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Meine Musik und ich oder Die Musik mit mir oder Die Musik mit mir gegen mich … Der erste Akt davon

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Musik war immer schon ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Vielleicht, weil meine Eltern beide sehr musikalisch waren. Mein Vater hatte auf einem Konservatorium in Karlsbad Musik studiert und war nach seiner Deportation hauptsächlich Musiker.

Er liebte die Musik und die Menschen liebten ihn dafür.

Er war einer der außergewöhnlichsten Musiker, die ich in meinem Leben kennengelernt habe. Ein Fanatiker in seinem Tun und ein absoluter Perfektionist. Diese Eigen- oder Unart hat er mir mit in die Wiege gelegt.

Ich bin heute, nach 42 Jahren musischer Betätigung, noch immer nicht mit meinem Können zufrieden und ich arbeite täglich und hart daran, dieses zu verbessern.

Manchmal mit Erfolg, manchmal eben nicht.

Doch ich gehe den Berg immer hinauf und niemals einen Schritt zurück. Hoffentlich. Und das spornt mich an. Der derzeitige Erfolg gibt mir recht. Ich habe musikalisch meinen Weg gefunden, muss aber sagen, dass ich generell nicht zu kategorisieren bin. Ich habe Vorlieben für bestimmte Stilrichtungen, zweifellos, aber ich komponiere, spiele und produziere nur das, mit dem ich mich in diesem Moment, aus dem in mir ein Song wächst, identifiziere. Ich bin vertraglich an keine Plattenfirma gebunden, weil ich mir durch sogenannte „Bandübernahmeverträge“ meine Eigenständigkeit als Produzent und Interpret bewahren will.

Ich folge auch keinem Trend und sollte sich meine derzeitige Plattenfirma mit dem Gedanken tragen, die Stilrichtung in der Hoffnung auf höhere Verkaufszahlen vorzugeben, würde ich sie für die nächste Produktion von heute auf morgen wechseln. Immer noch denken sie, dass der Wert eines Musikers nur dadurch bestimmt wird, dass er drei Goldene Schallplatten als Interpret und damit mindestens zwei Platinscheiben für den Komponisten und Produzenten innerhalb eines Jahres abräumt. Doch so bin ich nicht! Und das wissen sie.

Ich mache mir nichts aus diesen Dingen – Chauffeur, Learjet zur Eigennutzung und die Einladung auf sämtliche wichtigen und unwichtigen Events dieses Weltkonzerns inbegriffen. Auch mehr Geld ist mir nicht wichtig. Davon habe ich genug. Das Leben besteht nun mal aus mehr als nur „Highlife“ und Rock-‘n‘-Roll.

Zumindest meines.

Die kompletten Einnahmen meiner letzten Platte zum Beispiel gehen, nach Abzug meiner zu zahlenden Steuern, komplett an wohltätige Einrichtungen. Ich unterstütze notleidende Musiker genauso wie ich Benefizkonzerte zu Gunsten von Menschen gebe, denen es nicht vergönnt war, ein Leben wie das meine zu führen.

Mein Sohn machte mir unlängst eines, der für mich wohl wertvollsten Komplimente, die ich je bekommen habe und nicht nur, weil es von meinem Sohn stammt. Man bedenke, dass er sich gerade in der Pubertät befindet und in dieser „Igelstachelichwehrallesundjedenabphase“, wie ich sie zu nennen pflege, wohl doppelt so ausdrucksstark zu bewerten ist.

Eine verfrühte senile Bettflucht treibt scheinbar die Pubertierenden aus den Federn, ganz in der Angst, dass ihnen die Zeit davonlaufen könnte. Mein Sohn kam also, wie eigentlich jeden Schultag, vollkommen verschlafen die Treppe herunter und meinte zu mir, in der Küche stehend, statt einem gewöhnlichen „Guten Morgen“ nur brummig: „Aha, der Gutmensch …“

Selten hatte ein Tag für mich schöner begonnen. Und ich werde alles daransetzen seine Meinung über mich zu bewahren, auch wenn er es nie wieder sagt. Braucht er auch nicht, denn ich weiß es.

Mein „Geheimrezept“ ist es vielleicht, dass ich mich in allen meinen Songs widerspiegle und weiß, dass wir alle uns nicht wesentlich voneinander unterscheiden.

Wir haben alle Stärken und Schwächen, Ängste, Nöte, Freude und Sorgen. Der eine mehr, der andere weniger.

Und das bringe ich mit meinen Songs zum Ausdruck. Ich bin einer von vielen, ich bin einer von euch. Das will ich mit meiner Musik sagen.

