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Widerstände und Zweifel

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Friedrich der Dritte glich von jenem Tage an einem Spieler, der alles auf eine Karte gesetzt hatte. Es wurde ein gefährliches Spiel! Wie trunken schien er! Sein ganzes Tun und Denken kreiste nur noch um die Gestaltung des persischen Planes. Ein Rausch hielt seine Sinne umnebelt. Er sah nichts mehr als dies eine Ziel. Ihm opferte er alles: den Wohlstand und die Liebe seiner Untertanen, die Schlagkraft seines Heeres.

Geld brauchte er, viel Geld, und jeder Weg galt ihm recht, es zu beschaffen. Da waren die reichen Inselfriesen. In blutigen Schlachten hatten sie seinen Vorfahren Thron und Leben gerettet, aber das Gedächtnis mancher Fürsten ist oft kurz, wenn es sich um Dankbarkeit handelt, jedoch lang, wenn sie glauben, dass ihr Stolz getroffen sei. Friedrich glaubte nun hierzu Ursache zu haben; denn die Strandinger besassen nicht geringeren Stolz als er und hielten fest an verbrieften Rechten. Sie wollten keinen Herrn über sich anerkennen.

Unter der Maske der Hilfsbereitschaft war der Herzog zu ihnen gekommen und hatte sich ihr Vertrauen erschlichen. Es gelang ihm, sie zu überreden, dass ein Fähnlein Landsknechte sich zu ihrem Schutz – wie er sagte – auf Nordstrand einnistete. Durch List wusste er immer neue Söldnerhaufen hinüberzuschaffen und mittels Verrat bekam er die Arglosen in seine Gewalt. Er liess freiheitliebende Männer Jahre hindurch im Kerker schmachten und demütigte das aufrechte Volk so tief, dass es an der Lither Fähre selbst die eigene Zwingburg errichten musste.

Hass flammte auf! Unauslöschlicher Hass! Der Fürst lachte des ohnmächtigen Grimmes und erpresste Jahr um Jahr höhere Abgaben. Dieses Inselreich bildete seine Haupteinnahmequelle; aus ihm wurde der grösste Teil jener ungeheuren Summen geschöpft, die das persische Unternehmen verschlingen sollte.

*

Zwischen dem Herzog und seinem Minister hatte sich eine Kluft aufgetan. Hart auf hart prallten die Anschauungen gegeneinander. Kielmann sah, wohin der Übereifer seines Herrn führen musste. Mehr als die Hälfte des ohnehin zu schwachen Heeres war entlassen worden; die Steuern wurden immer rücksichtsloser eingezogen.

Die beiden sassen einander gegenüber. Die Wangen des Kanzlers glühten vor Erregung. Er sprach: „Wahnsinn ist es, in diesen Kriegszeiten, wo der kleinste Fürst aufrüstet, soviel nur in seinen Kräften steht, die Waffen aus der Hand zu legen.“

„Ich wünsche den Frieden“, lautete die Antwort.

„Wer den Frieden will, muss stark sein, um sein Land gegen Überfall, Raub und Brandschatzung schützen zu können!“

„Mögen Dänen und Schweden unter sich ausfechten, was sie miteinander auszumachen haben; ich wünsche nicht in diese Händel hineingezogen zu werden.“

„Eben, weil Ihr es mit niemandem verderben wollt, verderbt Ihr es mit allen!“

„Ein vermiedener Krieg ist segensreicher als hundert gewonnene Schlachten. Ich lege einen höheren Wert darauf, einst von der Nachwelt der Friedfertige genannt zu werden, als der Siegreiche!“

In Kielmanns Augen loderte ein seltsames Feuer. Er sprach mit fester, fast drohender Stimme: „Ihr irrt! Eine Schlacht, die den Bauern und Bürgern Raub, Mord und Brandstiftung erspart, ist hundertmal segensreicher als eine schmachvolle Neutralität, die das wehrlose Land grausamen Feinden preisgibt. Nicht den Friedfertigen, nein, den Schwächling wird Euch die Nachwelt heissen!“

Friedrichs Faust sauste auf den Tisch. „Kielmann!“ rief er zornbebend.

