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4. Kapitel Der Kibbuz

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„Irgendwie schaut das interessant aus, wie der Energiezaun von hier aus zu sehen ist!“, sagt Norton Baum-Blume zu seinen Freunden auf dem Campus der Gemeinschaftsschule des Kibbuz und zeigt in Richtung Westen. Wie eine gewaltige Wabe, der Riesen-Seerose nachempfunden, wölbt sich das Energiegitter über ihren Lebensbereich.

„Ja, das finde ich auch so“, meint sein Freund William Haus-Beruf zustimmend. „Und irgendwann wird er einmal unseren gesamten Lebensbereich zur Sicherheit umspannen. Ich will sagen, mit Energie umspannen. Fertig gestellt ist das Gitter ja bereits.“

Norton und sein Freund William sind beide 18 Jahr alt, wie auch die beiden Mädchen, Silke und Cleo, in ihrer Gesellschaft.

Silke in ihrem einfachen, blauen Kleid hat ihre langen, blonden Haare nach hinten gekämmt und nimmt ihren Freund Norton bei der Hand: „Und meinst du Norton, dass auch einmal die Sonne über uns scheinen wird?“

Sofort schauen alle vier in die Höhe, dorthin, wo das Gitter in großer Höhe zusammenläuft. Im Lebensbereich hat man sich längst an diesen Anblick gewöhnt.

„Die Sonne scheint doch, Silke!“, lacht Norton seine Freundin an.

„Du sollst mich nicht auslachen. Du weißt genau, dass ich die künstliche Sonne meine…!“

„Das weiß ich doch, Schatz! Aber vielleicht haben wir heute den letzten warmen Tag in diesem Herbst. Da wollen wir unsere gute alte Sonne noch einmal genießen. Ab morgen beginnt ja im Lebensbereich die kalte Zeit des Herbstes.“

„Ja, leider!“, stimmt Cleo dem Gespräch zu. „Der Bereich Klima hat das ja im Intranet angekündigt.“

William hat seine Freundin um die Schulter gefasst. Sie gefällt ihm in ihren kurzen, blonden Haaren und den langen Hosen mit den einfachen Hemden. Es passt irgendwie zu dem Leben im Lebensbereich.

„Ich finde“, führt Norton das Gespräch weiter, „wir sollten den heutigen Sonnentag noch einmal ausnutzen. Was haltet ihr davon, wenn wir zum Kibbuz-Museum gehen?“

„Das ist eine gute Idee!“, stimmen seine Freunde ein. „Da können wir uns nicht nur mal wieder mit der Geschichte des Kibbuz beschäftigen, sondern auch einen guten Spaziergang machen!“

„Gut, dann treffen wir uns nach der Schule um 15:00 Uhr am Anfang der Ost-West-Straße, dann können wir auf dem Rundweg gehen.“

„OK“, beendet William die Runde auf dem Campus. „Lasst uns wieder reingehen, ich habe Hunger!“

Diese Bemerkung löst bei den Freunden Heiterkeit aus. Sie wissen um den immerwährenden Hunger von William. Auch wenn man es ihm überhaupt nicht ansieht.

In dem großen Speisesaal der Gesamtschule gibt es vier verschiedene Bereiche für die jungen und älteren Schüler. In dem Bereich, in dem auch Norton mit seinen Freunden sitzt, essen die Schüler bis zum 18. Lebensjahr. Es ist ein großer Saal, in dem die vielen Kinder und Jugendliche zusammenkommen, um ihr gemeinsames Mittagsmahl einzunehmen. Die Essensausgabe ist gut organisiert, so dass es keine langen Warteschlangen für die einzelnen Schulklassen gibt.

Die Schulzeiten für die Jugendlichen waren so eingerichtet, dass diese genügend Zeit und Muße finden konnten, sich in ihrer Freizeit mit dem Schulwissen auseinander zu setzen.