Ich unterscheide mich nicht sehr von anderen, nur mache ich das, was ich am besten kann – Musik! Und genau das sollte jeder machen, wenn er seinen Beruf als „Berufung“ sieht und nicht als „Job“. Das ist das ganze Geheimnis des Erfolgs. Einfach, nicht?

Nein, ist es nicht! Allen romantischen Vorstellungen zum Trotz ist Musik zu machen ein äußerst hartes Brot und es fordert einem alles ab. Nicht nur tausende und abertausende Stunden Übung. Nein, auch körperlich und seelisch.

Ein Song ist immer wie eine Geburt. Man ist oft wochen – ja monatelang schwanger mit ihm und erst, wenn er das tonale Licht der Welt erblickt, ist man fürs Erste zufrieden. Aber eine neue „Schwangerschaft“ lässt oft nicht lange auf sich warten. Es wird zur Sucht. Höher, schneller, weiter. Im Jahr 2010 allein waren es bei mir mehr als 70 „Schwangerschaften“. Das sind 1,4 in der Woche. Und ich rede von produzierten Songs. Nicht nur von komponierten. Eine musikalische Gebärmaschine, bei der man bei einer Studiosession schon mal zwölf Kilo in einer Woche an Körpergewicht verliert, weil man sich so gut wie ausschließlich von Kaffee ernährt, der einen bei oft bis zu 52 Stunden langen Prozessen ohne große Pause wach hält. Die perfekte Diät. Es gibt sehr wenige Vollblutmusiker, die an Übergewicht leiden. Und das kommt nicht von ungefähr.

Ich habe mich lange nicht als wirklichen Musiker gesehen, weil ich keine Noten lesen konnte bzw. wollte. Ich habe es zwar gelernt, aber nie gebraucht, denn für neue Kompositionen gibt es nun mal keine Noten. Sie „wachsen“ aus einem heraus, werden quasi geboren.

Nach Noten zu spielen ist nämlich „vorlesen“. Improvisieren dagegen ist wie freies, phantasievolles Erzählen. Ein kleines Beispiel gefällig?

Wenn du auf einem Chirurgenkongress einen zwei Stunden langen Vortrag halten sollst und die vollen zwei Stunden nur abliest, dann musst du nicht zwangsläufig etwas von der Materie der Chirurgie verstehen. Du formst nur Buchstaben zu Worten. Hältst du aber den Vortrag „frei“, ohne Denkstütze, musst du zwangsläufig etwas von der Kunst der Chirurgie verstehen. Und genauso verhält es sich mit „nach Noten spielen“ gegenüber „improvisieren“. Du musst die Musik, die du machst verstehen! Sie wirklich leben! Dann erst kannst du dich als Musiker bezeichnen.

Aber das zu lernen, bedurfte es eines langen Prozesses. Und heute sehe ich mich, obwohl ich mittlerweile sehr gut Notenlesen kann, aber immer noch nicht gern danach spiele, als wirklicher Musiker. Der Prozess hat sich umgekehrt. Heute sehe ich solche, die nur nach Noten spielen, nicht mehr als Musiker an. Sie sind „Vorlesemucker“. Das Blatt hat sich gewendet.

Noch ein Beispiel dazu? Gern!

Ich habe unlängst eine professionelle Boogiepianistin, die um Welten besser war als ich, zumindest virtuos gesehen, und die sogar schon mit Größen wie Axel Zwingenberger, Vince Weber und anderen gespielt und aufgenommen hat, unterrichtet. Sie kam zu mir und bat mich um Unterricht im Improvisieren. Warum? Sie hatte unlängst einen Konzerttermin in Berlin gehabt und versehentlich ihre Noten im Taxi liegenlassen. Das Konzert musste abgesagt werden, weil sie keine einzige Note frei spielen konnte. Ein Armutszeugnis für einen Profi. Und so jemanden bezeichne ich nicht als Musiker.

Heute könnte sie das Konzert geben. Man muss eben nur wissen wie.

Obwohl Noten zweifellos ihre Daseinsberechtigung haben und absolut unverzichtbar in klassischen Werken und ähnlichem sind. Ich weiß das, weil ich bei meinen Produktionen manchmal ein Streichorchester einsetze. Dann schreibe ich selbstverständlich die Partituren für die einzelnen Instrumente und dirigiere diese dann auch.

Nur da sind Noten unverzichtbar. Sonst schon! Soviel dazu. Verzeihung, ich schweife ab.

Wild Willy Westbahn -the Guitar Highlander

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