Читать книгу Konzentration und Meditation - Willy Adelmann-Húttula - Страница 8
Erste Winke für die Praxis.
ОглавлениеIm Vorstehenden wurde angedeutet, dass alle Kräfte und Fähigkeiten der kommenden Rassen als Keime, als passive Strömungen, in jedem von uns latent liegen. Sofort drängt sich intuitiven Köpfen die berechtigte Frage auf, ob es denn dem Einzelnen nicht möglich sei, diese Höherentwicklung durch geeignete Mittel zu beschleunigen und dem regulären Entwicklungsgang gewissermaßen vorauszueilen. Diese Frage darf getrost mit Ja beantwortet werden.
Der deutsche Mystiker Freiherr v. Eckartshausen sagt: „Der Mensch besitzt die Fähigkeit, sich vom Tiermenschen zum Geistmenschen aufzuschwingen“ und auch die Bibelphilosophen wussten ganz genau, was sie mit den Worten: „Zuvor der sinnliche Mensch, dann der geistige Mensch“ ausdrücken wollten.
Es handelt sich jedoch für den nach Erkenntnis Strebenden in erster Linie darum, zu wissen, welche Schritte getan werden müssen, um den Pfad des höheren Lebens zu betreten und folgende Einzelheiten mögen vielleicht dazu beitragen, strebenden Anfängern einige praktische Winke über das was nottut, zu geben.
Vor allem muss im Auge behalten werden, dass der Mensch eine Doppelnatur besitzt: nämlich eine höhere (die Dreiheit) und eine niedere Natur (Vierheit).
Niedere Instinkte, Begierden, Leidenschaften, Zorn, Ärger, Neid, Eifersucht usw., gehören der niederen oder tierischen Natur an; Glaube, Hoffnung, Nächstenliebe, Treue, Mut usw. sind Äußerungen unserer höheren, mehr göttlichen Natur. Ein Mensch, welcher nach dem höheren Leben mit seinen großartigen Möglichkeiten verlangt, muss nun dahin streben, diese niederen Tendenzen in höhere Kraftformen umzuwandeln d. h. die Leidenschaften, Triebe und Schwächen des Sinnesmenschen müssen abgestreift werden und hier berühren wir einen höchst wichtigen Punkt im praktischen Leben. Vergleichen wir beispielsweise die niedere Natur mit einem Ross, den höheren Willen des Menschen mit einem Reiter. Der Reiter soll das Ross lenken, der sittliche Wille die niedere Natur beherrschen. Bei den meisten Menschen ist es aber gerade umgekehrt. Sie bleiben ihr ganzes Leben lang nur der Gaul, weil sie es nicht verstehen, die niedere Natur in die Zügel zu nehmen. Gleich dem gehetzten Gaul finden sie zeitlebens weder Ruhe noch Rast und dann klagen sie über das „irdische Jammertal“. So lassen sich z. B. manche Menschen von Ärger und Neid stundenlang plagen, anstatt mit dem Schwerte des Willens ihre Schwäche kraftvoll zu überwinden. Dann gibt es wieder Leutchen, die sich tagelang wütend darüber giften können, dass gerade sie nicht zu den Kriegs- und Revolutionsgewinnern gehören. All dies sind Schwächen, welche der niederen Natur und bornierten Selbstsucht entspringen. Viele Menschenkinder verbringen einen großen Teil ihrer schönsten Lebenszeit mit solchen und ähnlichen Gefühlen, ohne auch nur das Geringste dabei zu gewinnen.
Hier gilt es den geistigen Willen zu stählen. Bei vielen Menschen ist dieser sittliche Wille so schwach entwickelt, dass man den Deterministen rechtgeben und an der Freiheit des menschlichen Willens überhaupt zweifeln möchte. Und doch könnte jeder Mensch schon zu Lebzeiten der Erlösung von den niederen Kräften teilhaftig werden, wenn er sich nur bemühen wollte, mit aller Macht seiner Seele nach Vollendung zu streben. Der freie Wille liegt latent; er wartet darauf, erweckt und entfaltet zu werden. Aber in allzu vielen Fällen wird er von der niederen Natur in Sklavenketten geschlagen.
