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2.2 Schreibkompetenz vor der beruflichen Ausbildung am Ende der Sekundarstufe I

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„Wer nicht schulsprachlich schreiben kann, ist in allen Fächern – auch bei inhaltlich durchaus richtigen Antworten – in der Bewertung benachteiligt, auch weil der Anteil der schriftlichen Leistungen an der Gesamtbewertung enorm hoch ist“ (Neumann, 2010:14).

Schulerfolg ist mit einer „[…] adäquaten Beherrschung der deutschen Sprache verbunden. Sie ist das Kommunikationsmedium in und mit der Mehrheitsgesellschaft“ (Steinmüller, 2006:322). Schreiben wie auch Lesen und Rechnen sind basale Anforderungen und Kompetenzen, die institutsgebunden und für die sogenannte Ausbildungsreife unumgänglich sind (Neumann, 2010:13). Für den Schulabschluss jeglicher Schulform sind diese Kompetenzen die Eintrittskarte in die Sekundarstufe II und damit auch für viele Schüler in die berufliche Ausbildung. Sowohl die Schreibkompetenz als auch die Textsortenkompetenz (siehe Kapitel 2.4) sind laut Bundesagentur für Arbeit Einstellungsvoraussetzungen, die zum Merkmal (Recht-)Schreiben folgende Kriterien verlangt (Bundesagentur für Arbeit, 2009:22, siehe Abb. 7):

Abb. 7:

Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife (Bundesagentur für Arbeit, 2009:22)

Die genannten Kriterien werden im Deutschunterricht auf Basis der Rahmenlehrpläne von der ersten Klassenstufe an bis zum Verlassen der Institution Schule gelehrt. Das Unterrichtsfach Deutsch vermittelt hierfür vier Grundkompetenzen in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss. Dabei ist die Kompetenz Schreiben eine der vier und stellt eine Basisqualifikation dar (KMK, 2004:8):

Die Schülerinnen und Schüler kennen die vielfältigen Möglichkeiten des Schreibens als Mittel der Kommunikation, der Darstellung und der Reflektion und verfassen selbst adressatengerechte Texte (KMK, 2004:8).

Die Handlungszentrierung beim Schreiben und eine prozessorientierte Deutschdidaktik im Teilbereich Schreiben werden des Weiteren von der Kultusministerkonferenz gefordert: „über Schreibfertigkeiten verfügen“ (KMK, 2004:11), „richtig schreiben“ (ebd.), „einen Schreibprozess eigenverantwortlich gestalten“ (KMK, 2004:12), „Texte schreiben“ (ebd.) und „Texte überarbeiten“ (KMK, 2004:13). An dieser Stelle wird unverkennbar deutlich, dass der Schreibprozess und nicht das Schreibprodukt allein Unterrichtsgegenstand im Deutschunterricht ist (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006:24f.).

Das Kerncurriculum für das Fach Deutsch in Niedersachsen greift diese Kompetenzen auf. Der heutige Schreibunterricht an Schulen orientiert sich curricular an dem ursprünglichen Schreibmodell von Hayes und Flower (1980) (siehe Kapitel 2.5). In diesem wie auch im aktuelleren Modell von Hayes (2012) wird der Schreibprozess in Phasen des Planens, Schreibens und Überarbeitens zerlegt. Diese Schritte sind auch im Rahmen des Deutschunterrichts sichtbar zu machen (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006:24f.; Bachmann & Becker-Mrotzek, 2010:195).

Das Wissen über Schemata ist ein Einflussfaktor für die Entwicklung der Schreibkompetenz und die damit verbundenen Strategien sowie Prozeduren. Feilke und Bachmann (2014:8) verweisen darauf, dass es dafür „textliche Handlungsschemata“ gibt. Textprozeduren werden somit auch in der Institution Schule vermittelt und gelernt. Gerade im Deutschunterricht ist das Trainieren von immer wiederkehrenden Prozeduren beim Schreiben von Texten vermittelbar, da sie zu einer Schreibroutine führen (Feilke, 2010:1, siehe Kapitel 2.1). Ein systematisches Vorgehen sei es zunächst, die in der Schreibaufgabe bezogene Textsorte zu erkennen und den „Texthandlungstyp“ (Feilke, 2014:26), z.B. das Argumentieren, einzuordnen. Darauf folgen bestimmte „Handlungsschema“ (Feilke, 2014:23), wie das Begründen. Abschließend sei der Einbau von „Prozedurausdrücken“ (Feilke, 2014:26), z.B. „ich finde, dass“ (ebd.), als sprachliche Texthandlung zu implementieren. Somit seien „genrespezifische Ansätze“ (ebd.) im Schreibunterricht gefragt.

