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17. Kapitel Wie Hauptmann Dobbin ein Klavier kaufte

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Wenn es auf dem ganzen Jahrmarkt der Eitelkeit ein Schauspiel gibt, das Satire und Gefühl Arm in Arm besuchen können, wo man auf die seltsamsten Kontraste stößt – lächerlich oder traurig, wo man mit demselben Recht sanft und gefühlvoll oder zornig und zynisch sein kann, so ist das eine jener öffentlichen Versammlungen, die täglich in Massen auf der letzten Seite der „Times“ angekündigt werden und deren würdiger Vorsitzender der selige Mr. George Robins war. Es gibt wohl nur sehr wenige Londoner, die nicht an diesen Versammlungen teilgenommen haben. Alle, die eine Neigung zum Moralisieren haben, müssen mit einem etwas unruhigen und seltsamen Gefühl an den Tag gedacht haben, wo sie an die Reihe kommen und Mr. Hammerdown im Auftrag von Diogenes' Bevollmächtigten oder dem Testamentsvollstrecker die Bibliothek, die Möbel, das Silber, die Garderobe und den auserlesenen Wein aus dem Keller des verstorbenen Epikur öffentlich versteigert.

Auch der selbstsüchtigste Charakter vom Jahrmarkt der Eitelkeit kann ein gewisses Mitgefühl und Bedauern nicht unterdrücken, wenn er Zeuge dieses schmutzigen Teils der Leichenfeierlichkeiten für einen verstorbenen Freund wird. Die sterbliche Hülle Lord Dives' ruht in der Familiengruft, die Bildhauer hauen eine Inschrift aus, die wahrheitsgetreu die Erinnerung an seine Tugenden und den Kummer seines Erben, der jetzt über sein Vermögen verfügt, wachhält. Welcher von Dives' Tischgästen kann ohne Seufzer an dem vertrauten Hause vorübergehen? An dem vertrauten Haus, dessen Lichter abends so freundlich glänzten, dessen Türen sich so bereitwillig öffneten, dessen gehorsame Diener deinen Namen von Absatz zu Absatz meldeten, während du hinaufstiegst, bis er ins Zimmer des lustigen alten Dives drang, der seine Freunde willkommen hieß! Wie viele Freunde hatte er doch, und wie nobel bewirtete er sie! Wie witzig waren die Leute hier, die draußen sofort wieder mürrisch wurden; wie höflich und freundlich begegneten sich Leute hier, die sich sonst haßten und verleumdeten, wo sie konnten! Er war zwar wichtigtuerisch, aber was konnte man bei einem solchen Gastgeber nicht alles in Kauf nehmen? Vielleicht war er auch ein bißchen dumm, macht denn aber nicht solch ein Wein jede Unterhaltung angenehm? „Wir müssen um jeden Preis etwas von seinem Burgunder bekommen“, rufen die Leidtragenden in seinem Klub. „Diese Dose habe ich bei der Auktion vom alten Dives ersteigert“, sagt Pincher und zeigt sie herum, „eine der Mätressen von Ludwig XV. – hübsches Ding, nicht wahr? Eine süße Miniatur“, und sie unterhalten sich darüber, wie der junge Dives sein Vermögen durchbringt.

Wie ganz anders aber sieht nun das Haus aus! Die Fassade ist mit Plakaten bedeckt, auf denen mit grellen Buchstaben Einzelheiten über das Mobiliar zu erfahren sind. Aus einem der oberen Fenster hängt ein Stück Teppich heraus; ein halbes Dutzend Gepäckträger lungert auf den schmutzigen Treppen herum; in der Vorhalle drängen sich dunkelhäutige Gäste mit orientalischen Gesichtszügen, die dir gedruckte Karten in die Hand drücken und für dich bieten wollen. Im oberen Stockwerk treiben sich alte Frauen und andere Liebhaber herum, befühlen die Bettvorhänge, tauchen die Hand in die Federn, kneten die Matratzen und machen Kommoden auf und zu. Unternehmungslustige junge Hausfrauen messen Spiegel und Vorhänge, um zu prüfen, ob sie für den neuen Haushalt passen (Snob prahlt noch nach Jahren, dass er dieses oder jenes in der Divesschen Auktion erstanden hat), und Mr. Hammerdown sitzt auf dem großen Mahagonitisch im Speisezimmer, schwingt den Elfenbeinhammer und bietet alle Künste der Beredsamkeit, Begeisterung, Vernunft, Verzweiflung und des Bittens auf, schreit seine Leute an, verspottet Mr. Davids wegen seiner Langsamkeit, feuert Mr. Moss an, etwas zu tun, fleht, befiehlt und brüllt, bis endlich der Hammer, gewichtig wie das Schicksal, niedersaust und man zur nächsten Nummer übergeht. O Dives! Wer hätte wohl jemals gedacht, als wir um den breiten, von Silber und fleckenlosem Linnen strahlenden Tisch saßen, dass wir je solch ein Gericht auf der Tafel stehen sehen würden wie diesen schreienden Auktionator!

