Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 218
DRITTE SZENE
ОглавлениеDas griechische Lager . Vor Agamemnons Zelt
Trompeten. Es treten auf Agamemnon, Nestor, Ulysses, Menelaus und andere.
AGAMEMNON
Fürsten,
Kann Gram mit Gelbsucht Eure Wangen färben?
Bei jedem Plan, auf Erden hier begonnen,
Bildet Erwartung sich ein großes Ziel;
So groß verwirklicht es sich nie. Denn Hemmung
Keimt in den Adern hochgezielter Tat,
Wie Knorren, durch zu üppgen Saft erzeugt,
Der schlanken Fichte Wacbstum stockend lähmen,
Daß sie gekrummt und siech nicht hoch erwächst.
Auch kanns, Ihr Fürsten, nicht befremdlich sein,
Wenn uns Erwartung täuscht und Trojas Mauern
Noch aufrecht stehn, bedroht seit sieben Jahren,
Weil jede Kriegstat schon in vorger Zeit,
Von der uns Kunde zukam, ward gekreuzt
Und im Versuch weit abgelenkt vom Ziel
Und jenem geistgen Vorbild des Gedankens,
Das ihr ein Traumbild schuf. Weshalb denn, Fürsten,
Seht Ihr beschämten Blicks auf unser Werk,
Als wäre Schmach, was doch nichts anders ist,
Als des erhabnen Zeus verzögert Prüfen,
Ob noch im Menschen fest Beharren sei?
Denn nicht erprobt sich dieser echte Stahl,
Begünstigt uns Fortuna, denn alsdann
Scheint Held und Feiger, Narr und Weiser, Künstler
Und Tor, Weichling und Starker nah verwandt;
Doch in dem Sturm und Schnauben ihres Zorns,
Wirft Sondrung, mit gewaltger, breiter Schaufel
Alles aufschütteind, leichte Spreu hinweg,
Und was Gewicht und Stoff hat in sich selbst,
Bleibt reich an Tugend liegen, unvermischt.
NESTOR
In schuldger Ehrfurcht deinem heilgen Thron,
O Agamemnon, wird dein letztes Wort
Nestor erläutern. In dem Kampf mit Wechsel
Bewährt sich echte Kraft. Auf stiller See,
Wie fährt so mancher gaukeind winzge Kahn
Auf ihrer ruhgen Brust, und gleitet hin
Mit Seglern mächtgen Baus?
Doch laß den Raufer Boreas erzürnen
Die sanfte Thetis: rasch durchschneidet dann
Das starkgerippte Schiff die Wellenberge,
Springt zwischen beiden feuchten Elementen
Gleich Perseus' Roß – wo bleibt das eitle Boot,
Des schwachgefügte Seiten eben noch
Wettkämpften mit der Kraft? Es flieht zum Hafen,
Wenns nicht Neptun verschlingt. So trennt sich auch
Des Mutes Schein vom wahren Kern des Mutes
Im Sturm des Glücks, denn strahlt es hell und mild,
Dann wird die Bremse quälender der Herde
Als selbst der Tiger; doch wenn Stürme spaltend
Der knotigen Eiche Knie darniederbeugen
Und Schutz die Fliege sucht, ja, dann das Tier des Mutes,
Wie aufgeregt von Wut, wird selber Wut
Und brüllt, in gleichen Tönen widerhallend,
Dem zorngen Glück entgegen.
ULYSSES
Agamemnon,
Du großer Fürst, Gebein und Nerv der Griechen,
Herz unsrer Scharen, Seel und einzger Geist,
In dem Gemüt und Wesen aller sollte
Beschlossen sein, hör, was Ulysses spricht,
Den Beifall und die Huldgung abgerechnet,
Die,
zu Agamemnon Mächtger du durch Rang und Herrscherwürde, zu Nestor Und du, Ehrwürdger durch dein hohes Alter, Ich euren Reden zolle, die so trefflich, Daß Agamemnon und der Griechen Hand Sie sollt in Erz erhöhn; und deine gleichfalls, Ehrwürdger Nestor, silberweiß, mit Banden Aus Luft gewebt, stark wie die Achs, urn die Der Himmel kreist, sollt aller Griechen Ohr An deine weise Zunge fessein – doch, Du Staatsmann und du Fürst, vergönnt Ulysses Nach Euch zu reden.