Die Verwendung von Textbausteinen kann dabei unterstützend helfen: „Textbausteine als Handlungseinheiten können im Klassen- und Gruppengespräch an einschlägigen Prozedurausdrücken erkannt und unterschieden werden“ (Feilke, 2014:28). Weitere Gründe für dieses Vorgehen sind in den folgenden Zitaten fachlich erläutert:

Das zentrale Argument für dieses Vorgehen ist, dass die Textbausteine relativ selbstständige Einheiten sind, aus denen Texte einer Textsorte auf unterschiedliche Weise komponiert werden können, wie dies das englische Wort ‚composition‘ treffend ausdrückt. Während die traditionelle Didaktik schulischer Textarten globale Textmuster normativ fixiert und die Anpassung an diese Muster und deren Nachahmung fördert, besteht über die Fokussierung der mittleren Ebene der Textbausteine die Chance, Textkreativität und ein funktionales Verständnis für die Sprachlichkeit der Texte zu entwickeln. Das heißt, auch Schreibaufgaben sind in einem solchen Zugang nicht mehr nur auf zu schreibende Ganztexte im Kommunikationszusammenhang, sondern bevorzugt auch auf die Arbeit an Textbausteinen zu beziehen (Feilke, 2014:28).

Das Maß der Orientierung an Merkmalen von Textsorten – ob sich ein Schreiber mehr auf inhalts-, adressaten- oder eben textsortenbezogene Schreibstrategien stützt – hängt enger mit der konkreten Schreibfunktion zusammen. Wer ein Bewerbungsanschreiben verfasst, orientiert sich stärker an einer Vorlage und arbeitet eher Normvorgaben ab als jemand, der einen privaten Brief schreibt, obwohl bei beiden Schreibaufgaben die Adressatenorientierung ebenfalls entscheidend ist (Fix, 2000:49).

Neben dem Einsatz von Textbausteinen wird im Folgenden auf weitere schreibdidaktische Maßnahmen zurückgegriffen: Die Textplanung soll anhand einer Stoffsammlung und Ideengenerierung bis hin zur Entwicklung eines expliziten Schreibplans führen. An Texten werden Textmerkmale gelehrt und darauf basierend Texte produziert. Die Vermittlung des expliziten Textsortenwissens wirkt beim Schreiben entlastend auf das Arbeitsgedächtnis, da auf vorhandene Textroutinen zurückgegriffen werden kann. Routinen/Prozeduren entwickeln sich durch alltägliche Situationen und gleiche Handlungsabläufe (Djik, 2008:68). Dieser Kompetenzaufbau entwickelt sich im Laufe der Schreibentwicklung ständig weiter.

Im Rahmen der Textüberarbeitung werden u.a. die „Schreibkonferenz“ (Spitta, 1992:13), die Nutzung von Kriterienlisten sowie weitere Methoden zur Unterstützung eines Feedbackverfahrens curricular gefordert. Die Methode Schreibkonferenz steht als Methode häufig im Kerncurriculum Deutsch und soll daher kurz erläutert werden, um den Begriff nicht mit den Peergroup-Gesprächen in dem hier vorzustellenden Schreibprojekt zu verwechseln: Ursprünglich geht der Begriff auf die Forschungsarbeit von Graves (1983) zurück. Die Texte werden zunächst von Mitschülern gelesen und anschließend wird Feedback gegeben. Spitta adaptierte dieses Verfahren in Deutschland und befürwortet es, da sich die Textqualität durch die Überarbeitungshinweise verbessere (Spitta, 1992:13). Der Austausch der Schüler über ihre Texte sei wichtig, denn dies führe zu einer „Annäherung an die literalen Normen beim Überarbeiten“ (Dehn et al., 2011:89).

