Читать книгу Der Planet der Weltentore: Die Raumflotte von Axarabor - Band 206 - Wilfried A. Hary - Страница 9

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Der Riss über ihren Köpfen hatte bald eine Länge von rund drei Metern erreicht und sich auf einen halben Meter Breite ausgeweitet. Doch damit stoppte das Phänomen nicht. Es verlängerte sich der Riss zwar nicht mehr weiter, doch jetzt begann er sich abzusenken.

Erschrocken stoben die Saoniden auseinander, um einen gebührenden Abstand einzuhalten. Auch dem Heilkundigen war die Sache alles andere als geheuer, obwohl er tapfer tat, um nach wie vor den Eindruck zu erwecken, er habe den vollen Durchblick. Obwohl er genauso wenig wusste wie alle anderen.

Verzweifelt schickte er eine Gedankenbotschaft nach der anderen an SAO, ihren allmächtigen Gott. Doch es war nicht anders als sonst auch immer: Die Antwort blieb aus. Das durfte er zwar niemals zugeben, aber es gab eben nicht wirklich eine Kommunikation zwischen dem Heilkundigen und dem allmächtigen Gott SAO. Der einzige, der das außer ihm noch wissen durfte, war der nächste von ihm höchst persönlich bereits Auserwählte, der irgendwann einmal in seine Fußstapfen treten konnte, falls ein Unglück geschah und der Posten des Heilkundigen neu besetzt werden musste.

Irgendwie neigte Heilkundiger Somahl derzeit beinahe zu der Annahme, dieser Zeitpunkt würde unmittelbar bevorstehen. Denn was, wenn dieser Riss vielleicht doch nicht von Gott SAO persönlich geschickt worden war, als eine Art Botschaft für seine Kinder? Was war er denn sonst? Vielleicht stammte er ja sogar direkt von seinem bösen Gegenspieler, der für alle Unwetter auf dem Meer und auf Land verantwortlich zeichnete, für plötzliche Ernteausfälle, für Katastrophen jeglicher Art sowieso?

Der Gegenspieler SAOS hatte keinen Namen in der Mythologie der Saoniden. Und hätte er einen gehabt, hätte ihn niemand nennen dürfen, nicht mit seiner Gedankenstimme, denn diese Nennung wäre der Anrufung des Bösen gleich gekommen. So taten die Saoniden lieber so, als würde „das namenlose Böse“ gar nicht existieren, um sie ständig zu bedrohen, und als sei ihr guter Gott SAO völlig einzigartig, ohne Konkurrenz, der die Kinder SAOS möglicherweise sogar total zuwider war.

Heilkundiger Somahl ballte unwillkürlich seine in feingliedrigen Fingern mündenden Hände zu Fäusten und hoffte dabei inbrünstig, dass genau diese schlimmste Befürchtung von ihm sich als falsch erweisen möge.

Währenddessen senkte sich der Riss nicht nur immer weiter herab, sondern drehte sich dabei auch noch, und als er den Boden beinahe berührte, stand er senkrecht mitten unter ihnen in der Luft. Als würde es etwas Unsichtbares geben, das ihn auf diese Stelle bannte.

Nichts weiter geschah ab diesem Zeitpunkt. Irgendwie wirkte der Riss zwar nach wie vor äußerst bedrohlich dank des einen halben Meter breiten und immerhin drei Meter hohen tiefschwarzen Fleckes mit den gefährlich gezackten Rändern, doch andererseits irgendwie vielleicht auch friedlich. Weil er eben nichts weiter tat, als da frei in der Luft zu stehen.

Einer der Saoniden, der mit am nächsten zu dem Riss stand, wagte es jetzt tatsächlich, noch ein wenig näher zu gehen. Ganz vorsichtig, bis auf vier Schritte Entfernung heran.

Im nächsten Augenblick war es der versammelten Gemeinschaft so, als würde ein kalter Wind über den kleinen Dorfplatz wehen, mit unbekanntem Ursprung. Seltsamerweise hatte dieser Wind den unheimlichen Riss zum Ziel, der zu diesem schwarzen Fleck geworden war.