AGAMEMNON
Sprich, Held von Ithaka; so sicher ists,
Daß kein unnützes, kein gehaltlos Wort
Je deine Lippen teilt, als wir erwarten,
Wenn Hund Thersites anstimmt sein Gebell,
Je Witz, Musik, Orakel zu vernehmen.
ULYSSES
Troja, noch unerschüttert, wär gefallen
Und herrenlos des großen Hektor Schwert,
Wenn folgendes nicht hemmte:
Verkannt wird Seel und Geist der Oberherrschaft!
Und seht: so viele Griechenzelte hohl
Stehn auf dem Feld, so viel Parteienhohlheit! –
Wenn nicht der Feldherr gleicht dem Bienenstock,
Dem alle Schwärme ihre Beute zollen,
Wie hofft ihr Honig? Wenn sich Rang verlarvt,
Scheint auch der Schlechtste in der Maske edel.
Die Himmel selbst, Planeten und dies Zentrum,
Reihn sich nach Abstand, Rang und Würdigkeit,
Beharrungskraft, Form, Lauf, Verhältnis, Jahreszeit,
Amt und Gewohnheit in der Ordnung Folge;
Und deshalb thront der majestätsche Sol
Als Hauptplanet in höchster Herrlichkeit
Vor allen andern, sein heilkräftig Auge
Verbessert den Aspekt bösartger Sterne
Und trifft, wie Königs Machtwort, allbeherrschend
Auf Gut und Böses. Doch wenn die Planeten
In schlimmer Mischung irren ohne Regel,
Welch Schrecknis! Welche Plag und Meuterei!
Welch Stürmen auf der See! Wie bebt die Erde!
Wie rast der Wind! Furcht, Umsturz, Graun und Zwiespalt
Reißt nieder, wühlt, zerschmettert und entwurzelt
Die Eintracht und vermählte Ruh der Staaten
Ganz aus den Fugen! Oh, wird Rangordnung,
Die Letter aller hohen Plän, erschüttert,
So krankt die Ausführung. Wie könnten Gilden,
Würden der Schule, Brüderschaft in Städten,
Friedsamer Handelsbund getrennter Ufer,
Der Würde und das Recht der Erstgeburt,
Ehrfurcht vor Alter, Zepter, Kron und Lorbeer
Ihr ewig Recht ohn Rangordnung behaupten?
Tilg Rangordnung, verstimme diese Saite,
Und höre dann den Mißklang! Alles träf
Auf offnen Widerstand. Empört dem Ufer
Erschwöllen die Gewässer übers Land,
Daß sich in Schlamm die feste Erde löste,
Macht würde der Tyrann der blöden Schwäche,
Der rohe Sohn schlüg seinen Vater tot,
Kraft hieße Recht – nein, Recht und Unrecht, deren
Endlosen Streit Gerechtigkeit vermittelt,
Verlören, wie Gerechtigkeit, den Namen.
Dann löst sich alles auf nur in Gewalt,
Gewalt in Willkür, Willkür in Begier;
Und die Begier, ein allgemeiner Wolf,
Zwiefältig stark durch Willkür und Gewalt,
Muß dann die Welt als Beute an sich reißen
Und sich zuletzt verschlingen. Großer König,
Dies Chaos, ist erst Rangordnung erstickt,
Folgt ihrem Mord.
Und dies Nichtachten jeder Rangordnung
Geht rückwärts Schritt für Schritt, indems hinauf
Zu klimmen strebt. Des Oberfeldherrn spottet,
Der unter ihm zunächst, den höhnt der zweite,
Den nächsten dann sein Untrer: so vergiftet
Vom ersten Schritt, der seinem Obern trotzt,
Wird jeder folgende zum neidschen Fieber
Kraftloser, bleicher Nebenbuhlerschaft.
