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Mit der Digitalisierung einhergehend steht uns eine unüberschaubare Menge an Daten und Informationen fast überall und jederzeit zur Verfügung. Die Herausforderung besteht nicht darin, Zugang zu diesen Daten und Informationen zu erhalten, sondern darin, diese zu filtern und auf die relevanten Inhalte zu reduzieren. Das effiziente und effektive Recherchieren, das Unterscheiden zwischen wesentlichen und unwesentlichen Informationen und das Beurteilen der Stichhaltigkeit stellen heute Schlüsselqualifikationen dar. Wer sich nicht in der Belanglosigkeit des Internets verlieren will, muss sich zudem bewusst sein, dass der Zugang und Besitz von Informationen nicht mit Wissen und Erkenntnis gleichzusetzen ist. Gerade in der Schule zeigt sich, dass Arbeiten von Schülerinnen und Schülern oft sehr umfangreich und professionell gelayoutet werden, inhaltlich aber nur aus einer unstrukturierten Aneinanderreihung von mit Fleiß zusammengetragenen Informationen aus dem Internet bestehen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema, das Verknüpfen von Wissen aus verschiedenen Fachgebieten und eine Synthese, verbunden mit der Erzeugung neuen Wissens, finden nicht statt. Hier zeigt sich ein Paradigmenwechsel: War es in der Buchgesellschaft ein wichtiges Ziel, überhaupt genügend Quellen und Informationen zu erschließen, verlangt die Informationsgesellschaft die Fähigkeit zur Filterung, zur Reduktion und zur Vertiefung.

Bis zur Erfindung des Buchdruckes blieb der Zugang zu Informationen und damit zum Wissen auf einen kleinen, ausgewählten Kreis von Personen beschränkt. Mit dem Buchdruck vergrößerte sich dieser Kreis, verbunden mit Entwicklungen wie der Aufklärung, der Einführung von Schulen, der Demokratisierung sowie veränderten Machtgefügen. Allerdings blieb auch in der Buchgesellschaft das Publizieren von Büchern und Zeitschriften das Privileg von wenigen. In der Informationsgesellschaft kann fast jeder unkompliziert und nur mit geringen Kosten verbunden Informationen ins Netz stellen. Die Darstellung dieser Informationen beschränkt sich dabei nicht nur auf Text und Bild. Das Publizieren von Audio-Beiträgen und Videos bis hin zu 3-D-Objekten ist ohne großen Aufwand möglich. Für die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Schulen und für jeden Einzelnen von uns eröffnen sich neue, teilweise spektakuläre Möglichkeiten. Gleichzeitig birgt diese technische Entwicklung, wie andere vor ihr, neue Risiken.

Wir profitieren – nicht ohne Nebenwirkungen – von der uns heute zur Verfügung stehenden großen Informationsmenge. Ein gutes Beispiel dafür ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Sie stellt die herkömmlichen gedruckten Enzyklopädien bezüglich Umfang und Aktualität in den Schatten und ist für die meisten zum beliebten Nachschlagewerk geworden. Und die Risiken? Die unüberschaubare Menge an Informationen stellt uns vor große Herausforderungen. Im «Mitmach-Web» kann jeder mitschreiben und wir können uns nicht mehr auf eine vorgängige Selektion der Inhalte durch eine zentrale Redaktion – etwa eines Verlags oder einer Zeitschrift – verlassen. Die Stichhaltigkeit und der Wahrheitsgehalt von Informationen muss von uns selbst kritisch hinterfragt werden. Zudem ist die Gefahr groß, relevante Informationen im weltweiten Datenmeer zu übersehen. Zwar erleichtern uns die digitalen Medien den Zugang zu Informationen, sie erhöhen jedoch auch die Anforderungen an unsere Informationskompetenz massiv. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Wahl der Informations- und Kommunikationskanäle. Neben den klassischen Medien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen eröffnet uns eine Vielzahl weiterer Kanäle (zum Beispiel Blogs, soziale Netzwerke, Newsletter, Messenger-Dienste) den Zugang zu Informationen. Alle diese Kanäle aufmerksam zu verfolgen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Jeder Einzelne ist gefordert, eine Auswahl von Informationskanälen zu treffen. Neu ist das für uns nicht: die Unzahl an Fernsehprogrammen zwingt uns schon lange, uns auf einige wenige Sender einzuschränken, wenn wir uns nicht im Studium der Programmzeitschriften verlieren wollen. Neu ist aber, dass sich die Bedeutung einzelner Kanäle für uns rasch ändern kann. So müssen wir laufend entscheiden, welche Kanäle wir nicht weiter verfolgen wollen und welche neu dazukommen sollen. Jean Paul Sartre hat uns vor mehreren Jahrzehnten die Freiheit bereits als Phänomen geschildert, das uns dazu verdamme, ständig eine Wahl treffen zu müssen. Wer diesen Gedanken im letzten Jahrhundert noch als skurril empfand, wird heute und in Zukunft immer wieder erfahren, wie groß diese Verdammnis sein kann.

Beim Thema «Information und Wissen» geht es um die Kompetenzen, den Bedarf an Informationen zu erkennen, diese zu finden, zu beurteilen, zu speichern, zielgerecht zu verarbeiten, neu aufzubereiten und zugänglich zu machen. Für eine tiefer gehende Recherche reicht es nicht mehr, die nächstgelegene Bibliothek aufzusuchen und sich dort allenfalls noch von einer kompetenten Bibliothekarin beraten zu lassen. Die Suche muss auf verschiedenen Plattformen (institutionelle Angebote, Wikipedia, YouTube, soziale Netzwerke) erfolgen. Übersetzungsprogramme erschließen die Inhalte von fremdsprachigen Dokumenten. Das ist hilfreich, denn kompetentes Recherchieren erfordert oft Suchanfragen in mehreren Sprachen. Ausgeklügelte Informationsdienste wie etwa die Suchmaschine Google unterstützen beim Rechercheprozess. Diese Dienste nutzen aber in erster Linie statistische Verfahren, zum Beispiel die Häufigkeit des Vorkommens eines Suchbegriffs in einem Dokument oder die Popularität einer Website, um bei einer Suche möglichst relevante Treffer anzubieten. Eine wirkliche Interaktion zwischen Benutzer und Suchdienst erfolgt nur in geringem Maß. Die Gefahr ist groß, bei einer Suche wichtige Dokumente zu übersehen. Deshalb ist es wichtig, möglichst zielsichere Suchanfragen zu stellen und diese aufgrund der erhaltenen Resultate anzupassen oder präziser zu formulieren.

Gerade beim Formulieren von Suchanfragen zeigt sich: Je mehr Wissen man in einem Themenbereich besitzt, desto besser kann man die gesuchten Inhalte erahnen und gezielt spezifische Suchbegriffe verwenden. Die Aussage «Heute muss man nichts mehr wissen, man findet alles im Internet» kann nur jemand machen, der sich bei einer Suche mit ein paar zufälligen, oberflächlichen Fakten zufrieden gibt. Wissen unterstützt uns auch bei der Beurteilung von Informationen auf ihre Relevanz und ihren Wahrheitsgehalt hin. Ein Mediziner wird bei der riesigen Anzahl Treffer zur Suchanfrage «Prävention von Altersdiabetes» schnell die wissenschaftlich fundierten Informationen von den unzähligen von medizinischen Laien verfassten Dokumenten trennen können.

Digitale Kompetenz (E-Book)

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