Читать книгу Von den Meyerschen in die große, weite Welt ... - Werner Hetzschold - Страница 8

DIE LEHRERIN

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Ein flüchtiger Blick auf die Uhr genügt. Erleichtert atmet sie auf. Nur noch wenige Minuten! Dann ertönt die Klingel und erlöst sie von der Klasse 7 b. An diesem Tag ist sie froh, dass sie die Klasse 7 b in die Pause verabschieden kann. An diesem Tag war die Klasse 7 b besonders anstrengend, geradezu nervtötend. Wieder ertappt sie sich, dass sie die Klasse pauschal bewertet, dass sie verallgemeinert. Es ist nicht die Klasse 7 b, die stört, die unaufmerksam ist; es sind nur einige wenige Schüler aus der Klasse, die den Unterrichtsverlauf ständig unterbrechen, indem sie sich lautstark unterhalten, sich streiten, herumschreien. Dabei benutzen sie die Fäkaliensprache, wie sie den ihr verhassten Jargon der Jugend nennt.

„Ich bin zu alt, um diese multikulturellen Jugendlichen, denn Kinder sind sie eigentlich nicht mehr, so frühreif wie sie sind, zu bilden, zu erziehen. Ich sollte die Gelegenheit nutzen, das Angebot akzeptieren, Gebrauch davon machen und mit 62 Jahren meine passive Phase genießen, herumreisen … Wer weiß schon, wie viele Jahre mich noch erwarten?

Während ihr diese Gedanken durch den Kopf schwirren, gibt sie eine Zusammenfassung der Unterrichtsstunde, diktiert das Tafelbild, das sie im Kopf hat. Nicht länger mehr gestalten sie ein Tafelbild, das nur abgeschrieben werden muss. Vielmehr will sie erreichen, dass die Jugendlichen ihr zuhören, mitdenken, mitarbeiten, selbstständig mitschreiben, aber am Ende jeder Unterrichtsstunde gibt sie eine Zusammenfassung. Ihre Schüler sind mit diesem Ritual vertraut.

Es klingelt. Lärmend verlassen die ihr Anbefohlenen den Klassenraum. Gedankenverloren starrt sie auf das Klassenbuch, grübelt über das Pro und Kontra ihres immer wieder gefassten Entschlusses nach, wägt ab. Ihre Gedanken weichen der Fantasie, die sie in die Ferne führt. Bilder, viele freundliche Bilder tauchen auf. Sie glaubt die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren. Ein wolkenloser blauer Himmel strahlt sie an. Ihre Zehen wühlen sich in den Sand … Sie durchwandert die Städte und Stätten, von denen sie bereits als Kind geträumt hat.

Ein durchdringender Schrei reißt sie aus ihren Träumen, konfrontiert sie unvermittelt mit der Gegenwart, mit der Realität. Kevin, der als einziger Schüler, von ihr unbemerkt, im Raum verblieben war, stürzt mit lautem Gebrüll aus dem Klassenraum, immer wieder den Satz wiederholend: „Sie hat mich geschlagen!“

Ihr fehlen die Worte. Sie erstarrt; gleichzeitig spürt sie, wie ihr Herz zu rasen beginnt. Sie weiß, dass sie erhöhten Blutdruck hat. Sie hat Angst, ohnmächtig zu werden. Ihr Körper sinkt auf den Stuhl. Und noch immer ist das Geschrei zu hören: „Sie hat mich geschlagen!“ Nicht nur Kevin brüllt. Andere Jungen folgen seinem Beispiel, wiederholen, sich gegenseitig an Lautstärke überbietend, den Satz: „Sie hat mich geschlagen!“ Wie ein Lauffeuer breitet sich dieser Satz im Schulhaus aus. Sie spürt ein Stechen in der Brust. Nicht länger kann sie sitzen. Sie erhebt sich. Ihr wird übel. Die Füße versagen den Dienst. Sie muss sich setzen. Sie hockt auf dem Stuhl wie eine alte Frau. Noch immer gellt ihr dieser Schrei in den Ohren: „Sie hat mich geschlagen!“ Sie begreift nicht. Wie kommt dieser Junge dazu, immer wieder, sich an Lautstärke überbietend, diesen einen Satz nur zu schreien: „Sie hat mich geschlagen!“ Warum muss ihr das passieren? Eine tiefe, unheimliche Stille umgibt sie. Nur schwach vernimmt sie die Stimmen der Kinder auf dem Schulhof.