Und solch ein Fieber ists, das Troja schirmt,
Nicht eigne Stärke. Kurz, den Troern schafft
Nur unsre Schwäche Frist, nicht eigne Kraft.
NESTOR
Sehr weislich hat Ulysses uns enthüllt
Die Seuche, an der unsre Macht erkrankt.
AGAMEMNON
Der Krankheit Art hast du durchschaut, Ulysses;
Welch Mittel nun?
ULYSSES
Der Held Achilles, den die Meinung krönt
Als Nerv und rechte Hand des ganzen Heers,
Das Ohr gefüllt mit seinem luftgen Ruhm,
Wird frech und launenhaft und ruht ihm Zelt,
Verspottend unser Tun. Mit ihm Patroklus,
Auf einem Lotterbett, treibt freche Possen
Den lieben langen Tag
Und stellt mit tölpisch lächerlichem Pathos,
Das der Verleumder Nachahmung benennt,
Uns all zur Schau. Manchmal, o großer König,
Agiert er deine höchste Majestat,
Stolzierend wie ein Bühnenheld, des Geist
Im Kniebug wohnt und dens erhaben dünkt,
Der Bretter Schall und hölzern Echo hören,
Wenn er mit steifem Fuß den Boden stampft;
So jämmerlich verdreht und übertrieben
Verzerrt er deine Hoheit. Wenn er spricht,
Klingts wie geborstne Glocken: sinnlos Zeug,
Wie es von Typhons Schlund hervorgebrüllt
Noch Bombast schiene. Bei dem schalen Wust
Liegt breit und faul Achilles auf den Polstern,
Lacht aus der tiefen Brust ihm lauten Beifall,
Ruft: Herrlich! Das ist Agamemnon völlig!
Nun spiel mir Nestor! Räuspre, streich den Bart
Wie er, wenn er zu reden Anstalt macht! –
Er tuts und triffts, wie Nord und Süd sich treffen,
So ähnlich wie Vulkan der Gattin ist,
Doch Freund Achill ruft nochmals: Meisterhaft!
's ist Nestor ganz! Jetzt spiel ihn mir, Patroklus,
Wie er sich nachts beim Überfall bewaffnet. –
Und dann – wie klein! – muß selbst des Alters Schwachheit
Zur Posse dienen; hustend räuspert er,
Schiebt, krankhaft fuschelnd, an des Panzers Hals
Die Nieten ein und aus, und bei dem Spaß
Stirbt Herr Großmächtig, schreit: Genug, Patroklus!
Schaff Rippen mir von Stahl, sonst spreng ich alle
Vor übermäßger Lust! – So dient den beiden
All unsre Fähigkeit, Natur, Gestalt,
Besondre Gab und allgemeine Art,
Vollbrachte Tat, Entwurf, Befehl und Plan,
Aufforderung zum Kampf, Antrag um Stillstand,
Erfolg und Mißgeschick, was ist und nicht ist,
Zum Stoff für Albernheit und Parodie.
NESTOR
Und von dem schlimmen Beispiel dieser zwei,
Die, wie Ulysses sagt, die Meinung krönt
Mit Herrscherton, ward mancher angesteckt.
Ajax, voll Eigendünkels, trägt das Haupt
So hoch gezäumt, so trotzig wie der breite
Achilles, bleibt in seinem Zelt wie jener,
Gibt Schmäuse den Partein, schimpft unsre Waffen,
Als wär er ein Orakel, hetzt Thersites,
Den Schalksnarrn, der wie Münze Lästrung prägt,
Durch niedrigen Vergleich uns zu besudeln,
Mit Schimpf und Hohn zu schmähn auf unsre Drangsal,
Wie sehr uns auch ringsher Gefahr bedroht.