Die Auktion näherte sich bereits ihrem Ende. Die herrliche Saloneinrichtung, von Meisterhand gefertigt, die seltsamen und berühmten Weine, ehemals vom Kenner ohne Rücksicht auf den Preis erworben, und das reiche und vollständige Familiensilber waren bereits an den Tagen zuvor verkauft worden. Einige der besten Weine (die bei den Liebhabern in der Nachbarschaft alle einen guten Ruf hatten) hatte der Butler unseres Freundes John Osborne vom Russell Square für seinen Herrn, der sie recht gut kannte, ersteigert. Ein kleiner Teil von den nützlichsten Gegenständen des Silbers hatten einige junge Börsenmakler aus der City gekauft. Und jetzt, als das Publikum zum Kauf kleinerer Objekte aufgefordert worden war, geschah es, dass der Redner auf dem Tisch sich über den Wert eines Gemäldes ausließ, das er seinen Zuhörern anzupreisen suchte. Das Publikum war aber keineswegs mehr so erlesen und zahlreich wie an den vorangegangenen Auktionstagen.

„Nummer 369“, brüllte Mr. Hammerdown. „Das Porträt eines Herrn auf einem Elefanten. Wer bietet für den Herrn auf dem Elefanten? Halten Sie das Gemälde hoch, Mr. Blowman, damit die Gesellschaft es beurteilen kann.“ Ein langer, blasser Herr von militärischem Aussehen, der ernsthaft an dem Mahagonitisch saß, konnte sich eines Lächelns nicht enthalten, als Mr. Blowman dieses wertvolle Stück zeigte. „Drehen Sie den Elefanten doch zum Hauptmann, Blowman. Wieviel bieten Sie für den Elefanten, Sir?“ Aber der Hauptmann wandte schnell und verlegen errötend den Kopf ab, und der Auktionator wiederholte sein Angebot.

„Sagen wir zwanzig Guineen für das Kunstwerk? Fünfzehn? Fünf? Bestimmen Sie selbst den Preis! Der Herr ist schon ohne den Elefanten fünf Pfund wert.“

„Ich wundere mich nur, dass er nicht unter ihm zusammengebrochen ist“, warf ein Spaßvogel ein, „jedenfalls ist er ganz schön gewichtig.“ Da der Reiter auf dem Elefanten tatsächlich als wohlbeleibte Gestalt dargestellt war, entstand ein allgemeines Gelächter im Raum.

„Suchen Sie doch nicht den Wert des Kunstwerks herabzusetzen, Mr. Moss“, sagte Mr. Hammerdown, „die Versammlung soll den Gegenstand als Kunstwerk betrachten – die Haltung des stattlichen Tieres durchaus naturgetreu, der Herr in einer Nankingjacke, die Flinte in der Hand, geht auf die Jagd, im Hintergrund bemerkt man einen heiligen Feigenbaum und eine Pagode – höchstwahrscheinlich die Darstellung eines interessanten Ortes in unseren berühmten ostindischen Besitzungen. Wieviel für diesen Gegenstand? Kommen Sie, meine Herren, halten Sie mich nicht den ganzen Tag damit auf.“

Jemand bot fünf Shilling, worauf der militärisch aussehende Herr in die Richtung blickte, aus der dieses glänzende Angebot gekommen war, und dort sah er einen anderen Offizier mit einer jungen Dame am Arm. Beide waren offenbar von der Szene höchst belustigt und erhielten den Gegenstand schließlich für eine halbe Guinee zugeschlagen. Der Mann am Tisch schien überraschter und verlegener als zuvor, als er dieses Paar erspähte; er verbarg den Kopf in seinem Uniformkragen und kehrte ihnen den Rücken zu, um den beiden auszuweichen.

