Читать книгу Das Marmorbild von Joseph von Eichendorff: Reclam Lektüreschlüssel XL - Wolfgang Pütz - Страница 5

2. Inhaltsangabe

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Die Eröffnungsszene/ExpositionNovelle Das Marmorbild erzählt zu Beginn von der zufälligen Begegnung des jungen Adligen Florio mit »dem berühmten Sänger« (S. 6) Fortunato inmitten einer idyllischen Mittelmeerlandschaft. Das nun folgende Gespräch zwischen den beiden Männern steht am Anfang einer verwickelten Liebesgeschichte, die erst glücklich enden wird, wenn Florio nach zahlreichen merkwürdigen und verstörenden Erlebnissen in dem Mädchen Bianka eine Gefährtin gefunden haben wird.

Vor der Kulisse einer sommerlichen Natur in der italienischen Ort und Zeit der HandlungToskana konzentriert sich das fiktive Geschehen auf die Stadt Lucca, die gleich im ersten Satz erwähnt wird. Ihre Blütezeit hatte diese vor allem durch ihre Textilindustrie reich und berühmt gewordene Stadt im 13. und 14. Jahrhundert.


Abb. 3: Lucca, vom Turm des Palazzo Guinigi aus. – Myrabella / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Im Gegensatz zu der präzisen Lokalisierung der Erzählhandlung lässt sich der historische Zeitpunkt nur indirekt erschließen. Dass es sich um eine offenbar Romantische Verklärung des Mittelaltersmittelalterliche Szenerie handelt, legen vereinzelte Informationen etwa zum sozialen Status von Figuren nahe, die als »Edelmann« (S. 3), »Spielmann« (S. 4) und »Ritter« (S. 5) bezeichnet werden. Auch die Angaben zur Kleidung der Akteure bestätigen diese Vermutung, wenn beispielsweise Fortunato in der Mode einer fernen Vergangenheit auftritt: Er trägt eine »bunte[ ] Tracht […] und ein samtnes Barett mit Federn« (S. 3), wie sie seit dem Ende des 15. Jahrhunderts bei Frauen und Männern der Oberschicht Mode waren. Einen weiteren Hinweis gibt der Begriff des »Zelter[s]« (S. 3), der im Mittelalter ein leichtes Reitpferd oder Maultier bezeichnete.

Florio erklärt auf Fortunatos Frage nach den Gründen für seine Reise, dass er der provinziellen Enge seiner ländlichen Heimat habe entfliehen wollen, um seiner Auf der Suche nach dem GlückSehnsucht nach den »fernen blauen Berge[n]« (S. 4) zu folgen. Wie eine unmittelbare Erfüllung des erklärten Traums von Freiheit, Freude und Genuss wirkt der illustre Festplatz, an dem die beiden Männer bald darauf ankommen. Auf einem »grünen Platz« finden sie »ein fröhlich-schallendes Reich von Musik, bunten Zelten, Reitern und Spazierengehenden in den letzten Abendgluten« (S. 4) der anbrechenden Sommernacht.

Ausführlich erzählt die Novelle von den Beobachtungen, Entdeckungen und Begegnungen, die Florio während dieser langen Nacht inmitten einer Gesellschaft junger und schöner Menschen macht, die den Liedern Fortunatos lauschen und auch selber singen, während sie an üppigen Tafeln speisen, trinken und sich unterhalten.

Aus der Menge der anwesenden Personen ragen neben dem begehrten Musiker und Publikumsliebling Fortunato zwei weitere Bianka und DonatiFiguren von jeweils völlig unterschiedlicher Erscheinung heraus. Zum einen ist dies eine »schöne« (S. 5) und »niedliche[ ] Ballspielerin« (S. 6) mit einem »vollen, bunten Blumenkranz in den Haaren« (S. 5), die Florio schon bald auf die »roten heißen Lippen« (S. 7) küsst, ohne ihren Namen zu kennen; zum anderen handelt es sich um den Ritter Donati, der aufgrund seines düsteren Erscheinungsbildes bei Florio einen abschreckenden Eindruck hinterlässt, obwohl die »dunk[le] Gestalt« (S. 11) ihm, Florio, zu dessen Erstaunen erklärt, ihn bereits aus »früheren Tagen« (S. 11) zu kennen.

Als die Teilnehmer der Veranstaltung in der Nacht den Heimweg antreten, verabschiedet Florio sich zunächst von dem »schöne[n] Fräulein mit dem Blumenkranze« (S. 12), bevor er zusammen mit Fortunato und Donati zu »der nahen Stadt« (S. 12) reitet. Hat sich der Letztgenannte schon während des Festes als Donati: fremd und undurchschaubarundurchschaubar erwiesen, so verstört er nun seine Begleiter durch ein vorübergehend unbeherrschtes und vulgäres Verhalten, bevor er sich alleine zu einem Landhaus begibt, das er vor den Toren der Stadt bewohnt.