ULYSSES
Sie lästern unsre Politik als Feigheit,
Sie stoßen Weisheit aus dem Rat des Kriegs,
Verlachen Vorbedacht und würdigen
Nur Tat der Faust – die stille Geisteskraft,
Die prüft, wie viele Hände wirken sollen,
Wenns Zeit erheischt, und durch mühsame Schätzung
Voraus bestimmt, wie zahlreich sei der Feind,
Das alles hält man keines Fingers wert,
Bettarbeit nennt mans, Stubenkrieg und Schreibwerk,
So daß der Widder, der die Mauern bricht,
Und die Gewalt und Sturmkraft seiner Wucht
Den Rang hat vor der Hand, die ihn gezimmert,
Ja selbst vor denen, die mit List und Klugheit
Scharfsinnig seine Wirkung angeordnet.
NESTOR
Dies eingeräumt, so gilt Achilles' Pferd
Viel Thetissöhne!
Trompetenstoß.
AGAMEMNON
Horcht! Wes die Trompeten?
Sieh, Menelaus!
MENELAUS
Von Troja!
Äneas tritt auf.
AGAMEMNON
Was führt Euch hieher?
ÄNEAS
Ist dies
Des großen Agamemnon Zelt?
AGAMEMNON
Ja, dieses.
ÄNEAS
Darf einer, der ein Herold ist und Fürst,
Mit offner Botschaft nahn des Königs Ohr?
AGAMEMNON
Noch sichrer, als geschützt vom Arm Achills,
Vor allen griechschen Häuptern, die einsdmmig
Als Haupt und Feldherrn Agamemnon ehren.
ÄNEAS
Höflich Gewähren; Sicherheit vollauf. –
Wie mag, wer diesen höchsten Blicken fremd,
Von andern Sterblichen ihn unterscheiden?
AGAMEMNON
Wie?
ÄNEAS
Ich frag, auf daß ich Ehrfurcht in mir wecke
Und ein Erröten auf die Wange rufe,
Beschämt, so wie Aurora, wenn sie kühl
Zum jungen Phöbus schaut.
Wer ist der Gott im Amt, der Helden lenkt?
Wer ist der Hochgebieter Agamemnon?
AGAMEMNON
Der Troer höhnt uns, oder Trojas Ritter
Sind überfeine Hofherrn.
ÄNEAS
Hofherrn so mild und adlig, ohne Wehr,
Wie Engel hold geneigt; also im Frieden.
Doch fehlt im Kriegsschmuck Zorn nicht, kräftger Arm,
Der Glieder Macht, getreues Schwert – und, Gott voran,
Kein Herz so muterfüllt. Doch still, Äneas!
Still, Troer! Leg den Finger auf die Lippe;
Des Ruhmes Würdigkeit verliert an Wert,
Wenn der Gepriesne selbst mit Lob sich ehrt;
Doch Lob, das vom besiegten Feind erklingt,
Der Taten Ruf ists, der zum Himmel dringt.
AGAMEMNON
Trojanscher Ritter, nennt Ihr Euch Äneas?
ÄNEAS
Ja, Grieche, also heiß ich.
AGAMEMNON
Eur Geschäft?
ÄNEAS
Verzeiht, es ist für Agamemnons Ohr!
AGAMEMNON
Er hört nichts heimlich, was von Troja kommt.
ÄNEAS
Auch kam ich nicht von Troja, ihm zu flüstern;
Trompeten laß ich schmettern an sein Ohr
Und weck es, aufmerksam sich mir zu neigen;
Dann will ich reden.
AGAMEMNON
Sprich, so frei wie Luft;
Dies ist nicht Agamemnons Schlummerstunde;
Vernehmen sollst du, Troer, er ist wach:
Er selber sagt es dir.
