Читать книгу Zwischenräume im Tagebuch von Jeannine Laube-Moser - Wilhelm Kastberger - Страница 3
Оглавление01 Das Vorwort schreibe ich mir schon selber …
Niemand hat mich je dazu genötigt oder gar auf andere Weise
um zwei Jahre, drei Monate, vier Tage und vielleicht sogar noch um einige Stunden jünger bin, als sie. Die andere meine ich.
Dir ist es vielleicht schon aufgefallen. Ganz dicht ist ja nicht. Ihr fehlt nämlich bedrängt, mich in so ein endlos erscheinendes Abenteuer, mit jeder Menge Durch- und Umbrüchen oder gar zwischen so manchen Vorahnungen und Prophezeiungen hineinzuzwängen. Im Nachhinein betrachtet wäre es wahrscheinlich für mich besser gewesen, wenn ich mich gleich zu Beginn gesträubt hätte, diese mir selbst gestellte Aufgabe zu übernehmen. Nämlich die Zwischenräume meines Tagebuches zu durchforsten. Das hirnvernebelte Übel konnte ich damals nicht einmal im Sommer erahnen, der genaugenommen einen ganzen langen Donnerstag gedauert hatte.
Mit allen möglichen abenteuerlichen Wortspielereien habe ich mich bereits früher einmal, zumindest Dir gegenüber, äußern dürfen. Keinesfalls werde ich es mir selbst erlauben, dass ich so im selben Fahrwasser weiterwurschteln werde.
Mir jedenfalls macht es mir einen Riesenspaß, wenn ich mich zum Beispiel mit Dir, na ja gut, ausnahmsweise auch mit Dir dort hinten, unterhalten darf. Ich hoffe nur, das stört Dich nicht und auch Dich dort hinten mit dem blauen Dingsbums nicht besonders.
Über meinen Namen brauche ich gar nicht viel zu sagen, weil den kann jeder ohnehin vorne am Buchdeckel lesen. Nur auf den Bindestrich zwischen Laube und Moser lege ich einen großen Wert. Einen sehr großen sogar!
Ich heiße nämlich Jeannine Laube-Moser. Du kannst selbstverständlich auch Schani zu mir sagen, da fühle ich mich überhaupt nicht angemeiert, wie man bei uns im Pinzgau nicht sehr oft zu sagen pflegt.
Aber was mir der Verleger angetan hat, das kann man mit bestem Willen nicht gutheißen. Der Mensch, der für das Coverdesigne verantwortlich war, der hat doch wirklich meinen wertvollen Bindestrich vergessen und so kam halt das Buch mit einem Geburtsfehler behaftet unter die Leut.
Du wirst mich verstehen lernen. Weil ganz so freiwillig gibt nämlich eine Dame vom Land, so wie ich eine bin, jedenfalls glaube ich das, ihr hohes Lebensalter nicht preis. Aber grad einmal als Fleißaufgabe, sowie mit ausgesuchter mittlerer Bosheit, tue ich das nun hier.
Ich kann nämlich jene Jeannine Laube Moser, die ein paar Ortschaften von mir entfernt ihren Wohnsitz hat, um kein Haar nicht ausstehen. Verstehst Du mich! Daher verkünde ich hier in meiner wohlmeinenden und Übergebühr freundlichen Art, dass ich nicht nur die Verbindung zwischen ihrem Doppelnamen. Der hat keinen Bindestrich. Ein Unterschied, der zwar nicht weltbewegend zu sein scheint, aber den Du Dir unbedingt merken solltest! Abgesehen vom Bindestrich ist sie auch um einige Strichlängen kleiner als ich. Du siehst es ja selbst, gar so groß bin ich ja auch nicht. Aber sie schleppt jedenfalls keine einhundertachtundsechzig Zentimeter Gardemaß mit sich herum.
Kennengelernt habe ich diese Frau irgendwann einmal bei einer Vernissage, droben in Neukirchen. Bei dieser Gelegenheit hatte sie mir damals hinter dem Halstuch, oder war es doch ein Kopftuch - egal - jedenfalls unter einer durchgehäkelten Verschwiegenheit eines ihrer Geheimnisse verraten.
Das kann ich Dir gleich schon für die Zukunft mitgeben. Vielleicht wärst Du selbst auch ohne meinen Hinweis draufkommen. Geheimnisse, welcher Art auch immer, sind bei mir ja bestens aufgehoben. Da kommen nur selten Geheimnisse ins Tagebuch hinein und lesen tut das sowieso neimpi net.
