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Die zisterziensische Baukunst drückt in ihrer Architektur die Geisteshaltung der Mönche und die Grundlehre des Ordens aus. Die wichtigsten ästhetischen Charakteristika der zisterziensischen Architektur waren die hohe, ungeschmückte Vollendung der Steinmetzarbeit sowie die Klarheit und die Harmonie der Proportion.

Die Forderung des Bernhard von Clairvaux an den Architekten lag darin, die architektonischen Notwendigkeiten in die Geometrie des Bauwerkes und in die Metaphysik der Musik einzubinden, um das Bauwerk zu einem Ort echter religiöser Erfahrung werden zu lassen. Die einzige Rechtfertigung des Bauwerkes ist dessen Fähigkeit, den Geist des erlebenden Betrachters zur Wahrheit zu führen. Aus Bernhards Briefen:

»Unser Orden bedeutet ein Leben der Demut, des Verzichts und der freiwilligen Armut; des Gehorsams, des Friedens und der Freude im Heiligen Geist. Unser Orden heißt, sich einem Meister zu unterwerfen, einem Abt, einer Regel, einer Disziplin. Unser Orden verlangt Schweigen, Fasten, Wachen und Beten sowie körperliche Arbeit. Vor allem aber sollen wir dem erhabenen Weg der Liebe folgen; in allen Dingen heißt es, Tag für Tag vollkommener zu werden und in ihnen bis zum letzten Tag zu verharren.«

Obwohl ich die Klosterkirche in Loccum schon viele Jahre kannte, fiel mir erst sehr spät auf, dass das südliche Seitenschiff kürzer ist als das nördliche. Die Frage nach dem Grund dieser auffälligen Besonderheit ergab beim Abt des Klosters leider keine schlüssige Antwort. Auf der Suche nach des Rätsels Lösung musste ich mich zunächst einmal in den Bereichen der Sakralarchitektur sachkundig machen, und ich war außerordentlich überrascht, als ich den Aussagereichtum gotischer Architektur erkannte. Dieser enorme Reichtum steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Bernhard von Clairvaux.

Die Beschäftigung mit dessen Person öffnete mir Horizonte, die in dieser Form aus dem schulischen Geschichtsunterricht nicht bekannt werden und darüber hinaus von großer Tragweite sind. Bernhard von Clairvaux besitzt eine ebenso außerordentliche wie unmittelbare Beziehung zur Entstehung des Zisterzienserordens und des Ordens der Tempelritter. Geschichtlich geschieht dies im Bereich der Kapetingischen Monarchie in Frankreich und im Zusammenhang mit den Herzögen von Burgund. Ich möchte die interessierten Leserinnen und Leser durch anfängliche Unsicherheiten zu Antworten auf viele geheimnisvolle Fragen führen, deren Erklärungen aber auch beständig neue Probleme aufwerfen.

Zunächst ist dieses Büchlein eine Kompilation. Ganz bewusst wollte ich kein wissenschaftliches Werk verfassen, sondern eine Sicht der Ereignisse vermitteln, die der lesenden Person die Bildung einer eigenen Meinung ermöglicht. Ziel ist es, in das innerste Wesen der zisterziensischen Grundhaltung vorzudringen, die selbst zu Lebzeiten Bernhards von Clairvaux nicht jedem Mönch vertraut war und deshalb lediglich von einer kleinen Minderheit im Orden gelebt werden konnte. Bei allen Betrachtungen muss unbedingt die überaus tiefe mystische Geisteshaltung des späteren Heiligen berücksichtigt werden und auch eine klare Abgrenzung zur Scholastik sollte erfolgen. Wir müssen uns bei sämtlichen baulichen und architektonischen Betrachtungen damit begnügen, dass eine monastische Zisterzienserkirche etwas ganz Außergewöhnliches war, das sich erst in späterer Zeit reformbenediktinisch entwickeln konnte. Wie es der Natur dieser Betrachtungen entspricht, schlage ich oft textliche Umwege ein und unternehme Abschweifungen, um dann aber wieder auf den Kern der Sache zurückzukommen.

Das ist auch der Grund dafür, dass diese Schrift eine Kompilation darstellt und somit unsystematisch bleiben wird. —Wolfgang Stark

Kloster Loccum

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