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GEHEIMSENDER

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Ich sitze in einem Bootsmannsstuhl. Nicht in der Messe. Da hätte man mich schon längst hinausgeschmissen. Oben in der Luft zwischen Masttop und Ladebaumende. Besser gesagt, ich hänge und sitze. Auf einem 60 Zentimeter langem Brett, in dessen 4 Ecken Tampen befestigt sind, die nach oben spitz zusammenlaufen und ein Auge bilden. Dieses Auge ist mit einem Schäkel (U-förmiges Metallteil, das an der offenen Seite mit einem Bolzen geschlossen werden kann) auf dem Hanger (Stahltau, hält den Ladebaum) gleitend befestigt. An diesen Schäkel ist mittels zweier halber Schläge (Knoten) ein Ende (Tau) gebunden, welches oben am Mast durch einen Stertblock (Rolle) geschoren (geleitet) hinab zum Deckshaus geht. Dort hat es ein Matrose, genau gesagt Rudi, um eine Leitersprosse getörnt (gewickelt) und hoffentlich auch mit mindestens einem halben Schlag (einfachster Knoten) gesichert. Was ich da oben mache? Ich labsalbe. „Laben und Salben hilft allenthalben!“ hatte Rudi vorher mit erhobenem Zeigefinger feierlich verkündet. Der weiß immer alles (besser). Ist ja aus Berlin. Kurz gesagt, ich konserviere die Hangertrosse gegen schädliche Einflüsse von außen, also Salzwasser. Außerdem wird sie dadurch etwas elastischer, denn die Salbe, mit der ich labe, ist Fett. Pferdefett, gut ranzig, und noch ein paar Zutaten, die ich nicht verraten darf. Jeder Bootsmann hat da sein Geheimrezept. Wir an Bord nennen das Affenfett.

Es soll Bootsmänner geben, die diese Handlung mit ganz normalem Schmierfett durchführen. Was für ein Sakrileg! Man erkennt, wir sind auf dem Weg dazu, einst richtige Seemänner zu werden! An meinem Stuhl ist mit einem aus der Kombüse stammenden Fleischerhaken ein Topf befestigt, in dem sich dieses heilige Salböl befindet. Mit einem Twist (Putzwolle) versuche ich, diese nach Kadaver stinkende, durch die Hitze verflüssigte Suppe, gleichmäßig auf dem Draht zu verteilen. Dabei läuft mir das Zeug die Arme runter und tropft mir von der Trosse in die Haare. Langsam fiert mich des Zimmermanns (Rudis Nachname) Sohn weiter, bis ich am Ladebaum ankomme. Dort winde ich mich aus dem Sitz und versuche, mich auf den flachliegenden Ladebaum zu setzen. All das mit fettigen Händen und in drei Metern Höhe. Stuhl ausschäkeln, Rudi holt die Lose weg, der Stuhl geht wieder nach oben. Ich versuche, mich mit den Händen hochstützend, wie Kinder beim Bockspringen, zum rettenden Deckshaus zurück zu gelangen. Rittlings auf dem Ladebaum sitzend, mit den Beinen das Gleichgewicht haltend. Dort, endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen, atme ich erst mal tief durch. In diesem Moment taucht der Scheich über die Leiter auf dem Deckshaus auf. „Wat is denn dat?“, bellt er. „Was hat denn der schon wieder“, denke ich, gelinde ausgedrückt. Ich stehe da, mit fettverschmiertem Oberkörper. Er zeigt auf meine Brust. Ich verstehe nicht. „Ist wohl ein Geheimsender?“ Jetzt klingelt 's bei mir! Er hat das Kreuz entdeckt, dass ich an einem Kettchen um den Hals trage! Es stammte aus Altötting, einem Wallfahrtsort. Alle brechen in schallendes Lachen aus. „Und wenn?“, entfährt es mir. „Lange genug herumgestanden“ sagt er, „los, Geheimsender, in den Mast, keine Müdigkeit vortäuschen, der nächste Hanger wartet!“ Jetzt habe ich meinen Spitznamen weg. Bin zur Taufe sogar gesalbt mit Affenfett!


Im Bootsmannsstuhl im Mast

„Du solltest mir dankbar sein, dass du labsalben darfst. Das ist der beste Sonnenschutz den es gibt. Schau Schmidchen an. Ist rot wie ein gekochter Krebs! Und wenn du jetzt an Land gingst, würden dir alle schwarzen Schönheiten hinterherrennen, glaub mir das!“ Beim Abendessen jedenfalls rücken erst mal alle weit von mir weg, weil ich so stinke. Nach so einem Tag sehnt man sich nach der letzten Ölung...