Also mein Namenszwilling ohne Bindestrich hatte schamloserweise ihr Geburtsdatum ins Facebook veröffentlicht. Trotzdem halte ich mich persönlich an ein bereits abgegebenes Versprechen, beispielsweise anvertraute Geheimnisse nicht preiszugeben. Daher sage ich es Dir auch nicht, dass sie schon eine Zeitlang neunundfünfzig Jahre und ein paar zerquetschte Monate noch dazu, gewesen ist. Später einmal werde ich Gelegenheit aufgreifen und die Bindestrichlose in eine meiner Kurzgeschichten verpacken. Das wär´s dann.
Über meine haufenweis eingetragenen Facebook-Freunde und meine etwas weniger guten Bekannten brauche ich an dieser Stelle nicht viel herumzudeuteln. In der einen oder anderen Geschichte, die noch folgen werden, wirst Du noch genügend Zeit finden, die wahren Charaktereigenschaften von diesen liabn Leitln selbst herauszufiltern.
Vielleicht einen, höchstens aber einen zweiten Menschen aus meinem Bekanntenkreis möchte ich Dir ganz gerne hier gleich am Anfang ein wenig an Deinen Herzschrittmacher legen. Solltest Du zufälligerweise in der Zuleitung zu dem Zauberding keinen Stromstoß verspüren, dann kannst Du eh machen, was Du willst. Ich bin ja nicht eine Geburtshelferin für Deine verzwickten Gedanken, obgleich ich eine mehrmonatige Seelenklempner-Ausbildung schon hinter mir habe. Aber das gehört im Moment nicht hierher.
Also abgesehen von meiner besten Freundin Margot, wäre da auf alle Fälle noch der Nikolaus Froschkopf. Er wohnt mit seiner Ehefrau Valentina Feitelkramer-Froschkopf unter mir im ersten Stock. Du musst nämlich wissen, wir wohnen alle in einem gelb-braun heruntergepinselten Mehrfamilienhaus, wo die Fenster neuerdings mit Dreifachverglasungen ausgestattet worden sind. Dies wahrscheinlich deshalb, weil die Architekten und andere saumäßig gscheite Leit unbedingt eine vierzehn Zentimeter dicke Styroporverpackung rund um die Ziegelmauern kleben wollten. Momentan kann ich diese Entscheidung nur positiv beurteilen. Im Gegensatz zu den Briefwahlkuverts dürfte dieser Kleber, obwohl er angeblich auch in Deutschland hergestellt worden ist, an der Hausmauer vielleicht noch eine geraume Zeitlang picken bleiben.
Die nicht unbedingt im Zusammenhang mit diversen Klebereigenschaften stehenden, aber sonst unvermeidlichen Streitschlichtungen im Haus, sollten eigentlich von einer Hausverwaltung gemacht werden. Was zum Glück bislang noch nie geschehen ist. Nicht, weil es noch nie einen Streit gegeben hatte, das schon, aber so eine Hausverwaltung ist ja zunehmend überarbeitet. Wenns gut geht, dann kommt ja bloß einer oder eine Abgesandte alle paar Jahre zu uns. Die schauen dann nach, ob wir noch leben oder ob wir uns schon gegenseitig bereits die Schädel ordentlich verbeult haben. Danach verschwinden sie wieder so unauffällig, wie sie gekommen sind. Für diese Höflichkeitsbesuche zahlen wir pro Monat gleich im Voraus ein Schweinegeld, sag ich Dir!
Zum Glück sind wir im Großen und Ganzen friedliche nachbarfreundliche Hausleute und das haben wir hauptsächlich dem Nikolaus Froschkopf zu verdanken. Er besitzt vorzugsweise, wie kaum ein anderer in unserem Haus das Talent, sozusagen häusliche Plagen herbeizuschleppen. Diese beschreibt er dann ausführlich in seinen Leserbriefen! Und was für welche! Da gehen förmlich die Rösser auf der staubigen Landstraße durch, wenn es noch welche geben sollte. Ja, ja, seine nicht immer stillbegleitende Ehefrau Valentina Feitelkramer-Froschkopf ist die eigentliche Ideenlieferantin für dieses Geschreibsel.
