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3 Inhalte auswählen und strukturieren


Sie bereiten den Unterricht vor und wählen neue Themen und Unterrichtsgegenstände aus. Wie gehen Sie dabei vor? Wie begründen Sie Ihre Auswahl? Wie strukturieren Sie die Inhalte? Welche Möglichkeiten bestehen, den Unterricht fächerübergreifend zu gestalten? – Wir zeigen, nach welchen Überlegungen Themen für den Unterricht ausgewählt und wie die Inhalte anschließend strukturiert werden können.

Die Auswahl von Lerninhalten

Auf die Frage, was in der Schule gelernt und gelehrt werden muss, lassen sich klare Antworten formulieren:

Die Rahmenlehrpläne und die Bildungsverordnungen geben verbindlich vor, welche Inhalte erarbeitet werden müssen. Damit ist die Frage nach der Auswahl der Lerninhalte für viele Lehrpersonen bereits beantwortet. Die Inhalte beziehen sich häufig auf die Struktur der entsprechenden Fachdisziplinen, die an den weiterführenden Schulen angeboten werden.

Den Lernenden sollen auch Inhalte vermittelt werden, die sie in der derzeitigen und künftigen Berufssituation zu kompetentem Handeln befähigen und die den Erwerb bestimmter Kompetenzen ermöglichen (Abb. 2).

Die Schule ist eine Institution der Gesellschaft, die von deren Interessen bestimmt wird. Für die Auswahl von Inhalten ist es aus diesem Grund wichtig, hier auf die verschiedenen Funktionen der Schule einzugehen (Abb. 3, Seite 38):

Qualifikationsfunktion

Die Lernenden werden mit Fertigkeiten und Kenntnissen ausgestattet, die sie zu einem späteren Leben in Beruf und Gesellschaft befähigen.

Integrationsfunktion

Die Lernenden werden durch das Einüben erwünschter Verhaltensweisen und die Vermittlung entsprechender Einstellungen, Überzeugungen und Haltungen möglichst reibungslos in die Gesellschaft integriert. Die Schule hat den Auftrag, diese Prinzipien zu legitimieren, das heißt ihre Gültigkeit und Verbindlichkeit zu untermauern, indem sie in den Fächern Politik, Geschichte, Deutsch usw. die entsprechenden Themen behandelt.

Selektions- und Allokationsfunktion

Die Lernenden werden im Hinblick auf verschiedene Schullaufbahnen und Lebenschancen eingestuft. Bildlich gesprochen, ist die Schule mit einem großen Rüttelsieb vergleichbar, das zwischen den Generationen angeordnet ist und den Zugang zu beruflichen Positionen, sozialem Prestige und materiellem Erfolg steuert. Steuerungsmittel sind in erster Linie Zensuren und Abschlüsse, die jeweils bestimmten Öffnungen des Siebes zugeordnet sind. Natürlich ist die Schule bei der Verteilung von Lebenschancen nicht allein ausschlaggebend; neben regionaler und sozialer Herkunft, Begabung, Geschlecht, Beziehungen spielen nicht zuletzt auch Glück und Zufall eine große Rolle.


Bei der Frage nach der Auswahl von Inhalten gibt es in der Didaktik verschiedene Antworten. Für Wolfgang Klafki beispielsweise steht der Begriff der Bildung im Zentrum. »Eine solche zentrale Kategorie sei unbedingt notwendig, wenn die pädagogischen Bemühungen nicht in ein unverbundenes Nebeneinander von Einzelaktivitäten auseinanderfallen sollten« (Klafki 2007).

Bildung zielt dabei auf ein geschichtlich vermitteltes Bewusstsein von zentralen Problemen der Menschheit in Gegenwart und Zukunft ab, auf Einsicht in die Mitverantwortung aller und die Bereitschaft, an der Bewältigung dieser Probleme teilzunehmen.

Klafki bezieht seinen Bildungsbegriff inhaltlich auf epochentypische Schlüsselprobleme wie Friedens- oder Umweltfrage, Probleme der Entwicklungsländer, politische und gesellschaftliche Ungleichheiten, Gefahren und Möglichkeiten der neuen technischen Steuerungs-, Informations- und Kommunika­tionsmedien.

Nach Klafki (2007) sind Lerninhalte und Ziele bedeutsam, wenn sie den Erwerb bestimmter Fähigkeiten ermöglichen, dazu gehören u. a. die Fähigkeit

zur Selbst- und Mitbestimmung,

zu Kritik und Urteil,

zum Handeln in Gruppen,

zur Solidarität,

eigene Interessen zu formulieren,

sich in Diskussionen einzubringen,

eine Situation aus der Sicht des Mitmenschen, des Partners oder des Kontrahenten sehen zu können,

sich auf neue Situationen und Anforderungen einzustellen,

neue Lösungen zu finden,

zur realen Utopie.