Von oben kommt bald die Order, dass wir alle beim Arbeiten Hemden tragen müssen und Kopfbedeckung. Aus dem Kabelgatt tauchen Tropenhelme auf, die wir, trotz unserer Proteste tragen müssen. Wir kommen uns lächerlich darunter vor. Wir sind doch nicht auf Safari! Während der Ausreise überholen wir das ganze Ladegeschirr. Wir zerlegen alle Blöcke, reinigen und fetten die Lager oder tauschen sie aus, wenn sie zu viel Spiel haben. Bald sehe ich einem Block von außen an, ob er Nadellager besitzt oder Kugellager oder nur Buchsenlager. Da gibt es welche, die haben einen Filzdocht, der geölt werden will, bei anderen befindet sich in der Scheibenrille eine Schraube, die man entfernen muss, um einen Ölvorrat einzufüllen. Die angenehmsten sind uns die mit Fettnippel. Die sind am einfachsten zu schmieren. Die Blöcke der Geien sind am kompliziertesten. Man legt sie besser an Deck ab. Mit einem Schraubenzieher entfernt man seitlich zwei aufgenagelte Bleche. Mit einem Bolzentreiber schlägt man die Achse heraus, reinigt sie, möglichst auch die Bohrung der Bronzescheiben. Dann mit Molykote (Spezialfett auf Molybdänsulfidbasis) einschmieren und den ganzen Schitt wieder zusammentüddeln. Das verlangt viel Gefühl, da sie oft 3 bis 4 Scheiben besitzen. Zu unserem Glück hat alles irgendwann ein Ende. Und beim Schiff heißt das Heck. Dort angekommen, gab es nur noch die Vermessungsluke, und die besitzt keine Bäume. Erst mal ein Bier und sich in den Schatten verpissen. Der Erste Offizier schmeißt 'ne Runde, noch nie dagewesen! Dann alle unter die Dusche und verfrühter Feierabend.

Am nächsten Tag, beim Mittagessen, teilt uns der Bootsmann mit, dass als Nächstes die Mittschiffsaufbauten gewaschen werden sollten, seitlich und Achterkante. Ich werde damit beauftragt, die Arbeit vorzubereiten: Seewasserschlauch, Süßwasserschlauch, die Eimer mit Wasser aus der Leitung füllen, braune Schmierseife dazu, umrühren und die Schwabber (eine Art flacher Klobürste) bereitlegen. Ich hatte eigentlich Ausscheiden (Feierabend) machen wollen, da ich 8 - 12 Wache gegangen war.

Vielleicht wollte er mich auch nur ärgern, weil er sich vorstellen konnte, was kommen würde. Als alles fertig ist, melde ich es, und die Truppe tanzt an. Der Scheich bleibt im Hintergrund und schaut zu. Wir fangen an, die Schotten mittels der Schwabber einzuseifen und zu schrubben. Aber nichts tut sich. Die Seife schäumt nicht, der Dreck bleibt auf der Farbe, dazu kommen noch die Schlieren der ungelösten Schmierseife, die an den Schotten kleben bleiben. Der Scheich stutzt. Auch wir merken, dass etwas nicht stimmt. Er kommt her, taucht einen Finger in einen Seifeneimer, steckt ihn in den Mund. Ich denke, der hat wohl so was wie 'nen Tropenkoller. Er läuft rot an. Brüllt los: „So ein Idiot! Hat der doch glatt die Schmierseife mit Seewasser angesetzt! Hat einen Geheimsender und weiß noch nicht mal, dass man Seife nur in Frischwasser lösen kann!“ Alles lacht. Nur ich nicht. Die anderen Kadetten sind froh, dass es diesmal nicht sie trifft. „Dass man Seife nur in Süßwasser lösen kann, weiß ich (zwar erst seit 2 Minuten)“, antworte ich. Aber dass in der Deckswaschleitung Salzwasser ist, wusste ich nicht.“ Alles grölt erneut vor Lachen. „Das ist ja noch schlimmer! Dann frag das nächste Mal deinen Geheimsender, wenn du was nicht weißt! Wozu dient die Deckswaschleitung denn noch?“, fragt er. „Zum Feuerlöschen“, antwortet Hans-Dieter. „Und der glaubt doch glatt, dass wir das Frischwasser bei Brand zum Löschen nehmen!“ Wir leeren die Eimer in die Speigatten (Wasserabflussöffnungen), füllen sie erneut, diesmal mit Frischwasser aus dem ‚dünnen Darm‘ (Schlauch), eine Hand voll brauner Seife hinein, mit dem Schwabber umgerührt, es schäumt diesmal, und los geht’s. „Stooop!“, grölt er erneut, „seid ihr denn alle verrückt geworden! Solltet euch mal alle einen Geheimsender zulegen, vielleicht wisst ihr dann besser, wie man Farbe wäscht. Man fängt immer unten an zu waschen, verdammt noch mal, weil die runterlaufende Seife sonst Spuren auf den Schotten hinterlässt!“ Wir schauen uns an. Das erste Mal, dass der uns was erklärt hat! Natürlich macht das Ereignis die Runde. Mittschiffs und achtern, von der Brücke bis zum Kielschwein, alles lacht über mich.

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