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5. Kapitel Die Vision

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Viele Jahre zuvor…

Das Wetter in den Bergen war wunderschön an diesem Tag im Sommer und lud für Aktivitäten im Freien ein. Wie auch für Werner Otte, der gerade die letzten Meter auf die Almhütte zuging. Er hatte gut 1200 Höhenmeter unter sich gelassen und wollte die Aussicht auf die Berggipfel ringsherum genießen. Der Anstieg hatte ihm ganz schön Schweiß gekostet. Seine Haare waren kurz geschnitten und jetzt nass vor Schweiß.

„Grüß Gott!", begrüßte er die Leute an dem langen Tisch, die jeweils am rechten und linken Ende des Tisches saßen. Nachdem das übliche „Bitte“ gesagt wurde, hatte sich Otte für die beiden Herren auf der rechten Seite entschieden.

„Natürlich ...!", war die kurze Antwort. Auf einer Alm unter Wanderern würde niemals ein freier Platz verwehrt werden.

Nachdem Otte sein Getränk erhalten hatte, wandte er sich an die beiden Herren am Tisch.

„Entschuldigen Sie, wenn ich fragen darf: Sie sind doch einer von den Wetterfröschen, den man manchmal in den Nachrichten für das Wetter sieht?"

Der angesprochene Mann lacht amüsiert auf.

„Dass man mich auch hier oben erkennt ..."

„Na ja. Ich denke, dass das normal ist. Beschäftigt sich doch mittlerweile jeder mit dem Wetter. Ich meine: Ob das mit dem Wetter noch alles normal ist? Und deshalb sieht man in den Nachrichten immer wieder den Herrn Wittwer als Wetterfrosch."

„Ja, da haben Sie recht! Da haben Sie schon gut getan, dass Sie sich Ihr Gesicht mit der Sonnenschutzcreme eingerieben haben. Die Sonne ist hier oben ja besonders stark. Haben Sie ein besonderes Interesse an dem Wetter? Und ja, mich haben Sie ja erkannt und das ist mein Begleiter Klaus Meier!", stellt der Meteorologe seinen Begleiter vor.

„Angenehm. Werner Otte!", stellt sich Otte seinem Gegenüber, Helmut Wittwer, dem Meteorologen vor, auf die offensichtliche Einladung zu einem Gespräch.

„Sagen Sie mit bitte eines, wird es wirklich so schlimm mit unserem Wetter in den nächsten Jahren? Kommt der Klimawandel oder ist er schon da?"

Der Meteorologe Witwer mit dunklen nach hinten gekämmten Haaren und dem grünen Oberhemd, lacht kurz auf, nimmt einen Schluck aus seinem Getränk und wendet sich dann Otte zu.

„Ich denke, dass es mit dem Klima noch schlimmer wird, als wir es oder wie es in den Medien dargestellt wird. Es ist ja immer das gleiche mit den Medien. Die überlegen ja, was man den Menschen an Nachrichten zumuten kann, obwohl sie dann im gleichen Atemzug sagen, dass man den Menschen an den Fernsehern die Nachricht nicht vorenthalten darf."

Wittwer macht wieder eine kurze Pause und schaut dabei seinen Begleiter an.

„Herr Meier kann Ihnen das mit dem Klimawandel noch eindrucksvoller bestätigen. Er ist ja Klimaforscher, während ich mich eher mit dem regionalen Wetter beschäftige. Wir gehen davon aus, dass das Eis an dem Nord- und Südpol in den nächsten Jahren noch stärker abschmelzen wird. Gewaltige Überschwemmungen der Küsten in allen Kontinenten werden die Folge sein. Schauen Sie sich doch um! Sehen Sie noch irgendwo Schnee oder Eis. Vor 10 Jahren konnten Sie von hier aus noch den Gletscher dort drüben sehen."

„Wenn ich fortfahren darf“, nimmt Meier den gedanklichen Faden auf. „Wir werden in den nächsten Jahren immer wieder lange Trockenperioden erleben. Perioden, die für den Winter wenig Schnee oder auch Schnee im Übermaß bringen, und im Sommer lange heiße Trockenzeiten oder eben auch viel Regen in kurzer Zeit. Für unseren Boden bedeutet das eine ungeheure Belastung. Die Ernten werden nicht mehr gut ausfallen."

Meier hat eine angenehme Stimme. Man merkt ihm an, dass er gewohnt ist, über das Klima zu sprechen. Er hat kurze blonde Haare. Und er hat einen breiten Scheitel, würden seine Mitarbeiter spöttisch sagen.

