einer Steuererklärung mit Bescheid vorgeschrieben.

Selbstbemessungsabgaben hat der Steuerpflichtige selbst zu ermitteln und abzuführen. Selbstbemessungsabgaben sind zB die USt-Vorauszahlung, der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichfonds, die Kommunalsteuer und einzelne Gebühren nach dem GebG.

Abzugssteuern behält ein Dritter bei Auszahlung eines Geldbetrages für den Empfänger (= Steuerschuldner) ein und führt sie direkt an den Fiskus ab (zB Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, Immobilienertragsteuer).

Direkte und indirekte Steuern

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Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern richtet sich danach, ob die Steuer überwälzt werden kann: Direkte Steuern trägt der Steuerschuldner auch wirtschaftlich selbst, Steuerschuldner (Steuerzahler) und Steuerträger sind ident; zu den direkten Steuern werden die Personensteuern gezählt (ESt, KSt). Indirekte Steuern kann der Steuerschuldner (Steuerzahler) auf einen Dritten überwälzen, indem er sie auf den Preis aufschlägt oder in Rechnung stellt; indirekte Steuern sind die USt und die Verbrauchsteuern.

Die Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Steuern ist insoweit problematisch, als die Überwälzbarkeit einer Steuer sich nicht alleine aus dem Gesetz ergibt, sondern von den Marktverhältnissen abhängt. Ob der Unternehmer die Steuer überwälzen kann, hängt von der „Preiselastizität“ der Nachfrage ab: Ist die Preiselastizität gering, dh der Markt bzw die Nachfrage reagieren auf eine Preiserhöhung nicht, dann kann die Steuer leicht auf den Abnehmer überwälzt werden (zB Grundnahrungsmittel). Bei Luxusgütern ist dagegen die Preiselastizität höher; eine Steuererhöhung lässt sich nicht unbedingt im Preis unterbringen.

3. Die drei Funktionen der Steuern

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Steuern erfüllen drei Funktionen (vgl Beiser, Steuern19, Tz 1):

Finanzierungsfunktion zur Finanzierung der Staatsausgaben (Primärfunktion),

Umverteilungsfunktion zum Ausgleich der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Steuerpflichtigen,

Lenkungsfunktion insbesondere zur Lenkung der Wirtschaft (zB Investitionsbegünstigungen), Spenden für bestimmte Zwecke.

Die Finanzwissenschaft, die sich mit den gesamtwirtschaftlichen Effekten der Besteuerung und ihren Auswirkungen auf die Volkswirtschaft beschäftigt, unterscheidet Steuern, Beiträge und Gebühren: Steuern sind Geldleistungen an Gebietskörperschaften ohne unmittelbare Gegenleistung; Beiträge sind Geldleistungen zur Errichtung bestimmter öffentlicher Einrichtungen im unmittelbaren Interesse der Beitragszahler (zB Kanalerrichtung, Straßen); Gebühren werden für bestimmte Dienstleistungen der öffentlichen Hand eingehoben (zB laufende Kanalgebühren). Der Gesetzgeber folgt nicht immer dieser Terminologie; zB sind die Gebühren nach dem Gebührengesetz finanzwissenschaftlich den Steuern zuzuordnen.

Zum Unterschied von der Finanzwissenschaft beschäftigt sich die betriebswirtschaftliche Steuerlehre mit den Steuerwirkungen auf den einzelnen Betrieb, zB unterschiedliche Besteuerung nach Wahl der Rechtsform.

4. Rechtsquellen des Steuerrechts

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Die wichtigste Rechtsquelle im Steuerrecht ist das Gesetz, hinzu kommen zahlreiche Verordnungen, meist aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigungen (zB Pauschalierungsverordnungen aufgrund des § 17 EStG); eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung ist allerdings nicht notwendig (Art 18 Abs 2 B-VG; zB Liebhabereiverordnung).

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Weitere Rechtsquellen ergeben sich aus dem Völkerrecht aufgrund der zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen.

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Zunehmende Bedeutung auch für das Steuerrecht hat das Europäische Gemeinschaftsrecht teils aufgrund umfangreicher Richtlinien, die der nationale Gesetzgeber umzusetzen hat (zB Mehrwertsteuer), vor allem aber auch aufgrund der Grundfreiheiten des EG-Vertrages (siehe dazu unten Tz 528 f).

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Richtlinien und Erlässe des BMF geben die Rechtsmeinung der Finanzverwaltung wieder; sie werden in der Regel auf der Homepage des BMF veröffentlicht. Richtlinien sind oft umfangreich, sie betreffen ganze Gesetze (EStR, KStR, UStR); Erlässe ergehen zu Einzelfragen. Richtlinien und Erlässe des BMF sind zwar in keiner Weise verbindlich (keine normative Bedeutung), doch halten sich die Finanzämter an sie wie an ein Gesetz. Daraus ergibt sich eine de facto normative Wirkung, allerdings ohne höchstrichterliche Kontrolle, weil der VwGH und der VfGH sich dafür nicht zuständig halten: Der VwGH berücksichtigt sie nicht, weil sie nicht im BGBl veröffentlicht sind, und der VfGH prüft sie nicht, weil/wenn sie formal keine normative Wirkung haben (nicht verbindlich sind).

Steuerrecht 2022

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