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Vorwort zur zweiten Auflage

Diese Neuauflage beschränkt sich auf die Berichtigung von Druckfehlern, da mir Konzept und Aufbau nach wie vor angemessen erscheinen. Es ist aber auch zu erkennen, dass die Diskussion um die theologische Anthropologie sich zu verändern beginnt: Anthropologischen Fragen kommt innerhalb wie außerhalb der Theologie offensichtlich wieder größere Aufmerksamkeit zu. Dies manifestiert sich in der Entstehung von Forschungsverbünden, in denen unterschiedliche akademische Disziplinen ihre jeweiligen Kompetenzen in ein vielperspektivisches Netz anthropologischer Fragestellungen und Einsichten einbringen. Dabei ist eine Konzentration auf einzelne, genau zu bestimmende Phänomene und Konstellationen zu beobachten; in der interdisziplinären Frage nach Gestalten und Orientierungen des Menschseins sind genuin theologische Beiträge unverzichtbar.

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage sind drei große Entwürfe zur theologischen Anthropologie erschienen, die in je spezifischer Weise das Feld neu vermessen. Die Diskussion dieser Entwürfe und ihrer Impulse würden den Rahmen einer Einführung sprengen, weshalb ich mich auf den Verweis beschränke. Der katholische Theologe Thomas Pröpper (Theologische Anthropologie. Unter Mitarbeit von Michael Bongardt, Michael Greiner, Magnus Striet und Georg Essen, 2. Aufl. Freiburg/Br. 2012) beschreibt das Menschsein konsequent anhand des Leitbegriffs der Freiheit. David H. Kelsey (Eccentric Existence. A Theological Anthropology, Louisville, KY 2009) fragt in der Reflexion einer Fülle anthropologischer Themen nach dem Handeln Gottes an und mit Menschen, um eine Gestalt des Lebens zu umreißen, in dem Menschsein sich erfüllen kann. Die Zentrierung um das Handeln Gottes am Menschen teilt Gerhard Sauter (Das verborgene Leben. Eine theologische Anthropologie, Gütersloh 2011); er gibt eine feinfühlige Phänomenologie des Lebens vor Gott, das eben darin frei wird, wenn es darauf verzichtet, sich selbst zu besitzen.

Es ist die Aufgabe auch der zweiten Auflage dieser Einführung, zu dem kritischen Urteilsvermögen anzuleiten, das zum Verständnis der anthropologischen Diskussionen in der Gegenwart befähigt.

Vorwort

Anthropologie ist nicht einfach eine wissenschaftliche Disziplin neben anderen: Wenn Menschen nach ‚dem Menschen‘ fragen, dann ist offensichtlich jeder Mensch selbst Gegenstand dieses Nachdenkens. Auch die wissenschaftliche Anthropologie gewinnt ihre Bedeutung aus der gesellschaftlich ebenso aktuellen wie bleibend wichtigen Selbstverständigung: Wer sind wir und was wollen wir sein? Diese Frage steht im Hintergrund der ethischen und politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart. In diesem Streit um das Menschsein hat die theologische Anthropologie ihren Ort; hier ist ihre Präsenz aber auch unverzichtbar.

Die theologische Anthropologie bedarf darum der Fähigkeit zum Diskurs mit den heterogenen Vorstellungen vom Menschsein, wie sie gesellschaftlich, kulturell, aber auch wissenschaftlich begegnen. Diskursfähigkeit kann freilich nicht heißen, daß sich die theologische Rede vom Menschen an das anpaßt, was gegenwärtig als plausibel erscheinen mag; vielmehr geht es um das Einüben der Fähigkeit, andere Perspektiven angemessen wahrzunehmen und die eigenen zu artikulieren und zu reflektieren. Eben deshalb ist diese Einführung nicht die Präsentation eines gesicherten Wissenskanons, sondern zielt auf die Entwicklung anthropologischer Urteilskraft.Weil theologische Anthropologie sich allemal in einem interdisziplinären Kontext vollzieht, nehmen die Ausprägungen der Anthropologie, wie sie in Wissenschaften und Philosophie erscheinen, in diesem Band breiten Raum ein. Theologische Kompetenz bedeutet gerade hier den Einblick in außertheologische Felder und die Bereitschaft zur begründeten Auseinandersetzung; dem dienen auch die exemplarischen Auseinandersetzungen mit aktuellen Kontroversen um das Menschsein.

Schon die Frage, was genau der Gegenstand der Anthropologie sei und erst recht, welche Methoden und Problemstellungen diesem Gegenstand angemessen wären, ist freilich umstritten. ‚Anthropologie‘ bezeichnet weniger ein klar abgrenzbares Thema als vielmehr ein offenes Problemfeld: Was ist im Blick, wenn nach ‚dem Menschen‘ gefragt ist? In den verschiedenen Wissenschaften, die jeweils eine Anthropologie ausgebildet haben, wird dies sehr unterschiedlich bearbeitet und beantwortet. So steht die Klärung ihres eigenen Begriffs nicht im Vorfeld der Anthropologie, sondern ist bereits eine ihrer wesentlichen Aufgaben. Die Frage nach der Möglichkeit theologischer Anthropologie bildet darum auch das Zentrum dieser Einführung. Sie zielt auf die Entwicklung einer klaren und in den Konflikten der Gegenwart hilfreichen christlichen Rede vom Menschen. Die Elemente theologischer Anthropologie, wie sie abschließend gezeichnet werden, entwerfen ein eigenes programmatisches Profil.

Christliche Rede ist in sich vielgestaltig; so vollzieht sich auch die Theologie im Diskurs. Sie vertritt nicht eine fixierte Sicht des Menschen, sondern ist in sich im unumgänglichen Streit um das Menschsein begriffen – wenn es ein Kennzeichen der conditio humana gibt, könnte es eben das sein, daß die Frage nach dem Menschsein nicht zur Ruhe kommt. Es gehört zu den zentralen Einsichten, die aus der Wahrnehmung der Mannigfaltigkeit des Menschseins zu gewinnen ist, daß man die Grenzen der eigenen Sicht anerkennt. Nicht nur deshalb ist zur Ergänzung dieser Einführung, die die evangelische Prägung ihres Autors nicht verleugnet, auf den jüngst erschienenen „Grundriss Theologischer Anthropologie“ von Erwin Dirscherl (10) hinzuweisen.

Von allen, denen ich für vielfältige Hilfe während der Abfassung dieses Buches zu danken habe, seien besonders genannt: Der Verlag und sein Lektor Dr. Bernd Villhauer, Dr. Karl-Friedrich Haag, sowie Frau Ramona Müller, die die Mühe der Überprüfung der zahlreichen Zitate auf sich genommen hat. Meinem Assistenten PD Dr. Martin Hailer danke ich für seine freundliche und kenntnisreiche Diskussion der Entwürfe und seine wertvollen Ratschläge, unserer Tochter Milena für ihre Geduld. Der Dank, den ich meiner Frau, Prof. Dr. Ingrid Schoberth, schulde, geht über das Fachliche weit hinaus.

Einführung in die theologische Anthropologie

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