„Ja, das Wetter wird auch dahingehend extremer, dass hier in Europa auch Wirbelstürme zur Normalität gehören werden. Rund um das Mittelmeer sogar Tornados, wie drüben in Amerika. Die Überschwemmungen an den Küsten und an den Flussläufen werden ungeheure Ausmaße erreichen. Das Überleben für die Menschen wird schwierig werden! Die Zeiten für die Aussaat und für die Ernten werden Probleme machen. Zum einen zu viel Wasser und dann eben zu wenig Wasser usw."

„Und Sie, warum interessieren Sie sich gerade für solch ein Thema, bei solch einem wunderbaren Anblick?", fragt Meier zurück.

„Nun ja“, antwortet Otte mit etwas leiser Stimme, indem er sein Glas in den Händen dreht. „Ich bin Zukunftsforscher. Ich beschäftige mich mit den Menschen, die es seit über 7 Millionen Jahren gibt und erst in den letzten zwölftausend Jahren begonnen haben, sich zu kultivieren. Und: Können wir unser Schicksal steuern oder müssen wir es hinnehmen?"

Otte schaut die beiden Männer aufmerksam an und fährt dann fort: „Ich gehe davon aus, dass die Menschen wohl nicht von der Notwendigkeit des Umweltschutzes zu überzeugen sind. Zu viele Interessen Einzelner stehen dem entgegen. Industrie und Wohlstand haben den Vorrang vor dem Schutz unserer Welt. Seit Ende des letzten Jahrhunderts erleben wir den Kapitalismus in voller Blüte! Wer wird schon auf sein Auto oder die Flugreisen verzichten wollen? Und was ungeheuer wichtig ist: Für einen Politiker zahlt sich ein Engagement für den Umweltschutz nicht aus, da Verbesserungen, wenn sie denn eintreten sollten, in seiner Amtszeit nicht sichtbar werden. Politikern geht es in erster Linie um Macht, um Wählerstimmen, damit er bei der nächsten Wahl wiedergewählt wird. Von dieser Seite ist zunächst nichts zu erwarten, auch wenn sie diese oder jene Organisation zum Klimaschutz gründen werden. Da müssten schon die ersten wirklich schlimmen Unwetter kommen und die Ernten müssten nachhaltig unter dem Klima leiden! Und ich will hinzufügen, dass es vor 2000, bzw. 1000 Jahren wegen Klimaänderungen bereits Völkerwanderungen gegeben hat und bekannte, große Kulturen untergegangen sind. Ich erinnere nur an die Wikinger, die Mayas oder andere mittelamerikanische Kulturen. Vielleicht wird es einmal den mitteleuropäischen Kulturen ähnlich ergehen.“

Der Zukunftsforscher macht eine kleine Pause. Wohl, um sich erneut auf sein tatsächliches Thema zu konzentrieren: „Aber das erste, was den Politikern zu diesem Thema einfallen wird, sind so genannte Umweltsteuern, von denen sie nicht wissen, wie die Gelder dann für die Umwelt anzuwenden sind, aber damit der Steuersäckel gefüllt wird."

Wieder nimmt Werner Otte schnell einen Schluck Radler aus seinem Glas vor ihm und fährt dann genauso eindringlich fort: „Der Mensch wird sich andere Möglichkeiten suchen müssen, um gegen die zu erwartenden Naturgewalten bestehen und überleben zu können. Ich meine damit, das Bewusstsein des Menschen für unseren Planet Erde muss sich grundsätzlich ändern. Die Verantwortung für das Morgen muss wachsen. Aber welchen Menschen will man es verdenken, wenn ihm das kleine offene Feuer für die einzige Mahlzeit am Tag wichtiger ist, als der CO2 – Ausstoß, den er mit seinem kleinen Feuer verursacht. Das Problem ist, dass täglich Millionen von Menschen so denken!"

„Und wie könnte das Ihrer Meinung nach aussehen?", fragt Meier mit offensichtlichem Interesse.

„Gerade die Probleme aus meinem letzten Satz ließen sich im Grunde schnell ändern. Warum gibt man den Menschen in den Wüstenbereichen, die genügend Sonne und damit genügend Energie zur Verfügung haben, nicht einfach die sonnengeheizten Kochkessel zu einem erschwinglichen Preis. Aber Nein! Für die Industrie und der Politik muss der Preis stimmen, um jeden Preis!"

