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Das Corpus Caesarianum: Caesar als Schriftsteller
ОглавлениеCaesar hat der Nachwelt ein Erbe hinterlassen, das sich für und gegen ihn verwenden lässt: seine Schriften. Mit dem Corpus Caesarianum liegt eine Sammlung von fünf Monographien vor, die noch im Jahre 44 v. Chr. angelegt wurde und die in der heutigen Form bereits der Biograph Sueton im 2. Jahrhundert n. Chr. kannte.1 Allesamt sind es Kriegsbeschreibungen (bella), die in chronologischer Abfolge die Ereignisse seit Beginn von Caesars Prokonsulat im Jahre 58 bis hin zu seinem Sieg über die Söhne des Pompeius im Jahre 46 abhandeln. Die acht Bücher des Gallischen Krieges münden in die dreibändigen Commentarii zum Bürgerkrieg gegen Pompeius, die von den Ereignissen zwischen Januar 49 und Oktober 48 berichten. Es folgen das Bellum Alexandrinum, der Krieg in Alexandria, und das Bellum Africum, der Afrikanische Krieg. Sie schildern die Kämpfe zwischen November 48 und September 47 bzw. Dezember 47 und Juli 46. Das Bellum Hispaniense schließt das Corpus mit einem Bericht über die Vorgänge vom Dezember 46 bis zum April 45 ab. Caesars Feldzüge sind damit über einen Zeitraum von dreizehn Jahren nahezu lückenlos dokumentiert.
Aus Caesars Hand stammen die ersten sieben Bücher des Bellum Gallicum und das Bellum civile. Das achte Buch des Gallischen Krieges, das mit den Ereignissen der Jahre 51 und 50 im schon weitgehend befriedeten Gallien die Überleitung zum Rubiconübergang herstellt, schrieb im Auftrag Caesars Aulus Hirtius, seit etwa 54 als Legat vor Ort ein Kenner der gallischen Verhältnisse. Er unternahm es auch, nach dem Tode seines Vorgesetzten die Feldzugsberichte bis zur Schlacht von Munda weiterzuführen. Die Wahl zum Konsul und der frühe Tod im Kampf gegen Antonius am 21. April 43 unterbrachen bzw. beendeten das Vorhaben. Lediglich das Bellum Alexandrinum ist Aulus Hirtius noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zuzuweisen, die beiden folgenden Commentarii stammen von unbekannten Verfassern. Schlussredaktion und Publikation lagen in den Händen von Caesars Kanzleichef Cornelius Balbus. Er ist auch der Adressat eines fiktiven Briefes, den noch Hirtius verfasste. Überliefert ist dieser als Einleitung zum achten Buch des Bellum Gallicum, er sollte aber wohl das Vorwort zum gesamten Corpus Caesarianum bilden.
Brief an Balbus
Deine unaufhörlichen Bitten, lieber Balbus, haben mich bestimmt, an eine äußerst schwierige Arbeit zu gehen, da man sonst meine tägliche Weigerung nicht mit der Schwierigkeit der Sache entschuldigen, sondern auf das Konto meiner Trägheit setzen möchte. Ich habe nämlich die Denkwürdigkeiten unseres Caesar über die gallischen Feldzüge seinen zusammenhangslosen früheren und späteren Schriften eingereiht und sein letztes unvollendetes Buch vom alexandrischen Feldzug an fortgeführt, wenn auch nicht bis zum Ende des Bürgerkrieges, das noch nicht abzusehen ist, so doch bis zum Lebensende Caesars. Möchten doch meine Leser sich vorstellen können, wie ungern ich an diese Arbeit gegangen bin; sie würden dann sicherlich nicht den Vorwurf törichter Anmaßung gegen mich erheben, dass ich mich mitten in die Schriften Caesars eingeschoben habe.
AULUS HIRTIUS, Bellum Gallicum, Buch 8, Vorwort 1–3
Die Berichte über den afrikanischen bzw. den spanischen Krieg wurden offenkundig von Augenzeugen geschrieben. Sie sind unter Caesars Offizieren zu suchen, und ohne Zweifel spiegeln sie seine Sicht der Dinge wider. Somit sind auch diese Monographien, wenn auch begrenzt durch Darstellungskraft, -kunst und -absicht der anonymen Verfasser, Zeugnisse für die Ziele Caesars.
