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Einleitung

Ein großer Teil unserer Kommunikation erfolgt digital. Wir verbringen täglich mehrere Stunden online und nutzen Smartphones, Computer, Tablets und selbst den Fernseher, um mit anderen Leuten zu kommunizieren. Die Internetnutzung erfolgt vorwiegend über mobile Geräte; wir haben das Internet buchstäblich in der Hosentasche. Bilder, Bücher, Musik und Videos konsumieren wir über Online-Plattformen direkt aus dem Netz. Viele Einkäufe oder das Buchen von Ferien erfolgen über das Internet. Dabei spielen soziale Netzwerke, Newsletter und Vergleichsdienste neben herkömmlichen Marketingkanälen wie etwa Printmedien oder Fernsehen eine wichtige Rolle. Kurz: Die digitalen Medien haben in den letzten Jahren unser Leben mit rasanter Geschwindigkeit verändert. Und noch ist kein Ende der Entwicklung absehbar: 3-D-Drucker, simultane Sprachübersetzung, intelligente Roboter oder selbstfahrende Autos sind nur Beispiele für die weitere Entwicklung, angetrieben durch die Digitalisierung.

Der Übergang von der Buch- zur Informationsgesellschaft macht vor der Schule nicht Halt. Früher lag ein Schwerpunkt ihrer Aufgaben auf der Bereitstellung und Vermittlung von Wissen durch die Lehrpersonen an die Schülerinnen und Schüler. Schulen und Bibliotheken waren Orte, an denen Informationen und Wissen zentral gesammelt und zugänglich gemacht wurden. Diese Rolle wird angesichts der heute im Internet zur Verfügung stehenden riesigen Datenmengen immer mehr obsolet. Die Lernenden haben fast jederzeit und überall Zugriff auf die «weltweite Bibliothek». Sie tragen die Bibliothek quasi unter dem Arm mit sich und der Kopf kann beziehungsweise könnte von der aufwendigen Arbeit des Wissenserwerbs entlastet werden. Informationsdienste wie Google und Online-Enzyklopädien wie Wikipedia erschließen uns ein Vielfaches von dem, was Schulen und Bibliotheken zu leisten vermögen, und sie sind zudem noch aktueller. Die reine Zugriffsmöglichkeit auf die gigantischen Datenmengen ist allerdings nur die Voraussetzung für das, was man unter Bildung oder Ausbildung verstehen kann. Der Grundauftrag der Schule ist gleich geblieben. Sie wählt Wissensbestände aus, sortiert und selektiert die Inhalte. Außerdem fördert sie die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu selbstständigen und verantwortungsvollen Persönlichkeiten.

Der einfache Zugriff auf die «weltweite Bibliothek» hat auch das Rollenbild der Lehrerinnen und Lehrer verändert. In den Mittelpunkt rückt zunehmend der Umgang mit Konzepten, Strukturen und Zusammenhängen. Dieser Wandel verunsichert viele Lehrpersonen. Wie viel Faktenwissen braucht jemand, um alltägliche Tätigkeiten ohne großen Aufwand erledigen zu können? Wie viel Anwender- und Konzeptwissen braucht es, um Informationsdienste wie Google und Wikipedia erfolgreich zu nutzen? Wie stark sollen die technologischen Entwicklungen im Unterricht Eingang finden? Führt die Digitalisierung, verbunden mit der ständigen Erreichbarkeit und der permanenten Informationsberieselung, nicht zur Ablenkung der Lernenden? Habe ich als Lehrperson überhaupt eine Chance, mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten?

Bei diesen Fragen setzt das vorliegende Buch an. Wir wollen Lehrerinnen und Lehrern Unterstützung bei ihrer Arbeit in einem digitalen Umfeld bieten. Die Schule bereitet junge Menschen auf die Zukunft vor. An diese Aufgabe darf sie nicht mit den Werkzeugen der Vergangenheit herangehen. Das Buch soll Mut machen, eine aktive Rolle einzunehmen, indem es aufzeigt, dass grundlegende Konzepte sowohl im Umgang mit Informationen und Wissen als auch beim Kommunizieren und beim Kooperieren in einer digital geprägten Gesellschaft weiterhin gültig sind. Wir sind davon überzeugt, dass die Schule in einer guten Ausgangslage ist, wenn es darum geht, die gesellschaftlichen Entwicklungen frühzeitig aufzunehmen. Wie kaum eine andere Institution steht sie Tag für Tag in engem Kontakt mit der heranwachsenden Generation und hat so die Chance und den Auftrag, die künftige Gesellschaft aktiv mitzugestalten.

