Читать книгу Kein Wissen ohne Glaube - Werner Kinnebrock - Страница 5

Einleitung

Оглавление

Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich.

Victor Hugo

Im Jahr 2013 brachte das Magazin Der Spiegel in einer Sonderausgabe eine Übersicht über Religion und Glauben. Wer das Inhaltsverzeichnis der Ausgabe las, hatte das Gefühl, sich in einem Supermarkt zu befinden. In bunten Spalten (Regalen) gab es Angebote mit den Aufschriften: Christentum, Islam, Buddhismus, Judentum, Katholizismus, Protestantismus, Freikirchen, ganzheitliche Astrologie. Und natürlich Esoterik in allen Variationen. Der interessierte Leser konnte auswählen, welche Sparte seinen Bedürfnissen am meisten entsprach. Glaube als Mitnahmeartikel. Es fehlte nur der „Warenkorb“.

Aber was ist überhaupt Glaube?

Der Begriff Glaube umfasst vieles und lässt sich nicht allein auf religiöse oder weltanschauliche Ansichten reduzieren – auch in der Wissenschaft gibt es unzählige „gesicherte Fakten“, die nie bewiesen werden konnten und lediglich auf dem Konsens einer Gemeinde von Fachgelehrten beruhen. Zudem fällt auf, wenn wir in die Wissenschaftsgeschichte schauen, dass Objektivität ein zeitabhängiger Begriff ist. Was gestern „objektiv richtig“ war, kann heute falsch sein. Ein Dilemma, das dem Glauben Raum gibt und ihm gewissermaßen Tor und Tür öffnet. Auch politischen Programmen und Entscheidungen liegen, was man sich kaum bewusst macht, oft nur geglaubte und nicht beweisbare Inhalte zugrunde. In diesem Sinne ist es gar nicht so abwegig, wenn Parlamentsdiskussionen – überspitzt formuliert – bisweilen wie Glaubenskriege erscheinen, die gern mit viel Rhetorik und Aggression ausgetragen werden.

Solche Beobachtungen werfen die Frage auf, ob ein Mensch überhaupt ohne Glauben leben kann. Was geschähe, stützte er sich allein auf gesichertes Wissen? Wäre er da nicht wie ein Roboter, der in unvorhergesehenen Situationen völlig hilflos ist?

Der Mensch reagiert anders. Er wird versuchen, sich dem Unbekannten anzunähern, und diese Suche nach einer Neuorientierung führt fast zwangsläufig zu Glaubensinhalten. Der Grund: Unsere Wissensbasis allein ist einfach zu dürftig, um für alle Lebenssituationen Bewältigungsstrategien und Sicherheit zu bieten. Mehr noch: Unser Wissen steht zu unserem Unwissen in einer Relation, die in Ziffern ausgedrückt eine verschwindend kleine Zahl ergeben würde.

Was wiederum die Frage aufwirft, wie weit wir mithilfe von Erfahrung und Wissenschaft eigentlich in die Erkenntnis von Wahrheiten eindringen können. Es gibt Grenzen, wo das gesicherte Wissen aufhört und der Glaube beginnt, doch es gibt sogar Wissenschaften, die diesem Bereich begrenzten Verstehens zuzuordnen sind wie Quantenmechanik und Chaostheorie. „Wer sich nur auf den Verstand verlässt, kommt aus dem Elementaren nicht heraus“, hat der dänische Philosoph Sören Kierkegaard es einmal auf den Punkt gebracht.

Die Grenzen, die unserem Wissen und Verstehen gesetzt werden, sind nicht allein rational, sondern auch kognitiv bedingt, denn unser neuronal arbeitendes Gehirn entstand während der Evolution als Instrument der Selbsterhaltung, nicht der Welterkenntnis. Und möglicherweise sind unserem Verstehen sogar Grenzen gesetzt, die nie überschritten werden können.

Ein schier unerschöpfliches Thema, doch es ist nicht unbedingt das, woran wir zuerst denken, wenn das Stichwort „Glaube“ fällt. Die weltanschaulich-religiöse Sicht, um die es hier vor allem geht, wird nicht weniger kontrovers diskutiert als die Grenzen der Wissenschaft. Nicht zuletzt die Frage, was man sich unter Gott und einem Weiterleben nach dem Tod vorzustellen hat. Gerade in diesem Zusammenhang holt man gerne die wissenschaftliche Keule hervor. Erst seit beispielsweise die ersten Nahtoderfahrungen publiziert wurden, ist man bereit, Dinge zuzulassen, die sich unserem Begreifen entziehen und allen scheinbaren Gewissheiten widersprechen.

Bilder für das Unbekannte zu finden, das sich jenseits unserer Erkenntnis in nicht einsehbaren Wirklichkeiten verbirgt – das leistet der Glaube. Die uns bekannten Religionsstifter befassten sich alle mit diesem nicht Fassbaren, schufen Modelle, die Anhänger fanden und die die Welt veränderten.

Es bildete sich der Begriff „Transzendenz“ heraus.

Transzendenz kann jedoch nicht erkannt, sondern bloß erahnt werden. Sie ist nur in Bildern und Gleichnissen beschreibbar, sagte einst der Physiker Werner Heisenberg, der sich viel mit dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion beschäftigte. Was indes nicht heißt, dass dahinter keine echte Wirklichkeit verborgen ist. Ihm verdanken wir ebenfalls das folgende, ebenso launige wie weise Zitat: „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grunde des Bechers wartet Gott.“

Was glauben Sie?

Lassen Sie sich ein auf eine spannende Reise in den Grenzbereich zwischen Wissen und Glauben.

Kein Wissen ohne Glaube

Подняться наверх