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DRITTE SZENE

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Inhaltsverzeichnis

Das griechische Lager . Vor Agamemnons Zelt

Trompeten. Es treten auf Agamemnon, Nestor, Ulysses, Menelaus und andere.

AGAMEMNON

Fürsten,

Kann Gram mit Gelbsucht Eure Wangen färben?

Bei jedem Plan, auf Erden hier begonnen,

Bildet Erwartung sich ein großes Ziel;

So groß verwirklicht es sich nie. Denn Hemmung

Keimt in den Adern hochgezielter Tat,

Wie Knorren, durch zu üppgen Saft erzeugt,

Der schlanken Fichte Wacbstum stockend lähmen,

Daß sie gekrummt und siech nicht hoch erwächst.

Auch kanns, Ihr Fürsten, nicht befremdlich sein,

Wenn uns Erwartung täuscht und Trojas Mauern

Noch aufrecht stehn, bedroht seit sieben Jahren,

Weil jede Kriegstat schon in vorger Zeit,

Von der uns Kunde zukam, ward gekreuzt

Und im Versuch weit abgelenkt vom Ziel

Und jenem geistgen Vorbild des Gedankens,

Das ihr ein Traumbild schuf. Weshalb denn, Fürsten,

Seht Ihr beschämten Blicks auf unser Werk,

Als wäre Schmach, was doch nichts anders ist,

Als des erhabnen Zeus verzögert Prüfen,

Ob noch im Menschen fest Beharren sei?

Denn nicht erprobt sich dieser echte Stahl,

Begünstigt uns Fortuna, denn alsdann

Scheint Held und Feiger, Narr und Weiser, Künstler

Und Tor, Weichling und Starker nah verwandt;

Doch in dem Sturm und Schnauben ihres Zorns,

Wirft Sondrung, mit gewaltger, breiter Schaufel

Alles aufschütteind, leichte Spreu hinweg,

Und was Gewicht und Stoff hat in sich selbst,

Bleibt reich an Tugend liegen, unvermischt.

NESTOR

In schuldger Ehrfurcht deinem heilgen Thron,

O Agamemnon, wird dein letztes Wort

Nestor erläutern. In dem Kampf mit Wechsel

Bewährt sich echte Kraft. Auf stiller See,

Wie fährt so mancher gaukeind winzge Kahn

Auf ihrer ruhgen Brust, und gleitet hin

Mit Seglern mächtgen Baus?

Doch laß den Raufer Boreas erzürnen

Die sanfte Thetis: rasch durchschneidet dann

Das starkgerippte Schiff die Wellenberge,

Springt zwischen beiden feuchten Elementen

Gleich Perseus' Roß – wo bleibt das eitle Boot,

Des schwachgefügte Seiten eben noch

Wettkämpften mit der Kraft? Es flieht zum Hafen,

Wenns nicht Neptun verschlingt. So trennt sich auch

Des Mutes Schein vom wahren Kern des Mutes

Im Sturm des Glücks, denn strahlt es hell und mild,

Dann wird die Bremse quälender der Herde

Als selbst der Tiger; doch wenn Stürme spaltend

Der knotigen Eiche Knie darniederbeugen

Und Schutz die Fliege sucht, ja, dann das Tier des Mutes,

Wie aufgeregt von Wut, wird selber Wut

Und brüllt, in gleichen Tönen widerhallend,

Dem zorngen Glück entgegen.

ULYSSES

Agamemnon,

Du großer Fürst, Gebein und Nerv der Griechen,

Herz unsrer Scharen, Seel und einzger Geist,

In dem Gemüt und Wesen aller sollte

Beschlossen sein, hör, was Ulysses spricht,

Den Beifall und die Huldgung abgerechnet,

Die,

zu Agamemnon Mächtger du durch Rang und Herrscherwürde, zu Nestor Und du, Ehrwürdger durch dein hohes Alter, Ich euren Reden zolle, die so trefflich, Daß Agamemnon und der Griechen Hand Sie sollt in Erz erhöhn; und deine gleichfalls, Ehrwürdger Nestor, silberweiß, mit Banden Aus Luft gewebt, stark wie die Achs, urn die Der Himmel kreist, sollt aller Griechen Ohr An deine weise Zunge fessein – doch, Du Staatsmann und du Fürst, vergönnt Ulysses Nach Euch zu reden.

