Читать книгу Die Nackten und die Schönen - Will Berthold - Страница 10
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ОглавлениеDer Benjamin der Mordkommission macht zuerst einen Umweg, um zu Hause in seinen Sonntagsanzug zu schlüpfen; er will in dem feinen »Frankfurter Hof« nicht gleich als Polizist erkannt werden. Dann kratzt er sein Bargeld zusammen und überlegt, wieviel ihn der Ausflug kosten kann; in gewisser Weise hat er Vertrauensspesen, doch wenn sie über zehn Mark hinausgehen, wird er jeweils zu einem verknöcherten Verwaltungsamtmann gerufen und in ein Kreuzverhör genommen, ob denn eine so hohe Ausgabe wirklich nötig gewesen sei.
Füllgrabe betritt die Halle, einen Moment lang verwirrt von den schicken Roben der Damen und der Eleganz ihrer Begleiter. Sie stehen wohl vor einem Theaterbesuch, die Juwelen blinzeln einander ihre Karate zu. Er geht an die Bar, die noch leer ist, nimmt an der Theke Platz, bestellt einen Whisky sauer und verteidigt sich in Gedanken bereits damit, daß in diesem vornehmen Lokal kein Bier ausgeschenkt wird.
Der Barkeeper will aus Höflichkeit seine Zigarette ausdrükken.
»Lassen Sie nur, mich stört das nicht – und Ihr Dienst dauert noch lang«, sagt der Nachwuchskriminalist. Das Verhörtalent weiß, daß sich Barmixer ohne Gäste langweilen und froh sind, einen Gesprächspartner zu haben.
»Bitte, der Herr«, serviert der Keeper das Getränk. »Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
»Allerdings«, erwidert der Beamte und holt das Foto der Ermordeten aus seiner Brieftasche. »Kennen Sie vielleicht diese Dame?«
»Allerdings«, entgegnet der Meister des Cocktail-Shakers auf den ersten Blick.
»Sie kommt also häufig hierher?«
»Nicht sehr oft, aber wenn, dann fast immer mit einem anderen Begleiter.« Durch einen Seitenblick überzeugt er sich, daß er nur einen Zuhörer hat. »Und jeder von ihnen riecht nach Geld«, fährt er dann fort. »Allein käme diese Zuckerpuppe hier gar nicht herein.« Da noch immer keine weiteren Gäste in der Lipizzaner-Bar aufgetaucht sind, genehmigt sich der Mann hinter der Theke ein schnelles Bier. »Sind Sie Journalist«, fragt er, »oder privat an der Dame interessiert?«
»Riech’ ich denn so nach Geld?« erwidert Pallaufs Benjamin lachend.
»Eigentlich nicht«, versetzt der Mann, der seine Gäste kennt. »Außerdem sind Sie für einen Liebhaber dieses Prominentenliebchens doch wohl noch zu jung.« Er trinkt sein Glas aus.
»Und zu arm«, entgegnet Füllgrabe.
»Also doch Reporter –«
»So etwas Ähnliches«, murmelt der Fünfundzwanzigjährige. »Können Sie mir über die Dame sonst noch etwas erzählen?«
»Sie muß es erfunden haben, oder vielleicht ist bei ihr ein geheimes Glockenspiel eingebaut – jedenfalls sind ihre Galane regelrecht verrückt nach ihr.«
»War sie gestern hier?« fragt der Ermittler.
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich hatte dienstfrei. Mein Kollege Krieder weiß es sicher, aber der hat heute seinen freien Tag.«
»Gut für ihn, schlecht für mich – haben Sie seine Privatadresse?«
»Wielandstraße zweiundzwanzig. Aber Martin ist Junggeselle, immer auf Aufriß und bestimmt nicht mehr zu Hause.«
»Ich versuch’s trotzdem«, erwidert Füllgrabe und legt tapfer fünfzehn Mark auf die Theke.
»Besten Dank«, quittiert der Informant. »Vielleicht versuchen Sie Ihr Glück in Sachsenhausen, dort treibt sich Martin mit Vorliebe in den Äppelwoi-Kneipen herum. Die Wirte und das Personal kennen ihn sicher alle mit Namen.«
»Vielen Dank«, verabschiedet sich der Fahnder und fährt zuerst in die Wielandstraße, um Krieder vielleicht doch noch abzufangen.
Er klingelt wild an der Tür, vergeblich.
Er probiert sein Glück bei der Wohnungsnachbarin, entschuldigt sich bei der älteren Dame, die ihm geöffnet und ihn ängstlich betrachtet hat, dann aber schnell zutraulich wird.
»Ich suche Herrn Krieder«, erklärt Füllgrabe. »Sie können mir nicht zufällig sagen, wo er sich aufhält?«
»Sicher da, wo es laut und rauchig ist«, erwidert die Sechzigerin lachend.
Er entnimmt seiner Brieftasche eine Visitenkarte. »Ich schiebe sie Herrn Krieder durch die Tür. Es wäre sehr schön, wenn er zurückrufen würde. Es ist auch sehr eilig – und sicher kann es interessant für ihn werden, auch finanziell«, stapelt er hoch. Aber Füllgrabe ist sicher, daß eine riesige Belohnung für Hinweise ausgesetzt wird, die zur Ergreifung des Täters führen.
Dann rollt er über die Mainbrücke nach Sachsenhausen, zunächst in den »Grauen Bock«. Dort ist es so voll, daß er sich kaum durch den Eingang zwängen kann. Er ist kein Freund von Apfelwein und hat an diesem Abend auch keine Glücksbilanz aufzuweisen.
Nach dem vierten Versuch gibt Füllgrabe die Suche nach Krieder auf und fährt nach Hause. Er wird ihn morgen in aller Frühe aus den Federn scheuchen.