Unsere Handlungen wurzeln in unseren Denkgewohnheiten. Daher der Lehrsatz: Säe einen Gedanken und du erntest eine Tat, säe eine Tat und du erntest eine Gewohnheit, säe eine Gewohnheit und du erntest einen Charakter, säe einen Charakter und du erntest ein Schicksal. Was der Mensch denkt, zu dem macht er sich und wie der Mensch denkt, so geht es ihm früher oder später. Denkst du unreine Gedanken so erniedrigst du dich zum Tier, denkst du erhabene Gedanken, so zieht das höhere Leben in dich ein. Gedanke und Wille sind das Geheimnis der Charakterbildung. Unser geistiger Fortschritt hängt nicht von den äußeren Verhältnissen, sondern mehr von unseren individuellen Anstrengungen ab.
Daraus ergibt sich mit Klarheit, wie wichtig es ist, eine genaue Kontrolle über das Gedankenleben auszuüben. Gedanken und Gaukelbilder der Phantasie sind es, welche die Leidenschaften und Begierden der niederen Natur entzünden und wachrufen; werden aber die Gedanken auf das höhere Leben gerichtet, dann werden sie zu segenbringenden Kräften.
Gedanken, Gefühle und Triebe sollten also streng überwacht werden und zwar durch die Kraft eines erleuchteten Willens. Der geistige Wille äußert sich nicht dadurch, dass man aufgeregt wird, mit der Faust in den Tisch schlägt, mit den Füßen stampft usw., sondern in absoluter Ruhe und Selbstbeherrschung selbst unter den schwierigsten Verhältnissen. Dagegen ist Aufregung und Leidenschaftlichkeit stets ein Zeichen von psychischer und spiritueller Schwäche und ein Beweis dafür, dass dieses scheinbare Kraftgenie eigentlich nur von der Tyrannei seiner niederen Natur besessen ist. Ein einziger kurzer Augenblick der Leidenschaft kann uns in größere Kalamitäten bringen, als ganze Jahre ruhiger Überlegung.
Schlimme Gedanken gleichen Giftfliegen: man muss sie verjagen, bevor sie sich zum Stiche niedersetzen können. Ja, ein unnützer und unreiner Gedanke sollte auch nicht für eine Minute im Gemüte Platz finden, sondern sofort ganz energisch ausgestoßen werden, damit er nicht die Leidenschaften, die zusammengekauert auf dem Sprunge liegen, aufrufen kann. Wohl ist es wahr, dass aller Anfang schwer ist, aber Übung macht den Meister. Dabei sollte uns das Ideal der höchsten Vollkommenheit beständig vor Augen stehen.
Wer diese Praxis der Gedankenüberwachung und Gedankenausstoßung auch nur acht Tage lang ernstlich und mit Beständigkeit ausübt und seine Worte und Handlungen dem höheren Leben anzupassen trachtet, der wird zu seiner Verwunderung erfahren, dass eine mächtige Kraft in ihm wach wird. Fährt er auf dem bereits beschrittenen Wege mit Ausdauer fort, pflegt er dabei das Gefühl reiner Menschenliebe, so wird er finden, dass das Gefühl gesicherter Macht und Stärke, sowie ein erleuchtetes Bewusstsein ihn täglich mehr und mehr erfüllen. Während der Durchschnittsmensch von der Hochflut unbeherrschter Gedanken, Gefühle und Triebe gleich einem steuerlosen Boot hin- und hergeschleudert wird, bis es an den Klippen zerschellt, steht der nach dem höheren Leben Strebende fest und unerschüttert wie der Fels in der schäumenden Brandung, und die tiefe Verheißung der Offenbarung wird ihm klar:
Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in meines Vaters Tempel und er soll nicht mehr hinausgehen.