An wen richtet sich das Buch?

Das Buch richtet sich in erster Linie an Lehrpersonen an Berufsfachschulen und Gymnasien. Viele Inhalte richten sich aber auch an Verantwortliche auf der Ebene Schulleitung und Bildungspolitik. Wir gehen davon aus, dass die Leserinnen und Leser den digitalen Medien und deren Einsatz im Unterricht offen, aber nicht unbedingt euphorisch gegenüberstehen. Wir richten uns also an Leserinnen und Leser, die sich nicht in Grundsatzdiskussionen über Chancen und Risiken von Computer und Internet im Unterricht verlieren, sondern die mobile digitale Endgeräte und das Internet als einen selbstverständlichen Teil der Schulinfrastruktur betrachten.

Was bietet das Buch?

Das Buch setzt sich mit der Frage auseinander, über welche Kompetenzen man in einer digital geprägten Gesellschaft verfügen muss, um am Arbeitsmarkt erfolgreich teilnehmen und sich im gesellschaftlichen und privaten Umfeld selbstbestimmt bewegen zu können. Diese Kompetenzen bezeichnen wir etwas salopp als digitale Kompetenzen.

Jedes Kapitel befasst sich mit jeweils einer von zehn Kompetenzen und macht sie zum Thema. Bei der Auswahl der Kompetenzen stützen wir uns insbesondere auf Empfehlungen aus dem 2011 erschienenen Bericht «Future Work Skills 2020» des «Institute for the Future» und auf den 2010 veröffentlichten Bericht «Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur» des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bei der Auswahl und Beschreibung der Kompetenzen stand für uns nicht die wissenschaftliche Herangehensweise im Vordergrund, sondern das Ziel, ein leicht verständliches und vom Umfang her auch lesbares Buch vorzulegen. Die beschriebenen Kompetenzen sind nicht neu und schon immer Ziel einer guten Allgemeinbildung gewesen. Immer wieder werden wir diesen Punkt betonen mit der Absicht, einen unaufgeregten Umgang mit dem Thema «Digitale Medien in der Schule» zu unterstützen.

In jedem Kapitel beschreiben wir zunächst eine Kompetenz und führen aus, warum sie unserer Meinung nach in der Informations- und Kommunikationsgesellschaft wichtig ist und an Bedeutung gewinnen wird. Anschließend zeigen wir auf, was das für die Schule heißt und welche Rolle den Lehrpersonen sowie den Schulbehörden dabei zukommt. Anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Themenbereichen wird veranschaulicht, wie die Kompetenzen im Unterrichtsalltag von Berufsfachschulen und Gymnasien gefördert und gefestigt werden können. Diese Beispiele dienen lediglich der Inspiration. Es bleibt Aufgabe der Leserin und des Lesers, eigene Überlegungen zur Kompetenzförderung zu entwickeln und auf die Unterrichtspraxis zu übertragen. Eines bleibt nämlich: Guter Unterricht lebt stark von der Persönlichkeit der Lehrperson.

Auf der Website www.digitalekompetenz.ch finden Leserinnen und Leser, die sich mit dem Thema eines Kapitels vertieft auseinandersetzen möchten, Empfehlungen für weitergehende Literatur und Literaturnachweise.

Was bietet das Buch nicht?