Unbeirrt fuhr jener fort: „Ihr mögt mich meines Amtes entheben, Ihr könnt mir Eure Freundschaft entziehen oder mich gar der Freiheit und des Lebens berauben; nichts soll mich hindern, meine Pflicht zu tun und für das einzutreten, was ich für das Recht und für das Wohl Eurer Untertanen als unerlässlich erachte!“

Der Fürst legte den Arm um des Vertrauten Schulter. Auge in Auge standen die Männer einander gegenüber. Endlich sagte Friedrich: „Unsere Freundschaft wird nie durch ein offenes, ehrliches Wort getrübt werden; aber du irrst dich, nicht ich! Ich werde mit den Feinden verhandeln; meiner Beredsamkeit soll es gelingen, meinem Volk die Schrecken des Krieges zu ersparen.“

Der Kanzler lachte. Es war ein bitteres Lachen: „Das Schaf will den reissenden Wolf von seiner Friedensliebe überzeugen! – Ha, ha! – Als ob Herrenmenschen wie Christian, Oxenstjerna, Wallenstein und Tilly eine andere Sprache verständen, als die der Gewalt! Stellt hunderttausend wohlausgerüstete Soldaten auf die Beine, baut Festungen und lasst Kanonen giessen, und Ihr sollt sehen, wie alle Welt um Eure Freundschaft buhlt! Dann wird es niemand wagen, Euer Land ohne Eure Einwilligung zu betreten; keinem fremden Landsknecht sollte es einfallen, einem Eurer Bürger auch nur ein Haar zu krümmen! Hättet Ihr weniger in dickleibigen, vergilbten Büchern und alten, verblichenen Pergamenten studiert, würdet Ihr Eure Blicke minder in märchenhafte Fernen als auf die nahe Wirklichkeit gerichtet haben, es wäre heute besser um Euch und Euer Land bestellt.“

„Ich weiss, wir werden über diese Punkte nie einig werden, und ich verstehe es; denn du bist als Soldat erzogen und hast deine Erfahrungen im Krieg gesammelt.“

„Ich liebe Künste und Wissenschaften nicht weniger als Ihr; wenn aber mein Haus brennt, so lösche ich erst das Feuer und verschiebe alle übrigen Dinge auf eine Zeit, in der die Gefahr vorüber ist!“

Friedrich blickte eine Weile schweigend zu Boden; dann entgegnete er: „Mit dem Schwerte dreinzuschlagen, haben sie alle im Laufe der Jahre gelernt; aber es muss auch in Kriegszeiten Fürsten geben, bei denen Kunst und Wissenschaft eine Zufluchtsstätte finden und deren Blick über die engen Grenzen der Heimat hinausreicht.“

Eine grosse Ruhe schien über Kielmann gekommen zu sein. „Ihr jagt einem Trugbild nach. Je mehr ich über Eure phantastischen Pläne nachdenke, um so mehr erachte ich es als Euer Freund und Berater für meine Pflicht, Euch vom Abgrund zurückzureissen, bevor es zu spät ist. Wie ein böser Geist ist Brüggemann in Euer Schloss eingedrungen. Denkt an die Zeit zurück, wo Ihr ihn nicht kanntet. Eure Untertanen liebten und verehrten Euch, und heute? Man wendet sich ab, wenn Ihr naht; Hass, Tränen und Flüche sind die Frucht seiner Saat.“