Florio hingegen begibt sich gemeinsam mit Fortunato zu der »Herberge« (S. 13), wo er infolge der vielfältigen und lebhaften Eindrücke, die er von der Festgesellschaft mit in sein Zimmer genommen hat, kaum zur Ruhe kommt. In einem Wirklichkeit und TraumweltAlptraum erlebt er sich auf einem Segelschiff, das zum Gesang von Sirenen, die alle wie das schöne, blumenbekränzte Mädchen aussehen, in den Tiefen eines friedlichen »mondbeglänzten Meer[es]« (S. 14) versinkt, so dass er »erschrocken« (S. 14) aus dem Schlaf fährt. Die Unwirklichkeit der Bilder und Töne, die er im Traum gesehen und gehört hat, scheint sich auch nach dem Erwachen fortzusetzen, und als er nun mitten in der Nacht seine Unterkunft verlässt, findet er sich in einer Landschaft wieder, die ihn wegen ihrer stillromantischen Stimmung zunächst noch zu einem Lied der Freude veranlasst. Als er jedoch am Ufer eines Teichs »unerwartet« (S. 15) auf ein Marmorbild der Göttin Venus stößt, verfällt er beim ersten Anblick der schönen Frauenfigur in einen zwiespältigen Alptraum und WahnweltZustand aus »Blendung, Wehmut und Entzücken« (S. 16). Indem er aber den Eindruck gewinnt, dass das Venusbild »ihn fast schreckhaft mit […] steinernen Augenhöhlen« (S. 16) ansieht, verfinstert sich Florios Gemüt so sehr, dass er die Flucht ergreift und erst wieder zur Ruhe kommt, als er in seine Herberge zurückgekehrt ist.

Am nächsten Morgen reagiert er verärgert, als Fortunato, der offenbar von seiner nächtlichen Abwesenheit Kenntnis erhalten hat, spöttische Bemerkungen über seine Liebesgefühle macht. Als dem Sänger allerdings bewusst wird, dass Florio »recht ordentlich verliebt« (S. 18) sein muss, rät er ihm, zur Ablenkung einen Ausritt »in Gottes freien Morgen« (S. 18) zu machen.

Dieser jedoch will stattdessen erneut den Ort aufsuchen, an dem er das Marmorbild der römischen Liebesgöttin erblickt hatte. Dabei verirrt er sich und gerät schließlich durch ein unverschlossenes Gittertor in einen menschenleeren ParadiesgartenLustgarten mit »goldene[n] Vögel[n]«, »seltsame[n] Blumen« und »[u]nzählige[n] Springbrunnen« (S. 20). Während er bis zu dem »prächtigen Palast mit hohen schlanken Säulen« (S. 20) vordringt, den er »[z]wischen den Bäumen« (S. 20) wahrgenommen hat, vernimmt er die Lautenmusik einer »Dame von wundersamer Schönheit« (S. 20), die in Florios Augen »unverkennbar die Züge, die Gestalt des schönen Venusbildes« (S. 21) aufweist. Es ist eine Traumgestalt ohne feste Konturen, die schließlich aus Florios Blickfeld verschwindet. Auf der Suche nach ihr entdeckt er »den Ritter Donati« (S. 22), der Leitmotiv Schlafschlafend im Gras liegt und Florio »fast wie ein Toter« (S. 22) erscheint. Nach dem Erwachen erklärt ihm Donati, mit der Lautenspielerin verwandt zu sein. Diese, so sagt er, sei »reich und gewaltig« (S. 22) und halte sich »zuweilen« (S. 20) in Lucca auf, wo Florio sie am nächsten Tag treffen könne.

Von diesem Augenblick an ist Florio ganz erfüllt von der In der Gewalt einer fixen IdeeVorstellung, in Kürze persönlich der ihm noch unbekannten Musikerin zu begegnen, von der er annimmt, dass sie mit der steinernen Venusfigur am Weiher identisch ist. Nachdem er den Tag mit Ausflügen in die Umgebung der Stadt verbracht hat, kehrt er bei Einbruch der Nacht nach Lucca zurück, wo er im Fenster eines vom Mond erleuchteten Hauses zwei Frauen wahrnimmt. Ebenso deutlich, wie er aus deren Gespräch seinen Namen herauszuhören glaubt, meint er, in einer der beiden weiblichen Stimmen diejenige der Lautensängerin wiederzuerkennen.