Da wird schon mal Tagesaktuelles zwischen Politik und Wirtschaft mit der örtlichen Müllabfuhr kreuz und quer vermischt. Aber er zieht auch gerne Vergleiche mit den Geruchsbelästigungen, zum Beispiel durch das vormittägliche Herausbacken von Kaspressknödln in unseren viel zu kleinen Kochnischen einerseits und mit der andauernden Verunreinigung des kanalgeschützten Abwassers. Diese Mischkulanz versetzt naturgemäß so manche Leserbriefleser in unfassbare Erregungszustände.
Postwendet kann der stirngeneigte Leser oder die im Schaukelstuhl sitzende Leserin, wie ich zum Beispiel, in den nächsten oder übernächsten Ausgaben der Bezirkszeitungen wütende oder auch beipflichtende Reaktionen zu den Froschkopfzitaten studieren. Das ist, für mich jedenfalls, oftmals unterhaltsamer als das Fernsehprogramm am ORF-Sport-Kanal, das ich ohnehin meide, so geht es geht, genauso wie das Herumsitzen im Wartezimmer der Ordination von unserm Land- und Hausarzt Doktor Alfred Burusmeister.
Angekündigt habe ich es bereits. Nun möchte ich Dir es auch nicht vorenthalten.
Schau mal! Als ein lupenreines Gegenstück zum Nikolaus Froschkopf, stelle ich Dir hiermit die Journalistin Doktor Anita Reisenhübner vor. Irgendwann hatte es sich so ergeben, dass ich sie jetzt als eine vertrauenswürdige, gute Freundin betrachten kann.
Nein, nein, nicht so wie die Margot. Die gehört als beste Freundin, sozusagen als danebenherhatschende Begleiterin, ohnehin zu meinem Leben.
Wie soll ich Dir das erklären? Gut, zu Anita Reisenhübner ist meine Seelenverwandtschaft nicht so stark ausgeprägt. Vielleicht liegt das auch an ihrem Beruf. Als freie Mitarbeiterin ist sie ja in den verschiedensten Printmedien zugange. Ferner wohnt sie außerdem in Mittersill. Was ich nicht unbedingt als eine Beleidigung der Stadt bezeichnen möchte. Nein, ganz bestimmt nicht! Sie ist nämlich ausgerechnet dort auch noch verheiratet. All das kann ich persönlich leider Gottes nicht bieten.
Doch bedauernswerterweise versteht sie als akademisch gebildete Sprachengeschulte kaum verschiedene umgangssprachliche Deutungen von uns Einheimischen. Schon gar nicht begreift sie die wahrlich unterschiedlichsten, bisweilen hochkulturellen Dialektformen, die zugegebenermaßen oftmals von Ort zu Ort anders in den Ohren der Zuhörer klingen mag. Andererseits gebe ich es ja auch zu. Eine Dialektforscherin bin ich nicht. Und aufschreiben kann ich diese Fremdsprache selbst auch nicht.
Aber den nordamerikanischen Alaska Dialekt, ein Englisch, das man als solches niemals hierzulande im Schulunterricht einreihen könnte, kapiert die Anita Reisenhübner wieder bis in die kleinsten Nuancen hinein. Nur gibt es hier in den Nationalparkgemeinden sehr wenig nordamerikanische Ansässige, auch keine Grizzlybären, mit denen sie ihre Verbal-Allüren ausleben könnte.
Hätte sie halt doch Arabisch studiert! All diese Umstände gehörten gewiss auf eine Plattform der Gegensätze gehoben und wahrscheinlich nur deswegen wurden wir auch Freudinnen.
Warum ich mir das Vorwort schon selber schreibe, dafür habe ich nämlich zuverlässige Gründe. Einer davon heißt Heinrich Otto Stormhänger. Andere fallen mir im Moment nicht ein. Die werden gewiss noch kommen, davon bin ich überzeugt!
Zuerst möchte ich das Positive über den Heinrich Otto Stormhänger aus meiner Nähschatulle hervorkramen. Die besitze ich nur deshalb, weil Margot ja eine Hobbytrachtenschneiderin ist und bei mir hin und wieder Sticheleien ausprobieren möchte. Zwar nicht immer, aber dafür immer weniger, beachte ich ihre Art von stichwütiger Gesprächskultur.