AGAMEMNON

Sprich, Held von Ithaka; so sicher ists,

Daß kein unnützes, kein gehaltlos Wort

Je deine Lippen teilt, als wir erwarten,

Wenn Hund Thersites anstimmt sein Gebell,

Je Witz, Musik, Orakel zu vernehmen.

ULYSSES

Troja, noch unerschüttert, wär gefallen

Und herrenlos des großen Hektor Schwert,

Wenn folgendes nicht hemmte:

Verkannt wird Seel und Geist der Oberherrschaft!

Und seht: so viele Griechenzelte hohl

Stehn auf dem Feld, so viel Parteienhohlheit! –

Wenn nicht der Feldherr gleicht dem Bienenstock,

Dem alle Schwärme ihre Beute zollen,

Wie hofft ihr Honig? Wenn sich Rang verlarvt,

Scheint auch der Schlechtste in der Maske edel.

Die Himmel selbst, Planeten und dies Zentrum,

Reihn sich nach Abstand, Rang und Würdigkeit,

Beharrungskraft, Form, Lauf, Verhältnis, Jahreszeit,

Amt und Gewohnheit in der Ordnung Folge;

Und deshalb thront der majestätsche Sol

Als Hauptplanet in höchster Herrlichkeit

Vor allen andern, sein heilkräftig Auge

Verbessert den Aspekt bösartger Sterne

Und trifft, wie Königs Machtwort, allbeherrschend

Auf Gut und Böses. Doch wenn die Planeten

In schlimmer Mischung irren ohne Regel,

Welch Schrecknis! Welche Plag und Meuterei!

Welch Stürmen auf der See! Wie bebt die Erde!

Wie rast der Wind! Furcht, Umsturz, Graun und Zwiespalt

Reißt nieder, wühlt, zerschmettert und entwurzelt

Die Eintracht und vermählte Ruh der Staaten

Ganz aus den Fugen! Oh, wird Rangordnung,

Die Letter aller hohen Plän, erschüttert,

So krankt die Ausführung. Wie könnten Gilden,

Würden der Schule, Brüderschaft in Städten,

Friedsamer Handelsbund getrennter Ufer,

Der Würde und das Recht der Erstgeburt,

Ehrfurcht vor Alter, Zepter, Kron und Lorbeer

Ihr ewig Recht ohn Rangordnung behaupten?

Tilg Rangordnung, verstimme diese Saite,

Und höre dann den Mißklang! Alles träf

Auf offnen Widerstand. Empört dem Ufer

Erschwöllen die Gewässer übers Land,

Daß sich in Schlamm die feste Erde löste,

Macht würde der Tyrann der blöden Schwäche,

Der rohe Sohn schlüg seinen Vater tot,

Kraft hieße Recht – nein, Recht und Unrecht, deren

Endlosen Streit Gerechtigkeit vermittelt,

Verlören, wie Gerechtigkeit, den Namen.

Dann löst sich alles auf nur in Gewalt,

Gewalt in Willkür, Willkür in Begier;

Und die Begier, ein allgemeiner Wolf,

Zwiefältig stark durch Willkür und Gewalt,

Muß dann die Welt als Beute an sich reißen

Und sich zuletzt verschlingen. Großer König,

Dies Chaos, ist erst Rangordnung erstickt,

Folgt ihrem Mord.