Die Tür öffnet sich. Vor ihr steht der Direktor. Sie mag ihn nicht. Und hinter dem Direktor dessen Stellvertreterin. Und dann schiebt sich noch die Personalrätin in das Zimmer. Weder die Stellvertreterin noch die Personalrätin mag sie. Die Lehrerin weiß, dass diese Drei eine Allianz bilden und dass diese Drei sie auch nicht mögen. Sie spürt so etwas, auch wenn keiner darüber offen spricht. Viele Jahrzehnte des Lehrerdaseins haben ihre Sinne geschärft. Sie bleibt unbeweglich sitzen, hebt nur leicht den Kopf. Die Augen der drei Eindringlinge sind auf sie gerichtet, mustern sie. Ihre Blicke bohren sich in ihre Seele, als wollten sie ergründen, was in ihr vorgeht. Schweigend nehmen die Drei ihr gegenüber Platz. Teilnahmslos blickt sie in ihre Gesichter. Ihr Verstand signalisiert Vorsicht. Sonst, wenn die Drei ihr begegneten, allein oder wie heute in Form einer Allianz, reichten sie die Hand. Händeschütteln gehört zum Begrüßungszeremoniell. Es ist ein Ritual. das alle Kolleginnen und Kollegen befolgen, obwohl – davon ist sie überzeugt - alle wissen, dass es keine Bedeutung hat, oder vielleicht die, die der Direktor in jeder Sitzung stereotyp wiederholt: „Wir sind ein Team, ein Kollektiv. Wir treffen gemeinsam die Entscheidungen.“ Dabei weiß sie nur zu gut, dass ausschließlich er die Entscheidungen trifft. Das Kollektiv hat sie nur abzusegnen.

„Was ist hier vorgefallen“, erkundigt sich der Direktor. Dabei versucht er Blickkontakt mit ihr aufzunehmen.

Ruhig, auf jede Überraschung gefasst, schaut sie ihm in das Gesicht.

„Wir möchten wissen, was vorgefallen ist“, wiederholt die Stellvertreterin die Frage. „Wir wollen nur die Wahrheit herausfinden“, ergänzt die Personalrätin.

„Nichts ist vorgefallen, einfach nichts“, sagt die Lehrerin, dabei jede Silbe betonend.

„Es muss doch etwas vorgefallen sein“, bohrt die Personalrätin weiter. „Der Junge wird doch nicht ohne Grund herumschreien, sie hat mich geschlagen.“

„Ich weiß nicht, warum er das getan hat“, antwortet vollkommen ruhig die Lehrerin. „Ich weiß es nicht. Ich habe ihm nichts getan. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er sich noch im Klassenraum aufhält. Ich war mit dem Klassenbuch beschäftigt, mit Eintragungen. Erst als er laut schrie, bemerkte ich seine Anwesenheit. Er schrie, während er aus dem Raum stürzte. Ich hatte keine Gelegenheit, keine Chance, auch nur ein einziges Wort an ihn zu richten. Ich vernahm immer nur den einen Satz: Sie hat mich geschlagen. Und dann schrie ein ganzer Chor: Sie hat ihn geschlagen!“

„Und was haben sie dann getan?“ Der Direktor lässt sie nicht aus den Augen, während er diese Frage an Sie richtet.

„Ich war unfähig, etwas zu tun“, gesteht sie. „Es war so furchtbar, so schrecklich. So völlig unerwartet traf es mich. Ich fühlte mich wie gelähmt. Ich konnte mich nicht von der Stelle rühren. Ich blieb auf diesem Stuhl sitzen!“

„Irgendetwas muss doch mit dem Jungen geschehen sein. Ohne Grund wird er nicht schreien!“ Die Stimme der Stellvertreterin klagt an.

„Ich habe dem Jungen nichts getan“, wiederholt die Lehrerin mit monotoner Stimme.

