Читать книгу Tödlicher Gin: Berlin 1968 Kriminalroman Band 31 - Wolf G. Rahn - Страница 6
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Franziska Jahn gehörte nicht zu den Frauen, die die Abwesenheit ihres Chefs ausnützten, um ihr Make-up auf Hochglanz zu bringen oder stundenlange Privatgespräche mit einer Freundin in Westdeutschland zu führen. Sie liebte ihren Job, und genau wie der Privatdetektiv, für den sie arbeitete, ging sie mit Leib und Seele darin auf.
Wenn die zum Teil monotone Schreibtischarbeit sie auch nicht gerade zu Begeisterungsschreien hinriss, so sah sie doch ein, dass sie notwendig war, wollte sie nicht binnen kürzester Frist ein Chaos heraufbeschwören. Ordnung musste sein, und der leidige Papierkram wollte eben erledigt werden. Kaum war Ecki auf seiner blauen Zündapp wieder davongeknattert, tippte sie mit rekordverdächtiger Geschwindigkeit ein paar Berichte und Briefe in die Maschine und hoffte, dass Bernd, wenn er zurückkam, eine etwas aufregendere Beschäftigung für sie mitbrachte.
Bernd Schuster ermittelte derzeit in einem Fall, der sehr viel Fingerspitzengefühl erforderte. Das Verbrechen war bekannt. Es hieß Erpressung. Wie Franziska schon gegenüber Ecki angedeutet hatte, war es keineswegs ein neuer Fall.
Auch den Namen des Täters kannte er: Reinhold Lange. Die Sache hatte nur einen Haken. Dem Halunken war nichts nachzuweisen. Kein Wunder, dass Lange diesen Trumpf ausspielte, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Von Privatdetektiven hielt der nicht viel. Schon gar nicht von solchen, die ihm etwas am Zeug flicken wollten.
Franziska Jahn seufzte. Hier an der Maschine fühlte sich die ebenfalls zur Detektivin ausgebildete Assistentin reichlich unnütz. Viel lieber wäre sie jetzt unterwegs gewesen, um die Qualität ihrer Spürnase unter Beweis zu stellen.
Sie blickte auf die Uhr. Bernd würde zwei oder auch drei Stunden ausbleiben. Ein langweiliger Vormittag. Das Telefon läutete auch nicht. Es war mit keiner willkommenen Abwechslung zu rechnen.
Also bearbeitete sie weiter die Tasten.
Draußen hörte sie hin und wieder den Lift. Irgendwo auf der Etage schlug eine Tür. Ein paar heftig diskutierende Männerstimmen entfernten sich. Das Übliche!
Und dann näherten sich feste Schritte, die vor der Tür des Büro-Apartments verharrten.
Bernd konnte das noch nicht sein. Zudem kannte sie seinen Gang genau. Ein Klient? Na, wenigstens rührte sich etwas. Vielleicht war es Peter Grunow. Er hatte schon vor zwei Tagen am Telefon behauptet, eine dicke Neuigkeit loswerden zu müssen, die einen halben Riesen wert sei. Gemeldet hatte er sich seitdem aber nicht wieder.
Die Klingel schlug an.
Franziska erhob sich und zupfte ihren knappen Rock zurecht. Sie blies eine ihrer blonden Locken aus der Stirn und ging zur Tür, um zu öffnen.
Nein, es war nicht Grunow. Der Mann mit dem verlegenen Lächeln war größer und vor allem dürrer. Sie kannte ihn nicht.
„Ja, bitte?“, fragte sie.
„Äh, mein Name ist Meier. Ich bin doch hier richtig bei der Detektei Schuster?“
Die Frage erübrigte sich, denn draußen war ein Schild angebracht, das man wirklich nicht übersehen konnte.
Die Blondine bestätigte höflich. „Herr Schuster ist zwar momentan außer Haus“, sagte sie bedauernd, „aber vielleicht kann ich Ihnen helfen. Mein Name ist Jahn. Ich bin die Mitarbeiterin von Herrn Schuster. Falls Sie jedoch mir gegenüber nicht reden wollen, gebe ich Ihnen gerne einen Termin.“
Der Mann wehrte ab. „Das ist nicht nötig, Fräulein Jahn. Was ich von Ihrem Chef möchte, ist kein Staatsgeheimnis. Ich hoffe doch, dass er noch Zeit hat, einen neuen Fall anzunehmen. Mir liegt wirklich sehr viel daran, den besten Mann in Berlin für meine Probleme zu interessieren.“
„Am besten kommen Sie erst mal herein“, schlug Franziska Jahn vor und trat einen Schritt zur Seite, um den Besucher vorbeizulassen. „Ich werde alles Erforderliche notieren. Herr Schuster setzt sich dann mit Ihnen telefonisch in Verbindung, sobald er zurückkommt. Sie sind doch telefonisch zu erreichen?“
Meier ging an der zierlichen Frau, deren veilchenblaue Augen den meisten Männern die Kehle trocken werden ließen, vorbei und wartete, bis sie ihn aufgefordert hatte, Platz zu nehmen.