Otte`s Stimme war am Ende etwas lauter geworden. Man merkte ihm an, dass ihn dieses Thema bewegte, dass es ihm wichtig war. Mit einem Streicheln über seinen Bart wollte er wohl seiner inneren Erregung etwas Herr werden.

Unbemerkt hatten sich die beiden Männer, etwa im Alter von 45 Jahren, von der anderen Seite des Tisches, zu den Dreien gesellt.

„Entschuldigen Sie meine Herren, dass wir uns zu Ihnen gesetzt haben. Aber wir haben Ihr Gespräch mit steigendem Interesse verfolgt."

„Ja! Dann setzen Sie sich doch zu uns." Meier hatte die Einladung mit Verwunderung in seiner Stimme ausgesprochen.

„Wenn ich uns vorstellen darf", meinte einer der Herren von der anderen Seite des Tisches. „Mein Name ist Klose, Klaus Klose, ich bin Ingenieur für Landschaftsgestaltung und das ist mein russischer Freund Vladimir Kuglov, der sich für Möglichkeiten des zukunftsorientierten Lebens interessiert."

„Angenehm, Meier, Beruf Meteorologe, mein Freund Wittwer, Klimaforscher und der Herr Otte, Zukunftsforscher. Und ich denke, Herr Otte sollte uns seine Vorstellungen über seine Zukunft einmal darstellen. Irgendwie klingt es interessant, was er da von sich gibt."

Meier grinste ein wenig amüsiert dabei.

„Nun ja, wenn ich meine Vorstellungen zum Überleben der Menschheit darstellen darf“, nimmt Otte das ihm angebotene Gespräch auf, auch er grinst ein wenig, „dann will ich mal loslegen. Ich will versuchen, mich kurz zu fassen."

Otte ergreift eine von den Servietten, die auf dem Tisch liegen und zirkelt mit seinem Kugelschreiber einen Kreis.

„Schauen Sie! Dieser Kreis soll einen Durchmesser von 8 km in der Natur haben. Es soll den Lebensbereich für über 1000 Menschen darstellen, die innerhalb dieses Bereiches autark für Luft, Wasser, Nahrung und Energieversorgung sind und autonom werden sollen, was die politische Gemeinschaft dieser Menschen angeht. Ich nenne dieses als "mein Lebensbereich!" Das Kind muss ja einen Namen haben. Darin leben Menschen verschiedenster Interessen. Aber in einer Art und Weise, dass jeder dieser Bewohner einen Teil zum Leben innerhalb dieses Bereiches beiträgt. Sei es Handwerker, Landwirte, Forscher Lehrer, Bäcker, Metzger oder Ärzte. Den Menschen soll es ja an nichts fehlen. Sie wollen, bzw. sollen sich einen Bereich des Überlebens schaffen, wenn die Natur in Form von den zu erwartenden Klimaveränderungen zurückschlägt."

„Ist denn nicht schon einmal ein Versuch vorgenommen worden, so einen Kibbuz als autarkes Gebilde aufzubauen?“, fragt Klaus Klose und fügt hinzu: „Meines Erachtens hat das nicht funktioniert.“

„Das ist richtig, aber lassen Sie mich weiter fortführen“, lässt sich Otte nicht beirren. Er nimmt kurz einen Schluck Radler: „Und wenn ich die Personen an diesem Tisch betrachte, würden die Wetterleute z.B. für den Bereich Luft und Wetter zuständig sein und Sie als Landschaftgestalter für den Aufbau des Lebensbereiches!"

Otte lacht laut auf ehe er, weiter lachend zu Kuglov gewandt, fortfährt: „Und wenn Sie das nötige Geld hätten, könnte ich die entsprechenden Grundstücke kaufen!"

Nun lachen alle 5 Männer laut auf. Am heftigsten lacht der Angesprochene, der russische Geschäftsmann Vladimir Kuglov.

„Ich denke, ich hätte tatsächlich genügend Geld...!", sagt er, als er endlich wieder einen Satz aus seinem lachenden Mund herauspressen kann und lacht weiter. Er kann sich gar nicht beruhigen.

Otte ist ein wenig verwirrt. „Schön, dass ich Sie amüsiert habe. Aber ich meine das mit dem Lebensbereich tatsächlich so. Ich sehe darin wirklich eine menschenwürdige Überlebens- Möglichkeit bei all dem schrecklichen Klima, welches da in den nächsten Jahrzehnten auf uns zukommen soll"

Otte`s Stimme klingt wirklich ein wenig ärgerlich. Er wundert sich ja nicht darüber, dass man seine Vorstellungen für die Zukunft nicht sonderlich ernst nimmt, aber dass er ausgelacht wird...!

