Читать книгу Der Planet der Weltentore: Die Raumflotte von Axarabor - Band 206 - Wilfried A. Hary - Страница 6

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Am Anfang war es nur ein relativ kleiner Riss, wie ein Blitz gezackt, nicht dicker als ein kräftiger Strich, somit kaum sichtbar und dennoch irgendwie bedrohlich in seiner grenzenlosen Schwärze.

Nicht irgendwo am Boden oder an einer Felswand, nein, überhaupt nicht an so etwas wie fester Materie, sondern direkt über den Köpfen der Bewohner einer kleinen Saonidensiedlung mit Namen Tschuro am Rande des Meeres Kruhl, was in der Sprache der Saoniden so viel wie Unendlichkeit hieß. Weil die Saoniden die Meinung vertraten, dieses Meer hätte kein Ende. Es würde bis in alle Unendlichkeit hinein reichen.

Dass man nicht bis an dieses Ende sehen konnte, dafür hatte Gott SAO selbst gesorgt. Denn Gott SAO war nicht irgendwer, sondern er war die Welt selbst, die als seine wahren Kinder die Saoniden geboren hatte.

Als die ersten Saoniden den Riss endlich gewahrten, war er schon etwa zwanzig Zentimeter lang, immer noch wie ein Blitz gezackt und inzwischen einen geradezu winzigen Spaltbreit geöffnet, was eben jene geradezu vollkommene Schwärze deutlich genug gegen den hellen Tageshimmel abhob, um sie sichtbar zu machen.

Unruhe entstand in der Siedlung. Alle strömten herbei, sofern sie nicht gerade draußen auf dem Meer waren, das sie mit ihrer Grundnahrung versorgte, nämlich Fischen und anderen Meeresfrüchten.

Sogar die wenigen Bauern, die ihre Felder außerhalb des Dorfes bestellten, wurden von den alarmierenden Gedankenimpulsen der Mitbürger herbeigerufen.

Als auch sie schließlich die bewusste Stelle erreichten, inmitten der kleinen Saonidensiedlung, direkt über dem Dorfplatz, war der Riss bereits auf einen halben Meter heran gewachsen.

Die Saoniden standen herum und fürchteten sich. Wegen der vollkommenen Schwärze in dem Riss, der sich jetzt auf die Dicke eines Mittelfingers verdickte. Bei einer Länge, die ebenfalls noch wuchs.

Nur einer unter ihnen wusste, worum es sich dabei handelte – handeln musste: Heilkundiger Sohmal. Zumindest tat er so, als hätte ihm SAO bereits mitgeteilt, welches Unheil dieser Riss über ihren Köpfen bedeutete, und mit seinen Gedanken teilte er es allen Umstehenden mit, wie es bei den Saoniden üblich war. Diese kleingedrungenen, geschlechtslosen Gesellen hätten einen zufällig hierhergekommenen Menschen wohl an sogenannte Urmenschen erinnert. Zumindest was ihre Physiognomie und ihre starke Behaarung betraf. Doch sie waren keineswegs Vorläufer derer, die sich die eigentlich Intelligenten nannten, sondern sie waren längst schon auf einer höheren Stufe ihrer Entwicklung angelangt. Obwohl sie niemals so etwas wie eine Lautsprache entwickelt hatten. Somit auch keine Schrift oder irgendwelche künstliche Kommunikationsmöglichkeiten. Denn dafür hatten sie ja ihre Gedankenkraft, mittels derer sie sich jederzeit innerhalb der Gemeinschaft austauschen konnten, auch auf größere Entfernung hin.

Probleme mit der Verständigung gab es nur, wenn fremde Saoniden das Dorf besuchten, was nur eher selten vorkam, weil Saoniden gemeinhin nicht gerade reisefreudig waren. Sie liebten vielmehr ihre unmittelbare Umgebung und hatten kaum jemals Interesse daran, ihre nähere Umgebung geschweige denn die übrige Welt zu erforschen.

Zumal ihr Glaube eher dem entgegen sprach:

Gott SAO war ja ihre Welt. SAO hatte sie als seine liebsten Kinder erschaffen, und er mochte es nicht, wenn sie den unmittelbaren Ort ihrer Geburt verließen.