Die Nutzung von Kriterienlisten schränkt zwar eine Textsorte als „prototypisches Konzept“ (Adamzik, 2004:47) ein, soll jedoch auch Impulse der Überarbeitung anbieten, um die Textqualität zu erhöhen. Des Weiteren können Kriterienlisten als Gesprächsleitfaden in kooperativen Schreibsettings für ein sachliches Feedback benutzt und somit, wie im Rahmen des Qualitätsmanagements in Betrieben, auch für die Textqualität gewinnbringend eingesetzt werden:

Beim kooperativen Schreiben geht es um Kontexte und Arrangements, in denen zwei oder mehr Personen bei der Textproduktion zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit kann sich auf die gemeinsame Planung, Formulierung und Überarbeitung eines Textes beziehen. Sie kann sich aber auch auf die Rückmeldung zu einem nicht selbst produzierten Text beschränken, für den Ideen und Optimierungsvorschläge formuliert werden (Lehnen, 2017:299).

Dabei sollten die Kriterienlisten nicht starr sein, sondern immer wieder überprüft und gegebenenfalls ergänzt werden. Somit sind Kriterienlisten auch Basis der Diskussion per se.

Feedbackgespräche bedeuten in jeder Situation immer eine Herausforderung für die Betreffenden, die darauf meist emotional reagieren. Sachliches und nicht personenbezogenes Feedback sollte daher schon in der Schule geübt werden, denn es erfordert von den Feedbackgebern und Feedbacknehmern das Einhalten von Gesprächsregeln, wie z.B. den angemessenen Ton zu finden, den Sprecherwechsel zu berücksichtigen, das Gespräch adäquat zu beginnen und zu beenden (Wagner, 2003:754). Des Weiteren ist der Einsatz von Feedbacks im Unterricht zeitintensiv und erfordert von den Mitschülern kognitive sowie sprachliche Fähigkeiten, die jedoch einen positiven Einfluss auf die Textqualität haben (Lehnen, 2017:299). Daran wird deutlich, dass der Schreibprozess, orientiert am Schreibprozessmodell von Hayes und Flower (1980), in die Teilbereiche Planen, Schreiben und Überarbeiten gegliedert und unterrichtet wird. Die didaktische Einbindung des Textfeedbacks durch die Mitschüler ist ein gängiges Verfahren im Schreibunterricht.

Fix (2000) konnte in seiner Forschung zu Textrevisionen von Achtklässlern (n = 63) empirisch nachweisen, dass gerade die Überarbeitungsphase im Unterricht sehr komplex ist, da die Schüler oftmals nicht die Motivation dafür aufbringen wollen:

Schwierigkeiten im sozialen Umgang miteinander erschwerten das gemeinsame Überarbeiten in Schreibkonferenzen, das gegenseitige Zuhören und faire Diskutieren klappte noch nicht. Es ergaben sich auch große Unterschiede im zeitlichen Aufwand der einzelnen Schreiber, weshalb vielfältige Differenzierungsangebote organisiert werden mussten. Vor allem das nochmalige Schreiben von Hand (da die Arbeit am Computer nur sehr eingeschränkt möglich war) wurde ungern akzeptiert (Fix, 2000:6).

Der Schreiber werde bei der Überarbeitung noch einmal seinen Text und die Aufgabenstellung lesen, sofern sie oder er vorhabe, den Text zu überarbeiten. Nur mit Motivation gelinge Revision, daher sei auch die Rolle der Schreibaufgabe im Hinblick auf die Überarbeitung wichtig (Fix, 2000:45). Wie komplex das Überarbeiten trotz aller methodischen und didaktischen Empfehlungen ist, zeigt zusätzlich folgendes Zitat:

Die Untersuchung hat gezeigt, dass das Überarbeiten von Texten in der Schule didaktisch sinnvoll ist, mehrheitlich zur Textoptimierung führt, Leistungsunterschiede zwischen den Schülern nicht nivelliert, von den Schülern insgesamt positiv aufgenommen wird […].

Zugleich wurden Schwierigkeiten deutlich: Die Fähigkeit zur Problemdiagnose ist bei vielen Schülern schwach ausgeprägt, sie erkannten – auch trotz der Zusammenarbeit in Schreibkonferenzen – tiefer liegende Probleme in ihren Texten nicht, es fehlte ihnen an geeigneten Revisionsstrategien und an exekutiven Fähigkeiten, die durchgeführten Revisionen bezogen sich häufig nur auf lokale Korrekturen und auf Textsortennormen, wobei es klare Unterschiede zwischen den beiden Schreibaufgaben gab (Fix, 2000:320).