„Das ist es ja gerade, mein lieber Herr Otte. Das ist es ja, warum Sie mich so erheitert haben. Ich wäre der richtige Mann für den letzten Satz Ihrer Ausführungen, denn ich verdiene mein Geld mit russischem Gas und da ist viel Geld zu verdienen. Ich hätte dieses Geld tatsächlich für Sie!"

„Was für eine zufällige Fügung des Schicksals!", meint nun auch Wittwer lachend. „Da sitzt gleich der nötige Geldgeber für die Visionen des Herrn Otte am Tisch!"

„Das kann mal wohl sagen!", fügt Otte, nun ebenfalls lachend, hinzu. „Mein Denkmodell schließt ja auch ein, dass solch ein Lebensbereich zum Beispiel auch in Sibirien gebaut werden kann. Als Lebensraum für die Arbeiter mit ihren Familien, die für die Bergung von Bodenschätzen dort leben müssen!"

„Das ist es ja gerade, was unser Interesse geweckt hat. Darum möchte ich Sie bitten, fortzufahren."

„Gut", meint Otte, doch leicht irritiert. „Mit solch einem Kibbuz kann ein Lebensbereich für ca. 2500 Menschen entstehen. Das benötigte Areal muss gekauft werden. Aufbau der Landwirtschaft, Wohnhäuser für die dort arbeitenden, bzw. lebenden Menschen wird erbaut. Dann ein Krankenhaus, eine Schule mit Universität. Kleine Geschäfte entstehen, das Leben soll sich entfalten."

Kurze Pause von Otte, dann weiter: „Jeder Mensch innerhalb dieses Bereiches erkennt, dass er ein Teil des Ganzen ist. Alle stellen ihre Arbeit und ihr Können im Dienste der Gemeinschaft des Lebensbereiches. Im Grunde gibt es keine Zahlungsmittel. Lebensmittel, Kleidung und Verbrauchsgüter werden in solch einem Lebensbereich hergestellt, jeder kann diese nutzen. Also weder Kapitalismus noch gesteuerter Sozialismus. Alle sind gleich, egal welcher Arbeit oder Verantwortung er nachgeht."

Hier macht Otte nun eine bedeutende Pause, indem er die vier Männer reihum ernst anschaut:

„Und dazu laufen parallel die Vorbereitungen zur Erreichung des eigentlichen Zieles in ferner Zukunft...! Irgendwann... stelle ich mir vor... wird dieser Lebensbereich zu einem Raumschiff..."

Nun ist es an den anderen Männern, nach dieser Ankündigung Mund und Nase aufzusperren.

„Dieser Lebensbereich Erde, 8 km im Durchmesser, ein Raumschiff...!?"

Die Gesichter der Männer zeigen nur ungläubiges Staunen.

Aber Otte fährt unbeirrt fort. Das ist ja sein Thema, das ist seine Vision.

„Ich sage - der Mensch ist von einer ungeheuren Neugierde beschaffen. Das muss seine Gründe für das Leben und Handeln der Menschen auf dieser Erde haben. Das hat z. B. vor über 600 Jahren dazu geführt, dass man Indien auf dem Seeweg entdecken wollte. Das hat zwar nicht geklappt, aber dafür hat dann Kolumbus Amerika entdeckt. Wer wollte das damals schon glauben. Beispiele für die Neugierde der Menschen gibt es genug. Und auf den Mars wollen wir doch schon, oder? Und es werden sich Gedanken gemacht, wie man unser Sonnensystem verlassen kann. Aber mit unserer bisherigen Technologie kommen wir nicht aus unserem Sonnensystem heraus. Und einen anderen Planeten zu finden, bzw. anzufliegen, wird möglicherweise Jahrhunderte dauern. Das müssen die Menschen überleben können!"

„Wie Recht er hat...!"

„Aber mit der heute bekannten Technologie wird sich ihr letzter Punkt nicht verwirklichen lassen...!“, kam ein Einwand.

„Das ist richtig. Das ist ein Thema, welches sozusagen als Mitläufer eines Lebensbereiches gedacht ist. Neue Technologien zu entwickeln. Leider werden Wissenschaftler, welche Ideen in dieser Richtung entwickeln, mundtot gemacht. Aber ich denke, die Zeit, 100 oder 200 Jahre oder mehr, wird auch dieses Problem lösen!“, beendet Otte letztlich die Diskussion.

Ein Leben im Kibbuz

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