Von diesen wenigen Ausnahmen unter den Saoniden einmal abgesehen. Die tatsächlich von Ort zu Ort reisten, dabei allerlei Unbilden in Kauf nahmen, losgelöst von dem, was man auf SAO Zivilisation nannte, womöglich wilden Tieren begegnend unterwegs, die durchaus auch einmal Appetit auf Saonidenfleisch entwickeln konnten.

Und niemand hatte wirklich etwas gegen sie. Ganz im Gegenteil: Man lauschte gern ihren Geschichten, obwohl jedem klar war, dass sie dabei nicht viel Wahres zu hören bekamen. Sobald es einmal so weit war, dass sich der fremde Saonide sich ihrer Gedankengemeinschaft soweit angepasst hatte, um überhaupt verstanden werden zu können.

Es war ein lautloses Hören, und jeder, der wollte, konnte dem lauschen. Bis der reisende Saonide wieder dem Dorf den Rücken kehrte, wo er vorübergehend Schutz, Unterkunft und auch Rundumversorgung genossen hatte, im Austausch zu seinen spannenden Geschichten.

Der Heilkundige Sohmal, der immer Sohmal hieß, sobald er dieses Amt übernahm, behauptete, die Reisenden wären von SAO sozusagen persönlich genehmigt, reisen zu dürfen. Als einzige Ausnahmen. Bevor noch jemand auf die Idee kam, sein Dorf zu verlassen, um ebenfalls ein Reisender zu werden. Was der Heilkundige allerdings nicht in jedem Fall verhindern konnte, denn der eine oder andere Saonide verließ dann vielleicht doch noch irgendwann die Gemeinschaft und holte sich die angebliche Genehmigung seines Gottes halt nachträglich ein.

Eine Gemeinschaft jedenfalls, die immer gleich blieb in ihrer Anzahl. Die Saoniden alterten ja nicht, und weil sie ungeschlechtlich waren, gab es auch keine Kinder. Bis einer von ihnen dennoch starb, vielleicht während eines unerwarteten Sturmes, der sein Fischerboot zerschmetterte, oder bis eben einer ganz ausnahmsweise von der unbändigen Reiselust gepackt wurde und das Dorf verließ. Sein Platz musste dann auf jeden Fall ersetzt werden, damit die ideale Anzahl der Saoniden in einer Gemeinschaft erhalten blieb.

Es oblag dem Heilkundigen, die passenden Kandidaten auszusuchen, im Namen und im Auftrag ihres Gottes SAO. Diese beiden wurden so lange aneinander gekettet, bis dank der permanenten körperlichen Berührung die Veränderung begann: Einer von ihnen entwickelte weibliche Geschlechtsorgane, eben ausgelöst durch die permanente Berührung, und der andere männliche Geschlechtsorgane. Im Verlauf dieser Entwicklung wurden die beiden immer stärker aufeinander fixiert, bis sie sich in völliger Ekstase endgültig vereinten, dies bis zur totalen Verausgabung, was zu beider Bewusstlosigkeit führte.

Erst dann wurden sie voneinander getrennt, und man wartete geduldig ab, natürlich vom Heilkundigen persönlich überwacht, um allen Eventualitäten vorzubeugen, bis sie wieder von selbst erwachten.

Überhaupt wurden die Elternkandidaten, wie man sie nannte, während dieser ganzen Zeit der Metamorphose bis zum erhofften Höhepunkt der Vereinigung von der Gemeinschaft betreut und mit allem Nötigen versorgt. Es war ja dies ein wahrlich heiliger Vorgang, zu Ehren von SAO, der diesen Vorgang benutzte, um ein weiteres Kind von sich zu erzeugen. Zunächst im Leib dessen, der zum Weib geworden war. Während sich beim Mann die Bauchfalte bildete, die sich dann zur Tasche ausdehnte, um das noch nicht lebensfähige Neugeborene aufzunehmen, damit es in dieser Tasche behütet weiter heranwuchs, um irgendwann endgültig zu schlüpfen.

Kein Saonide wusste so genau, wie lange die Vorgänge eigentlich dauerten. Weil es keinen interessierte. Die Saoniden kannten nämlich keine Zeitrechnung. Sie vertraten die Auffassung, dies sei völlig unsinnig, weil es sowieso niemals ein Anfang gab und somit auch kein Ende geben würde. Die Saoniden waren für immer, weil SAO für immer war und sie seine wohlgefälligen Kinder.

Zumindest war das bisher so gewesen.

Der Planet der Weltentore: Die Raumflotte von Axarabor - Band 206

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