Strukturierung

Sind die Inhalte einmal ausgewählt, erstellt die Lehrperson eine inhaltliche oder thematische Struktur. Die inhaltliche Struktur, die durch den Lehrplan vorgegeben wird, bezieht sich auf das gesamte Fachgebiet und umfasst meistens ein oder zwei Halbjahre. Die Inhalte werden systematisch aufgelistet und mit den Lernzielen und Kompetenzen verknüpft. Im Gegensatz dazu erstrecken sich thematische Strukturen über einen längeren Unterrichtszeitraum und orientieren sich an einer oder mehreren Themen-, Frage- oder Problemstellungen. Bei der Formulierung der thematischen Struktur sind folgende Fragestellungen hilfreich (Becker 2007a):

Wie sind die zentralen Begriffe miteinander verknüpft? In welcher Reihenfolge sollen diese Begriffe erarbeitet werden?

Welche Inhalte müssen dem zu behandelnden Thema vorausgegangen sein?

Welches sind zentrale Frage- und Problemstellungen der Schülerinnen und Schüler?

Wie und wo lassen sich aktuelle Materialien beschaffen?

Entspricht die Sequenzierung des Inhalts oder Lernstoffs dem Lernvermögen der Schülerinnen und Schüler?

Wie lassen sich die neuen Kenntnisse, Einsichten und Erfahrungen in andere Bereiche übertragen? Wo gibt es Querverbindungen zu anderen Fächern?

Besteht die Möglichkeit, den Unterricht gemeinsam mit einem Kollegen oder einer Kollegin zu planen und durchzuführen?

Ausgehend von diesen Überlegungen legt die Lehrperson fest, wie sie die Lerninhalte im Unterricht anordnen will. Dazu sind zwei Prinzipen möglich:

Prinzip 1: Vom Einfachen zum Komplexen (induktives Vorgehen)

Dabei werden zuerst die grundlegenden und einfach verständlichen Begriffe erarbeitet. »Einfach« zu verstehen sind Begriffe und Inhalte für die Lernenden, wenn sie eine Verknüpfung zu ihrer privaten oder beruflichen Situation herstellen können oder wenn die Begriffe bereits in einem anderen Zusammenhang erarbeitet wurden. Die Lehrperson wird deshalb zuerst Beispiele aus der Erfahrungswelt der Lernenden oder ganz konkrete Fakten einbringen. Im weiteren ­Verlauf des Unterrichts werden dann entsprechende Probleme bearbeitet, ­kritisch hinterfragt und die Erkenntnisse auf neue Situationen übertragen (dazu auch Seite 26, Formulierung von Lernzielen). Bei diesem Vorgehen werden den Lernenden die Puzzleteile einzeln vorgegeben, um mit der Zeit aus den einzelnen Teilen ein ganzes Bild zusammenzusetzen.

Prinzip 2: Vom Allgemeinen zum Besonderen (deduktives Vorgehen)

Die Schülerinnen und Schüler werden mit einem komplexen Problem konfrontiert, das für sie neu ist. Auf Neues reagieren viele Auszubildende positiv, wenn sie wissen, dass es sich um etwas handelt, das wichtig ist (Steiner 2007, S. 42). Die übergreifende Problemstellung wird dann in Gruppen oder gemeinsam im Klassenverband analysiert und in Teilprobleme aufgeschlüsselt, systematisch untersucht und bearbeitet. Bereits zu Beginn ist das ganze Bild ersichtlich; die Schülerinnen und Schüler können von Anfang an jeden weiterführenden Schritt mit der übergreifenden Problemstellung in Verbindung bringen. Zur methodischen Umsetzung dieses Prinzips eignen sich gut Formen wie Projektlernen, Fallstudien oder Planspiele ( Instrumente 4.2, 4.5, 4.7).

Ob ein Begriff für die Schülerinnen und Schüler einfach oder schwer zu erarbeiten ist, hängt von ihren Lernvoraussetzungen ab ( Seite 13). Bei Schülerinnen und Schülern, die bereits über viel Wissen verfügen und sich viel zutrauen, mag das zweite Prinzip häufiger zur Anwendung kommen. Bei Lernenden, die über wenig Vorwissen verfügen und wenig leistungsmotiviert sind, wird vielfach das erste Prinzip eingesetzt, da sie hier rascher erste Lernerfolge verbuchen und sich an einem roten Faden, einer klaren Struktur orientieren können (vgl. auch Städeli/Obrist/Grassi 2008, S. 63–80). Bei der Strukturierung der Inhalte spielt es eine Rolle, ob die Lehrperson mit einem Lehrmittel arbeitet oder ob sie für jedes Thema selbst erarbeitete Arbeits- und Merkblätter zusammenstellt.