ÄNEAS
Trompet, erklinge
Mit ehrnem Schall durch all die trägen Zelte,
Und jedem tapfern Griechen tu es kund;
Was Troja edel meint, das spricht es laut. –
Trompetenstoß. In Troja lebt, o großer Agamemnon, Ein Prinz, Hektor mit Namen, Priams Sohn, Den diese dumpfe, lange Waffenruh Verrostet hat. Nimm die Trompeten, sprach er, Und rede so: Ihr Könge, Fürsten, Herrn, Ist einer von den Edeln Griechenlands, Dem mehr die Ehre gilt als seine Ruh, Der mehr nach Ruhm strebt, als Gefahren scheut, Der seinen Mut wohl kennt, nicht seine Furcht, Der seine Dame mehr liebt als in Worten, Mit müßgen Schwüren ihrem Mund gelobt, Und ihren Wert und Reiz behaupten darf Nicht bloß mit Liebeswaffen, dem entbiet ich: Im Angesicht der Griechen und Trojaner Beweist es Hektor, oder müht sich drum, Er hab ein Weib, verständger, schöner, treuer, Als an die Brust jemals ein Grieche schloß; Und morgen ruft er mit Trompetenklang Inmitten eurer Zelt und Trojas Mauern, Daß sich ein Griech erheb in Liebe treu. Tritt einer auf, wird Hektor hoch ihn ehren; Wenn keiner kommt, wird er in Troja sagen: Die griechschen Fraun sind sonnverbrannt und unwert Des Splitters einer Lanze! – Dies mein Auftrag.
AGAMEMNON
So, Prinz, verkünd ichs unsern Liebenden.
Hat keiner ein Gemüt also entzündet,
Kam keiner mit uns her. Doch wir sind Ritter;
Und sei mit Schmach vom Rittertum vertrieben,
Wer nicht schon liebt, geliebt hat, noch wird lieben.
Drum wer in Lieb ist, sein wird oder war,
Der stelle sich, sonst biet ich selbst mich dar.
NESTOR
Sag ihm vom Nestor, der ein Mann schon war,
Als Hektors Ältervater sog die Brust:
Er ist nun alt, doch findet sich im Heer
Kein edler Mann, in dem ein Funke glüht,
Zu stehn für seine Dame –, sag ihm dies:
Den Silberbart berg ich im Goldvisier
Und in der Schiene den gewelkten Arm.
So tret ich auf, und sag ihm, mein Gemahl
Besiegt' an Schönheit seine Ältermutter,
An Keuschheit alle. Seinem Jugendmut
Zeug ichs mit meinen sieben Tropfen Blut.
ÄNEAS
Verhüte Gott, daß Jugend also selten!
ULYSSES
Amen!
AGAMEMNON
Erlauchter Lord Äneas, reicht die Hand!
Ich führ Euch, Herr, in unsern Pavilion:
Achill vernehme, was Ihr heut bestellt,
Und jeder griechsche Ritter, Zelt für Zelt.
Dann speist mit uns, eh Ihr nach Troja kehrt,
Und edler Feindesgruß sei Euch gewährt.
Sie gehn ab. Es bleiben Ulysses und Nestor.
ULYSSES
Nestor –
NESTOR
Was sagt Ulysses?
ULYSSES
In meinem Hirn erzeugt sich ein Gedanke;
Seid Ihr die Zeit, ihn zur Geburt zu fördern!
NESTOR
Was ist es?
ULYSSES
Dies: Man sprengt mit stumpfem Keil
Den harten Klotz. Den überreifen Stolz,
Der hoch in Saat geschossen in dem argen
Achill, muß unsre Sichel schleunig mähn,
Sonst streut er rings dieselbe böse Saat,
Uns alle zu ersticken.
NESTOR
Wohl! Und wie?
ULYSSES
Der Kampf, zu dem der tapfre Hektor ruft,
Obschon in Allgemeinheit ausgesprochen,
Zielt doch zunachst allein nur auf Achill.
NESTOR
Der Zweck ist augenfällig; wie ein Ganzes,
Des Großheit sich aus kleinen Teilen formt.
