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Was muss ich wissen und können?

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Früher war es eine Selbstverständlichkeit, dass Lehrpersonen wussten, wie man den Zettelkatalog einer Bibliothek nutzt. Es wurde auch erwartet, dass die Schule die Lernenden in die Nutzung von Bibliotheken und Nachschlagewerken einführt. Heute ist es unabdingbar, dass Lehrpersonen umfassende Kenntnisse von Informationsdiensten im Internet besitzen. Der Fokus sollte dabei auf langlebigem Konzeptwissen liegen, weil die einzelnen Suchdienste ähnliche Funktionen anbieten, die sich im Laufe der Zeit kaum verändern. So bieten die meisten Suchdienste die Möglichkeit, eine Suche auf bestimmte Internet-Domains einzuschränken oder nur nach Dokumenten eines bestimmten Dateiformats (zum Beispiel PDF oder PowerPoint) zu suchen.

Das Beherrschen von Reduktionsstrategien gehört nicht nur zum Handwerk der Lehrperson, auch die Lernenden werden in ihren künftigen Tätigkeiten großen Informationsmengen ausgesetzt sein und daher diese Strategien benötigen. Das Vermitteln der Techniken zur Reduktion des «information overload» gehört zu den elementaren Aufgaben der Schule. Zusammenfassungen, Erinnerungs- und Arbeitsprotokolle bis hin zur Produktion von Spickzetteln oder die Visualisierung komplexer Sachverhalte via Infografiken sind geeignete Übungsmöglichkeiten.

Beispiele aus dem Unterricht

BEISPIEL 1 Informationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Quellen

Im allgemeinbildenden Unterricht setzen sich die Lernenden an einer Berufsfachschule mit der Kernkraft als Energiequelle auseinander. Die Klasse soll sich ein Bild von den physikalischen Grundlagen, dem technischen Betrieb eines AKWs, der Wirtschaftlichkeit, dem Gefahrenpotenzial, der Akzeptanz in der Bevölkerung und weiteren Aspekten machen. Die Fülle der Informationen im Internet zu diesem Thema ist gewaltig. Die Meinungen divergieren stark und es fällt den Lernenden schwer, sich zurechtzufinden. Gemeinsam mit der Lehrerin legen die Lernenden eine Vorgehensweise fest: Eine Gruppe soll mithilfe von Lehrmitteln aus der Schulmediothek Informationen zu den physikalischen und technischen Grundlagen der Atomenergie zusammenstellen. Sie soll zudem auf Videoplattformen recherchieren, ob es von einer Fernsehanstalt einen geeigneten Beitrag zum Thema gibt. Eine zweite Gruppe befasst sich mit wirtschaftlichen Fragestellungen und dem Gefahrenpotenzial von AKWs. Sie informiert sich im Internet bei Regierungsstellen, AKW-Betreibern und Greenpeace. Bezüglich der Akzeptanz in der Bevölkerung analysiert eine dritte Gruppe Artikel zum Begriff «Atomkraft». Sie stützt sich dabei auf Zeitungsartikel und auf verschiedene Sprachversionen der Wikipedia, wobei sie etwaige Diskussionsbeiträge miteinbezieht.

Die gewonnenen Erkenntnisse und die Ergebnisse werden auf einer A4-Seite als Text unter Einhaltung gewisser Vorgaben zusammengefasst und allen Klassenmitgliedern auf der gemeinsamen Lernplattform zur Verfügung gestellt.

An konkreten Themen aus dem Unterricht lassen sich die Methoden zur Informationsbeschaffung und -auswertung aufzeigen und in der Praxis üben. So erfahren die Lernenden, dass schon die Wahl der Informationsdienste je nach Fragestellung anders ausfallen kann und wie verschiedene Sichten auf ein Thema verglichen und analysiert werden können. Gleichzeitig kann auf wenig bekannte Funktionen gängiger Informationsdienste hingewiesen werden. So erlauben es die verschiedenen Sprachversionen der Wikipedia, sich bei umstrittenen Themen einen Überblick über kulturell oder gesellschaftlich unterschiedliche Sichtweisen zu verschaffen. Die in aller Regel sehr sorgfältig ausgewählten weiterführenden Weblinks am Ende eines Wikipedia-Artikels führen zu vertieften Informationen. Darstellungen eines Themas in Fernsehbeiträgen oder in populärwissenschaftlichen Zeitschriften können Anhaltspunkte dafür liefern, wie ein komplexes Thema auf die wesentlichen Punkte reduziert und anschaulich präsentiert werden kann.