Es ist nicht unsere Absicht, alle Dinge aufzuzählen, die Mr. Hammerdown die Ehre hatte, an jenem Tage zum Kaufe anzupreisen. Wir wollen nur das kleine Tafelklavier aus den oberen Regionen des Hauses erwähnen (der prächtige Flügel war schon vorher verkauft worden). Die junge Dame probierte darauf mit schneller und geübter Hand (wobei der Offizier abermals errötete und zusammenfuhr), und als das Klavier an die Reihe kam, begann ihr Beauftragter zu bieten.

Allein hier zeigte sich eine Konkurrenz. Der jüdische Adjutant im Dienste des Offiziers am Tisch bot gegen den jüdischen Herrn, den die Elefantenkäufer angestellt hatten, und es entspann sich nun ein lebhafter Kampf um das kleine Klavier, zu dem die Kontrahenten von Mr. Hammerdown noch gehörig angefeuert wurden.

Als der Wettstreit eine Weile gedauert hatte, gaben der Elefantenhauptmann und seine Dame das Rennen schließlich auf. Der Hammer fiel nieder, der Auktionator sagte: „Mr. Lewis, fünfundzwanzig“, und Mr. Lewis' Auftraggeber wurde Eigentümer des kleinen Tafelklaviers. Nachdem der Kauf zustande gekommen war, richtete dieser Herr sich auf, als sei ihm eine Last von den Schultern genommen worden, und in dem Augenblick, da die erfolglosen Konkurrenten ihn erspähten, sagte die Dame zu ihrem Freund: „Sieh mal, Rawdon, es ist ja Hauptmann Dobbin.“

Vielleicht war Becky unzufrieden mit dem neuen Klavier, das ihr Mann für sie gemietet hatte, vielleicht hatte auch der Eigentümer das Instrument wieder weggeholt, weil er nicht weiter Kredit gewähren wollte, vielleicht aber hatte Becky auch eine besondere Vorliebe für das Klavier, das sie hatte kaufen wollen, denn sie erinnerte sich noch der Zeit, als sie im Zimmerchen unserer teuren Amelia Sedley darauf gespielt hatte.

Die Versteigerung fand in dem alten Haus am Russell Square statt, wo wir zu Beginn dieser Geschichte einige Abende miteinander verbracht haben. Der gute alte John Sedley war ruiniert. Er war auf der Börse als zahlungsunfähig erklärt worden, und sein Bankrott sowie seine Geschäftstilgung folgten. Mr. Osbornes Butler kam, um einen Teil des berühmten Portweines zu ersteigern und ihn in den Keller gegenüber zu bringen. Drei junge Börsenmakler (Mr. Dale, Mr. Spiggot und Mr. Dale aus der Threadneedle Street) schickten ein Dutzend schön gearbeiteter silberner Löffel und Gabeln sowie ein Dutzend Dessertbestecke, Splitter von dem Wrack, mit besten Grüßen an die gute Mrs. Sedley. Sie hatten mit dem alten Mann geschäftlich zu tun gehabt und von ihm manche Gefälligkeit erfahren in einer Zeit, wo er gegen alle, mit denen er zu tun hatte, gefällig war. Da das Klavier Amelia gehört hatte und sie es bestimmt vermissen würde und jetzt eins brauchen könnte und da Hauptmann Dobbin ebensowenig darauf spielen konnte, wie er Seiltanzen konnte, hatte er das Instrument wahrscheinlich nicht für sich selbst gekauft.

Kurz gesagt, es traf noch am gleichen Abend in einem wunderhübschen Häuschen in einer Querstraße der Fulham Road ein, einer jener Straßen, die die schönsten romantischen Namen tragen (diese hier hieß Sankt-Adelaide-Villen, Anna-Maria Road, West); wo die Häuser wie Puppenhäuser aussehen; wo die Leute, wenn sie aus den Fenstern des ersten Stockwerkes schauen, mit den Füßen offenbar im Erdgeschoß stehen müssen; wo die Sträucher in den Vorgärtchen jahraus, jahrein einen Blütenschmuck von Kinderschürzen, roten Strümpfchen, Mützen und so weiter (polyandria, polygynia) tragen; wo man Spinettklimpern und singende Frauenstimmen vernimmt; wo sich am Geländer kleine Bierkrüge sonnen und wohin abends kleine Angestellte aus der City ihre müden Schritte lenken; hier hatte Mr. Clapp, Mr. Sedleys Buchhalter, sein Zuhause, und zu diesem Ort nahm der gute alte Herr mit Frau und Tochter Zuflucht, als der große Krach kam.