Neben dem intensiven Mathe-Unterricht waren die Fächer der Naturwissenschaften von Vorrang. Und natürlich sämtliches Wissen über die Entstehung des Universums, der Galaxien und der Sonnensysteme.

Natürlich gab einer der Jugendlichen auch einmal einen Kommentar ab, wie: "Na, heute Gemüse und Fleisch, dann gibt es Morgen bestimmt Fleisch mit Gemüse."

Aber diese Kommentare galten eher der guten Laune, als dass diese als tatsächliche Kritik verstanden wurden. Die Angebote zur Freizeitgestaltung im Lebensbereich sind so vielfältig, dass nur selten Langeweile aufkommt, zumal das Lernen und die Ausbildung für das gemeinsame Ziel in jedem Jugendlichen verankert waren.

Norton Baum-Blume, wie auch seine Freunde, gehörte zu der zweiten Generation, die in diesem (ihrem) Lebensbereich geboren und aufgewachsen waren. Deshalb trug er als Familienname einen Doppelnamen. Auch seine Kleidung wies dieses bereits aus. Das Hemd, die Hose und die einfachen Schuhe waren aus Naturalien gefertigt, die ausschließlich in diesem Lebensbereich gewonnen wurden.

Er und sein Freund William waren in der 2. Klasse zur Vorbereitung zum Studium in der Universität. Im nächsten Jahr würde er an die Universität kommen. Norton wollte sich einmal für die Stromversorgung zum Energieschirm ausbilden lassen. Das war mehr als nur sein Hobby. Der Energieschirm mit seinen vielseitigen Sicherheitssystemen war ein überaus wichtiges Element für das Ziel des Lebensbereiches.

Sein Freund William interessierte sich sehr für die Erzeugung von Solarstrom. Schon wegen der Ergänzung dieser verwandten Interessen saßen die beiden Freunde oft zusammen. Sie träumten davon, einmal eine grundlegende Verbesserung in der Stromgewinnung zu erreichen.

Nachdem sich am Nachmittag die 4 Freunde am verabredeten Punkt getroffen hatten, gehen sie schnellen Schrittes in Richtung Schule, überqueren den Campus und kommen auf den großen Rundweg des Lebensbereiches. Der Weg führt sie nach Norden und sie begegnen dabei viele Mitschüler, die wohl ebenfalls den letzten Sonnentag im Lebensbereich für eine Wanderung nutzen wollen. Links sehen sie auf den Energiezaun und rechts fließt das kleine Flüsschen, der Darling.

Wegen des hohen Walls rings um den Lebensbereich, lag die Siedlung wie in einem großen Tal. Und der Waldgürtel auf diesem Wall verstärkte den Eindruck noch.

„Schaut, da vorne links könnt ihr die Schafherden des Kibbuz sehen!“, zeigt Silke in nordwestliche Richtung.

„Ja! Das ist ja auch für den Norton wichtig!“, lacht Cleo laut los. „Er trägt ja nur Schafwollhemden!“

„Wir könnten ja deinen Vater einen kurzen Besuch abstatten“, meint Norton, dabei Cleo anschauend.

„Das halte ich nicht für eine besonders gute Idee“, antwortet Cleo etwas zurückhaltend. „Vater hat es nicht gerne, wenn man Unruhe in seine Schafherde bringt.“

„Wie mir Cleo erzählt hat, würde er lieber außerhalb des Lebensbereich seine Schafe hüten...“, meint William dazu.

„Aber nur deshalb, weil er hier im Lebensbereich nur eine begrenzte Anzahl von Schafen halten darf“, unterbricht Cleo ihren Freund und verteidigt ihren Vater.

„Das gleiche gilt ja für die Rinder, Kühe und Schweine, die ihre Stallungen auf der anderen Seite haben, genauso“, ergänzt Silke ihre Freundin.

