Читать книгу Junge Liebe mordet nicht: Berlin 1968 Kriminalroman Band 34 - Wolf G. Rahn - Страница 9
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ОглавлениеBernd Schuster hatte seine eigenen Methoden, seine Besucher zu behandeln. Wenn ihm normalerweise auch die Zeit auf den Nägeln brannte und sein Tag eigentlich vierzig Stunden hätte haben müssen, so wurde er doch selten ungeduldig, wenn jemand nicht sofort zur Sache kam.
Die junge Frau, die vor ihm auf dem Besucherstuhl Platz genommen hatte, war hochgradig aufgeregt. Es war offensichtlich, dass sie nach dem richtigen Anfang suchte. Er wollte sie nicht drängen. Damit erreichte man meistens das Gegenteil.
Er bot ihr eine Roth Händle an, gab ihr Feuer und entzündete sich anschließend selbst eine Zigarette. Eine Weile rauchten sie schweigend.
Sie hatte sich mit dem Namen Wehner vorgestellt und behauptet, wegen einer Freundin zu kommen. Das war alles, was er bisher erfahren hatte.
Die Geschichte mit der Freundin nahm er ihr nicht so ganz ab. Solche Ausreden wurden häufig benutzt, wenn sich jemand weigerte zuzugeben, dass er sich selbst in Schwierigkeiten befand.
Fräulein Wehner war schlank, schwarzhaarig und langbeinig. Ein überaus erfreulicher Anblick, zumal auch ihre weiblichen Proportionen stimmten. Bernd studierte sie unauffällig und versuchte, sie einzuordnen.
Aus der gehobenen Gesellschaftsschicht stammte sie wohl nicht, wenn es ihr wohl auch nicht schwerfallen würde, sich bei einer entsprechenden Heirat in die höheren Kreise einzuleben. Wahrscheinlich war sie als Sekretärin tätig. Vielleicht auch als Mannequin oder gar als Schauspielerin.
Es war müßig, sich den Kopf über ihre Schwierigkeiten zu zerbrechen. Zu ihm kamen junge Frauen mit den absonderlichsten Ansinnen. Die meisten brauchten wirkliche Hilfe. Einige aber wollten sich aber nur ihren Liebeskummer von der Seele reden oder suchten bei ihm neuen.
„ Sie werden sich wundern, warum meine Freundin nicht selbst zu Ihnen kommt, Herr Schuster“, begann die Frau endlich, nachdem sie die Zigarette halb geraucht und danach im Aschenbecher ausgedrückt hatte.
„ Sie wird ihren Grund haben“, Bernd lächelte unverbindlich. „Vielleicht hält sie nichts von Privatdetektiven.“
Die Schwarzhaarige starrte ihn überrascht an. „Woher wissen Sie das? Können Sie Gedanken lesen?“
Bernds Lächeln wurde intensiver. „Nur gelegentlich, Fräulein Wehner. Sie sprachen von Ihrer Freundin.“
„ Richtig. Ich habe mich nach ihrem Anruf sofort entschlossen, zu Ihnen zu kommen. Warum ich mich gerade für Sie entschieden habe, kann ich nicht begründen. Vielleicht weil ich keinen besseren Detektiv in Berlin weiß. Meiner Freundin ist etwas Furchtbares passiert, und sie braucht dringend Hilfe. Es geht um einen Mord.“
Bernd horchte auf. Jetzt wurde die Angelegenheit interessant.
„ Ich nehme an, dass Ihre Freundin nicht das Opfer ist“, vermutete Bernd.
„ Wie man’s nimmt, Herr Schuster. Erschossen wurde der Mann, den Christiane über alles geliebt hat. Damit aber nicht genug. Die Polizei macht keinen Hehl daraus, dass sie sie für die Mörderin hält. Es spricht eine ganze Menge gegen sie.“
„ Aber Sie glauben das nicht.“
„ Selbstverständlich nicht. Dieser Verdacht ist ganz einfach absurd.“
„ Dann machen Sie sich keine Sorgen, Fräulein Wehner. Ich halte sehr viel von unserer Polizei. Besonders zu den Beamten des Dezernats LKA 11, Tötungsdelikte,
besitze ich einen heißen Draht. Wenn Ihre Freundin mit dem Verbrechen nichts zu tun hat, werden die Beamten das auch aufklären.“
Die Schwarzhaarige sah nicht gerade hoffnungsvoll aus.