„Glaubst du, ich leide weniger darunter als du? – O nein, mein Freund; aber das Harte, was jetzt geschieht, muss eintreten, um das grosse Werk reifen zu lassen. Der Hass, die Tränen und die Flüche meiner Untertanen sind der Boden, aus dem die Frucht der Freude, des Glückes und des Reichstums für alle meine Landeskinder erblühen wird! Es kommt der Tag, an dem sie mich verstehen lernen und meine Taten segnen werden. Wer ein grosses Ziel vor Augen hat, muss alle kleinlichen Bedenken beiseiteschieben!“

„Nein und abermals nein! Wer ein grosses Ziel verfolgt, darf deswegen nicht zum Henker seines Volkes werden! Er muss warten lernen, bis die Zeit der Reife da ist; Ihr aber wollt die unreife Frucht vorzeitig vom Baum pflücken! – Oh, dass ich Euch die Binde von den Augen reissen könnte! Seht um Euch! Die nordfriesischen Inseln werden von den Dänen gebrandschatzt; die Westküste hinauf ziehen Wallensteins Truppen, sengend, brennend und raubend; und, anstatt ihnen ein Heer entgegenzustellen, bilden die von Euch entlassenen Landsknechte Räuberbanden, die das flache Land heimsuchen. Nacht für Nacht färben Feuersbrünste den Himmel blutigrot! Was von diesem Gesindel verschont bleibt, das treiben Eure Büttel von der Scholle, weil der kleine Bürger, Bauer und Handwerker nicht mehr in der Lage ist, die ungeheuren Abgaben zu zahlen, die Ihr in Eurer Verblendung von ihnen fordert!“

*

Im Hause Tullae herrschte Freude! Ein Brief aus Ispahan war eingetroffen.

„Geliebte Barbara! Denke Dir, welche Ehre mir zuteil geworden ist. Durch Operchis Vermittlung wurde ich am Hofe des Schahs eingeführt und fand eine äusserst gnädige Aufnahme. Der Weg zu unserer Zukunft steht offen. Ich hoffe, es wird ein märchenhaftes Glück werden, wie in diesem von der Natur so überreich gesegneten Land alles einem Märchen gleicht. Sowenig aber ein Rosenstrauch ohne Dornen, das Licht der Sonne ohne Schatten denkbar ist, so dürfte es kaum ein Paradies auf Erden geben, dessen Freude nicht durch die Schuld der Menschen getrübt würde. Trümmerstätten einst blühender Städte sind hierfür traurige Zeugen. Kriege mit Türken und Tataren, sowie der weite, beschwerliche und gefahrvolle Weg lassen es ratsam erscheinen, von der geplanten Reise nach Ispahan Abstand zu nehmen. Du würdest ausserdem den persischen Menschenschlag nicht verstehen; sie denken, handeln und empfinden anders, als wir. Manches dürfte Dich abschrecken und abstossen.

Nun, geliebte Barbara, sei bitte nicht über diese Zeilen betrübt. Freue Dich, dass mir Glück und Ehre beschieden ist. Ich lebe unter dem Schutz des Schahs und der Freundschaft des einflussreichen Operchi sicherer und ungefährdeter, als Du und die Deinen hinter den Wällen Hamburgs. Nur wenige Jahr trennen uns noch, dann kehre ich, mit irdischen Gütern reich gesegnet, zurück.“

Immer und immer wieder las Barbara den Brief. Sie war enttäuscht, in der Heimat bleiben zu müssen. Furcht vor Gefahren war ihr fremd. Zwischen den Zeilen stand etwas Geheimnisvolles zu lesen, das sie ängstigte. Sie sorgte sich um das Leben des geliebten Mannes, und, ganz heimlich, fürchtete sie, er könne ihr die Treue brechen. Sooft sie sich auch eine Närrin schalt, hartnäckig kehrte der Gedanke wieder.

*

Alle Post ging durch van Scheijtens Hände. Auch Brüggemann hatte durch ihn einen langen Brief bekommen. Der Schwager forderte ihn auf, endlich den Handelsvertrag mit Operchi – dem er da draussen so vieles zu verdanken habe – abzuschliessen. Der Perser hatte auch ein ausführliches Schreiben beigefügt, und zwischen den aalglatten, verbindlichen Zeilen las man deutlich das beginnende Misstrauen.

