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Burgörner, den 3. Mai 1822.

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Ich habe Ihre beiden lieben Briefe vom 24. und 26. April empfangen, und sage Ihnen, liebste Charlotte, auf der Stelle meinen herzlichsten Dank. Sie haben mich recht sehr dadurch erfreut und ganz meinen Erwartungen entsprochen. Nie könnte ich irre an Ihnen werden oder den Glauben an die Ausdauer und die Treue Ihrer Gesinnungen und Empfindungen verlieren. Das sagte ich Ihnen schon neulich, und es ist nur natürlich. Wenn uns jemand eine so lange Reihe von Jahren, ohne irgend ein Zeichen des Andenkens empfangen zu haben, die tiefen Empfindungen eines edlen und zarten Gemüts bewahrte, so wäre es wahrer und hoher Undank, daran ferner zu zweifeln. Es ist gewiß ein seltenes Glück für einen Mann, daß ihm ein weibliches Gemüt die ersten Empfindungen der jugendlichen Brust heilig und vertrauungsvoll bewahrt, und ich bin mir bewußt, daß ich dies Glück, so wie es ist, würdige und schätze. Aber ich sage ohne Stolz, der mir wahrlich nicht eigen ist, allein auch ohne eine kindische Bescheidenheit, es kann auch Ihnen durch mich vieles kommen, was Ihr Leben bereichert, erheitert und verschönert. Wenn das Schicksal so etwas für zwei Menschen aufbewahrt hat, muß man es nicht hinwelken lassen, sondern erhalten und in Vereinigung bringen mit allen äußeren und inneren Verhältnissen, da auf diese Harmonie allein alle Zartheit der Gefühle und alle Ruhe der Seele gegründet sein kann. Weil nun kein persönlicher Umgang unter uns stattfinden kann, so wollen wir einen brieflichen beginnen und feststellen. Ich schreibe zwar nicht gern und klage mich zum voraus an, Sie werden sehr oft Nachsicht, Geduld und Großmut zu üben haben, aber ich lese sehr gern Briefe, besonders die Ihrigen, nicht nur, weil ich gern lese, was Sie schreiben, sondern noch mehr, weil mich Ihr äußeres und noch mehr Ihr inneres Leben in der innersten Teilnahme interessiert. Sollte ich also einmal seltener schreiben, so lassen Sie sich das nicht hindern. Schreiben Sie mir immer den 15., so habe ich immer einen Tag, auf den ich mich freue. Wenn Sie mir in der Zwischenzeit schreiben, so ist das eine liebe Zugabe, die ich stets mit Dank empfangen werde.

Ihr Gartenleben und schon die Wahl desselben hat etwas, das mir ungemein gefällt. Es spricht Ihre Neigungen charakteristisch aus und vereint Einsamkeit und Annehmlichkeit. Die erste paßt zu Ihrem Charakter, Ihren Empfindungen und Ihrer Lage; die letzte erheitert und verschönert Ihr Leben. Es ist mir daher am liebsten, Sie so zu denken, zu denken, daß Sie nur selten in die Stadt kommen. Besuche, das fühle ich, können Sie nicht vermeiden, und es ist auch gut, in einigen Verbindungen zu bleiben, besonders da Sie mir sagen, daß diese Verbindungen meist bewährte alte Freunde sind.

Daß Sie am liebsten in Kassel leben, wo Ihre Jugend, wenn auch nicht immer schmerzlose, doch auch frohe und heitere Erinnerungen zurückließ, begreife ich ganz. Auch ist die Gegend schön, und eine größere Stadt bietet, wie Sie sehr richtig bemerken, vor allen anderen, Freiheit zu leben, wie es die Neigungen fordern, und daneben, ohne großen Aufwand, manche Genüsse, welche in kleinen Städten versagt sind. Ich billige also ganz Ihren Entschluß, dort ferner zu wohnen. Sorgen Sie aber vor allem in Ihrer ländlichen Wohnung für Ihre Gesundheit. Zu wenig sagen Sie mir darüber, und doch sind Ihre Ruhe, Ihre Gesundheit, Ihr Glück das, worauf es mir ankommt. In selbstsüchtigen Wünschen und Absichten habe ich mich Ihnen nicht wieder genähert, wenn ich auch einen Wunsch hege, den ich Ihnen nächstens aussprechen werde.

Ich schließe jetzt, ich bin seit vierzehn Tagen garnicht wohl, leide zwar nur an einem katarrhalischen Fieber, da ich aber in Jahren nicht krank war, ist es mir lästig. Mit den herzlichsten, unwandelbarsten Gesinnungen der Ihrige.H.

Briefe an eine Freundin

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