Ganz im Kontrast zu seiner frohen Erwartung eines neuen und vollkommenen Liebesglücks steht die Begegnung mit der finsteren Gestalt des Ritters Donati, der ihn am nächsten Tag ganz unerwartet zur Jagd einlädt. Da Florio von dem Besucher eigentlich nähere Auskunft über die baldige Ankunft der unbekannten Frau erhofft hat, zeigt er sich nun sehr enttäuscht und auch überrascht darüber, dass Donati trotz des Gebots der Sonntagsruhe mit ihm auf die Jagd gehen will. Doch dieser beabsichtigte Frevel ist nicht das einzige Indiz dafür, dass der Ritter offenbar ungläubig und sogar mit dem Donati: Figuration des SatansBösen im Bunde ist: Als Florio die Einladung ablehnt, verhöhnt er ihn als frommen Kirchgänger. Auf das Läuten der Kirchturmglocken reagiert er so verstört, dass er fluchtartig das Zimmer verlässt.

Mit Donatis Verschwinden tritt Fortunato ein, der Florio eine Einladung für den Abend des folgenden Tages in ein Landhaus überbringt und damit dessen Hoffnung nährt, dass dort auch die Lautensängerin anzutreffen sei.

Während er an diesem und am nächsten Tag die Stadt und deren Umgebung durchstreift, sucht er auch das Haus auf, wo er zuvor die beiden jungen Vexierbilder des WeiblichenFrauen gesehen und gehört hatte, doch diesmal sind Tür und Fenster verschlossen. Ebenso vergeblich bleibt sein Versuch, die Lautensängerin in dem Garten des Palastes zu finden, in dem er zwei Tage zuvor deren Musik vernommen hatte. Als er sich aber abends in der Villa einfindet, in die er von Fortunato eingeladen worden war, überreicht ihm inmitten der Festgesellschaft ein Mädchen in griechischem Gewand, das Gesicht durch eine Maske verborgen, eine Rose und verschwindet wieder in der Menschenmenge. Gleichwohl gelingt es Florio, sie später wiederzufinden und mit ihr zu tanzen, bis sich das Bild der schönen Partnerin zu Ein »seltsame[s] Doppelbild«verdoppeln scheint, denn er glaubt auf einmal, sie in einer anderen Frauengestalt wiederzuerkennen, die »am anderen Ende des Saales« (S. 28) zu sehen ist. Auch diese trägt das antike Gewand einer Griechin.

Während er – nun wieder alleine – durch den Garten des Landhauses streift, vernimmt er auf einmal ein Lied, das von einem Brunnen aus erklingt. Als er die Sängerin entdeckt, meint er, in ihr die junge Rollenvervielfältigung der FrauFrau wahrzunehmen, mit der soeben noch getanzt hatte. Eine nähere Überprüfung seiner Vermutung ist allerdings nicht möglich, weil die unbekannte Person die Flucht ergreift. Erst im weiteren Verlauf der Nacht wird er wieder die »schöne Griechin« (S. 29) erblicken und sie nach ihrem Namen fragen. Anstatt ihre Identität preiszugeben, weicht die Fremde einer klaren Antwort aus, indem sie Andeutungen macht, dass eine entsprechende Auskunft nur negative Folgen haben würde. Nichtsdestotrotz lädt sie Florio ein, sie in ihrem Haus zu besuchen und sich von Donati den Weg dorthin weisen zu lassen. Indem sie dabei den Schleier von ihrem Gesicht zieht, erkennt Florio in ihr »die wunderbare Schöne, deren Gesang er in jenem mittagschwülen Garten belauscht« (S. 31) hat; zugleich aber erinnert ihn das »bleich und regungslos« (S. 31) wirkende Gesicht an das Marmorbild, das ihn zuvor am nächtlichen Weiher mit »Grausen« (S. 16) erfüllt hatte. Auch diesmal mischt sich in Florios »Staunen [und] Freude« ein »heimliche[s] Grauen« (S. 31), während die fremde Frau in der Nacht verschwindet.

Unter der Führung Fortunatos, den er bald darauf im Garten antrifft, gelangt er auf das Dach der Villa, wo er unter den mittlerweile nur noch wenigen Gästen die junge Griechin erblickt, die beim Anblick der Rose an seiner Brust errötet. Er erfährt, dass sie Bianka heißt und die Nichte des Hausherrn Pietro ist, mit dem Florio einige Zeit zuvor schon ein kurzes Gespräch geführt hatte. Unvermittelt beschreibt sie die nächtlichen Wolken über ihnen mit dem gespenstischen Bild einer Beschwörung des Bösenbedrohlichen Welt, innerhalb derer ein weißes Haus zu erkennen sei, das in ihren Augen wie ein Marmorbild aussieht.