„Na ja, das ist nun mal so. Genauso auch mit den Hühnern im Norden der Siedlung. Wenn wir einmal unsere Autonomie erreicht haben, brauchen wir eben nur so viele Tiere, wie diese zur Gesamternährung beitragen sollen.“

„Das hat William gut gesagt“, lacht Norton in die Runde, „aber eines möchte ich dann doch noch dazu ergänzen. Tiere erzeugen mit ihrem Dung auch ein gewisses Umweltproblem. Auch hier bei uns im Lebensbereich. Auch deshalb können hier nur so viel Tiere leben, wie letztlich gebraucht werden.“

Mit solchen Wortgeplänkeln erreichen die vier den Wald am Nordende des Lebensbereiches, wo das Denkmal der Gründer des Kibbuz steht. Ab und zu ist ein wenig Vogelgezwitscher von den wenigen Vögeln zu hören, die sich noch vor der Aktivierung des Schirmgitters im Bereich des Kibbuz niedergelassen haben.

„Die vier Ehepaare haben schon Weitsichtigkeit bewiesen, als sie den Lebensbereich verwirklicht haben“, sagt William.

„Ja“, stimmt William zu. „Und nun gibt es diese Kibbuzim ja auf der ganzen Welt.“

„Seit ruhig ihr beiden. Ich will mir die Dokumentation im Museum anschauen!“, meint Silke.

„Aber vorher betest du mir die Gründe für die Entstehung des Kibbuz auf!“, gibt Norton keine Ruhe.

„Du gibst aber auch nie Ruhe!“, lacht Silke ihren Freund an. „Also gut: 1. Um die Lebensqualität für die Menschen während des Klimawandels zu erhalten. Niemand auf der Welt hat wirklich ernsthaft daran gedacht, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. 2. Erhaltung der abendländischen Kultur. Einer der Gründer, Otte, glaube ich, hat das in seinen Schriften etwa so beschrieben: “Bei den Islamisten gibt es etwa 10%, die eine schleichende Islamisierung in Europa wollen. 40% sind unzufrieden und 50% haben sich mit dem Leben in Europa einverstanden erklärt. Er verweist dabei auf ähnliche Situationen in der Geschichte, als plötzlich eine Führungselite die Menschen als gleichgesinnte Mitläufer missbrauchen konnten. Und 3.: Das weiß jeder von uns, doch niemand spricht darüber.“

„Richtig“, pflichtet Cleo ihr bei. „Die europäische Führungselite dachte lediglich daran, ihre eigenen Machtansprüche zu erhalten und meinten, ihr Handeln wäre liberal. Dabei waren sie im Grunde nur zu feige, den schleichenden Veränderungen ins Auge zu sehen.“

„Bist du nun zufrieden Norton?“, grinst William seinen Freund an. „Da drinnen wird uns die gesamte Geschichte erzählt!“

„Und nicht zu vergessen, dass alle Bewohner den christlichen Glauben haben“, fügt Cleo schnell diese Tatsache hinzu und weiter: „Auch wenn hauptsächlich Europäer hier leben, wirken trotzdem Wissenschaftler aus aller Welt an diesem Projekt Lebensbereich mit.“

Und wieder hat William das letzte Wort: „Das liegt an den unterschiedlichen Lebensauffassungen. Während wir sagen: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! sagt der Islam eher: Gott wird uns schon helfen!“

Nun schaut Norton seinen Freund lachend an: „Du bist ja doch ein schlaues Kerlchen!“

Sie fühlten sich nicht wie Menschen, die in einem goldenen Käfig lebten, wie es in den Anfangsjahren des Kibbuz oft von der Außenwelt dargestellt wurde. Wer nicht bleiben wollte, der konnte ja jederzeit wieder gehen.

Und nun hatten alle gemeinsam denselben Traum. Ein Traum, der niemals in den Niederungen der Erinnerungen zu verschwinden drohte.

Ein Leben im Kibbuz

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