Commentarii rerum gestarum
Caesar nannte seine Kriegsberichte Commentarii rerum gestarum. Damit legt er sich und die späteren Interpreten bereits zweifach fest. Zum Ersten leistet der Autor einer Erwartung Vorschub. Sein Werk wird sich streng auf die res gestae, d. h. auf die Kriegstaten, beschränken. Die politischen Auseinandersetzungen um den Gallienkrieg interessieren nicht. Caesar verengt seine Rolle auf die des Feldherrn. Zum Zweiten weist er mit dem Titel den Anspruch zurück, als Historiker zu schreiben. Deren Werke hießen historiae. Caesar gibt sich bescheiden. Historiae waren für die Römer große Literatur, Commentarii dagegen nur etwas Vorläufiges, Protokolle, die dem Schreiber als Gedächtnisstütze dienten, so z. B. den Magistraten, die Fragen zu ihrer Dienstzeit im Senat beantworten mussten.
Ein Beispiel für das, was ein Commentarius beinhalten konnte, gibt Cicero. Als er im Jahre 51 – ganz gegen seinen Willen – Statthalter im kleinasiatischen Kilikien war, wünschte er sich in der dortigen Einöde nichts mehr als Nachrichten über die Vorgänge in Rom. Er erhielt sie in Form eines commentarius rerum urbanarum von einem Vertrauten, dem Senator M. Caelius. Was dieser brieflich zu berichten hatte, war zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt. Es umfasste nach Angabe des Verfassers vielerlei politische Meinungen,„was jeder so äußere“, dazu einiges, was man sich schenken könne, „wie das Auspfeifen bei den Spielen, Leichenbegängnisse und sonstige Albernheiten“, dann aber „auch vieles Wissenswerte“.2 Caelius bot also unter dem Titel des Commentarius ein Sammelsurium an Neuigkeiten, das die Nutzanwendung ganz dem Adressaten überantwortete.
Daneben ließen sich mit Commentarii auch Memoiren bezeichnen. Der Diktator Sulla schrieb solche in 22 (nicht erhaltenen) Büchern, während sich Cicero mit einem begnügte. So hieß er den Bericht über sein Konsulatsjahr Commentarius und schickte ihn an den damals berühmten griechischen Historiker Poseidonios mit der Bitte, ihn zu einem Geschichtswerk auszuarbeiten. Das Thema sollte laut Cicero „ausgeschmückter“ (ornatius) behandelt werden.3 Ob er das ernst meinte, wissen wir nicht. Dem Wunsch zugrunde liegt aber dasselbe Verständnis, das Cicero später von Caesars Commentarii haben wird: eine Stoffsammlung für Leute, die Geschichte zu schreiben (scribere historiam) beabsichtigen.4
Der Diktator Sulla
Sulla ist als der große Gegenspieler des popularen Politikers und Feldherrn Marius in die Geschichte eingegangen. Marius bekleidete zwischen 107 und 100 v. Chr. sechsmal das Konsulat und bewahrte Rom vor dem Ansturm germanischer Völker. Zum großen Konflikt zwischen beiden kam es im Jahre 88 v. Chr., als Sulla den Oberbefehl im Krieg gegen den pontischen König Mithridates erhielt, der Roms Reich im Osten bedrohte. Auf Betreiben des Marius wurde ihm dieses Kommando entzogen, doch Sulla widersetzte sich mit einem illegalen Marsch auf Rom. Er führte den Krieg gegen Mithridates und gewann ihn. Nach seiner Rückkehr und dem Sieg über seine inneren Gegner, die inzwischen die Macht in Rom übernommen hatten, ließ er fast 5000 Anhänger des inzwischen verstorbenen Marius ächten und liquidieren. Im Jahre 82 machte er sich selbst zum Diktator, um mit einer Reihe von Maßnahmen und Gesetzen die Herrschaft des Senats zu festigen. 79 dankte er ab, 78 starb er.