Auf dieses Schlüsselwort hin verabschiedet Florio sich eilig, um in seine städtische Unterkunft zurückzukehren. Es ist ihm nicht bewusst, dass er Bianka, die ihn nach den Worten des Erzählers Unglückliche Liebeliebt, durch sein rücksichtsloses Verhalten in tiefe Verzweiflung gestürzt hat. Stattdessen richtet sich sein ganzes Denken, Fühlen und Sehnen auf die marmorne Venusfigur seiner Erinnerung. Mehrere Tage später kündigt ihm der Ritter Donati tatsächlich die Ankunft der Dame an und teilt ihm mit, dass man sie noch am selben Tag gemeinsam in ihrem Palast besuchen wolle.

Dort ist er ganz fasziniert von der gleichsam paradiesischen Szenerie, in deren Im Zentrum des LiebesschlossesZentrum ihn die schöne Dame durch ihre vollkommene Schönheit und Sinnlichkeit verzaubert. Im Verlauf der einbrechenden Nacht führt sie ihn »in das Innere ihres Schlosses« (S. 37), wo er bald mit ihr allein ist. Doch in dem Augenblick, in dem er gerade der Verführung durch die Frau endgültig zu erliegen droht, vernimmt er im Garten und offenkundig aus dem Mund des Sängers Fortunato »ein altes frommes Lied« (S. 38), das er noch aus seiner Kindheit kennt. Es ist der Auftakt für eine Reihe von Von der Verzückung zur ErnüchterungErinnerungsbildern an zuhause, wo er schon als Junge das, was er nun als junger Mann erlebt, in den Abbildungen, die in seinem familiären Umfeld vorhanden waren, geschaut hatte. Während er sich auf die damit verbundenen Jugendträume von Frauen, Rittern, Gärten und Städten zurückbesinnt, entfremdet er sich von seiner gegenwärtigen Situation, so dass ihn nun die betörenden Worte der schönen Frau so sehr ängstigen, dass er in einem spontanen Gebet Gott anfleht, ihn »in der Welt« »nicht verloren gehen« (S. 40) zu lassen.

Von diesem Punkt an verkehren sich die vormaligen erotischen Verheißungen des Schlosses und seiner Herrin in eine monströse DesillusionWelt, in der Florio sich alptraumhaften, mit Todesgefahren verbundenen Szenen ausgesetzt sieht. Voller Entsetzen flieht er vor die Tore der Stadt und in »eine prächtig klare Sommernacht« (S. 41) zurück. In einem letzten, ihn zutiefst verstörenden Erlebnis entdeckt er, dass Donati und dessen Landhaus von dem Ort verschwunden sind, an dem sie vordem noch zu finden waren. So kann er den Ritter nicht mehr zu seinen zugleich lustvollen und gespenstischen Erlebnissen während der vorausgegangenen Nacht befragen. Indem nun die »unbeschreibliche Schönheit der Dame« (S. 42) in eine unerreichbare Ferne rückt, versinkt Florio vorübergehend in einen Melancholie – Schwebezustand der GefühleZustand unerfüllter Sehnsucht und Traurigkeit.

Am Morgen nach diesen Ereignissen verlässt er Lucca zunächst alleine, doch fordern ihn schon bald drei weitere Reiter auf, sich ihnen zu einer Italienreise anzuschließen. Es sind dies der Sänger Fortunato sowie Biankas Onkel Pietro und ein Jugendlicher. Auf ihrem gemeinsamen Weg wird Florio auf eine Schlossruine hingewiesen. Ein Weiher und ein zertrümmertes Marmorbild daneben lassen ihn diesen Ort als Schauplatz seiner vergangenen Erlebnisse wiedererkennen.

Das Lied, das Fortunato daraufhin anstimmt, handelt von der Verwandlung der antiken Liebesgöttin in die christliche Figur der Göttin der Lust – GottesmutterMuttergottes mit ihrem Kinde. In einem Kommentar zu diesem Lied erzählt Fortunato vom schrecklichen Schicksal derjenigen jungen Menschen, die immer wieder den teuflischen Versuchungen im Bezirk des Venustempels erliegen.

Kurz darauf erkennt Florio in dem ihm bislang unbekannten »Knaben« (S. 43), der die Gruppe begleitet, die junge Bianka, von der er nun erfährt, dass sie in eine tiefe Schwermut gefallen sei, nachdem er, Florio, ihre Liebe zu ihm unerwidert gelassen hatte. Jetzt aber entbrennt er seinerseits in Happy EndLiebe für sie und bezeichnet sie als seine Retterin: »›Ich bin wie neu geboren, es ist mir, als würde noch alles gut werden, seit ich Euch wiedergefunden. Ich möchte niemals wieder scheiden, wenn Ihr es vergönnt.‹« (S. 49) Vereint reisen sie »in das blühende Mailand«.

Das Marmorbild von Joseph von Eichendorff: Reclam Lektüreschlüssel XL

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