Und dies Nichtachten jeder Rangordnung

Geht rückwärts Schritt für Schritt, indems hinauf

Zu klimmen strebt. Des Oberfeldherrn spottet,

Der unter ihm zunächst, den höhnt der zweite,

Den nächsten dann sein Untrer: so vergiftet

Vom ersten Schritt, der seinem Obern trotzt,

Wird jeder folgende zum neidschen Fieber

Kraftloser, bleicher Nebenbuhlerschaft.

Und solch ein Fieber ists, das Troja schirmt,

Nicht eigne Stärke. Kurz, den Troern schafft

Nur unsre Schwäche Frist, nicht eigne Kraft.

NESTOR

Sehr weislich hat Ulysses uns enthüllt

Die Seuche, an der unsre Macht erkrankt.

AGAMEMNON

Der Krankheit Art hast du durchschaut, Ulysses;

Welch Mittel nun?

ULYSSES

Der Held Achilles, den die Meinung krönt

Als Nerv und rechte Hand des ganzen Heers,

Das Ohr gefüllt mit seinem luftgen Ruhm,

Wird frech und launenhaft und ruht ihm Zelt,

Verspottend unser Tun. Mit ihm Patroklus,

Auf einem Lotterbett, treibt freche Possen

Den lieben langen Tag

Und stellt mit tölpisch lächerlichem Pathos,

Das der Verleumder Nachahmung benennt,

Uns all zur Schau. Manchmal, o großer König,

Agiert er deine höchste Majestat,

Stolzierend wie ein Bühnenheld, des Geist

Im Kniebug wohnt und dens erhaben dünkt,

Der Bretter Schall und hölzern Echo hören,

Wenn er mit steifem Fuß den Boden stampft;

So jämmerlich verdreht und übertrieben

Verzerrt er deine Hoheit. Wenn er spricht,

Klingts wie geborstne Glocken: sinnlos Zeug,

Wie es von Typhons Schlund hervorgebrüllt

Noch Bombast schiene. Bei dem schalen Wust

Liegt breit und faul Achilles auf den Polstern,

Lacht aus der tiefen Brust ihm lauten Beifall,

Ruft: Herrlich! Das ist Agamemnon völlig!

Nun spiel mir Nestor! Räuspre, streich den Bart

Wie er, wenn er zu reden Anstalt macht! –

Er tuts und triffts, wie Nord und Süd sich treffen,

So ähnlich wie Vulkan der Gattin ist,

Doch Freund Achill ruft nochmals: Meisterhaft!

's ist Nestor ganz! Jetzt spiel ihn mir, Patroklus,

Wie er sich nachts beim Überfall bewaffnet. –

Und dann – wie klein! – muß selbst des Alters Schwachheit

Zur Posse dienen; hustend räuspert er,

Schiebt, krankhaft fuschelnd, an des Panzers Hals

Die Nieten ein und aus, und bei dem Spaß

Stirbt Herr Großmächtig, schreit: Genug, Patroklus!

Schaff Rippen mir von Stahl, sonst spreng ich alle

Vor übermäßger Lust! – So dient den beiden

All unsre Fähigkeit, Natur, Gestalt,

Besondre Gab und allgemeine Art,

Vollbrachte Tat, Entwurf, Befehl und Plan,

Aufforderung zum Kampf, Antrag um Stillstand,

Erfolg und Mißgeschick, was ist und nicht ist,

Zum Stoff für Albernheit und Parodie.

NESTOR

Und von dem schlimmen Beispiel dieser zwei,

Die, wie Ulysses sagt, die Meinung krönt

Mit Herrscherton, ward mancher angesteckt.

Ajax, voll Eigendünkels, trägt das Haupt

So hoch gezäumt, so trotzig wie der breite

Achilles, bleibt in seinem Zelt wie jener,

Gibt Schmäuse den Partein, schimpft unsre Waffen,

Als wär er ein Orakel, hetzt Thersites,

Den Schalksnarrn, der wie Münze Lästrung prägt,

Durch niedrigen Vergleich uns zu besudeln,

Mit Schimpf und Hohn zu schmähn auf unsre Drangsal,

Wie sehr uns auch ringsher Gefahr bedroht.

