Читать книгу Das große Buch vom Kleinvieh - Wolf-Dietmar Unterweger - Страница 7
ОглавлениеDIE KLEINVIEHHALTUNG
ZIELE UND MÖGLICHKEITEN DER KLEINVIEHHALTUNG
Der Wunsch, eigene Tiere zu halten, kann vielfältige Ursachen haben. Vom Genuss des Anblicks von Bauernhoftieren im eigenen Garten, über die Nutzung der tierischen Produkte im Eigenbedarf bis hin zur Bereicherung des eigenen Verkaufsangebotes. Die Ziele, die Vorfreude und die idealisierte Vorstellung des Tierhaltens beeinflussen unsere Entscheidung.
Aber nicht allein emotionale Gründe sollen den Entschluss fällen, sondern auch rationale Überlegungen. Habe ich die nötige Zeit, die Verantwortung zu übernehmen? Wie sieht es aus, wenn die Schafe aus der Koppel ausbrechen und zusammen mit den Ziegen den nachbarschaftlichen Garten leer fressen? Habe ich die Energie und die Kraft, auch kleine Rückschläge zu bewältigen? So groß das Glück und die Freude der eigenen Tierhaltung auch sein mag – eine realistische Einschätzung der eigenen Ressourcen ist immer notwendig, um sich für das passende Tier zu entscheiden.
WELCHES TIER PASST ZU MIR?
Die Abschätzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen beinhaltet Überlegungen auf vier abstrakten Ebenen:
Diese vier Ebenen ermöglichen eine realistische Abschätzung der Machbarkeit. Unterschiedliche Arbeitseinteilungen und Organisationsformen lassen dann die Haltung verschiedener Tiere zu. Pauschale Aussagen zur Haltung eines Tieres sind jedoch nicht möglich, da die Rahmenbedingungen jeweils unterschiedlich sind.
Die Zeit: Zur Auswahl des passenden Tieres gehört zunächst immer die Überlegung der Zeit. Wieviel Zeit benötigt die art- und rassegerechte Haltung eines Tieres? Reicht es morgens und abends, die Tiere zu besuchen? Kann ich die Pflege und Fürsorge bewältigen? Wie sieht es in meiner Familie aus? Ist die Akzeptanz da, mir die Zeit zu gönnen, die Tiere zu versorgen? Können mir Nachbarn helfen? Ist die Arbeit teilbar? Was ist mit den Urlaubsreisen? Wer übernimmt die Vertretung? Das anspruchsloseste Tier ist sicherlich das Huhn, gefolgt vom Kaninchen. Esel und Schafe bzw. Ziegen benötigen mehr Zeitaufwand, da hier die zurückzulegenden Distanzen bis zur Weide größer werden und die Ansprüche steigen.
Der Raum: Welcher Raum steht mir für die Tierhaltung zur Verfügung? Brauche ich nur einen Stall mit passendem Auslauf? Wie groß muss dieser Stall sein, damit die Tiere tierwohlgerecht gehalten werden? Wie viele Tiere pro Fläche kann ich halten und wie ist es mit den Jungtieren, den überzähligen Männchen und den gegebenenfalls kranken Tieren? Werden Weiden benötigt? Wie viel Weide brauche ich pro Tier und Jahr? Zu jedem Weidetier gehört natürlich das Winterfutter. Heu und Zusatzfutter kann man kaufen oder kostengünstig selber anbauen. Die Fläche für die Produktion geht vom Weideland ab und die Fläche für die Lagerung des gesamten Winterfutters muss bei der Stall- und Scheunengröße berücksichtigt werden.
Das Engagement: Die Idee der Tierhaltung mag neu und fremd sein. Aber Sie sind nicht der erste Mensch, der Tiere hält. Fast alle unsere Vorfahren haben stets Tiere gehalten. Mit Erfolg, denn sonst wären sie verhungert. Obwohl wir Menschen eine Vergangenheit haben, die aus Ackerbau und Viehzucht hervorgeht, ist uns die praktische Erfahrung in Vergessenheit geraten und alles muss neu erlernt werden. Eine Herausforderung, die jeder meistern kann. Dennoch spielt die Frage nach dem Engagement eine wichtige Rolle: In wieweit kann ich mich dem Rhythmus der Tierhaltung anpassen? Wie weit gehen mein Glücksempfinden und die Frustrationstoleranz bei Rückschlägen? Wie groß ist die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und mit den Tieren durch dick und dünn zu gehen? Tierhaltung ist für jedermann. Dennoch müssen wir manchmal bis an unsere Grenzen gehen, wenn unvorhergesehene oder wenig attraktive Aufgaben auf uns zukommen.