Also gut. Der Heinrich Otto Stormhänger ist ein guter Mensch! Zweifellos. Aber wohlgemerkt, er ist auch ein an meinen Nerven herumsägender Besserwisser. Zu kritischen Fragen von mir oder von anderen, die zum Beispiel seine Dichtkunst nur am Rande streifen sollte, gibt er sehr gerne keine Antwort. Aus reiner Verzweiflung und Unsicherheit heraus, nörgelt er dafür überall herum. Auch im Caféhaus! Und das ist bitteschön doch ein Ort der Einkehr und der Stille. Für andere und für ihn mag das Kloster der richtige Ort sein. Für mich ist das Caféhaus zwar nicht eine heilige, aber immerhin eine erhabene Stätte der Stille. Das ist ihm, dem Heinrich Otto Stormhänger, aber wieder völlig wurscht. Zum Glück verlieren sich seine Widerspruchsgeister in dem Moment, wo er bemerkt, dass er seine Zeche nicht selbst zu bezahlen braucht.
Weil von Teilen versteht er ungefähr so viel, wie der krawattenlose blonde Kirchensteuereintreibungsbeamte. Der hatte schon letzten Winter bei mir auch ausgeschi … So was von Überheblichkeit muss man über sich ergehen lassen, nur weil man höflich zu erwidern versucht. In etwa so: `Schau net so bled, i zoi dir des nia`.
In Wahrheit habe ich die paar Worte mit einer lieblichen Tonmelodie, ja beinahe leise ihm vorgesungen, obwohl ich im Singen in der Schule nie über drei gestanden bin. Aber das weißt Du ja schon längst. Eine Gesangstalentierte bin ich beileibe nicht. Und geschrien, wie von dem hinter dem Schreibtisch Geschützten behauptet worden war, habe ich schon überhaupt gar nie nicht.
Na ja, was soll´s. Der Heinrich Otto Stormhänger ist bei Weitem kein Steuereintreiber. Ganz im Gegenteil! Er tut sich halt sehr schwer beim Teilen. Es ist ihm egal, was wir, sozusagen als Durchschnittsmenschen, gerne bereit sind, mit anderen zu teilen. Ich teile gerne mit jemandem. Beispielsweise eine Buttermilch. Ja ich würde mich sogar herablassen, ein volles Glas von diesem Gesöff, das ich nicht ausstehen kann, zu teilen. Mehr noch zu verschenken.
Heinrich Otto Stormhänger ist obendrein noch mit sich selbst geizig. Er lässt es nicht einmal zu, dass irgendwer seinen dreiteiligen Namen vollständig aussprechen, geschweige denn, niederschreiben darf. Er besteht hartnäckig darauf, dass der zwischendrin herumlungernde Otto, von wem auch immer, nicht ausgesprochen werden soll. Aber ansonsten ist er ganz handsam.
Also wie gesagt, ich darf den Heinrich Stormhänger im vertrauten Du ansprechen. Allerdings muss ich Heinrich zu ihm sagen, weil Heini wäre auch eine Beleidigung gewesen.
Bei einer schon länger zurückliegenden Caféhausdiskussion hatte er sich bemüßigt gefühlt, ein Vorwort zu meinen Geschichten schreiben zu wollen. Er wollte sich quasi revanchieren, weil ich in seinem letzten Buch Zwischen Heinrich und Jeannine mit meinen frechen Bemerkungen ihm dazwischen hineingepfuscht hatte. Klar und unmissverständlich habe ich damals schon meine Ablehnung kundgetan, um hier im Sprachmodus von Heinrich zu bleiben. Ich konnte mir nämlich bildlich vorstellen, wie seine Revanche ausgefallen wäre.
Nämlich unteilbar und boshaft!
Vielleicht zum Abschluss noch einen klärenden Hinweis! Allein nur für Dich. Du wirst Dich auch schon gefragt haben, wie kommt die Schani bloß auf dieses Buchtitel. Ja das ist ganz einfach. Es gibt in meiner natürlichen Umgebung noch so ein Schwergewicht von einem Mann, der nur so umgeben wird von wirren Vorahnungen und ebensolchen Prophezeiungen.
Bertram Reinprächter heißt er. Von Beruf ist er Meisterregisseur bei den Festspielen und das nicht nur in Salzburg.
Um es kurz zu machen: Dieser Bertram Reinprächter hatte die unvorstellbare Gabe mich als Jeannine Laube-Moser (mit Bindestrich) so zuzusetzen, dass ich zu dem Buchtitel, der ja eigentlich vorne draufstehen sollte, wenn ihn der Verlag nicht zwischenzeitlich ausradiert hat, zustimmend genickt haben soll.
Das reichte wiederum den Regisseur und ich konnte den Buchtitel auch gar nicht mehr ändern.