ULYSSES

Sie lästern unsre Politik als Feigheit,

Sie stoßen Weisheit aus dem Rat des Kriegs,

Verlachen Vorbedacht und würdigen

Nur Tat der Faust – die stille Geisteskraft,

Die prüft, wie viele Hände wirken sollen,

Wenns Zeit erheischt, und durch mühsame Schätzung

Voraus bestimmt, wie zahlreich sei der Feind,

Das alles hält man keines Fingers wert,

Bettarbeit nennt mans, Stubenkrieg und Schreibwerk,

So daß der Widder, der die Mauern bricht,

Und die Gewalt und Sturmkraft seiner Wucht

Den Rang hat vor der Hand, die ihn gezimmert,

Ja selbst vor denen, die mit List und Klugheit

Scharfsinnig seine Wirkung angeordnet.

NESTOR

Dies eingeräumt, so gilt Achilles' Pferd

Viel Thetissöhne!

Trompetenstoß.

AGAMEMNON

Horcht! Wes die Trompeten?

Sieh, Menelaus!

MENELAUS

Von Troja!

Äneas tritt auf.

AGAMEMNON

Was führt Euch hieher?

ÄNEAS

Ist dies

Des großen Agamemnon Zelt?

AGAMEMNON

Ja, dieses.

ÄNEAS

Darf einer, der ein Herold ist und Fürst,

Mit offner Botschaft nahn des Königs Ohr?

AGAMEMNON

Noch sichrer, als geschützt vom Arm Achills,

Vor allen griechschen Häuptern, die einsdmmig

Als Haupt und Feldherrn Agamemnon ehren.

ÄNEAS

Höflich Gewähren; Sicherheit vollauf. –

Wie mag, wer diesen höchsten Blicken fremd,

Von andern Sterblichen ihn unterscheiden?

AGAMEMNON

Wie?

ÄNEAS

Ich frag, auf daß ich Ehrfurcht in mir wecke

Und ein Erröten auf die Wange rufe,

Beschämt, so wie Aurora, wenn sie kühl

Zum jungen Phöbus schaut.

Wer ist der Gott im Amt, der Helden lenkt?

Wer ist der Hochgebieter Agamemnon?

AGAMEMNON

Der Troer höhnt uns, oder Trojas Ritter

Sind überfeine Hofherrn.

ÄNEAS

Hofherrn so mild und adlig, ohne Wehr,

Wie Engel hold geneigt; also im Frieden.

Doch fehlt im Kriegsschmuck Zorn nicht, kräftger Arm,

Der Glieder Macht, getreues Schwert – und, Gott voran,

Kein Herz so muterfüllt. Doch still, Äneas!

Still, Troer! Leg den Finger auf die Lippe;

Des Ruhmes Würdigkeit verliert an Wert,

Wenn der Gepriesne selbst mit Lob sich ehrt;

Doch Lob, das vom besiegten Feind erklingt,

Der Taten Ruf ists, der zum Himmel dringt.

AGAMEMNON

Trojanscher Ritter, nennt Ihr Euch Äneas?

ÄNEAS

Ja, Grieche, also heiß ich.

AGAMEMNON

Eur Geschäft?

ÄNEAS

Verzeiht, es ist für Agamemnons Ohr!

AGAMEMNON

Er hört nichts heimlich, was von Troja kommt.

ÄNEAS

Auch kam ich nicht von Troja, ihm zu flüstern;

Trompeten laß ich schmettern an sein Ohr

Und weck es, aufmerksam sich mir zu neigen;

Dann will ich reden.

AGAMEMNON

Sprich, so frei wie Luft;

Dies ist nicht Agamemnons Schlummerstunde;

Vernehmen sollst du, Troer, er ist wach:

Er selber sagt es dir.