Abfassung und Veröffentlichung
Wann Caesar seine Commentarii an die Öffentlichkeit brachte, ist unsicher. Von den sieben Büchern über den gallischen Feldzug umfasste jedes ganz unabhängig von der Ereignisdichte ein Kriegsjahr, beginnend mit dem Bellum Helveticum im Jahre 58 und endend mit dem Sieg über Vercingetorix 52. Dies legt zunächst eine jahrweise Veröffentlichung nahe. Es gibt jedoch keinerlei Zeugnisse aus den fünfziger Jahren, die das bestätigen. Insbesondere Cicero, von dem wir zahlreiche Reden und Briefe aus diesem Jahrzehnt haben, schweigt. So spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass Caesar sein Bellum Gallicum im Winter 52/51 oder im folgenden Sommer in einem Zug schrieb und sofort nach Rom sandte. Die Zeit dazu besaß er: Gallien galt als erobert; was noch zu tun war, taten seine Unterfeldherren. Dazu passt, was Aulus Hirtius in seinem Vorwort behauptet: Caesar habe seine Commentarii leicht und schnell verfasst. Wo das Material knapp wurde, ließen sich Lücken mit ethnographischen Schilderungen anderer Autoren auffüllen. Dem Autor lagen zudem bei der Niederschrift die Berichte seiner Legati vor, er selbst hatte in der Form von litterae Jahr für Jahr Rapporte an den Senat geschickt. Die Rapporte lagen in Archiven der Hauptstadt, Abschriften gab es im Sommerlager.
Bei der Niederschrift der Bürgerkriegskommentare besaß Caesar ähnliche Muße nicht. Hier war Eile gefordert. Mit Überschreitung des Rubicon musste er sein Handeln rechtfertigen, vor Volk und Senat, und vor allem schnell. So sind die ersten beiden Bücher des Bellum civile vermutlich noch vor dem Feldzug in Griechenland (48) geschrieben worden. Es ist ihnen anzumerken, dass sie nur oberflächlich redigiert sind. Über ihnen liegt ein Schleier von Propaganda, Halbwahrheit und verdeckter Rechtfertigung. Brillante Gehässigkeiten wechseln mit geschickten Verdrehungen oder gelegentlichen Auslassungen. In der Eile ließen sich auch Widersprüche nicht ganz beseitigen. Das dritte Buch des Bellum civile kann Caesar erst nach der Schlacht von Pharsalos (August 48) abgeschlossen haben. Die Veröffentlichung fiel dann wohl in den Herbst 47.
Die Sprache
Caesar verfasste seine Commentarii nicht für eine ferne Zukunft, sondern für die Gegenwart. Es interessierte ihn wenig, ob sich Historiker dereinst des Materials annehmen und ein stilistisch ausgefeiltes Werk aus ihm machen würden. Caesar schrieb, wie gesagt, schnell. Es fehlte ihm, dem Feldherrn und Staatsmann, die Gelegenheit, lange Jahre an der Darstellung zu feilen. Trotzdem schuf er seinen eigenen Stil. Cicero nennt ihn unverhüllt, sachlich und zugleich anmutig, jeglichen rhetorischen Schmuckes entkleidet. Caesars Sprache ist bewusst klar und einfach, sie meidet Synonyme, der Wortschatz ist auf das Minimale reduziert. Der Verfasser kommt in sieben Büchern mit 1200 häufiger gebrauchten Wörtern (insgesamt sind es 2600) aus. So wirken die Commentarii zum Gallischen Krieg auf den modernen Leser geradezu aufrichtig. Es erscheint unmöglich, dass sich hinter der Unmissverständlichkeit der Sätze doppelte Wahrheiten verbergen könnten. Die Hauptsätze sind kurz, packend, energisch, sofort bei der Sache. Der Autor ahmt mit ihnen das eigene Handeln nach. Die Sprache ist, was Caesar ist. Er spiegelt sich in ihr. Nach einem Ausspruch Herders wird Caesars Leichtigkeit zu siegen an seiner Schreibart kenntlich.5
Ziel und Zweck
Die Frage, wen eigentlich die Commentarii erreichen sollten, wird unterschiedlich beantwortet. Vermutlich schrieb Caesar für alle, d. h. für den gesamten populus Romanus. Zunächst dachte er wohl an seine Standesgenossen und damit an den Senat. Dort wurden seine Maßnahmen in Gallien diskutiert und Entscheidungen gefällt, die seine Möglichkeiten als Feldherr einschränken oder erweitern konnten. Es war klug, den Senatoren seine Sicht darzulegen, auch wenn ihm nur eine Minderheit glaubte. Die Honoratioren der italischen Landstädte, vornehmlich Ritter, besaßen Gewicht bei den Wahlen, und selbstverständlich musste sich ein Popularer wie Caesar auch um die hauptstädtische Plebs kümmern. In Rom war das Analphabetentum zweifellos niedriger als auf dem Land. In den Tabernae und auf den Märkten erfuhr zudem auch der von Caesars Leistungen, der nicht oder nur wenig lesen konnte. Zudem liefen solche Informationen schnell um und wurden durch Weitererzählen noch spannender.