„Es muss aber irgendetwas passiert sein. Der Direktor wird ungeduldig. „Ich ersuche Sie, ich fordere Sie auf, uns die Wahrheit zu sagen, uns nichts zu verschweigen. Wir müssen aussagefähig sein. Ich befürchte das Schlimmste!“

„Ich kann doch nicht etwas gestehen, was ich nicht getan habe.“ Die Lehrerin spürt den Druck auf ihrem Herzen. Sie hat Angst, ohnmächtig zu werden.

„Es wird gleich klingeln“, sagt die Stellvertreterin. „Uns alle erwartet die nächste Unterrichtsstunde.“

Sie lassen sie allein im Raum zurück. Sie spürt, wie ein Zittern ihren Körper erfasst. Je mehr sie versucht, ihren Körper unter Kontrolle zu bringen, umso mehr nimmt ihre Erregung zu. Sie spürt, wie der Schweiß aus sämtlichen Poren ausbricht, ihren Körper bedeckt. Der Schweiß läuft über ihr Gesicht. Die Taschentücher reichen nicht aus, um die Haut trocken zu reiben. Der Schweißausbruch nimmt zu, je mehr sie ihn bekämpft. Ihre Hände zittern noch immer. Sie hat Furcht, dass die Schüler es bemerken, sobald sie den Raum betreten. In ihrem Kopf wirbeln die Gedanken durcheinander. Sie ist nicht länger in der Lage, ihren Denkprozess zu steuern. Sie erhebt sich von ihrem Stuhl. Panik erfasst sie, weil sie jeden Augenblick damit rechnet, dass ihr die Füße, die Beine den Dienst versagen. Ihre linke Hand greift nach der Aktentasche. Schwer ist sie. Mit unsicheren Schritten wankt sie zur Tür, greift zaghaft nach der Klinke. In dem Augenblick wird die Tür aufgestoßen. Die Schüler strömen in den Raum, entdecken erst jetzt ihre Lehrerin.

„Ist Ihnen nicht gut?!!“ Alle Schüleraugen sind fragend auf sie gerichtet.

„Ich fühle mich nicht wohl“, hört sie sich sagen.

„Dann müssen Sie nach Hause gehen, sich ins Bett legen“, entscheiden die Schüler.

„Das werde ich wohl tun müssen!“ Sie hat den Eindruck, ihre Stimme klingt fremd und kläglich. Jede Dynamik ist aus ihr gewichen.

Sie verlässt den Klassenraum, obwohl sie weiß, dass sie die Klasse nicht unbeaufsichtigt zurücklassen darf. Sie taumelt den jetzt menschenleeren Flur entlang. Als sie die breite Treppe erreicht, hält sie kurz inne. Wild pocht ihr Herz. Sie spürt den Herzschlag in den Schläfen. Vorsichtig nimmt ihre rechte Hand Kontakt mit dem Treppengeländer auf, krallt sich fest. Tief atmet sie durch. Behutsam steigt sie Stufe um Stufe abwärts. Krampfhaft umschließt ihre linke Hand den Henkel der Aktentasche. Ihr kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis sie den letzten Treppenabsatz erreicht hat. Sie wendet sich nach rechts. Dort befinden sich das Sekretariat, die Dienstzimmer des Direktors, der Stellvertreterin. Zaghaft klopft sie an die Tür zum Sekretariat, öffnet sie langsam, betritt unsicher den Raum, steht vor dem Direktor und dessen Stellvertreterin.

„Ich fühle mich nicht wohl“, hört sie sich sagen.

Drei Augenpaare sind auf sie gerichtet, tasten sie von oben bis unten ab, überprüfen ihren Gesundheitszustand. Ihre Angst weicht der Wut. Sie will schreien: Was glotzt ihr mich so an! Aber sie hat weder die Kraft noch den Mut dazu.