Schweigend reichte Brüggemann den Brief Elisabeth.

In seinem Innern kämpften Unrast und Zweifel, schon seit seiner vor wenigen Tagen erfolgten Rückkehr von Gottorp. Der Empfang beim Herzog hatte durchaus freundschaftlichen Charakter getragen. Die Vorbereitungen waren weiter gediehen, als er zu hoffen wagte. Dennoch konnte er seines Erfolges nicht froh werden. In Gegenwart des Fürsten kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Kielmann, die schliesslich in offene Feindschaft ausartete. Freilich, er blieb Sieger. Seiner Beredsamkeit gelang es, alle Bedenken zu zerstreuen; aber er fühlte wohl heraus, welch unbeugsamen und einflussreichen Gegner er in dem Minister gefunden hatte. Und was noch schwerer wog als alles andere, er konnte sich nicht verhehlen: das Recht lag auf Seiten des aufrechten Mannes!

Mit guter Absicht hatte er zur Rückreise den Landweg gewählt, allen Gefahren zum Trotz. Dank der starken Eskorte kam er unangefochten nach Hamburg zurück; er sah jedoch unterwegs so namenloses Elend und so furchtbare Greuel, dass sein Gemüt aufs tiefste erschüttert wurde und Gewissensbisse ihn plagten.

Elisabeth brach das Schweigen: „Es ist richtig gewesen, Rudolf nicht von unseren Plänen zu unterrichten. Halte Operchi auch ferner bin. Er wird sich wundern, wenn du eines Tages mit grossem Gefolge in Ispahan eintriffst und ihm zeigst, dass wir seine Hilfe nicht benötigen, sondern selbst das Heft in die Hand genommen haben!“

Der Kaufherr war an seine Frau herangetreten. Seine Stimme bekam einen seltsamen Klang; Müdigkeit und verhaltene Seelenqual sprachen aus seinen Worten: „Ich habe es mir reiflich überlegt; ich werde jetzt doch den Weg über Operchi wählen,“

Elisabeth starrte ihn an. Sie vermochte vor Staunen keinen Laut hervorzubringen.

„Schon um Stadlers willen“, fügte er nach einer Weile wie entschuldigend hinzu.

Höhnisch kam es zurück: „Seit wann bist du so auf das Wohl deiner Verwandtschaft bedacht? Im übrigen dürfte er Manns genug sein, sich ohne deine Rücksichtnahme durchzusetzen.“ Ihre Blicke bohrten sich in die seinen. Er schlug die Augen zu Boden. „Weil du feige bist, darum! Nenne das Kind doch beim rechten Namen! Jahre hindurch haben wir gehofft und gebangt, um dein grosses Werk in die Tat umzusetzen, und nun, wo wir uns am Vorabend des gewaltigen Ereignisses des Erfolges befinden, wird dir angst vor deiner eigenen Grösse, und du wirfst vor Kielmann die Flinte ins Korn!“

Brüggemann bewahrte seine Ruhe und antwortete: „Wäre ich feige, so hätte ich zur Rückfahrt den sicheren Seeweg gewählt, und würde nicht von Schleswig nach Hamburg geritten sein. Fürchtete ich den Kanzler, so hätte ich längst die Angelegenheit ruhen lassen können.“