„ Mag sein“, räumte sie ein. „Wahrscheinlich haben Sie sogar recht. Aber es geht nicht nur darum, Christianes Unschuld zu beweisen, sondern vor allem um die Ergreifung des wirklich Schuldigen. Ich fürchte, und Christiane teilt meine Sorge, dass inzwischen der Mörder reichlich Gelegenheit hat, seine Spuren zu verwischen. Er kann sich ein Alibi besorgen, die Stadt oder auch das Land verlassen. Er kann alles Mögliche tun, und er kann erneut so einen sinnlosen Mord begehen. Bis die Polizei die richtige Spur verfolgt, vergehen unter Umständen Wochen. Verstehen Sie jetzt, was ich meine?“
„ Ich denke schon.“ Bernd Schuster machte eine kleine Pause und sah seine Besucherin durchdringend an. Dann sprach er weiter: „Sie beauftragen mich, den wirklichen Mörder zu ermitteln und der Polizei zu übergeben.“
„ So ist es.“
„ Dabei sehe ich allerdings ein beachtliches Problem.“
„ Um das zu lösen, sind Sie ja Detektiv.“
„ Genau das meine ich, Fräulein Wehner. Ihre Freundin wird nicht bereit sein, mit mir zusammenzuarbeiten. Oder habe ich Sie in diesem Punkt falsch verstanden?“
Cecilia Wehner lächelte gequält. „Es ist so. Christiane weiß, dass die Ehe meiner Eltern in die Brüche gegangen ist. Ein paar Detektive haben da kräftig mitgemischt. Wo anfangs vielleicht noch etwas zu kitten gewesen wäre, haben sie dafür gesorgt, dass immer mehr Unrat aufgetürmt wurde. Christiane hält es für einen verhängnisvollen Fehler, wenn man Menschen beschnüffeln lässt, wie sie es nennt. Ich konnte sie deshalb auch nicht überreden, sich selbst an Sie oder einen Ihrer Kollegen zu wenden. Trotzdem wird Ihnen Christiane Rede und Antwort stehen. Wegen Ihrer Bezahlung brauchen Sie sich auch keine Gedanken zu machen. Ich werde nächste Woche heiraten. Ich mache eine sogenannte gute Partie. Das Beste daran ist mein Zukünftiger, das Zweitbeste der Umstand, dass ich dadurch in der Lage bin, Christiane in dieser schlimmen Situation finanziell zu unterstützen. Irgendwann wird sie es mir zurückzahlen. Und wenn nicht, wird das auch nicht unseren Bankrott bedeuten.“
Bernd blieb bei so viel Großzügigkeit misstrauisch, zeigte es jedoch nicht. Er ließ sich die ganze Geschichte haarklein erzählen und suchte dabei nach der Rolle, die die Wehner womöglich darin spiegelte. Vorläufig blieb es aber lediglich ein unbegründeter Verdacht.
Er erfuhr von der Feier, an der Christiane teilgenommen hatte, und von ihrer nächtlichen Rückkehr in leicht angeheitertem Zustand.
„ Als sie in ihr Zimmer kam“, fuhr Cecilia Wehner fort, „fand sie Sascha Berger in seinem Blut. Zwei Kugeln hatten seine Brust durchbohrt. Er selbst hatte keine Waffe bei sich. Christiane war noch völlig durcheinander, als sie Geräusche im Haus hörte. Sie konnte ja nicht ahnen, dass ihr Vater, den sie in seinem Zimmer wähnte, erst nach ihr nach Hause gekommen war. Ihr Vater sah Licht in ihrem Zimmer, stieß die Tür auf und fand Christiane, die eine Pistole mit Schalldämpfer auf ihn richtete. Zum Glück drückte sie nicht ab. Aber da lag Sascha, und aus dem Magazin der Pistole fehlten zwei Patronen. Angeblich wies die Waffe ausschließlich die Fingerabdrücke meiner Freundin auf. Niemand sonst befand sich im Haus. Für die Polizei steht der Täter fest. Und auch ein paar mögliche Motive.“
„ Nämlich?“
„ Eifersucht zum Beispiel, obwohl das bei Christiane und Sascha lächerlich ist. Die beiden waren wie zwei Turteltauben. Für die existierte überhaupt kein anderer Mensch. Außerdem schließt die Mordkommission nicht aus, dass Christiane ihren Freund für einen Einbrecher hielt und aus diesem Grund auf ihn schoss. Auch das stellt sie natürlich in Abrede.“
„ Es wäre auch reichlich ungewöhnlich, dafür eine Pistole mit Schalldämpfer zur Hand zu haben“, wandte Bernd nachdenklich ein. „Allerdings könnte dieser Sascha Berger die Waffe mitgebracht haben. Es gab ein Handgemenge, die Schüsse lösten sich, und der Mann ...“
„ ... und der Mann trug keine Handschuhe“, unterbrach die Frau diese Kombination. „Also hätten sich auch seine Abdrücke auf der Pistole finden müssen. Allerdings ist da die Aussage eines Nachbarn, der Sascha gesehen haben will, als er gerade in ein anderes Haus einsteigen wollte. Angeblich hat er ihn mit seinem Hund verjagt. Die Polizei leitet daraus ab, dass Sascha es daraufhin in dem Haus seiner Freundin versucht hat, zumal er dies leer zu wissen glaubte. Sascha besitzt keine Reichtümer. Er ist zwar Lehrer, aber ohne Beschäftigung. Er hat sich mit Nachhilfeunterricht und Aushilfsjobs durchgeschlagen.“
Bernd stellte noch verschiedene Fragen zu den Beteiligten des Dramas. Dann willigte er ein, sich des Falles anzunehmen.