Joe Sedley hatte auf die Nachricht von dem Familienunglück hin so gehandelt, wie man es von einem Manne seines Schlages erwarten konnte. Er kam nicht nach London, schrieb aber seiner Mutter, sie könne bei seinem Beauftragten so viel Geld abheben, wie gebraucht werde, so dass seine guten, tiefgebeugten alten Eltern vorläufig keine Armut fürchten mußten. Nachdem er dies getan hatte, lebte Joe in seiner Pension in Cheltenham weiter wie bisher. Er fuhr in seinem Wagen, trank seinen Claret, spielte seine Partie Whist, tischte seine indischen Geschichten auf, und die irische Witwe tröstete ihn und schmeichelte ihm wie bisher. Sein Geldgeschenk, so nützlich es auch war, machte auf seine Eltern nur wenig Eindruck, und ich habe Amelia erzählen hören, dass ihr Vater zum ersten Male nach dem Bankrott das Haupt wieder erhoben habe, als das Paket mit den Bestecken samt den Empfehlungen der jungen Börsenmakler gekommen sei. Er war dabei wie ein Kind in Tränen ausgebrochen und schien noch weit gerührter als seine Frau, für die das Geschenk bestimmt war. Edward Dale, der Junior des Hauses, der die Löffel und Gabeln für die Firma gekauft hatte, war nämlich sehr verliebt in Amelia und machte Ihr, trotz alledem, einen Antrag. Er heiratete Miss Louisa Cutts (Tochter von Higham und Cutts, der bedeutenden Kornhandlung) mit einem schönen Vermögen im Jahre 1820 und lebt jetzt herrlich und in Freuden mit seiner zahlreichen Familie in seiner eleganten Villa, Muswell Hill. Aber die Erinnerung an diesen guten Burschen soll uns nicht verleiten, von der Hauptgeschichte abzuschweifen.

Hoffentlich hat der Leser eine viel zu gute Meinung von Hauptmann Crawley und seiner Frau, um anzunehmen, dass sie je auf den Gedanken hätten kommen können, einen so entfernten Stadtteil wie Bloomsbury aufzusuchen, wenn sie gewußt hätten, dass die Familie, die sie mit einem Besuch beehren wollten, nicht nur gesellschaftsunfähig, sondern auch völlig mittellos geworden war und ihnen in keiner Weise mehr nützen konnte. Rebekka war ganz überrascht, als sie das gute alte Haus, wo man sie so freundlich aufgenommen hatte, von Maklern .und Trödlern durchwühlt und seine stillen Familienschätze öffentlicher Entweihung und Plünderung ausgesetzt sah. Einen Monat nach ihrer Flucht hatte sie sich an Amelia erinnert, und Rawdon hatte sich mit wieherndem Gelächter bereit erklärt, wieder einmal den jungen George Osborne zu treffen. „Er ist ein angenehmer Bekannter, Beck“, fügte der Spaßvogel hinzu. „Ich würde ihm gern noch ein Pferd verkaufen, Beck. Ich würde gern noch ein paar Partien Billard mit ihm spielen. Er könnte uns gerade jetzt sehr nützlich sein, um es mal so auszudrücken, haha!“ Man darf nun aus diesen Reden nicht etwa schließen, dass Rawdon Crawley beabsichtigte, Mr. Osborne zu betrügen, er wollte nur den ehrlichen Vorteil aus ihm ziehen, den fast jeder Spieler auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit von seinem Nächsten gewinnen zu dürfen glaubt.

Die alte Tante ließ sich nicht so schnell „herumkriegen“. Ein Monat war verstrichen. Mr. Bowls verweigerte Rawdon den Zutritt, seine Diener durften nicht mehr im Hause in der Park Lane weilen, seine Briefe wurden ungeöffnet zurückgeschickt. Miss Crawley bewegte sich nicht aus dem Haus – sie war unpäßlich –, und Mrs. Bute war noch immer da und wich ihr nicht von der Seite. Sowohl Crawley wie seine Frau mutmaßten Schlimmes aus Mrs. Butes ständiger Anwesenheit.

„Bei Gott, ich fange an zu begreifen, warum sie uns in Queen's Crawley stets zusammenbrachte“, sagte Rawdon.