„Nun also?“

In Brüggemanns Augen trat ein Glanz, den Elisabeth bei diesem sonst so kalt berechnenden Mann nie zuvor gesehen hatte. Ein tiefes Erleben musste seine Seele bis ins Innerste getroffen haben. Er sprach mit einer Stimme, aus der zum erstenmal in seinem Leben Mitleid und Herzensgüte klangen: „Würden deine Augen gesehen haben, was diese hier erblickten, du möchtest anders reden. Zeuge war ich, wie Gerichtsbeamte armen Handwerkern ihr Werkzeug nahmen und damit die Möglichkeit, leben zu können; gesehen hab’ ich, wie der Herzog durch seine Schergen den Bauern das Vieh aus den Ställen treiben liess, wie elende Menschen mit Weib und Kind vom Hof gejagt wurden. Halbverhungerte Familien durchzogen das Land, schutz- und obdachlos, die im Elend verkommen müssen. Sterbende und Verhungerte fand ich am Wegrand liegen. Einsame Katen und ganze Dörfer traf ich, ausgeraubt und ausgeplündert von entlassenen Landsknechten. In den Trümmern der niedergebrannten Häuser, vor den Türen, in den zertrampelten Gärten und auf der Gasse lagen die Leichen Erschlagener oder Verbrannter. Nicht Greis noch Säugling, nicht Mann noch Weib waren verschont geblieben. Wohin ich kam, Grauen und Schrecken überall, Hunger und bitterste Not in den Städten und auf dem Lande. Und warum das alles? Wegen meines Planes, Elisabeth, wegen meiner Unternehmung! Um die Summen aufzutreiben, die mein Vorhaben verschlingt! Recht hatte Kielmann, als er mich den Henkersknecht seiner Landsleute nannte! Wie von Furien getrieben, bin ich hier angekommen; schreckliche Traumbilder rauben mir den Schlaf. Erwache ich, so glaube ich aus dem Dunkel der Nacht die entstellten Gesichter verhungerter, erschlagener und verbrannter Menschen auf mich gerichtet zu sehen; drohende Fäuste strecken sich mir entgegen. – Es muss ein Ende haben, ich ertrage es nicht länger!“

Stöhnend vergrub er sein Haupt in den Armen. Sanft fühlte er die Hand seiner Frau über sein Haar gleiten. Eine Weile verging. Endlich ergriff Elisabeth das Wort: „Otto! Otto, du kannst dich nicht von gewissen Eindrücken zu Boden schmettern lassen; du darfst deiner grossen Idee nicht untreu werden! Gewaltige Werke erfordern ungeheure Opfer an Gut und Blut. Bedenke, durch wieviel Blut und Trümmer die Eroberer aller Zeiten gingen; die Nachwelt aber setzte ihnen Denkmäler und nannte sie die Grossen.“

Müde richtete Brüggemann den Blick auf sein Weib. Er entgegnete: „Ob der Ruhm der Nachwelt die Verwünschungen der Gegenwart aufgewogen hat? Ich weiss es nicht. Und schaust du rückwärts, was ist aus all ihrem Länderraub geworden? Oft hatten sie kaum die Augen geschlossen, und schon brach ihr stolzes Gebäude zusammen. Wo sind all die grossen Reiche der Eroberer geblieben? In Schutt und Asche verfallen. Nein, nicht ‚die Grossen‘, sondern ‚die Friedensstörer‘, ‚die Henker ihrer Mitmenschen‘ sollte man sie heissen! Mit Hass und Verachtung müsste ihr Name genannt werden!“

„Otto, glaubst du wirklich die Worte, die du da sprichst?“

„Ja, die glaube ich!“

„Früher dachtest du anders!“

„Ehemals schwatzte ich nach, was mich gelehrt wurde; jetzt aber habe ich mit eigenen Augen gesehen, und das Licht der Erkenntnis ist mir aufgegangen!“

„Nein, die Verwirrung ist über dich gekommen! Bist du denn verantwortlich für das, was der Herzog tut?“

„Ja, denn es geschieht, um meine Pläne auszuführen!“

„Dann müsstest du dich ja auch verantwortlich fühlen für all das Grauen, das Dänen, Wallensteiner und Schweden in Dithmarschen und Friesland anstiften.“