Kaum war ihnen das aufgefallen, war es auch für diesen einen zu spät, zurück in Sicherheit zu springen, denn schlagartig wurde der Wind zum Sturm, als sich der Riss geräuschlos weiter öffnete, bis auf einen Meter Spannbreite. Ein wild gezacktes schwarzes Etwas, das jetzt wie das Maul eines Molochs wirkte, tief einatmend und das dermaßen heftig, dass sich dieser eine nicht mehr auf den Beinen halten konnte und vorwärts taumelte.

Bevor man noch begriffen hatte, was da geschah, war er bereits von dem Riss verschlungen worden.

Kaum war dies geschehen, schloss sich der Riss wieder auf einen halben Meter.

Kein Laut war zu hören. Niemand schrie, weil ihnen der Atem dazu fehlte. Das Entsetzen über das Schicksal des einen aus ihrer Mitte war viel zu groß.

Der Erste, der sich von diesem Entsetzen halbwegs erholte, war der Häuptling, der damit bewies, dass er von allen die besten Nerven hatte. Er stürmte jetzt nicht etwa blindlings vor, in dem sicherlich aussichtslosen Bemühen, den Unglücklichen wieder zurück zu holen, wie auch immer, sondern seine Gedankenstimme rief nach diesem.

Alle hörten es mit ihren besonderen Sinnen, und was sie in der nächsten Sekunde ebenfalls hörten, raubte ihnen erneut den Atem, denn der Verschwundene antwortete sogar:

„Ja, ich bin hier!“

Es klang nicht nur völlig banal, sondern vor allem absurd, denn wo sollte das denn jetzt sein, dieses Hier?

Der Häuptling schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, und dann setzte er in seine Gedankenstimme all seine Kraft:

„Wo bist du?“

„Ich bin auf der anderen Seite!“, war die lapidare Antwort. Ziemlich unaufgeregt sogar. Was ja wohl nur bedeuten konnte, dass dem Verschwundenen keine unmittelbare Gefahr auf dieser anderen Seite drohte.

Bevor sonst noch jemand nach seinem Befinden fragen konnte, weitete sich der Riss abermals aus bis auf eine Stärke von einem Meter. Ohne dass wieder dieser Sturm aufkam.

Natürlich sprangen jetzt alle wie auf Befehl noch weiter zurück, einschließlich Häuptling und Heilkundiger, fest damit rechnend, dass jetzt der Nächste aus ihren Reihen verschlungen werden sollte. Diesmal halt ohne einen Sturm zuvor zu entfachen.

Das genaue Gegenteil geschah indessen: Der breite Riss spuckte nämlich den Verschlungenen wieder aus.

Er ging auf seine Brüder zu, die erschrocken auch vor ihm zurückwichen, als würden sie fürchten, er könne es gar nicht selbst sein. Doch er breitete beruhigend seine Arme aus und ließ seine Gedankenstimme rufen:

„Alles in Ordnung! Ich musste einfach nur wieder hindurchgehen, um zurück zu gelangen. Es ist nichts weiter als ein Tor.“

„Ein Tor, das SAO für uns erschaffen hat?“, erkundigte sich ausgerechnet Heilkundiger Somahl ungläubig.

Der Rückkehrer nickte heftig.

„Und ob! SAO zeigte mir auf der anderen Seite sein anderes Gesicht.“

Dies nun wiederum konnte kein einziger Saonide verstehen. Auch Heilkundiger Sohmal nicht. Noch nicht einmal Häuptling Grossmahn, obwohl der jetzt weise beschloss, sich vorerst zurückzuhalten und dem Heilkundigen allein das Wort zu überlassen.

„Was meinst du mit anderem Gesicht?“, erkundigte dieser sich jetzt vorsichtig.

„Das weißt du nicht?“, wunderte sich der Rückkehrer. „Hat denn SAO dir das nicht angekündigt?“

„Nein, nicht so genau. Offenbar wollte er uns alle damit überraschen, einschließlich mir.“

Das klang für alle überzeugend. Auch für den Rückkehrer.

„Ja, das stimmt: Es war eine Überraschung. Eine sehr gelungene. Obwohl sein anderes Gesicht nicht so aussieht wie dieses hier, auf dem wir leben.“

Er zeigte in die Runde.