„So ein gerissenes Weibstück“, rief Rebekka aus.

„Nun, wenn du es nicht tust – ich bereue es nicht“, rief der Hauptmann, noch immer im Liebestaumel für seine Frau, die ihn als Antwort mit einem Kuß belohnte und über das großherzige Vertrauen ihres Mannes sehr erfreut war.

Wenn er nur ein bißchen mehr Verstand hätte, dachte sie bei sich, so könnte ich noch etwas aus ihm machen, aber sie ließ ihn nie merken, welche Meinung sie von ihm hatte, lauschte mit unermüdlicher Geduld seinen Stall- und Offizierstischgeschichten, lachte über alle seine Witze, interessierte sich sehr für Jack Spatterdash, dessen Pferd gestürzt war, und für Bob Martingale, der in einer Spielhalle aufgegriffen worden war, und für Tom Cinqbars, der an der Steeplechase teilnehmen wollte. Kam er nach Hause, so war sie lustig und glücklich, ging er aus, so redete sie ihm noch zu, blieb er zu Hause, so spielte und sang sie ihm vor, bereitete ihm köstliche Getränke, beaufsichtigte sein Essen, wärmte seine Pantoffeln und badete seine Seele in Behaglichkeit. „Die besten Frauen“, so sagte meine Großmutter immer, „sind Heuchlerinnen.“ Wir wissen nicht, wieviel sie vor uns verbergen, wie wachsam sie sind, wenn sie ganz harmlos und vertrauensselig scheinen, wie häufig das offene Lächeln, das sie so gern zur Schau tragen, eine Falle ist, um zu schmeicheln, abzulenken oder zu entwaffnen – dabei meine ich nicht einmal die Koketten, sondern unsere häuslichen Vorbilder und Muster weiblicher Tugend. Wer hat nicht schon gesehen, wie eine Frau die Dummheit ihres Mannes geschickt verbarg oder seinen Zorn besänftigte? Wir lassen uns diese angenehme Sklaverei gefallen, loben die Frauen noch dafür und nennen den hübschen Betrug Wahrheit. Eine gute Hausfrau ist stets eine Lüge, und Cornelias Gemahl wurde ebenso getäuscht wie Potiphar – nur in anderer Weise.

Durch diese Aufmerksamkeiten wurde der alte Liederjan Rawdon Crawley allmählich in einen glücklichen und gehorsamen Ehemann umgewandelt. Die Spießgesellen seiner früheren Tage bekamen ihn nicht mehr zu sehen. Sie fragten ein paarmal in seinen Klubs nach ihm, vermißten ihn aber nicht sehr. In jenen Buden auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit vermißt man einander kaum. Seine einsame, aber stets lächelnde und lustige Frau, seine behagliche kleine Wohnung, die netten Mahlzeiten und die gemütlichen Abende zu Hause hatten für ihn den Zauber des Neuen und Heimlichen. Die Heirat war bis jetzt noch nicht bekanntgegeben oder in der „Morning Post“ veröffentlicht worden. Seine Gläubiger hätten sich wie ein Mann auf ihn gestürzt, wäre ihnen bekannt geworden, dass er eine Frau ohne Vermögen geheiratet hatte. „Meine Verwandten werden nicht pfui über mich schreien“, sagte Becky mit bitterem Lachen; und sie war ganz zufrieden damit, zu warten, bis die alte Tante sich mit ihnen versöhnt hatte, ehe sie ihren Platz in der Gesellschaft beanspruchen würde. So lebte sie in Brompton und sah niemanden – außer den wenigen Freunden ihres Mannes, die in ihrem kleinen Speisezimmer zugelassen wurden. Die waren alle ganz bezaubert von ihr. Die kleinen Diners, das Lachen und Plaudern und anschließend die Musik entzückten alle, die an diesen Genüssen teilnehmen durften. Major Martingale dachte nie daran, nach der Heiratslizenz zu fragen. Hauptmann Cinqbars war hingerissen von ihrer Geschicklichkeit im Punschbereiten. Und der junge Leutnant Spatterdash (er spielte gern Pikett und wurde von Crawley oft eingeladen) war bald offensichtlich in Mrs. Crawley vernarrt. Aber ihre Umsicht und ihr Anstand verließen sie keinen Augenblick, und Crawleys Ruf als rauflustiger und eifersüchtiger Soldat waren ein weiterer vollkommener Schutz für seine kleine Frau.