„Was ich nur sagen wollte …“ Sie bemüht sich, ihre Erregung unter Kontrolle zu bringen, „ist die Tatsache, dass ich den Arzt aufsuchen muss. In diesem Gemütszustand kann ich nicht unterrichten. Sie müssen mich entschuldigen.“

„Gerade habe ich einen Anruf vonseiten des Schulamtes erhalten“, sagt der Direktor. „Ihr Vorkommnis ist bereits bis dorthin gelangt. Ich bin überzeugt, es wird noch weitere Kreise ziehen. Die Eltern der Schüler sind nicht untätig geblieben. Anwälte haben sie eingeschaltet, wollen sich an die Presse wenden, an den Oberbürgermeister, an die Öffentlichkeit. Sie sind erledigt. So scheint es.“

Sie unternimmt keinen Versuch, sich zu verteidigen. Sie verabscheut die drei Augenpaare, auch wenn die Augen der Sekretärin nur Ohnmacht und Ungläubigkeit widerspiegeln. Und Mitleid. Sie ist entlassen. Sie verlässt das Sekretariat wortlos. Sie spürt eine tiefe, unheimliche Stille in sich. Sie verlässt das Schulgebäude. Niemand hält sie zurück. Sie überquert den Hof. Einsam und verlassen erscheint er ihr wie eine unendliche Weite. Sie läuft und läuft, mit sich und ihren Ängsten allein gelassen. Alles erscheint ihr wie ein böser Traum, aus dem sie noch nicht erwacht ist. Sie steht vor ihrem Fahrzeug, öffnet die Türen, verstaut ihre gewaltige Aktentasche im Kofferraum, vergräbt sich hinter dem Lenkrad, zögert, steckt den Schlüssel in das Schloss, wartet. Eine grenzenlose Traurigkeit überfällt sie, der sie hilflos ausgeliefert ist. Sie kann keinen klaren Gedanken fassen. Erst protestiert das Hirn, dann meldet es Insolvenz an. Nun flüchtet es sich in üble Kopfschmerzen. Sie schließt die Augen. Wie ein Horror-Film läuft die unmittelbare Vergangenheit vor ihren Augen ab, bedrohlich und fremd. Keinen Einfluss kann sie auf den Film nehmen, der sie zu zerbrechen droht.

„Warum ausgerechnet ich!“, schreit e aus ihr heraus. „Was habe ich nur dem Jungen getan! Warum straft er mich so?! Warum werde ich so behandelt?! Welche Gründe gibt es dafür? Wieso kommt der Junge dazu, in die Welt hinauszuschreien, dass ich ihn geschlagen habe? Nicht einmal angefasst habe ich ihn! Keinem meiner Schüler bin ich jemals zu nahe gekommen! Immer hielt ich Abstand! Und jetzt das!!! Warum gerade ich?“

Sie weint. Langsam fließen die Tränen. Dann schüttelt sie ein Weinkrampf. Nicht mehr stoppen kann sie die Tränen. Aus ihr schreien die Verzweiflung, die Hilflosigkeit, die Ohnmacht.

„Was kann sie gegen diese bösartige Verleumdung tun? Nichts! Alle glauben dem Jungen. Nicht ihr! Sie ist die Angeklagte. Sie wird verurteilt. Sie ist diesen Mächten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die Maschinerie der Behörden läuft bereits auf Hochtouren. Diese Maschinerie wird sie erbarmungslos zermalmen. Sie weint und weint. Langsam fühlt sie, wie die Erleichterung über sie kommt. Langsam wird sie ruhiger, kann ihre Gedanken wieder ordnen, gewinnt wieder die Macht über sich. Sie blickt in ihren Spiegel, wischt die Tränen ab, greift zum Lippenstift, verschönt ihr Gesicht.

„Ich muss jetzt handeln!

„Sie startet das Fahrzeug. Langsam verlässt das Fahrzeug den Schulhof, wählt die Richtung zu ihrem Hausarzt. Ihr Doktor versteht sie, beruhigt, schreibt sie arbeitsunfähig, versichert, dass sich alles aufklären wird.

In ihre Wohnung zurückgekehrt, beschleicht sie die Angst der Einsamkeit. Früher war sie glücklich, dass sie ihre Wohnung, ihr Leben mit niemandem teilen musste. Jetzt bedrückt sie die Stille. Sie muss gegen diese unheilvolle, geheimnisvolle Stille ankämpften, die von ihrer Seele Besitz ergreift. Sie sucht den Kühlschrank auf, hält die Flasche Wodka in den Händen, nimmt sich ein Glas, gießt ein, zögert. Noch nie in Ihrem Leben hat sie um diese Tageszeit Alkohol zu sich genommen. Sie sucht Zuflucht in ihrem Sessel. Ihre Hand zittert. Sie nimmt einen Schluck, fragt sich, ob der Genuss von Alkohol die Lösung bringt.