Franziska rückte einen Schreibblock zurecht und schrieb ganz oben den Namen Meier hin. Dann sah sie den Besucher erwartungsvoll an. „Von mir aus können wir beginnen“, sagte sie aufmunternd.
Der Mann hustete krampfhaft. Etwas würgte ihn. Er öffnete den obersten Knopf seines Hemdes.
„Von mir aus auch“, antwortete er. Seine Hand glitt blitzschnell in die Innentasche der Jane und kam mit einem Revolver wieder zum Vorschein. Sein blasses Gesicht rötete sich leicht, und in seinen Augen lag Triumph.
Franziska Jahn behielt die Nerven. Sie hatte schon öfter in die Mündung einer Schusswaffe geblickt. Nicht, dass sie den Anblick sehr positiv fand, aber sie wusste, dass es erst kritisch war, wenn das schwarze Loch in einer kleinen Wolke aus Pulverrauch verschwamm. Soweit durfte sie es nicht kommen lassen.
„Wenn das ein Überfall ist, Herr Meier“, sagte sie mit erzwungener Ruhe, „so möchte ich Sie meines Mitgefühls versichern. Ein paar Häuser weiter befindet sich eine Bank. Da hätte sich Ihr Auftritt vielleicht gelohnt. Ich kann Ihnen allenfalls mit ein paar Briefmarken dienen, und ungefähr zwanzig Mark werde ich bei mir haben. Ein bisschen wenig für diesen Aufwand, finden Sie nicht?“
„Halts Maul, Süße!“, fauchte Meier giftig und hielt sie unbeirrt in Schach. „Wenn ich etwas anfange, dann hat das Hand und Fuß. Mach dir keinen Ärger, sonst geht es dir dreckig. Los! Stell dich da hinüber! Ja, dort an die Wand. Mit dem Rücken zu mir. Und keine Mätzchen. Ich schieße nur ungern, aber wenn es nicht anders geht, dann drücke ich ab.“
„Was wollen Sie?“, erkundigte sich die Blondine. Ihr Gehirn arbeitete fieberhaft. Da hatte sie die ersehnte Abwechslung. Ganz so dick hätte es nun aber wirklich nicht gleich zu kommen brauchen. Sie musste handeln, solange sie noch Gelegenheit dazu hatte. Zu dumm, dass sie nicht an ihre Beretta-Pistole herankam, die in der Handtasche steckte.
„Sei nicht so neugierig, Mädchen. Daran ist schon mancher zugrunde gegangen. Hände auf den Rücken! Du brauchst nicht zu hoffen, dass dein Boss dir zu Hilfe kommt. Ich habe ihn wegfahren sehen. Während der nächsten Stunde sind wir todsicher ungestört. Es liegt an dir, was wir daraus machen.“
Das stand für Franziska jetzt schon fest. Sie dachte nicht daran, sich diesem Ganoven auszuliefern. Wenn sie auch noch nicht den Grund seines Besuches kannte, ein freundlicher war es jedenfalls nicht.
Möglich, dass er Bernd auflauern wollte. Ja, das hielt sie sogar für sehr wahrscheinlich. Sie musste verhindern, dass Bernd in eine Falle lief, wenn er zurückkam.
Jede Sehne in ihrem elastischen Körper war zum Zerreißen gespannt. Dieser knochige Kerl verließ sich auf seine Waffe. Und sie war nur eine Frau. Er rechnete bestimmt nicht damit, dass sie Karate beherrschte.
Widerstrebend drehte sie sich langsam um. Doch bevor sie ihm ganz den Rücken zuwandte, sprang sie zur Seite, machte sich ganz klein und schnellte herum. Ihr rechter Arm streckte sich. Die Handkante suchte ihr Ziel.
Sie knallte gegen den Hüftknochen des Mannes.
Meier verzog sein Gesicht, wankte aber nicht. Seine Miene verhieß nichts Gutes.
„Du hast es nicht anders gewollt, Baby“, schrie er. „Was jetzt kommt, hast du dir selbst zuzuschreiben.“
Mit der Linken packte er den Drehstuhl und schleuderte ihn der Frau entgegen.
Franziska musste ausweichen, sonst wäre sie empfindlich getroffen worden.
Diese Bewegung nützte der Gegner aus. Mit zwei raschen Schritten brachte er sich neben die Blondine. Bevor sie reagieren konnte, zuckte sein Arm herab. Der Griff des Revolvers traf ihren Hinterkopf, und Franziska sackte mit einem Wehlaut in sich zusammen. Sie verdrehte ihre hübschen Veilchenaugen und knallte auf den Fußboden, dessen Teppich den Fall kaum milderte. Dort blieb sie reglos liegen und dachte nicht mehr an Gegenwehr.
„Schade um dich, Kleine“, fand der Gangster. „Du siehst eigentlich ganz niedlich aus. Aber ich kann es nun mal nicht leiden, wenn man sich mir in den Weg stellt.“
Wieder schüttelte ihn ein Hustenanfall. Er wurde krebsrot im Gesicht.
Danach betrachtete er nachdenklich und mit zynischem Grinsen seinen Revolver.