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Die Zisterzienser bauten einen sichtbaren Tempel um ihretwillen, sich selbst zur Wohnung, denn »der Allerhöchste wohnt nicht in Häusern, die von Menschenhand gebaut sind«.

Dieses Zitat stammt aus einer Kirchweihpredigt des Abtes von Clairvaux; ein weiteres führe ich wie folgt an:

»Gewiss, die Weihe durch die Bischöfe, die häufigen Lesungen der heiligen Schriften, die inbrünstigen Gebete, die Reliquien der Heiligen, die die Gegenwart von Engeln darstellen, bewirken, dass diese Mauern heilig genannt werden und es auch sind. Aber trotzdem darf man nicht im Mindesten annehmen, sie wurden um ihrer selbst willen als heilig verehrt, da sie auch nicht um ihrer selbst willen geheiligt wurden. Das Haus ist heilig wegen der Leiber, die Seelen aber sind geheiligt durch den Heiligen Geist, der in ihnen wohnt.«

Man fühlt die Nähe des frühen Christentums, wenn so deutlich unter Berufung auf den Apostel Paulus (1. Korinther 3,16) und die Apostelgeschichte (17,24 u. 25) gesagt wird, dass die Heiligkeit dem Werk der Baukunst nur dann zukommt, wenn es seinen Zweck erfüllt – nämlich den durch den Heiligen Geist geheiligten Seelen zur Wohnung zu dienen. Für sich allein genommen galt den Zisterziensern das Bauwerk lediglich als Zweckgebäude. Ihre Kirche war in keiner Weise Verkörperung eigenwertiger Bedeutungsinhalte – wie die gleichzeitige Bischofskirche –, sie war vielmehr ein Zweckbau, der demonstrativ sachlich gestaltet war. Immer gelangt man bei der Analyse reformmonastischer Sakralbaukunst zu dem gleichen Ergebnis.

Die Kirche der Mönche ist bestimmt von zweckbetonter Sachlichkeit. Sie erscheint frei von abbildenden Aussagen und Werten. Ihre Wirksamkeit ergibt sich allein durch ihre Proportionen. Die heute noch zu empfindende harmonische Einheit zum Ganzen muss in der Absicht der Erbauer gelegen haben, denn es gibt entsprechende Äußerungen Bernhards, die als Hinweis auf das Kirchenbauideal der Zisterzienser verstanden werden können.

Da ist von einem wahrhaft ruhigen Ort die Rede, »an dem man nicht einen Gott erblickt, der von Zorn erregt ist, sondern dessen Wille sich als gut, wohlgefällig und vollkommen erweist«. Diese Schau flößt keinen Schrecken ein, sondern labt. Sie regt die ruhelose Wissbegier nicht an, sondern beruhigt sie. Auf die architektonische Praxis angewendet, sind solche Worte eine Erklärung für die Ruhe und die Harmonie zisterziensischer Innenräume; sie richten sich gegen die romanische Plastik Burgunds ebenso wie gegen die Architektur gotischer Kathedralen und darüber hinaus, für die Praxis Bernhards, natürlich auch gegen Cluny. Die Harmonie der Zisterzienserkirche rührt von der unvergleichlichen Vollkommenheit ihrer Proportionen her, und ebendiese stimmen mit den Verhältnissen der vollkommenen musikalischen Konsonanz überein. Otto von Simson erkannte im Grundriss der Zisterzienserkirche im Musterbuch des Villard de Honnecourt diese musikalischen Konsonanzen. Dahinter mag jenes augustinische Verständnis von Maß und Zahl als Bausteine kosmischer Ordnung stehen, das Bernhard von Clairvaux mit seinen Zeitgenossen teilte. Die Gesetze der Arithmetik bewirken, so glaubte man, die kosmische Harmonie, und mit ihr verband man die Vorstellung unhörbarer Klänge. Man war der Überzeugung, dass der Kosmos nur wegen seiner vollkommenen arithmetischen Gesetzmäßigkeiten unauflöslich sei, weshalb unter der Berücksichtigung des Analogieprinzips auch das irdische Ebenbild arithmetisch und geometrisch vollkommen sein musste. Das Beherrschen derartiger musikalischer Baukompositionen weist die Zisterzienser neben den Erbauern der Kathedralen als jene großen Architekten aus, welche wir angesichts der über ganz Europa verbreiteten Ordenskirchen bewundern.

Was aber zeichnet den Charakter des zisterziensischen Sakralbaus im Vergleich mit dem bischöflichen Dom oder der Kathedrale aus? Die Kirche des Ordo Cisterciensis ist gegenüber der Kathedrale Reduktion und Negation zugleich. Reduktion im Hinblick auf die Form, und Negation im Hinblick auf die inhaltliche Bedeutung. Die Kathedrale ist eine Abbildung des Universums, die mit einem Blick niemals vollständig erfassbar, sondern unerschöpflich in einem Wechsel perspektivischer Durchsichten ist, deren Einheit zum Ganzen, obgleich diese sich den Blicken nie gänzlich offenbart, für die Phantasie dennoch sinnliche Deutlichkeit behält. Das Mittelalter war der Auffassung, dass Architektur etwas Eigenwertiges verkörpere. Das Ur- und auch das Frühchristentum betrachtete den Kirchenbau einzig als Hülle für die kultische Handlung. Von diesen gegensätzlichen Meinungen ist die Geschichte des monastischen Kirchenbaus geprägt. Die dementsprechende Zisterzienserkirche sollte nach dem Willen Bernhards einerseits Zweckbau und schlichtes Oratorium sein, andererseits sollte sie den Mönchen ein mystisches Paradieserleben ermöglichen. Hier liegt die geniale Leistung und das Geheimnis seiner Baumeister verborgen, hier ist ebenso die Ursache für das Zugeständnis der Architekturanpassung an die örtlichen Gegebenheiten zu finden. Das mystische Erleben der Mönche wurde dadurch verstärkt, dass der Kirchenbau mit seiner wohlabgestimmten Harmonie durch liturgische Gesänge in einen vom Baumeister vorbestimmten Schwingungszustand versetzt werden konnte. Diesen Zustand vermochten die eingeweihten Chormönche zu nutzen, um sich beim Singen in eine höhere Bewusstseinsebene zu versetzen. Sie konnten aber auch mit ihren Fähigkeiten anderen Mönchen behilflich sein, an einer höheren transzendenten Erlebniswelt teilzuhaben.

Die Chormönche lebten außerhalb unserer materiellen Welt in einem paradiesnahen Bewusstseinszustand. Auch aus diesem Grund war ihnen jeder Kontakt zur Bevölkerung jenseits der Klostermauern untersagt. Der Mönch sollte nach der Meinung Bernhards von Clairvaux in der Lage sein, sich allein durch geistiges Bemühen in einen gottesnahen Zustand versetzen zu können.

Dem gemeinen Volk mutete er dieses Erleben nicht zu und machte dort auch sehr große Zugeständnisse hinsichtlich seiner Auffassung von künstlerischen Darstellungsformen in einem Kirchengebäude.

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