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Ist Askese notwendig?
ОглавлениеDas Wort Askese bedeutete ursprünglich: Übung. Im dunklen Mittelalter hat es jedoch eine recht unsympathische Färbung angenommen; damals war es gleichbedeutend mit religiösem Fanatismus, Hungerkuren, Selbstpeinigung, sadistischer Selbstgeißelung usw. Im Osten gibt es auch heute noch Sektierer und Anhänger verkehrter Praktiken, die durch derlei Mätzchen Gottes besondere Gunst erbetteln wollen. Mit der Schulung im hochgeistigen Râdscha-Yoga, der zu den erhabensten Stufen der transzendentalen Erkenntnis führt, haben aber derartige Verirrungen absolut nichts gemein; im Gegenteil, sie wären ein Hindernis für den Erfolg. Nicht mit äußerlichen Dingen oder Übungen, sondern mit dem Innenleben, mit den Gedanken, hat unsere Schulung zu tun.
Immerhin möchte ich hier einige Winke für die Lebenspraxis geben, die, wenn vernünftig befolgt, nicht ohne günstigen Einfluss auf den Strebenden bleiben dürften.
Der Alkoholgenuss sollte nach Möglichkeit eingeschränkt werden; wer es vermag, wird gut tun, ihm gänzlich zu entsagen. Alkohol hat nämlich die Eigentümlichkeit, dass er gerade jene Organe und Zellbezirke im Gehirn lähmt, die der Sitz der geistigen Willens- und Unterscheidungskraft sind. Er stumpft ab, weil er die feineren Gehirnfasern verbrennt und führt zu einer Vergröberung der Sinne und des Bewusstseins. Somit wirkt der Alkoholgenuss unserem Strebensziel diametral entgegen, denn unser Streben sollte darauf gerichtet sein, durch naturgemäße Lebensweise unsere Natur empfänglicher für höhere Einflüsse zu machen. Natürlich wäre sehr mäßiger oder gelegentlicher Alkoholgenuss kein absolutes Hindernis für einen Anfänger.
Ob Vegetarismus unbedingt notwendig sei? Die Frage muss verneint werden. Viele berühmte Râdscha-Yogîs gingen aus der arischen Kriegerkaste hervor, der Fleischgenuss erlaubt war; ich erinnere nur an Ardschuna in der Bhagavad Gîtâ. Plötzlicher, unmittelbarer Übergang zum reinen Vegetarismus oder gar zur Rohkost könnte sogar höchst verhängnisvolle Folgen nach sich ziehen. Hier ist Vorsicht am Platze. Es darf nicht vergessen werden, dass wir keine Inder sind! Letztere sind erblich ganz anders veranlagt und leben in einem warmen, sonnigen Klima. Unsere Vorfahren waren wahrscheinlich Fleischesser und wir können und dürfen uns den Gesetzen des Atavismus nicht ohne weiteres entziehen. In kalten Klimaten braucht der Körper Fettstoffe in genügender Menge; Rohkost bietet diese nicht. Überdies ist zur Yoga-Schulung Kraft und Energie nötig, die ein einseitig oder unterernährter Mensch kaum aufbringen dürfte. Fanatisch betriebener Vegetarismus ist also eher ein Hindernis als eine Förderung. Doch lassen sich in Fragen der Diät keine festen Regeln aufstellen: jeder prüfe sich kritisch und treffe seine individuelle Wahl. Eines schickt sich nicht für alle. Jeder muss selbst herausfinden, was für ihn das Richtige ist.