Er bringt sie nicht, meldet sich der Verstand, gleichzeitig aber, verkündet er, findest du Vergessen.

Oder die Ängste verwandeln sich in Depressionen, mischt sich die Vorsicht ein.

Sie trinkt. Sie trinkt ein Glas, zwei Gläser. Dann geht sie in das Wohnzimmer, legt sich auf die Couch, schläft ein. Das Telefon reißt sie aus ihrem Schlaf. Sie vernimmt die Stimme des Direktors. Sie hört sich an wie immer, keinen Widerspruch duldend: „Ihr Vorkommnis hat die Öffentlichkeit alarmiert. Wie konnten Sie sich als Pädagogin zu so einer Tat hinreißen lassen. Mit einem Disziplinarverfahren müssen sie rechnen, eventuell auch mit einer Geldbuße. Wie konnte Ihnen nur dieser Fehler nach vier Jahrzehnte langer Tätigkeit als Lehrerin passieren? Ich kann für Sie nichts tun?

Sie legt auf, kleidet sich aus, verkriecht sich in ihrem Bett, versinkt in einen tiefen Schlaf. Als sie erwacht, fühlt sie sich besser. Sie nimmt ein Entspannungsbad, wie sie es das letzte Mal vor einer Ewigkeit getan hat. Stunden bleibt sie in der Wanne liegen, spürt, wie die Lebensgeister zurückkehren. Sie sollte sich öfters ein Entspannungsbad leisten. Sie sollte mehr für sich selbst tun, statt für andere da zu sein. Sie genießt ihre Arbeitsunfähigkeit.

Sie muss der Einladung des Schulamtes zu einem klärenden Gespräch Folge leisten. Den Empfang des Briefes hatte sie per Unterschrift bestätigen müssen. Sie hält den Schriftsatz in den Händen, die unvermittelt zu zittern beginnen. Schweiß bricht aus, überzieht ihren Körper mit einer feuchten Schicht. Tropfen bilden sich, laufen an ihrem Körper herab. Atemprobleme stellen sich ein. Ihr schmerzt der Kopf. Die Angst mutiert zur Furcht, zum Horror. Sie gerät in Panik. Mit Schrecken denkt sie an die bevorstehende Nacht. Wieder wird sie sie schlaflos überstehen müssen. Sie wird sich von einer Seite ruhelos auf die andere wälzen, wird das Fenster aufreißen, weil ihr so heiß ist, dass sie zu ersticken droht. Sie wird die Kühle der Nacht auf ihrer Haut spüren, gleichzeitig wird sie Angst haben sich zu erkälten. Sie wird das Fenster schließen. Schon viele Male hat sie dieses Procedere erlebt. An Schlaf ist nicht zu denken. Die Gedanken überschlagen sich, lassen sich nicht ordnen, spielen verrückt. Es wird eine schlimme, eine böse Nacht werden. Am Morgen wird sie wie gerädert sein.

Sehr früh ist sie aufgestanden. Das Nachthemd legt sie zum Trocknen auf den Wäschekorb. So verschwitzt kann sie es unmöglich zu der anderen Wäsche packen. Während sie duscht, überlegt sie krampfhaft, was sie anziehen soll. Sie kann sich nicht entscheiden. An Frühstücken ist nicht zu denken. Die Unruhe in ihr drängt.

„Lass dich nicht unter Druck setzen!“ Jetzt rede ich schon mit mir selbst. So weit ist es gekommen!

Sie steht vor der Tür zum Zimmer des Direktors, klopft an. Der Summer ertönt. Ein leichter Druck. Die Tür öffnet sich. Vor ihr sitzt hinter einem langen Tisch die Kommission der Ankläger.

„Bitte nehmen Sie Platz.“ Der Direktor zeigt auf den einzelnen Stuhl inmitten des Raumes.

Sie zieht ihren Mantel aus.

Die Augen der Kommission sind weit aufgerissen. Sprachlos starren sie ihre Richter an. Sie singt, laut und deutlich: „Wacht auf Verdammte dieser Erde …“ Ihr FDJ-Hemd leuchtet wie ein azur-blauer Himmel.

Von den Meyerschen in die große, weite Welt ...

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