Auffällig an den Commentarii ist jedenfalls, dass aristokratische Offiziere wenig gut wegkommen, der Held des Krieges ist neben dem Autor der gewöhnliche Zenturio. Caesar soll alle mit Namen gekannt haben (zumindest legt er das ganz bewusst nahe), und das waren im Laufe der Kämpfe mehrere Hundert. Dass sich dagegen die Legati nicht recht gewürdigt sahen, verrät das Beispiel des Labienus. Caesars wichtigster Mann in Gallien lief bei Beginn des Bürgerkrieges sofort zu Pompeius über.
Während Caesar noch an seinem Werk schrieb, verschärfte sich in Rom der Streit um seine gallische Statthalterschaft. So liegt es auf der Hand, dass sich Caesar mit seiner Darstellung auch für kommende Auseinandersetzungen rüstete. Er plante, nach Beendigung der Amtszeit erneut für das Konsulat zu kandidieren. Dafür war Werbung in Buchform sicherlich hilfreich, wenn er sich auch nicht allzu viel davon versprochen haben kann. Darüber hinaus war Caesar einfach entschlossen, das publizistische Feld nicht seinen Feinden wie Cato zu überlassen. Wenn er Rechenschaft über seine Taten in Gallien abgab, blieb er in der Offensive.
Caesar musste die Ereignisse so darstellen, dass sich seinen Gegnern keine Handhabe bot, gegen ihn vorzugehen. Als Statthalter konnte er nicht nach eigenem Gutdünken Krieg führen. So macht er alle seine Angriffshandlungen zu Defensivmaßnahmen mit dem einzigen Ziel, Rom und seine Provinzen zu schützen.
Wahrheit und Dichtung
Der Historiker Asinius Pollio, Begleiter Caesars auf vielen Etappen des Bürgerkrieges, will wissen, dass dieser es mit der unverfälschten Wahrheit (integra veritas) nicht so genau (parum diligenter) nahm.6 Er habe manche seiner Taten, sei es absichtlich, sei es durch das Gedächtnis getäuscht, falsch dargestellt. So habe Caesar sich auch mit dem Vorsatz getragen, das Geschriebene umzuarbeiten und zu verbessern. Sofern diese Aussage stimmt, kann sie sich nur auf das Bellum civile beziehen. Das Bellum Gallicum ist in der überlieferten Form trotz des Vorläufigkeit suggerierenden Titels eine Ausgabe letzter Hand. Caesar legte seine Wahrheit dar, die er zweifelsohne nicht für eine halbe hielt. Die Commentarii entsprachen den Berichten, die er Jahr für Jahr dem Senat gesandt hatte und die Grundlage für die Dankfeste waren, die ihm zu Ehren beschlossen wurden. Caesar hielt sich in seinem Werk an das, was der Titel ankündigte. Er beschönigte nichts (ausgenommen die eigenen Verluste). Wenn er Gegnern die Hände abhacken ließ, sie in Massen tötete oder in die Sklaverei verkaufte, sagt er das auch so. Das erstaunt moderne Leser, die die Verbrämung solcher Handlungen gewohnt sind. Doch Caesar wusste seine Handlungen gedeckt. Es gab keine Instanz, vor der er sich verantworten musste, solange die Getöteten Gallier und Germanen waren, Barbari also. Wenn manche Senatoren seine Kriegsführung angriffen, geschah dies aus innenpolitischem Kalkül. Solange Caesars Kriegsführung dem Wohle Roms diente, Senatoren, Publicani und die Plebs urbana davon profitierten, wurde sie gebilligt.
Die Vorwürfe, Caesar habe die Ereignisse grob entstellt, verdreht und verfälscht, sind nicht zu belegen. Er brauchte es im Bellum Gallicum gar nicht. Der Autor beherrschte die Kunst des Weglassens. Sofern Kritik trifft, ist es allein die, dass er über viele Zusammenhänge schweigt. Dies freilich ist das Wesen einer genialen Propagandaschrift, und das Bellum Gallicum war eine Selbstdarstellung. Ein Staatsmann wirbt für sich und seine Sache, ohne etwas über seine wahren Ziele zu sagen.