Die Dauer: Bevor man sich mit der Haltung von Tieren beschäftigt, muss man wissen, dass die Verantwortung für diese Tiere keine Teilzeitaufgabe ist. Auch wenn man es schafft, sich die Arbeit zu teilen oder mit wenigen Stunden am Tag die Tiere tiergerecht zu versorgen, so gilt es doch, auch die Dauer einer solchen Beziehung zu berücksichtigen. Vielfach werden die Tiere sehr alt. Ein Huhn begleitet uns etwa 4 Jahre und ein Lama kann bis zu 20 Jahre alt werden. Sollte es Ihnen nicht gelingen, Tiere pragmatisch während der jungen Jahre zu schlachten, so haben Sie viele Jahre lang eine Verantwortung für diese Tiere. Gerade bei Nutztieren, die wir essen, ist eine nüchterne und akribische Planung des Schlachtzeitraums ein wichtiger Faktor. Mit jedem weiteren Jahr, welches ein Individuum älter wird, sinkt die Bereitschaft, es zu essen. Anders als bei einem guten Rotwein werden die Qualität und die Appetitanregung von älteren Tieren selten besser und die emotionale Bindung und der Gesunderhaltungsaufwand steigen.
Hühner in einem ländlichen Garten, in dem es noch eine lebensvolle Idylle gibt: Plätze zum Scharren und Picken im Schatten eines Birnbaumes, am Zaun, entlang einer Hecke, auf der Wiese.
Ein solcher Kleinviehgarten ermöglicht es den Tieren, alle Verhaltensbedürfnisse zu befriedigen: uneingeschränktes Fortbewegungsverhalten.
DIE ANFORDERUNGEN DER TIERE
Jede Tierart stellt andere Anforderungen an die Haltung. Die Tabelle auf S. 12 schafft einen Überblick über die grundlegenden Bedürfnisse der einzelnen Tiere. Jede Spalte ist ein zentraler Faktor, der sich entweder durch finanzielle Aufwendungen oder durch das Vorhandensein von genügend Fläche bewältigen lässt.
Gerade die unterschiedlichen Bestandteile des Futters erfordern entweder einen kontinuierlichen Zukauf oder die Produktion auf eigenen Flächen. Raufutter bezeichnet alle Futtermittel, bei denen die gesamte Pflanze verfüttert wird. Demnach ist Stroh, Heu, Silage und Gras dem Raufutter zuzuordnen. Die Lagerfähigkeit von Heu, Stroh und Silage ermöglicht die Winterfütterung. Gras und frischer Schnitt der Wiesen fällt unter Grünfutter. Auch grün gemähtes Getreide (Hafer oder Mais) zählt dazu. Saftfutter besteht hauptsächlich aus Knollen, Wurzeln und anderen Pflanzenteilen. Der hohe Wassergehalt ist für Wurzel- und Knollenfrüchte typisch und macht sie verderblich. Dennoch lohnt sich gerade hier der eigene Anbau.
Leguminosen sind alle Hülsenfrüchtler. Der Anbau dieser Pflanzen bereichert den Boden durch die Fähigkeit der Stickstofffixierung. Zudem sind die geernteten Hülsenfrüchte eine sehr wertvolle und eiweißreiche Kost, die vielfach geschrotet verabreicht wird. Auch grün gemähtes Getreide (Hafer oder Mais) zählt dazu. Körner sind die Früchte der Gräser. Somit ist das gesamte Getreide gemeint, welches bei der Ernte Körner liefert – und auch Stroh (Raufutter).
Anforderungen an die verschiedenen Nutztierarten. Idealer wäre, wenn die unterschiedlichen Futterbestandteile auf dem Hof selbst produziert werden könnten.
Nicht alle Flächen dürfen versiegelt werden, wenn ein Kleinviehhof für alle Bewohner zum Wohlfühlort werden soll.