Und wird dies kundgetan, so zweifle nicht,
Achilles, wär auch sein Gehirn so trocken
Als Libyens Strand – und doch, Apoll bezeugs,
's ist dürr genug –, wird mit eilfertgem Urteil,
Ja, unverzüglich, Hektors Zweck durchschaun,
Daß er auf ihn gezielt.
ULYSSES
Und sich der Fordrung stellen, denkt Ihr?
NESTOR
Ja;
So muß es sein. Wer mißt sich sonst mit ihm,
Der aus dem Kampf mit Hektor Ehre brächte,
Als nur Achill? Ists gleich ein Spielgefecht,
Hängt an der Kampfesprobe doch die Meinung.
Denn unser Köstlichstes schmeckt hier der Troer
Mit seinem feinsten Gaum; und glaubt, Ulysses,
Es geht um unser ganzes Ansehn da
Bei diesem tollen Tun; denn der Erfolg,
Obschon des einen Mannes, gibt den Ausschlag Dem allgemeinen gut und schlimmen Ruf – Und solcher Index, ob auch kleine Lettern, Verglichen mit der Bände Folge, zeigt In Kindsgestalt den Riesenkörper schon Von dem, was kommen soll. – Man sieht im Streiter, Der sich dem Hektor stellt, nur unsre Wahl; Und Wahl, einmütger Einklang alles Urteils, Leiht Würde dem Erkornen, kocht heraus Gleichsam von unsrer aller Wert und Kraft Die Quintessenz des Manns. Mißlingt es dem, Welch Herz faßt dann der Sieger in dem Kampf, Die eingebildte Ehre noch zu stählen! Der Ehrenpunkt belebt dann jedes Werkzeug Nicht minder kraftvoll, als Geschoß und Schwert Vom Arm geführt.
ULYSSES
Verzeihung meinem Wort.
Drum muß Achilles nicht mit Hektor kämpfen. Zeigt wie ein Krämer erst die schlechtste Ware, Vielleicht bringt Ihr sie an; geläng es nicht, Dann wird der Glanz der bessern Euch erhöht, Zeigt Ihr die schlechte erst. Drum gebt nicht zu, daß Hektor und Achill zusammen fechten; Sonst folgen unsrer Schmach wie unserm Ruhm Zwei höchst verderbliche Gefährten nach.
NESTOR
Mein altes Auge sieht sie nicht; wer sind sie?
ULYSSES
Der Ruhm, den sich Achill erringt vom Hektor,
War er nicht stolz, wir alle teilten ihn;
Doch allzu übermutig ward er schon,
Und lieber möcht uns Libyens Sonne dörren,
Als seiner Augen Stolz und bittrer Hohn,
Besiegt ihn Hektor nicht. Und wich er ihm,
Zerstörten wir den allgemeinen Glauben
Durch unsres Helden Schmach. Nein, losen wir
Und lenkens klug, daß Tölpel Ajax ziehe
Das Blatt zum Kampf mit Hektor. Unter uns
Rühm Euer Zeugnis ihn als besten Krieger;
Das wird Arznei dem großen Myrmidonen,
Der auf die Volksgunst pocht; dann sinkt sein Kamm,
Der stolz sich wie der Regenbogen bäumt.
Kommt der schwerköpfge Ajax heil davon,
Erhebt ihn unser Lob, und schlägts ihm fehl,
Dann bleibt doch stets die Meinung unverletzt,
Daß wir noch beßre haben. Wie's auch fällt,
Des Plans geheime Absicht muß gelingen:
Ajax, erwählt, rupft dem Achill die Schwingen.
NESTOR
Ulysses,
Jetzt fängt dein Vorschlag an, mir einzuleuchten;
Und ungesäumt soll Agamemnon gleichfalls
Ihn kosten. – Gehn wir in sein Zelt sofort!
Hier zähm ein Hund den andern: Stolz allein
Muß dieser Bullenbeißer Knochen sein.
Sie gehn ab.