Jetzt begriff zumindest der Heilkundige:

„Ach so, es ist dies ein Tor zu einer anderen Welt, das SAO uns geschickt hat. Er hat da ja tatsächlich so eine Andeutung gemacht zuvor. Und du bist nun der Auserwählte, der als erster durch dieses Tor schreiten durfte. Von SAO selbst auserwählt, du Glücklicher.“

Prompt strahlte der Rückkehrer vor Glück.

„Obwohl das andere Gesicht ohne Leben ist“, schränkte er die Erwartungen seiner Stammesbrüder allerdings ein. „Es handelt sich um eine Einöde. Es gibt weder Baum noch Strauch. Ich habe auch kein Wasser gesehen, und die Luft riecht seltsam, um nicht zu sagen: Es stinkt! Sie bereitete mir außerdem am Anfang Atembeschwerden, doch ich gewöhnte mich schnell daran. Man muss einfach nur kräftiger atmen.“

„Dürfen auch andere durch SAOS Tor?“, erkundigte sich jetzt ein besonders Mutiger.

Aller Augen richteten sich auf ihn.

Häuptling Grossmahn wollte jetzt doch etwas sagen, überlegte es sich jedoch rechtzeitig anders und beschloss lieber weiterhin dem Heilkundigen das Wort zu überlassen. Bevor er noch Gefahr lief, vielleicht das Falsche zu sagen.

„Wenn du es versuchen willst…“, meinte dieser nur.

Der Angesprochene lachte erfreut, ging näher an den Riss heran, der sich bei dieser Annäherung prompt weiter öffnete. Erneut dieser Wind, der rasch zum Sturm sich entfachte und auch diesen Saoniden verschlang.

Alle warteten gespannt, außer dem Rückkehrer, der sich sehr zuversichtlich zeigte. Immerhin hatte er ja bereits erlebt, was jetzt auch sein Stammesbruder erleben durfte.

Dieser meldete sich per Gedankenimpuls, was durch nichts behindert wurde, gerade so, als würde er sich dort befinden, wo der Riss aufragte, der sich natürlich sogleich wieder hinter ihm halb geschlossen hatte:

„Eine Einöde im Dämmerlicht. Ich sehe keine Sonne. Es ist, als würde der Himmel selbst aus sich heraus glühen. Da hat sich SAO etwas vollkommen Neues einfallen lassen für uns, seine liebsten Kinder.“

„Ob auch noch andere Saonidenstämme einen solchen Riss bekommen haben?“, wagte der Häuptling nachdenklich zu fragen.

Niemand ging darauf ein, noch nicht einmal der Heilkundige, weil er es eben genauso wenig wissen konnte wie alle anderen hier.

„Was ist mit dem Atmen?“, erkundigte er sich vielmehr bei dem Verschwundenen.

„Es fällt anfangs schwer, doch man muss sich darauf einstellen. Vielleicht will uns SAO damit auffordern, Leben zu tragen auf sein neues Gesicht? Vielleicht sollen wir den Boden hier fruchtbar machen, ihm Wasser spenden von hier aus, damit unsere Pflanzen auch hier gedeihen mögen?“

„Gerade habe ich das auch sagen wollen“, behauptete der Heilkundige geistesgegenwärtig. „Du hast es mir vorweg genommen.“

Er sah sich in der Gemeinschaft um.

„Wollen auch noch andere durch das Tor gehen, um sich auf der anderen Seite umzusehen?“

Da gab es nur noch Wenige, die nicht neugierig genug waren, diesen Schritt zu wagen.

Durchaus beachtlich für ein Volk, das normalerweise dermaßen bodenständig war wie die Saoniden. Die kaum jemals den unmittelbaren Bereich ihrer Siedlung verlassen wollten, außer hinaus auf das Meer, um dort draußen Fische zu fangen.

Aber damit war dies eigentlich auch zu vergleichen. Mit dem Unterschied, dass jenseits des Risses kein Meer auf sie wartete, sondern eine offene Welt. Noch tot. Von SAO höchst selbst für sie allein erschaffen, als sein zweites Angesicht. Nur um sie für ihre ewige Treue und Loyalität zu belohnen.

Der Heilkundige musste darauf nicht mehr gesondert hinweisen. Das nahm sowieso schon jeder an.

Der Planet der Weltentore: Die Raumflotte von Axarabor - Band 206

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