Anticato und Briefe
Zur Kenntlichkeit gebracht hat Caesar seine Absichten nur in einem zwei Bücher umfassenden Pamphlet, das er im Feldlager von Munda Anfang 45 schrieb, dem sogenannten Anticato. Hier gibt er sich unverhüllt, verzichtet auf die Maske des stoischen Staatsmannes. Der Titel verrät, um was es geht. Caesar antwortete mit seiner Schrift einer Laudatio auf Cato, die Cicero im Sommer 46 publiziert hatte. Catos Selbstmord, begangen im April 46 in Utica, war Auslöser eines regelrechten Propagandakrieges um die Ideale der Republik geworden, in den auch andere Senatoren (Brutus für, Aulus Hirtius gegen Cato) eingriffen. Caesar war der Streit aber so wichtig, dass er sich selbst äußern wollte. Nicht einmal der endgültige Sieg im Bürgerkrieg konnte seinen Zorn dämpfen. Die Schrift ist verloren, nur wenige Fragmente blieben erhalten, doch diese zeigen genug von der Schärfe, mit der Caesar seinen Feind angriff.
Plutarch lag das Verdikt noch vor, und von ihm erfahren wir, dass Caesar offenbar Cato auf dessen ureigener Domäne angriff, auf dem Feld der Moral.7 Hier entfaltet Polemik jedoch wenig Wirkung, glaubhaft erscheint Caesar am ehesten dort, wo er die politische Mittelmäßigkeit des Gegners betont. Die Cato-Verehrung, die mit Sallusts später Catilina-Monographie einsetzt und bis in die Zeiten der Französischen Revolution führt, hat jedenfalls keine Basis. Letztlich aber stellte Caesars Anticato – auf unterschiedliche Weise – beiden Kontrahenten kein gutes Zeugnis aus.
Caesar und Cato
Zu meiner Zeit freilich lebten zwei Männer von außerordentlicher Tüchtigkeit, doch verschiedener Wesensart: Marcus Cato und Gaius Caesar. Da mich nun mein Gegenstand auf sie gebracht hat, ist es nicht meine Absicht, sie mit Schweigen zu übergehen, ohne eines jeden Wesen und Charakter zu analysieren, soweit ich es mit meiner Einsicht vermag.
Bei ihnen also waren Adel, Alter und Beredsamkeit beinahe gleich, ihre Seelengröße war dieselbe, ebenso ihre Berühmtheit, freilich bei jedem in anderer Weise. Caesar galt wegen seiner Wohltaten und Freigebigkeit als groß, wegen der Lauterkeit seines Lebenswandels Cato. Jener war durch Milde und Mitgefühl bekannt geworden, diesem hatte seine Strenge Ansehen verschafft. Caesar erlangte Ruhm durch Geben, Unterstützen, Verzeihen, Cato dadurch, dass er keine Spenden gab. Im einen fanden Unglückliche ihre Zuflucht, im anderen Schlechte ihr Verderben. An jenem rühmte man die Umgänglichkeit, an diesem die Festigkeit. Caesar schließlich hatte zu seinem Grundsatz gemacht, rastlos tätig zu sein, sich für die Belange der Freunde einzusetzen und die eigenen hintanzustellen, nichts, was ein Geschenk verdiente, zu verweigern; für sich wünschte er große Befehlsgewalt, ein Heer, einen neuen Krieg, wo sich seine Tatkraft glänzend zeigen könne. Catos Streben dagegen war auf Selbstzucht, Anstand, vor allem aber auf ernste Haltung gerichtet; er wetteiferte nicht mit dem Reichen um Reichtum, mit dem Parteimann um Parteigeltung, sondern mit dem Tüchtigen um Tatkraft, mit dem Beherrschten um Zurückhaltung, mit dem Redlichen um Unbestechlichkeit; er wollte lieber gut sein als gut scheinen; so folgte ihm der Ruhm um so mehr, je weniger er nach ihm strebte.
SALLUST, Catilina 53–54
Größere Beachtung verdienen andere Dokumente der Selbstdarstellung. Es sind fünf Briefe Caesars, die sich versteckt in Ciceros Korrespondenz mit Atticus erhalten haben.8 Sie sind an den Redner und an Caesars Freund Oppius adressiert und beleuchten Caesars Politik im ersten Bürgerkriegsjahr 49.
