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Lufthauch

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Tama war verschwunden. Und der Elfenkrieger mit ihr. Lufthauch starrte auf den verwaisten Lagerplatz, das erkaltete Feuer und die niedergedrückten Pflanzen, die ihm zeigten, wo noch vor kurzer Zeit Tama gelegen und im Schlaf gestöhnt hatte. So lange bin ich doch gar nicht weggeblieben, dachte er. Jetzt steh ich hier mit genug Fleisch in den Händen, Pflanzenblättern und Blumenzwiebeln, dass ein ganzer Erkundungstrupp davon hätte satt werden können. Sie sind weg, und ich bin als einziger noch übrig. Der letzte Mann, wenn alle anderen weiterziehen. Und gleich darauf: Hoffentlich geht alles gut mit Tama.

Seltsame Gefühle balgten sich in seiner Brust, drückten sie so eng zusammen, dass er kaum Luft bekam, um ihr im nächsten Augenblick zu gestatten, sich erleichtert zu weiten und die Luft der ganzen Welt in sich aufzusaugen. Was für ein Drama hatte er nichtsahnend mit ausgelöst. Ein Band aus Drachenleder hatte sich Tama um den Unterarm gewickelt und das hatte sich sofort in ihre Haut hineingefressen, als ob es mit der Menschenhaut verschmelzen wollte. Hart, zäh und magisch war das Band, und Tamas Haut war weich und geschmeidig. Sollte ihre Haut auch magisch sein, dann beherbergte sie aber eine ganze andere Magie, eine, die vielleicht jemanden träumen ließ, die aber völlig ungeeignet war, sich gegen feindliche Angriffe zu wehren. Und so hatten sich Haut und Fleisch entzündet, der Arm schwoll ihr an und glühte im Fieber. Sie würde den Tag nicht überleben. Da war er sich sicher. Andererseits …

Die beiden waren nicht mehr da, waren in aller Eile abgereist und hatten ihn zurückgelassen. Der Elfenkrieger musste eine Möglichkeit gefunden haben, Tama zu retten. Oder zumindest eine Idee gehabt haben, was ihr helfen konnte. Es musste so sein, denn eine Welt ohne Tama konnte Lufthauch sich nicht mehr vorstellen. Das wäre nicht mehr seine Welt gewesen. Aber hatte er die nicht ohnehin bereits verloren in diesem Durcheinander? Wie konnte es geschehen, dass gerade er, der als Waldelf für das reine Blut eintrat, lauter Freunde hatte, die nur eines verband: Mischblut. Und für Sumpfwasser, den Ersten Berater des Elfenrates, sah es ähnlich aus.

Es würde mich mittlerweile nicht mehr wundern, wenn auch Sumpfwasser keine reinrassige Elfe wäre.

Und dann gab es noch etwas. Das Geheimnis, das ihn die ganze Zeit so bedrückte, dass er es nur mit äußerster Willenskraft für sich behalten konnte, war mit Tama fortgegangen. Jene Drachenschuppe war zu einem Lederriemen geworden und nun ein Teil von Tamas Haut geworden. Und wenn Tama jetzt starb …

Mochte sein Verstand auch Auswege und Entschuldigungen genug finden, sein Herz sagte ihm, dass es darum gar nicht ging. Alle Überlegungen konnten eine Tatsache nicht aus der Welt schaffen: Ein Drache in den Drachenbergen hatte Tama eine seiner Schuppen anvertraut. Und davon wussten schon zu viele. Der Drache mit dem lahmen Flügel, Pando, Tama, leider auch er und nun auch noch die Unaussprechliche. Wenn das Leder ein Teil von Tamas Haut wurde, war es verschwunden und kein Drache der Welt würde kommen und die Drachenschuppe suchen wollen. Aber was, wenn Tama dabei starb? Dann würde ihr Leib verwesen und das Lederband läge in ihrem Grab. Und er …

Lufthauch sah nur noch einen Ausweg. Er beschloss das zu tun, was er vorher als völlig unmöglich verworfen hatte. Er würde, nein, er musste Sumpfwasser davon erzählen. Ohne noch einen Gedanken an sein Frühstück zu verschwenden, eilte er zurück nach Neustadt, wo sich hoffentlich der Erste Berater des Elfenrates immer noch aufhielt.

„Ich muss mit dir über etwas reden, Vater“, sagte Lufthauch, nachdem er eine Weile herumgedruckst hatte. „Es geht um ein Geheimnis, von dem ich weiß, von dem ich aber nichts wissen sollte. Ich dürfte niemals darüber sprechen, und ich habe lange mit mir gerungen. Aber jetzt kann ich es nicht mehr für mich behalten. Dieses Geheimnis ist zu groß für mich, als dass ich es in meinem Herzen verschließen könnte.“

Und dann erzählte er von dem Drachen in den Drachenbergen, dessen Flügel lahm war, von der Drachenschuppe, von Tamalone und Pando und auch von der Unaussprechlichen und ihrem Wunsch, ihn tot zu sehen. „Aber ich möchte noch nicht sterben. Auch nicht aus einem guten Grund und von eigener Hand“, sagte er endlich.

Sumpfwasser, der Erste Berater des Elfenrates, der am liebsten zu allem und jedem Abstand hielt, um sich seinen kühlen Blick zu erhalten, nahm Lufthauch in die Arme und drückte ihn behutsam an seine Brust.

Lufthauch zögerte nur kurz, wohl eher aus Überraschung als aus Widerwillen, und verlor sich dann in der Stärke und Wärme des Mannes, der behauptet hatte, sein Vater zu sein. „Du überraschst mich“, sagte er leise. „Ich hatte gedacht, du würdest sofort darüber nachdenken, wie du dieses Wissen nutzen könntest. Verzeih mir, dass ich dich so falsch eingeschätzt habe. Bleibe immer eng an meiner Seite. Neben mir kann dir nichts geschehen. Auch die Unaussprechliche wird es nicht wagen, dir etwas vor meinen Augen zu tun. Und wenn ich erst mit ihr gesprochen habe, auch nicht hinter meinem Rücken. Du musst wissen, dass sie nur zwei Dinge in dieser Welt fürchtet. Das eine ist die Wut ihrer Großmutter und das andere ist mein kalter Zorn.“

Lufthauch hatte nicht den Eindruck, dass Sumpfwasser übertrieb. Aber was war das für eine Macht, die es dem alten Mann ermöglichte, der Unaussprechlichen eine solche Furcht einzujagen, dass sie tat und unterließ, was er ihr vorschrieb? Er selbst hatte ihre Magie gespürt. Ihr hatte keine Waldelfe etwas entgegenzusetzen. Auch ein Sumpfwasser nicht. Und trotzdem gehorchte sie ihm. Meistens jedenfalls.

Der Weg in die Vergangenheit

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