„So ist es auch; denn ohne mich ständen heute Friedrichs Heere wie eine schützende Mauer an den Grenzen seines Landes.“

„Und du glaubst, Wallenstein, Christian, Oxenstjerna würden davor zurückschrecken? Nein! Blutige, grausame Schlachten hätten dann stattgefunden, und wehe, wenn die holsteinischen Truppen geschlagen worden wären; dann würde ein bei weitem schlimmeres Unheil über die Bevölkerung gekommen sein! – Otto, begreife doch, wir Menschen können das Schicksal nicht aufhalten; weil wir Werkzeuge geheimer, unsichtbarer Mächte sind. Wir haben die Berufung, die wir in uns fühlen, restlos zu erfüllen! Alle Grossen handelten aus diesem Berufensein, aus diesem unerforschlichen, geheimnisvollen Zwang heraus. Nichts Gewaltiges, nichts Überragendes wäre auf Erden vollbracht, wenn sie sich von Gefühlen des Mitleides, der Rücksichtnahme und der sogenannten irdischen Gerechtigkeit hätten leiten lassen! Würden sie aber nach diesen Grundsätzen gehandelt haben, wie sähe dann heute die Welt aus?“

Brüggemann entgegnete bitter: „Jedenfalls nicht schlimmer als jetzt, wo unter Missbrauch des Namens unseres Heilandes Mord und Totschlag die Stunde beherrschen!“

„Wahrscheinlich aber auch nicht besser; denn dann könnte die Mittelmässigkeit und die unbeherrschte Masse des Volkes regieren. Man würde sich selbst zerfleischen im Kampf aller gegen alle, ohne jedoch etwas Grosses und Unvergängliches zu schaffen! Otto! Otto! Fühltest du dich nicht von dem Gedanken an deine Berufung wie von einem heiligen Feuer erfüllt? Und diese göttliche Flamme soll plötzlich verlöschen? Du, dessen Namen mit ehernem Griffel in die Geschichte der Menschheit eingezeichnet stehen soll, willst dein Werk verleugnen? Möchtest untertauchen in die namenlose Herde der Millionen und aber Millionen Alltagsmenschen? Willst du deinen Gott und dein Ziel verraten?“

Sie hielt ihren Mann bei den Schultern gefasst und rüttelte ihn, als wolle sie ihn aus schwerem Traum erwecken. Grösser und schöner als sonst erschien die Frau, aus deren Augen Begeisterung und Glaube an die Berufung ihres Gatten zu einem gewaltigen Werk leuchtete: „Liebster, stolz blickte ich auf dich, der du dem Hohn und Unglauben deiner Umwelt das felsenfeste Vertrauen zu dir selbst entgegenstelltest. Lass’ dir diese Zuversicht nicht rauben! Geh’ unbeirrt deinen Weg; dann wirst du wie ein Fürst an den Höfen mächtiger Könige und Kaiser einziehen, kannst ohne Blutvergiessen Länder erobern und die Wunden, die du ihnen heute, ohne es zu wollen, schlägst, werden durch die Wohltaten, die ihnen aus deinem Werk erwachsen, tausendfach vergolten sein! Nein, Otto, kein Hass und kein Fluch soll auf deinem Namen lasten, sondern der Dank und Segen unzähliger Menschen wird dich bis an dein Lebensende begleiten, wenn – ja, wenn du dir selbst treu bleibst und den dir vom Schicksal vorgeschriebenen Weg zu Ende gehst!“

Die Wangen der Frau glühten vor Erregung.

Brüggemann hatte sich erhoben. Er schien an den Worten Elisabeths sich emporzurichten; voll Liebe ud Bewunderung ruhten seine Augen auf ihr. Er ergriff ihre Hand und drückte ihr einen heissen Kuss auf die Lippen. –

In dieser Stunde hatte der Kaufherr sich zu sich selbst zurückgefunden.

Die Brücke nach Ispahan

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