Die Briefe waren zur Veröffentlichung oder zumindest zur Weitergabe bestimmt und belegen daher, wie sich Caesar in dieser entscheidenden Phase seines politischen Lebens gesehen wissen wollte. Nicht erhalten ist dagegen ein längeres poetisches Werk, Iter, das die Reise von Rom nach Spanien im Jahre 46 schildert, sowie ein sprachwissenschaftliches Opus, De analogia.
Der andere Caesar
Caesars Schriften zeigen, wie er sich selbst sehen wollte, die erhaltenen Biographien zeichnen das frühkaiserzeitliche Bild. In beiden Fällen erscheint er als die große Ausnahme, ein Mann für die Stunden, in denen die Entscheidungen fallen.
Ein einziges Zeugnis beleuchtet den Alltag des Diktators, lässt erahnen, wie er sich für die Menschen seiner Umgebung darstellte. Es ist ein Brief Ciceros, geschrieben unter dem frischen Eindruck einer Begegnung mit Caesar einige Wochen vor den Iden des März, die den Blick auf Caesar veränderten. Der Brief zeigt Ciceros Sicht, aber allzu sehr kann diese sich von der seiner Standesgenossen nicht unterschieden haben.
Was wir sehen, ist ein Mann, der nur noch mit großem Gefolge auftritt, der umso einsamer erscheint, je mehr Vasallen ihn umgeben. Er vollzieht die täglichen Riten öffentlich, tafelt ungeniert. Die Nachricht vom Tode eines einstigen Freundes lässt ihn unberührt (zumindest in der Gegenwart anderer), der Geschäftsgang wird nicht unterbrochen.
Caesar regiert das Imperium im Verborgenen, Informanten bringen Nachrichten, Gefolgsleute erhalten Anweisungen. Selbst Cicero erfährt nichts über die Themen. Bei Tisch spricht der Diktator über Literatur: kein Wort zur Politik. Er teilt die Macht mit niemandem, Ratschläge wären Einmischung. Der entspannte Ton des Briefes versteckt die Demütigung. In Caesars Umgebung gab es nur ein Gefühl: Ohnmacht.
Cicero grüßt Atticus
Was für ein unsympathischer Gast! Und doch ist es mir nicht leid; er war nämlich äußerst nett.
Also, am zweiten Saturnalientag traf er abends bei Philippus ein, und gleich war dessen Haus derartig von Soldaten mit Beschlag belegt, dass sich in dem Speisezimmer, wo Caesar selbst speisen sollte, kaum noch ein Platz fand; es waren nämlich 2000 Mann. Mir wurde ziemlich bange, wie das anderen Tags gehen würde; aber Barba Cassius sprang mir bei. Der stellte mir Posten; Biwak auf freiem Felde, mein Anwesen wurde abgesperrt. Er blieb am dritten Saturnalientage bis 1 Uhr bei Philippus; vorgelassen wurde niemand; wahrscheinlich finanzielle Besprechungen mit Balbus. Den Weg von dort zu mir machte er zu Fuß am Strande entlang. Nach 2 Uhr ins Bad; dabei hörte er von Mamurra; er verzog keine Miene. Dann ließ er sich salben und kam zu Tisch. Er hatte vor, ein Vomitiv zu nehmen; so aß und trank er denn auch unbekümmert und mit Appetit, und es war auch ein ganz glänzendes, prachtvolles Mahl, und nicht nur das, sondern auch „gut gekocht und gut gewürzt, von wackeren Reden begleitet und, wenn du’s wissen willst, behaglich“. Außerdem wurde sein Gefolge an drei Tafeln sehr anständig aufgenommen. Schon den weniger vornehmen Freigelassenen und den Sklaven fehlte es an nichts; die angeseheneren wurden geradezu exquisit bewirtet. Kurz und gut: Ich glaube in Ehren bestanden zu haben. Freilich der Gast nicht so, dass man ihm hätte sagen mögen: „Komm doch bitte wieder herein, wenn du vorbeikommst!“ Einmal genügte mir gerade. In der Unterhaltung kein ernsthaftes Wort, viel Literatur. Genug! Er hatte sein Vergnügen und fühlte sich behaglich. Einen Tag wollte er noch in Puteoli bleiben, einen in Baiae.
Da hast du den Verlauf des Besuches bzw. der Einquartierung, mir, wie gesagt, zuwider, aber nicht unwillkommen.
Puteoli, 19. Dezember 459