Ein Grund für die Komplexität des Überarbeitens ist u.a. die Sprache selbst, denn die Schulsprache steht im Spannungsfeld zwischen Bildungssprache, Schriftsprache sowie weiteren Sprachfeldern (Feilke, 2012a, siehe Abb. 8).

Die Schriftsprache beeinflusst dabei die Sprachfelder in der Schule. Andererseits beeinflussen auch die Normen wie die der Literatursprache und der Wissenschaftssprache von außen die Anforderungen an die Schriftsprache. In diesem Zusammenhang spricht sich Feilke für die „Transitnormen-These“ (Feilke, 2012b: 155) aus. Er argumentiert, dass die Schulsprache an sich schon ein Anforderungsbereich sei, die ein Schüler zu leisten habe und ihn dadurch vor eine zu überbrückende Barriere beim Schreiben stelle:

Sprachnormen für den didaktischen Gebrauch sind insofern transitorische Normen. Im Sinne eines sozialkonstruktivistischen Denkansatzes sind sie nicht als Ziel, sondern als unterstützendes Mittel (Scaffolding) der Kompetenzentwicklung intendiert (Feilke, 2012b: 155).

Es ist hier anzumerken, dass der Schüler einen Text nicht einfach in seiner individuellen eigenen Sprache schreiben kann und darf, sondern sich der Schüler im Kontext seiner Schule, seiner Klasse, seines Lehrers und seines Faches befindet. Daher ist der Schreibunterricht aus der Schülerperspektive zu lenken, um ihn angemessen zu begleiten.

Abb. 8:

Sprachfelder in der Schule (nach Feilke, 2012a: 6, 2011: o. S., vereinfachte Darstellung)

Die dafür in den 1960er Jahren herbeigeführte „kommunikative Wende“ (Eichler & Henzel, 1998:105) forderte dazu auf, den Blick auf die umgebende Situation zu richten, was verstärkt in den 1980er Jahren in der Sprachdidaktik weiterverfolgt wurde. Unterricht, und damit auch der Deutschunterricht, sollte eine Handlungs- und Schülerzentrierung als Merkmale einer guten Didaktik integrieren (Eichler & Henzel, 1998:109), was heute Eingang in die Unterrichtsentwürfe von Staatsexamensarbeiten im Referendariat, aber auch in die Kerncurricula für das Fach Deutsch findet. Eine weitere Anforderung neben den vorgestellten Methoden in der Schreibdidaktik ist der Einsatz Neuer Medien.

Das Zeitalter der Neuen Medien ist auch in den Schulen angekommen. Längst wird die Arbeit mit Computern in den Rahmenlehrplänen der Schulen und damit in den Klassenzimmern verlangt. Im Kerncurriculum Deutsch in Niedersachsen wird der Umgang mit Neuen Medien gefordert, ob es das Erstellen von PowerPoint-Präsentationen, das Erstellen von Tabellen, die Recherche im Netz oder das Schreiben mit WORD oder anderen Programmen ist. Dabei gilt es hervorzuheben, dass zwar der PC immer wieder in allen Fächern gern als Rechercheinstrument genutzt wird, aber das Schreiben von Geschäftsbriefen am Ende der Sekundarstufe I am ehesten nur durch das Verfassen von Bewerbungsanschreiben durchgeführt wird. An einigen Schulen wird dies auch im Rahmen des Wirtschaftsunterrichts und der damit verbundenen Berufsorientierung verankert (siehe Kapitel 2.4).

An vielen Schulen wird von den Schülern in der neunten und/oder zehnten Klasse ein Betriebspraktikum absolviert. Für dieses schreiben die Schüler eine Bewerbung mit Anschreiben und Lebenslauf. Es ist die erste reale Situation, in welcher sich der Schüler bewirbt und damit ‚Arbeitsluft schnuppert‘. Manche Betriebe sind so stark nachgefragt, dass die Bewerberliste sehr lang ist und es bezüglich der Bewerbungsunterlagen einer ersten Selektion der Praktikumsanwärter bedarf. Weitere Textsorten, die auf das berufliche Schreiben vorbereiten, sind daher u.a. das Protokoll, die Vorgangsbeschreibung, die Gegenstandsbeschreibung, die Einladung, das Formular, der Schreibplan, der Antrag, die Entschuldigung sowie die Beschwerde, der Versuchsablauf, die Beschreibung oder der Leihschein (ebd.).