Es gibt in London vornehme Herren von guter Familie, die noch nie den Salon einer Dame betreten haben, so dass zwar Rawdon Crawleys Heirat in seiner Grafschaft wahrscheinlich besprochen wurde, da Mrs. Bute die Neuigkeit verbreitet hatte; in London dagegen wurde sie angezweifelt oder nicht beachtet oder überhaupt nicht besprochen. Er lebte behaglich auf Kredit, hatte ein großes Schuldenkapital, das, vernünftig angelegt, einen Mann jahrelang erhalten kann und von dem bestimmte Menschen in London hundertmal besser zu leben verstehen als Leute mit Bargeld. Wer, zu Fuß in den Straßen der Stadt unterwegs, kann nicht ein halbes Dutzend Leute herausfinden, die glanzvoll an ihm vorbeireiten, die von der vornehmen Welt hofiert werden, die von Kaufleuten mit Verbeugungen zu ihren Kutschen geleitet werden, die sich nichts versagen und wer weiß wovon leben? Wir sehen, wie Jack Verschwender im Park paradiert oder in seinem Brougham die Pall Mall hinunterrast; wir speisen bei ihm von seinem wundervollen Silbergeschirr und fragen: „Wie hat das angefangen und wo wird es enden?“ – „Mein lieber Junge“, hörte ich Jack einmal sagen, „ich habe in jeder Hauptstadt Europas Schulden.“ Einmal muß das Ende kommen, aber inzwischen lebt Jack herrlich und in Freuden, die Leute freuen sich, ihm die Hand schütteln zu dürfen, hören nicht auf die dunklen Geschichtchen, die man sich hin und wieder über ihn zuflüstert, und erklären ihn für einen gutmütigen, lustigen, sorglosen Burschen.

Die Wahrheit zwingt uns, zuzugeben, dass Rebekka einen Mann dieses Schlages geheiratet hat. Im Haus gab es alles in Hülle und Fülle, nur kein Bargeld, und dieser Mangel machte sich in dem jungen Haushalt bald bemerkbar. Als Rawdon eines Morgens die „Gazette“ las, stieß er auf die Mitteilung: „Leutnant G. Osborne rückt durch Kauf zum Hauptmann auf, anstelle von Smith, der sich in ein anderes Regiment versetzen läßt.“ Da machte er über Amelias Liebhaber jene Bemerkung, die mit dem Besuch am Russell Square endete.

Als Rawdon und seine Frau bei der Auktion mit Hauptmann Dobbin sprechen und Näheres über die Katastrophe wissen wollten, die Rebekkas alte Bekannte betroffen hatte, war der Hauptmann verschwunden. Das bißchen, was sie erfuhren, stammte von den Lastträgern oder den Maklern auf der Auktion.

„Sieh doch mal die Leute dort mit den Hakennasen“, sagte Becky vergnügt, als sie, das Gemälde unter dem Arm, in den Buggy stieg. „Sie sehen aus wie Geier nach einer Schlacht.“

„Weiß ich nicht. War nie in einer Schlacht, meine Liebe. Frag Martingale, der war in Spanien Adjutant von General Blazes.“

„Mr. Sedley war ein sehr freundlicher alter Herr“, sagte Rebekka, „es tut mir wirklich leid, dass ihm das passieren mußte.“

„Ach Gott, Börsenmakler ... bankrott... sind daran gewöhnt, weißt du“, erwiderte Rawdon und vertrieb mit der Peitsche eine Fliege vom Ohr seines Pferdes.

„Schade, dass wir uns nicht etwas von dem Silbergeschirr leisten konnten, Rawdon“, fuhr seine Frau gefühlvoll fort. „Fünfundzwanzig Guineen für das kleine Klavier ist unheimlich teuer. Wir haben es bei Broadwood für Amelia gekauft, als sie aus der Schule kam. Damals hat es nur fünfunddreißig gekostet.“

„Der Dingsda, dieser – Osborne wird sich jetzt vermutlich von der Kleinen lossagen, wo die Familie doch nun pleite ist. Deine hübsche kleine Freundin wird jetzt ganz schön geklatscht sein, glaubst du, Becky?“

„Ich nehme an, sie wird es überstehen“, sagte Becky lächelnd. Und sie fuhren weiter und sprachen von etwas anderem.

Jahrmarkt der Eitelkeiten

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