ÄNEAS

Trompet, erklinge

Mit ehrnem Schall durch all die trägen Zelte,

Und jedem tapfern Griechen tu es kund;

Was Troja edel meint, das spricht es laut. –

Trompetenstoß. In Troja lebt, o großer Agamemnon, Ein Prinz, Hektor mit Namen, Priams Sohn, Den diese dumpfe, lange Waffenruh Verrostet hat. Nimm die Trompeten, sprach er, Und rede so: Ihr Könge, Fürsten, Herrn, Ist einer von den Edeln Griechenlands, Dem mehr die Ehre gilt als seine Ruh, Der mehr nach Ruhm strebt, als Gefahren scheut, Der seinen Mut wohl kennt, nicht seine Furcht, Der seine Dame mehr liebt als in Worten, Mit müßgen Schwüren ihrem Mund gelobt, Und ihren Wert und Reiz behaupten darf Nicht bloß mit Liebeswaffen, dem entbiet ich: Im Angesicht der Griechen und Trojaner Beweist es Hektor, oder müht sich drum, Er hab ein Weib, verständger, schöner, treuer, Als an die Brust jemals ein Grieche schloß; Und morgen ruft er mit Trompetenklang Inmitten eurer Zelt und Trojas Mauern, Daß sich ein Griech erheb in Liebe treu. Tritt einer auf, wird Hektor hoch ihn ehren; Wenn keiner kommt, wird er in Troja sagen: Die griechschen Fraun sind sonnverbrannt und unwert Des Splitters einer Lanze! – Dies mein Auftrag.

AGAMEMNON

So, Prinz, verkünd ichs unsern Liebenden.

Hat keiner ein Gemüt also entzündet,

Kam keiner mit uns her. Doch wir sind Ritter;

Und sei mit Schmach vom Rittertum vertrieben,

Wer nicht schon liebt, geliebt hat, noch wird lieben.

Drum wer in Lieb ist, sein wird oder war,

Der stelle sich, sonst biet ich selbst mich dar.

NESTOR

Sag ihm vom Nestor, der ein Mann schon war,

Als Hektors Ältervater sog die Brust:

Er ist nun alt, doch findet sich im Heer

Kein edler Mann, in dem ein Funke glüht,

Zu stehn für seine Dame –, sag ihm dies:

Den Silberbart berg ich im Goldvisier

Und in der Schiene den gewelkten Arm.

So tret ich auf, und sag ihm, mein Gemahl

Besiegt' an Schönheit seine Ältermutter,

An Keuschheit alle. Seinem Jugendmut

Zeug ichs mit meinen sieben Tropfen Blut.

ÄNEAS

Verhüte Gott, daß Jugend also selten!

ULYSSES

Amen!

AGAMEMNON

Erlauchter Lord Äneas, reicht die Hand!

Ich führ Euch, Herr, in unsern Pavilion:

Achill vernehme, was Ihr heut bestellt,

Und jeder griechsche Ritter, Zelt für Zelt.

Dann speist mit uns, eh Ihr nach Troja kehrt,

Und edler Feindesgruß sei Euch gewährt.

Sie gehn ab. Es bleiben Ulysses und Nestor.

ULYSSES

Nestor –

NESTOR

Was sagt Ulysses?

ULYSSES

In meinem Hirn erzeugt sich ein Gedanke;

Seid Ihr die Zeit, ihn zur Geburt zu fördern!

NESTOR

Was ist es?

ULYSSES

Dies: Man sprengt mit stumpfem Keil

Den harten Klotz. Den überreifen Stolz,

Der hoch in Saat geschossen in dem argen

Achill, muß unsre Sichel schleunig mähn,

Sonst streut er rings dieselbe böse Saat,

Uns alle zu ersticken.

NESTOR

Wohl! Und wie?

ULYSSES

Der Kampf, zu dem der tapfre Hektor ruft,

Obschon in Allgemeinheit ausgesprochen,

Zielt doch zunachst allein nur auf Achill.

NESTOR

Der Zweck ist augenfällig; wie ein Ganzes,

Des Großheit sich aus kleinen Teilen formt.

