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Vorwort

Das Theater in Frankfurt am Main zeigt an seiner Fassade das Transparent „47 Nationen unter einem Dach. Für eine weltoffene Gesellschaft ohne Rassismus“. In Dresden könnten die Pegida-Leute an der Semper-Oper, neben der sie montäglich ihr Wutgebrüll erschallen lassen, ein ähnliches Signal erkennen „Für eine weltoffene Gesellschaft“, „Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass“, „Wir sind keine Kulisse für Intoleranz“ (Sie wechseln die Transparente und hängen zusätzlich auch Fahnen aus etc.). „Schule ohne Rassismus“ ist längst das Gütesiegel fortschrittlicher Gymnasien. Mit souveräner Empörung weisen Funktionäre, Mandatsträger und Wähler der „Alternative für Deutschland“ den Vorwurf zurück, etwas mit Rassismus zu tun zu haben. Die Partei hat aber wegen ihrer Muslimfeindschaft, die ihr eigentliches Programm ist, Erfolg, sie duldet maulstarke Antisemiten in ihren Reihen und hat einen Flügel, in dem völkisches Denken, wie es einst Hitler und die NSDAP propagierten und praktizierten, vertreten wird.

Eine Frankfurter Rechtsanwältin, die durch die Vertretung von NSU-Opfern prominent wurde, erhält Morddrohungen per Fax, in denen es z.B. heißt „Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast“. Hessische Sicherheitsbehörden haben Polizeibeamte im Visier, denn die Drohschreiben enthalten Insiderwissen der hessischen Polizei. Was bedeutet es für den Zustand von Staat und Gesellschaft, dass die Beleidigung und Bedrohung einer türkeistämmigen deutschen Juristin möglicherweise in deutschen Amtsstuben ausgeheckt wurden? Deutlichere Indizien für einen weit verbreiteten Alltagsrassismus sind kaum vorstellbar.

Rassismus mit seinen Varianten Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Antizionismus, Antiziganismus und Homophobie, „Islamkritik“ oder Kulturrassismus ist überall präsent und bildet ein – gern geleugnetes oder nicht zur Kenntnis genommenes – gesellschaftliches und politisches Problem: Die Ausgrenzung von „Fremden“, der Hass gegen Migranten, die Wut über Muslime, die intolerante, undemokratische und unchristliche Haltung gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern haben den Umgang der Mehrheit untereinander verändert. Der Auftrieb rechtsradikaler Populisten beschädigt die Demokratie und die Stabilität unseres Staats- und Gesellschaftssystems.

Aufklärung über Positionen und Phänomene, Argumente und Parolen des Rassismus ist notwendig, um ihm entgegentreten zu können. Aufklärung über alltäglichen Rassismus soll in diesem Band geleistet werden durch Informationen über dessen historische Wurzeln, seine aktuellen Erscheinungsformen, über Akteure und Schauplätze, ideologische Komponente und strukturelle Voraussetzungen und emotionale Dispositionen.

Das Buch möchte verstanden werden als Kompendium, das Fakten und Begriffserklärungen bietet, Zusammenhänge erläutert, politische und soziale Dimensionen von Ressentiments auslotet und anhand von Ereignissen den Blick für rassistische Vorurteile und Feindbilder sowie deren Wirkungen schärft, damit alltäglichem Hass und daraus entstehender Gewalt begegnet werden kann.

Berlin, Februar 2019

Alltagsrassismus

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