In sexueller Beziehung ist Zügelung und vorsichtige Zurückhaltung sehr geraten. Der Strebende darf seine sexuellen Energien, die schöpferische Kräfte sind, nicht verschwenden. Er muss alle Lebenskräfte zusammenhalten, um sie in geistige Potenzen umzuwandeln. Durch geschlechtliche Ausschweifungen werden gewisse Gehirnzentren geschwächt und gelähmt, abgesehen von dem hohen Verbrauch an Nervenkraft. Sexualexzesse mindern die Konzentrationskraft augenblicklich herunter. Deshalb wird Keuschheit in den höheren Graden zum Gebot gemacht. Die tibetanische Schule des Dzyan, die höchste Autorität in Fragen der höheren Yoga-Technik, äußert sich über diesen Punkt wie folgt:
„Die Frage wird oft gestellt: Weshalb soll Ehelosigkeit und Keuschheit eine unerlässliche Bedingung der regelmäßigen Chelaschaft (Schülerschaft) oder der Entwicklung psychischer und okkulter Kräfte sein? Wenn wir lernen, dass das dritte Auge (Zirbeldrüse) einstmals ein physiologisches Organ war und späterhin, infolge des allmählichen Schwindens der Geistigkeit und Zunehmens der Stofflichkeit, indem die Spiritualität durch die physische Natur erlöscht wurde, dasselbe ein verkümmertes Organ wurde, das jetzt von den Physiologen ebenso wenig verstanden wird wie die Milz — wenn wir dies lernen, so wird der Zusammenhang klar. Während des menschlichen Lebens ist das größte Hindernis auf dem Wege der spirituellen Entwicklung, und insbesondere für die Erlangung von Yogakräften, die Tätigkeit unserer physiologischen Sinne. Natürlich wirkt der normale und abnormale Zustand des Gehirns und der Grad aktiver Tätigkeit in der Medulla oblongata mächtig auf die Zirbeldrüse (das spirituelle Auge, der Sitz des Vernunftfunkens und Genius) zurück, denn infolge der Anzahl der „Zentren“ in jener Region, welche weitaus die größte Zahl der physiologischen Tätigkeiten der tierischen Ökonomie kontrolliert, und auch infolge der engen und innigen Nachbarschaft der beiden muss eine sehr mächtige „induktive“ Einwirkung von der Medulla auf die „Zirbeldrüse ausgeübt werden.“
Ein antiker Kommentar ergänzt das obige wie folgt:
„Nach der Trennung in Geschlechter, als die Menschen in den Stoff verfallen waren, wurde ihr spirituelles (transzendentales) Schauen trübe; und dementsprechend begann das dritte Auge seine Kraft zu verlieren ... Als die vierte Rasse in ihrem Mittelalter anlangte, musste die innere Schauung durch künstliche Reize erweckt und erworben werden, welcher Vorgang den alten Weisen bekannt war ... (Das innere Schauen konnte von nun an nur durch Übung und Initiation [Yoga] erlangt werden, außer in den Fällen von ‚natürlichen und geborenen Magiern‘ — Sensitiven und Medien, wie sie jetzt genannt werden). Auf gleiche Weise verschwand bald das dritte Auge, welches allmählich versteinert wurde. (Die Zirbeldrüse soll fast ausnahmslos mineralische Absonderungen und Sand enthalten). Die Doppelgesichtigen wurden die Eingesichtigen, und das Auge wurde tief in das Haupt eingezogen und ist jetzt unter dem Haar vergraben. Während der Tätigkeit des inneren Menschen (während Trancezuständen und geistigen Visionen) schwillt das Auge an und dehnt sich aus. Der Arhat (hohe Yogi) sieht und fühlt es und reguliert sein Wirken dementsprechend. — — Der unbefleckte Lanoo (Schüler, Chelâ) braucht keine Gefahr zu fürchten; wer sich selbst nicht in Reinheit erhält (wer nicht keusch ist), wird keine Hilfe von dem „Devaauge“ (Götterauge) empfangen“3.
Paracelsus, ein berühmter Arzt und Geheimphilosoph des Mittelalters, sagt, dass einer, der seine Sexualenergien verschwendet, einem Menschen gleicht, der sein Geld zum Fenster hinauswirft. — Durch geschlechtliche Ausschweifungen werden nämlich die aufbauenden Kräfte des Körpers herabgemindert und die Heilung vieler Krankheiten unmöglich gemacht.
Auch andere üble Gewohnheiten, z. B. übermäßiges Rauchen, sollten aufgegeben werden, da sie mehr dem Sinnlichen als dem Geistigen dienen. Mit den grobsinnlichsten Gewohnheiten und solchen, die anderen am meisten schaden, sollte zuerst gebrochen werden.