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Donati

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Ein »der Seltsame«, ein EinzelgängerPorträt dieses »hohe[n] schlanke[n] Ritter[s] in reichem Geschmeide« (S. 11) muss sehr lückenhaft bleiben, weil konkrete Angaben zu seiner Person weitgehend fehlen. Über die Selbstauskunft Donatis hinaus, dass er Eigentümer eines Landhauses sei (S. 13), beschränken sich die Informationen vor allem auf den asozialen Charakter dieses bedrohlich wirkenden Mannes. »In die […] Gesellschaft«, so erklärt der Erzähler, scheint Donati »nirgends hineinzupassen«, weil eine »ängstliche Störung, deren Grund sich niemand anzugeben wusste, [...] überall sichtbar« (S. 11 f.) wurde. Gleichwohl erweist er sich zugleich auch als »ausnehmend beredt[er]« (S. 11) und »freundlicher« (S. 12) Ritter mit einer »feinen und besonnenen Anständigkeit« (S. 13), der »lächelnd und mit der gewohnten Zierlichkeit« (S. 13) die Konventionen der Fassade höfischer UmgangsformenHöflichkeit respektiert.

Dass es sich bei dem Fremden trotzdem um eine Gestalt mit pathologischen Zügen handelt, legen schon die zahlreichen negativen Aussagen über sein äußeres Ein Mann mit krankhaften ZügenErscheinungsbild nahe, das sich vor allem auf das »blass[e] und wüst[e]« (S. 11) Gesicht konzentriert, das später auf einmal noch »viel bleicher und schauerlicher als vorher« (S. 12) ist. Mitunter sieht er »fast wie ein Toter aus.« (S. 22) In einem dramatischen Moment fahren, wie es hier in der Bildsprache der Gefühle heißt, ein »funkelnder Zornesblitz [...], fast verzerrend, über das Gesicht des Reiters [Donati] und ein wilder, nur halbausgesprochener Fluch aus den zuckenden Lippen« (S. 12 f.). Die Aufmerksamkeit des Erzählers gilt ganz besonders Donatis Augen: »Sein Blick aus tiefen Augenhöhlen« wirkt in unterschiedlichen Situationen »irre flammend« (S. 11) oder »fremd, stier und wild« (S. 12). Wahnsinn, animalische Triebnatur und Chaos verdichten sich hier zum Gesamteindruck der Unmenschlichkeit einer literarischen Gestalt aus dem Figureninventar der Schauerromantik. Ihr spezifisches Attribut ist das Pferd, das sich im Handlungsverlauf mitunter wild aufbäumt (S. 12) oder »schnaubend den Boden« (S. 22) scharrt.

Neben den zitierten Manifestationen einer kaum mehr beherrschten Aggressivität gibt es solche einer unkontrollierten Physiognomie des GrauensAngst, die den fremden Ritter mehrfach die Flucht ergreifen lässt, wenn er sich offenkundig bedroht fühlt (vgl. S. 13 und 25).

Der Leser erschließt aus mehr oder weniger eindeutigen Indizien, dass diese »dunkel[e] Gestalt« (S. 11) mit dem Ein AntichristTeufel im Bunde stehen muss. Als »von den Türmen der Stadt« Lucca die Glocken erklingen und »wie ein Beten durch die klare Luft« vernehmbar sind, greift Donati »erschrocken […] nach seinem Hut und [dringt] beinah ängstlich in Florio, ihn zu begleiten […]. ›Fort, hinaus!‹ – rief endlich der Ritter halblaut und wie aus tiefster, geklemmter Brust herauf, drückte dem erstaunten Jüngling die Hand, und stürzte aus dem Hause fort.« (S. 25)

Im Gegensatz zu dieser panikartig-hastigen Flucht aus einem christlich geprägten Umfeld reagiert er kurz zuvor »mit einem ingrimmigen, abscheulichen Lachen« (S. 24) und mit höhnischen Worten der Verachtung, als er von Florio erfährt, dass dieser die Sonntagsmesse besuchen will.

Donati steht nicht nur allgemein mit dem Bösen, sondern besonders auch mit den Ein DämonAbgründen sexueller Lust in Beziehung, denn er sagt von sich, dass er mit der Herrin jenes Palasts verwandt sei (S. 22), in dessen Garten Florio eine verführerisch schöne Frau entdeckt hat (S. 20).

Zuletzt verschwindet Ein PhantomDonati so, als ob er nie gelebt hätte. Bei dem Versuch, zu dessen »Villa« (S. 42) zu gelangen, findet Florio, der zuvor nur knapp der tödlichen Magie zauberhafter Schönheit entkommen ist, lediglich eine »niedere Hütte«, die »ganz von Weinlaub überrankt und von einem kleinen Gärtchen umschlossen« (S. 42) ist. Der dort tätige, völlig unbekannte Gärtner erklärt auf Florios Nachfrage, er kenne keinen Donati (S. 42). Die daraus entstehenden Zweifel an der Existenz Donatis legen die Vermutung nahe, dass es sich bei ihm um eine gespenstische Projektion der Personifikation von Schuld und SchamSchuldgefühle von Florio handelt, also um eine psychogene, d. h. seelisch bedingte, Verkörperung seiner tabuisierten Fantasien. Indem der unheimliche und geheimnisvolle Mann zu Florios großem Erstaunen nachweist, dass er ihn aus »früheren Tagen« (S. 11) kennt, tritt die Triebnatur – in bildhafter Weise – aus dem Unbewussten des Helden hervor. Unter dem Anschein einer zivilisierten und moralisch integren Persönlichkeit verkörpert die Symbolfigur des Ritters Donati als Florios Schatten-Ich die negativen Affekte, die der Wunsch nach einer Befriedigung der libidinösen Bedürfnisse im Gefühlshaushalt des Ich erzeugt.

Das Marmorbild von Joseph von Eichendorff: Reclam Lektüreschlüssel XL

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