Und wird dies kundgetan, so zweifle nicht,

Achilles, wär auch sein Gehirn so trocken

Als Libyens Strand – und doch, Apoll bezeugs,

's ist dürr genug –, wird mit eilfertgem Urteil,

Ja, unverzüglich, Hektors Zweck durchschaun,

Daß er auf ihn gezielt.

ULYSSES

Und sich der Fordrung stellen, denkt Ihr?

NESTOR

Ja;

So muß es sein. Wer mißt sich sonst mit ihm,

Der aus dem Kampf mit Hektor Ehre brächte,

Als nur Achill? Ists gleich ein Spielgefecht,

Hängt an der Kampfesprobe doch die Meinung.

Denn unser Köstlichstes schmeckt hier der Troer

Mit seinem feinsten Gaum; und glaubt, Ulysses,

Es geht um unser ganzes Ansehn da

Bei diesem tollen Tun; denn der Erfolg,

Obschon des einen Mannes, gibt den Ausschlag Dem allgemeinen gut und schlimmen Ruf – Und solcher Index, ob auch kleine Lettern, Verglichen mit der Bände Folge, zeigt In Kindsgestalt den Riesenkörper schon Von dem, was kommen soll. – Man sieht im Streiter, Der sich dem Hektor stellt, nur unsre Wahl; Und Wahl, einmütger Einklang alles Urteils, Leiht Würde dem Erkornen, kocht heraus Gleichsam von unsrer aller Wert und Kraft Die Quintessenz des Manns. Mißlingt es dem, Welch Herz faßt dann der Sieger in dem Kampf, Die eingebildte Ehre noch zu stählen! Der Ehrenpunkt belebt dann jedes Werkzeug Nicht minder kraftvoll, als Geschoß und Schwert Vom Arm geführt.

ULYSSES

Verzeihung meinem Wort.

Drum muß Achilles nicht mit Hektor kämpfen. Zeigt wie ein Krämer erst die schlechtste Ware, Vielleicht bringt Ihr sie an; geläng es nicht, Dann wird der Glanz der bessern Euch erhöht, Zeigt Ihr die schlechte erst. Drum gebt nicht zu, daß Hektor und Achill zusammen fechten; Sonst folgen unsrer Schmach wie unserm Ruhm Zwei höchst verderbliche Gefährten nach.

NESTOR

Mein altes Auge sieht sie nicht; wer sind sie?

ULYSSES

Der Ruhm, den sich Achill erringt vom Hektor,

War er nicht stolz, wir alle teilten ihn;

Doch allzu übermutig ward er schon,

Und lieber möcht uns Libyens Sonne dörren,

Als seiner Augen Stolz und bittrer Hohn,

Besiegt ihn Hektor nicht. Und wich er ihm,

Zerstörten wir den allgemeinen Glauben

Durch unsres Helden Schmach. Nein, losen wir

Und lenkens klug, daß Tölpel Ajax ziehe

Das Blatt zum Kampf mit Hektor. Unter uns

Rühm Euer Zeugnis ihn als besten Krieger;

Das wird Arznei dem großen Myrmidonen,

Der auf die Volksgunst pocht; dann sinkt sein Kamm,

Der stolz sich wie der Regenbogen bäumt.

Kommt der schwerköpfge Ajax heil davon,

Erhebt ihn unser Lob, und schlägts ihm fehl,

Dann bleibt doch stets die Meinung unverletzt,

Daß wir noch beßre haben. Wie's auch fällt,

Des Plans geheime Absicht muß gelingen:

Ajax, erwählt, rupft dem Achill die Schwingen.

NESTOR

Ulysses,

Jetzt fängt dein Vorschlag an, mir einzuleuchten;

Und ungesäumt soll Agamemnon gleichfalls

Ihn kosten. – Gehn wir in sein Zelt sofort!

Hier zähm ein Hund den andern: Stolz allein

Muß dieser Bullenbeißer Knochen sein.

Sie gehn ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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