BEISPIEL 2 Einen Sachverhalt kurz und bündig wiedergeben

Am Gymnasium beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler in den letzten drei Monaten mit Wahrscheinlichkeitsrechnung. Zur Wissenssicherung sollen sie in Gruppen die Kernaussagen dieses Teilgebiets der Mathematik in drei Versionen so zusammenfassen, dass die Aussagen von einer unbeteiligten Person in einer halben Stunde, in zehn Minuten oder in nur drei Minuten nachvollzogen werden können.

Die Lernenden packen diese Aufgabe ganz unterschiedlich an. Eine der Gruppen notiert zuerst in einem Brainstorming wichtige Aussagen. Anschließend werden diese Aussagen nach ihrer Bedeutung sortiert. Für die 30-Minuten-Version entscheiden sich die Lernenden für eine Zusammenfassung in Form eines Artikels. Jede Aussage wird dabei zuerst an einem konkreten Anwendungsbeispiel illustriert. Die 10-Minuten-Version wird in Form einer Präsentation mit Sprechkommentar festgehalten. Bei der 3-Minuten-Version entscheiden sich die Lernenden für ein an einen Comic angelehntes Stop-Motion-Video, das sie mit einem Autorenwerkzeug aus dem Internet relativ einfach erstellen können.

Es ist kein Zufall, dass die Produkte der beiden obigen Beispiele jeweils ein komprimierendes Element aufweisen. Die digitalen Medien bieten eine ganze Palette von Darstellungsmöglichkeiten, die einen Reduktionsprozess unterstützen. Von der klassischen Zusammenfassung über vertonte Präsentationen, Infografiken und Poster bis hin zu kurzen Videos oder Podcasts gibt es viele Darstellungsoptionen. Dabei steht immer die Überlegung im Vordergrund, welchen Inhalten eine zentrale Bedeutung zukommt.

BEISPIEL 3 Schülerinnen und Schüler tragen Begriffe zusammen

An der Berufsfachschule beschäftigen sich angehende Detailhandelsfachleute mit dem Thema Mehrwertsteuer. Anstatt den Begriff und das Prinzip der Steuer auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfung zu erläutern, lässt die Lehrerin die Lernenden die wichtigen Begriffe zuerst in fünfzehn Minuten selbst zusammentragen und beschreiben. Anschließend werden Unklarheiten gemeinsam diskutiert. Auch die Festsetzung der Steuersätze und die je nach Land und Produkten unterschiedliche Handhabung erschließen sich die Lernenden selbst. Diese Recherchearbeit lässt sich im Unterricht auch sehr einfach auf kleine Gruppen aufteilen.

BEISPIEL 4 Schülerinnen und Schüler recherchieren selbstständig

Ein Lehrer erteilt folgenden Auftrag: «Sie haben Kenntnisse von Kreisläufen in der Natur. Als Aufwärmübung verfassen Sie einen kleinen Text, in dem Sie einen natürlichen Kreislauf beschreiben. Falls Sie zuerst die Textform ‹Beschreibung› repetieren möchten, schauen Sie in Ihrem Sprachlehrmittel nach. Nach dem heutigen Unterricht können Sie einen einfachen Wirtschaftskreislauf zeichnen und die Teilnehmer benennen. Sie werden feststellen, dass in dieser modellartigen Darstellung zwei Ströme vorkommen, die Sie ebenfalls darstellen und zwar in verschiedenen Farben. Informationen dazu, was ein einfacher Wirtschaftskreislauf ist und welche Elemente er aufweist, finden Sie im Internet. Mit großer Wahrscheinlichkeit stoßen Sie auf eine Abbildung. Falls Letzteres zutrifft, haben Sie Zeit gewonnen und Sie können sich ausführlich über die Teilnehmer und die Ströme informieren. Wichtig ist, dass Sie nach dreißig Minuten in der Lage sind, einen einfachen Wirtschaftskreislauf zu skizzieren und ihn zu kommentieren.»