In diesem Buch setzen wir uns nicht mit der Frage auseinander, ob digitale Medien gut oder schlecht sind. Wir orientieren uns an der Realität. Digitale Medien prägen unsere Gesellschaft und haben im Schulzimmer Einzug gehalten. Die Entwicklung hin zu Kommunikation jederzeit und überall, also der Siegeszug mobiler digitaler Endgeräte wie etwa Smartphones und vielleicht bald Datenbrillen oder Datenlinsen, erfolgte nicht mit Blick auf die Schule. Es sind nicht wir Lehrerinnen und Lehrer, welche die technischen Entwicklungen bestimmen. Das mag man bedauern, aber wenn es um die Fähigkeit geht, sich in der Gesellschaft zu behaupten, kann diese Tatsache nicht ausgeblendet werden. Unser Umgang mit dieser Entwicklung, ob als Individuum oder als Gesellschaft, kann und soll von der Schule mitgeprägt werden. Angesichts ernst zu nehmender drohender Szenarien im Bereich Persönlichkeitsschutz und der Bedrohung traditioneller Freiheitsrechte sowohl durch private Unternehmen wie durch staatliche Stellen wird auch die Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien ein schulisches Thema bleiben.

Das Buch ersetzt nicht die Lektüre von Literatur zur Allgemeinen Didaktik. Wir gehen davon aus, dass die Leserinnen und Leser vertiefte Kenntnisse von der Planung und Gestaltung von Unterricht haben. Ebenso beinhaltet das Buch keine Listen von digitalen Werkzeugen, die sich für den Einsatz im Unterricht eignen, und auch keine Gebrauchsanweisungen für solche Werkzeuge. Erstens finden sich dazu unzählige Informationen im Netz und zweitens besitzen solche Empfehlungen meist nur eine sehr kurze Halbwertszeit.

Das Buch erhebt nicht den Anspruch, auf die aufgeworfenen Fragen und Probleme umfassende, wissenschaftlich abgestützte Antworten zu liefern. Wir sind davon überzeugt, dass es gerade in Fragen der Bildung nicht den Königsweg gibt. Ganz bewusst bedienen wir uns auch einer einfachen, verständlichen Sprache. Verständlichkeit ist eines der obersten Ziele guten Unterrichts. Die aktuelle Literatur zu Didaktik und Pädagogik nimmt unserer Meinung nach hier oft keine Vorbildfunktion ein.

Wie soll man in das Buch einsteigen?

Die Reihenfolge der einzelnen Kapitel ist beliebig und jedes Kapitel kann auch für sich allein gelesen werden. Wir empfehlen, dass man sich beim Lesen immer die Situation im eigenen Unterricht vergegenwärtigt. Wie ist das bei mir? Habe ich die gleichen Probleme? Wie bin ich bis jetzt mit diesen Problemen umgegangen? Und ganz wichtig: Bringen Sie als Leserin oder Leser Offenheit und Interesse mit, sowohl gegenüber den Entwicklungen rund um digitale Medien als auch gegenüber der jungen, vernetzten Generation. Sehr empfehlen können wir hier vorab die Lektüre von Michel Serres’ Essay «Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation». Der bekannte, 1930 geborene französische Philosoph setzt sich darin mit dem gesellschaftlichen Wandel zu Beginn des 21. Jahrhunderts auseinander. Tief greifende Veränderungen seien dadurch in Gang gesetzt worden, dass sich eine junge Generation völlig neu organisiere.

Wer sind die beiden Autoren?

Werner Hartmann hat Mathematik studiert, am Gymnasium in Baden (Schweiz) unterrichtet und sich anschließend an der ETH Zürich und der Pädagogischen Hochschule Bern in Forschung und Lehre mit ICT, Medien und Informatik beschäftigt.

Alois Hundertpfund hat Rechtswissenschaft studiert und war Lehrer an der Baugewerblichen Berufsschule Zürich sowie Dozent in der Lehrerbildung an der Universität Zürich und an der Pädagogischen Hochschule – stets mit Interesse an einer «What-works-Didaktik» unter Einbezug multimedialer Möglichkeiten.

Die Autoren danken Rémy Kauffmann, Amadeus Fetz und Beat Döbeli Honegger für Diskussionen und kritische Anmerkungen, Fiona Hasler für das sorgfältige Lektorat und die zahlreichen inhaltlichen Anregungen sowie Franziska Voigt für das gründliche Korrektorat.

Digitale Kompetenz (E-Book)

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