Dies soll nur eine Auswahl an schulischen Textsorten sein, die auch als „Transfer-Textsorten“ (Giera, 2010:40) bezeichnet werden können, da sie auf den Übergang in die Berufswelt und die dortigen Schreibanforderungen vorbereiten. Die Schüler erlangen durch diese schulisch geprägten „Textformen“ (Pohl & Steinhoff, 2010:6) Textsortenwissen, welches sie auf das berufliche Schreiben und die dort verankerten Textsorten übertragen können. Obwohl die beruflichen Textsorten wie das Angebot oder die Reklamation noch nicht im Schulcurriculum verankert sind, kann die Argumentation grundsätzlich als eine wichtige Kompetenzanforderung in der Sekundarstufe I betrachtet werden. Ergänzend dazu muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass Kinder von klein auf mündlich argumentieren können. Dabei verteidigen sie ihre Haltung, um bestimmte Ergeignisse wie den Konsum von Süßigkeiten oder das längere Aufbleiben zu erzielen. Argumentativ zu schreiben ist jedoch für die Sekundarschüler eine Herausforderung, die regelmäßig in der MSA-Prüfung in der zehnten Klasse in Form einer dialektischen Erörterung verlangt wird.

Die Argumentation als kommunikative Kompetenz hat ihren Ursprung in der klassischen Rhetorik, in der die Rede zunächst schriftlich vorbereitet und anschließend vor einer Öffentlichkeit vorgetragen wird (Ossner, 2006:75). Im schulischen Kontext wird dies mithilfe linearer und dialektischer Erörterungen schriftlich vorbereitet. In diesen entfalten die Schüler Pro- und Kontraargumente und stützen diese mit Beispielen sowie Belegen. Dafür müssen Teilargumente miteinander in Beziehung gebracht und verknüpft sowie gewichtet werden. In der neunten und zehnten Jahrgangsstufe werden zudem eine Erörterungsfrage und die damit verbundene Thesenaufstellung vermittelt. Dafür wird eine dialektische Erörterung geschrieben, die sowohl die These, Antithese als auch die Synthese beinhaltet. Im Rahmen des Schreibunterrichts stellen die Erörterungen, gerade die dialektischen, eine schwierige Schreibaufgabe dar.

Schwierige Schreibaufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass die Texte ihre Funktion erst dann erfüllen, wenn das Gewusste für die Darstellung unter einer bestimmten Perspektive verändert wird. Die Logik des Gewussten muss mit dem Blick auf die kommunikative Funktion verändert werden (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006:61).

Die hauptsächliche kommunikative Funktionbei Argumentationen ist eine „Appellfunktion“ (Brinker, 2010:98),1 in der die Adressaten durch einen begründeten Sachverhalt überzeugt und zu einer Handlung aufgerufen und beeinflusst werden (Heinemann & Heinemann, 2002:187; Brinker, 2010:101). Diese Funktion ist auch bei Bewerbungsanschreiben und unverlangten Angeboten deckungsgleich. Die Verbraucher und Personalleiter sollen von einem Produkt, einer Dienstleistung oder von der sich bewerbenden Person überzeugt werden, was durch die Appellfunktion beider Textsorten zum Ausdruck kommt. Die Bewerber appellieren dafür, sie einzuladen, und die Verbraucher werden bei unverlangten Angeboten zum Kauf der Dienstleistung oder des Produktes aufgerufen. Daher sind auch in diesen Textsorten Argumente enthalten, die für die Dienstleistung oder Person sprechen. Somit können die Schüler beim Verfassen von Bewerbungsanschreiben oder Angeboten auf die Kompetenz des Argumentierens zurückgreifen.

Dieses Unterkapitel erklärt den Stellenwert des schriftlichen Argumentierens im Deutschunterricht am Ende der Sekundarstufe I. Es zeigt die Herausforderungen der Schriftsprache im schulischen Feld und die damit verbundenen Schreibschwierigkeiten für Schüler. Der Deutschlehrer hat durch die Formulierung der Schreibaufgabe die Möglichkeit, die Schreibmotivation zu fördern, muss jedoch auf die Heterogenität seiner Schreiber Acht geben. Daher sind als Unterstützungsmaßnahmen Mustertexte, Kriterienlisten, Textbausteine, Schreibkonferenzen und andere Feedbackverfahren im Schreibunterricht einzusetzen, um den Schreibprozess aller Schüler zu begleiten und die Schreibkompetenz weiter aufzubauen.

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