Das Arbeiten mit Lehrmitteln bringt viele Vorteile:

Die Themen sind bereits so aufgearbeitet, dass sich die Lehrperson an der entsprechenden Struktur orientieren kann.

Meistens finden sich im Lehrmittel auch ansprechende Aufgabenstellungen, welche direkt eingesetzt werden können.

Das Arbeiten mit Lehrmitteln vermittelt vor allem Lehranfängern etwas Sicherheit. Ihr Einsatz kann die Lehrperson jedoch nicht davon entlasten, sich die Inhaltsstruktur vor dem Unterricht genau zu überlegen und weitere Quellen wie aktuelle Fachzeitschriften und Gesetzestexte für die Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung hinzuzuziehen.

Was neu ist, interessiert!

Was neu oder irgendwie speziell ist, zieht die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler auf sich und wirkt sich positiv auf die Lernmotivation aus (vgl. Steiner 2007, S. 41 f.):

Aktualität = Anknüpfen an ein aktuelles Ereignis wie Börsencrash, Wahlen, Sparmaßnahmen, neuen Tarifvertrag, neue Abgasnormen infolge Klimaerwärmung usw.

Betroffenheit = unmittelbare Inhalte, von denen die Lernenden direkt betroffen sind, wie Stellenbewerbung, Autounfall, Schwangerschaft, Konflikte im Betrieb u. a.

Attraktive Unterrichtsmedien = eine aktuelle DVD zu einem Sachthema, eine konkrete Veranschaulichung durch einen interessanten Gegenstand aus der Werkstatt, Fotos aus dem Alltag der Lernenden u. Ä.

Abwechslung = Stoff in relativ kleine Portionen unterteilen, nicht zu lange das gleiche Thema bearbeiten.

Überraschung und Staunen = etwas Unerwartetes einbringen.

An dieser Stelle entscheidet die Lehrperson, ob es sinnvoll ist, den Unterricht fächerübergreifend zu organisieren. Dabei sind Methoden wichtig, die Schülerinnen und Schüler in den Unterricht einbeziehen. Die Gestaltung eines fächerübergreifenden und interdisziplinären Unterrichts lässt sich ganz unterschiedlich angehen (Caduff et al., 2009):

Das intradisziplinäre Lernen findet innerhalb eines bestimmten Faches oder Lernbereichs statt. Die Lehrperson öffnet die eigenen Fachgrenzen und regt dazu an, einen Gegenstand oder ein Phänomen mit dem Wissen aus anderen Bereichen genauer zu untersuchen. Eine fächerübergreifende Kooperation ist hier nicht unbedingt notwendig.

Beim multidisziplinären Ansatz wird der gleiche Gegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln angegangen. Die Schülerinnen und Schüler erfahren dabei, wie ein Problem mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet werden kann. Der methodische oder inhaltliche Zugang kann fächerübergreifend, verknüpfend oder ergänzend sein. Alle beteiligten Lehrpersonen koordinieren ihre Aktivitäten. Der Stundenplan muss nicht notwendigerweise geändert werden. Wichtig ist, dass Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen gemeinsam ein Thema auswählen und es gleichzeitig oder nacheinander behandeln. Teamarbeit ist vor allem bei der Vorbereitung notwendig. Es ist durchaus möglich und sinnvoll, dass ein gemeinsames Produkt entsteht.

Beim interdisziplinären Ansatz wird ein Thema oder eine Problemstellung von den Schülerinnen oder Schülern ausgewählt oder von der Lehrperson in den Unterricht eingebracht. Dieser Ansatz erlaubt es, eine Frage ins Zentrum zu rücken und die entsprechenden Disziplinen in ihren Dienst zu stellen. Bei diesem Ansatz wird meistens projektorientiert gearbeitet ( Instrument 4.5). Die Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung für ihr eigenes Lernen. Die Lehrpersonen begleiten und beraten die einzelnen Gruppen und bieten gezielt Hilfe an. Beim interdisziplinären Lernen stellen die Lehrpersonen ein Zeitfenster von mehreren Wochen zur Verfügung, es sei denn, das Problem wird im Rahmen einer Projektwoche bearbeitet.

Kerngeschäft Unterricht

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