In der Schulzeit der meisten Lehrerinnen und Lehrer war der Unterricht noch oft von der Wissensvermittlung durch die Lehrperson geprägt. In den obigen beiden Beispielen hätten sie als Lernende nicht ohne weiteren Aufwand auf Informationen zur Mehrwertsteuer und zum einfachen Wirtschaftskreislauf zugreifen können. Diese Informationen wurden entweder von der Lehrperson übermittelt oder in einem Lehrmittel didaktisch aufbereitet und festgehalten. Vom Prozess des Recherchierens, der Selektion und der verständlichen Aufbereitung waren die Lernenden ausgeschlossen. Die Daten in den Lehrmitteln waren häufig nicht mehr aktuell oder nur als illustrierende Beispiele gedacht. Wir alle erinnern uns an Aufgaben zur Zinsrechnung mit völlig unrealistisch tiefen oder hohen Zinssätzen. Der Zugang zu Informationen gestaltet sich heute völlig anders und es ist wichtig, dass Lehrerinnen und Lehrer diese Möglichkeit im Alltag in Form von kleinen Unterrichtssequenzen nutzen. Nur so erwerben die Lernenden die wichtige Kompetenz, sich selbst zu einem Thema ein Bild zu machen.

BEISPIEL 5 Was stimmt nun wirklich?

Im Biologieunterricht entbrennt eine Diskussion zur Frage, ob ein Glas Rotwein pro Tag der Gesundheit zuträglich ist oder nicht. Immer wieder liest man von Studien, die eine präventive Wirkung im Zusammenhang mit HerzKreislauf-Erkrankungen belegen oder widerlegen. Die Lernenden argumentieren mit Studien, Blogbeiträgen und Medienberichten pro und kontra. Was stimmt nun wirklich? Der Lehrer schlägt vor, bei den einzelnen Stellungnahmen der Autorschaft und ihren Interessenbindungen nachzugehen. Schon nach wenigen Minuten melden die Schülerinnen und Schüler überraschende Ergebnisse: Hinter einem Blogbeitrag, welcher die präventive Wirkung eines Glases Rotwein in die Märchenwelt abschiebt, steht ein großer Pharmakonzern. Bei einer auf den ersten Blick sehr wissenschaftlich aussehenden Studie zeigt sich, dass die Studie nur über die Website einer nicht näher zu identifizierenden Institution zugänglich ist und in der Studie nur Publikationen dieser Institution referenziert werden. Und die auf einer Gesundheitsplattform zitierte «Amsterdam Heart Study» befasst sich gar nicht mit dieser Frage, sondern mit der präventiven Wirkung von sportlichen Aktivitäten auf Herz-Kreislauf-Krankheiten. Bei dieser Studie wurden die Probanden in verschiedene Gruppen aufgeteilt, unter anderem auch nach Kriterien wie dem täglichen Konsum von Alkohol.

Mit dem rasanten Anstieg an Informationen im Netz kommt der Überprüfung der Glaubwürdigkeit einer Quelle eine wichtige Rolle zu. Die digitale Form der Informationen und die mächtigen Informationsdienste ermöglichen es aber in vielen Fällen, die Autorschaft und die Stichhaltigkeit mit einfachen Mitteln zu prüfen. So lassen sich Interessenbindungen recherchieren oder die wissenschaftliche Relevanz einer Studie einordnen. Die Schülerinnen und Schüler lernen Quellenkritik als weiteren Filter bei der Bewältigung der riesigen Informationsmengen kennen.

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