Читать книгу Veni, vidi, vici - Wolfgang Will - Страница 9
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Unter Seeräubern:
Der erste große Coup
Caesars frühe Karriere verlief so wie die anderer begabter Aristokraten, die einen Konsul zu ihren Vorfahren zählten. Sie erhielten eine militärische und rhetorische Ausbildung, wurden im Alter von 30 Jahren zu Quästoren gewählt und rückten als Hinterbänkler in den Senat ein.
Die Bekleidung weiterer Ämter, ob (außer der Reihe) Volkstribun oder (in der traditionellen Ämterlaufbahn) Ädil und Prätor, hing von Beziehungen, Geldmitteln und schließlich von den Wählern ab.
Caesar hatte zunächst etwas Pech, denn er befand sich auf der falschen Seite, als Sulla 81 den Bürgerkrieg gewann. Er war mit einer Tochter des Rivalen Cinna, mit Cornelia, verheiratet und weigerte sich ehrenhaft, in die Scheidung einzuwilligen. Stattdessen begab er sich ins Ausland. Im griechischen Osten konnte er Rhetorik studieren, sich militärisch auszeichnen, Geld verdienen, vor allem aber direkter politischer Pression entgehen.
Dieser Weg war nicht ungewöhnlich und also auch kaum erwähnenswert. Entsprechend wissen wir von Caesars erster Reise im Jahre 80 nur wenig, die zweite jedoch wird zum Ereignis. Caesars Seefahrt zur Insel Rhodos im Jahre 75 ist die ausführlichste Episode, die wir aus den ersten immerhin 37 Jahren seines Lebens kennen. Die Geschichte handelt von einer unsanften Begegnung mit Seeräubern, und sie zeigt bereits exemplarisch, was Caesar später auszeichnen wird: eine scheinbar aussichtslose Lage zu seinem Vorteil zu wenden.
Erhalten haben sich nicht weniger als vier Versionen der Geschichte. Sie sind unterschiedlich lang, stimmen aber, von erkennbaren Ausschmückungen im Detail und von Differenzen in der relativen Chronologie abgesehen, durchaus überein. Mit großer Wahrscheinlichkeit gehen sie alle auf eine einzige Biographie zurück, die nicht lange nach Caesars Tod entstand. Sie zeigte sicherlich das offiziöse, von Kritik kaum angekränkelte Bild Caesars. Die Seeräuberepisode ist, wenn auch durch spätere Biographen vermittelt, das erste Zeugnis der Selbstdarstellungskunst Caesars. Was über ihn gesagt wurde, stammt auch von ihm, denn außer ihm konnte niemand davon wissen. Ob aber die Vorgänge so abliefen, wie sie geschildert werden, wissen wir nicht. Sicher ist nur, dass Caesar sie so erzählte.
Caesars Geschichte
Die Geschichte, die er in Rom verbreiten ließ, beginnt im Winter des Jahres 75. Sulla ist bereits vier Jahre tot. Es kommt die Ära des Crassus und des Pompeius, die finanziell und politisch zu den Nutznießern der Diktatur zählten, sich aber nun von den restaurativen Zielen des toten Diktators abwenden.
Für den aufstrebenden Caesar gilt es, sich als Anwalt in Prozessen zu profilieren, für einen Senatssitz ist er noch zu jung. Er zieht zwei Sullaner vor Gericht, die Prozesse kann er nicht gewinnen, doch er verschafft sich, in der Tradition seiner Familie, erstes Ansehen als popularer Politiker. Für größere Karriereschritte ist es zu früh, und so fasst er den Plan, nochmals in den Osten zu reisen. Die Ausbildung bei dem berühmten Rhetoriklehrer Apollonios auf Rhodos gibt er als Grund an, doch Caesar erreicht die Insel erst gar nicht.
Obwohl im Winter die Piratengefahr als gering eingeschätzt wird, kapern Seeräuber das Schiff bei der Insel Pharmakussa, südlich des reichen Milet. Caesar wird als gewinnversprechende Geisel festgehalten. Ein junger römischer Nobilis war nicht billig. Doch die Piraten unterschätzten Caesar – wörtlich genommen. Unsere Quellen zeigen ihn als einen selbstbewussten Mann. Die Seeräuber taxieren ihn auf 20 Talente Lösegeld. Caesar scheint das zu wenig. Er korrigiert sie lachend, sie wüssten ja gar nicht, was sie für einen Fang getan hätten. Er sei 50 Talente wert. Caesar schickt seine Begleiter an die kleinasiatische Küste, damit diese in den einzelnen Gemeinden die geforderte Summe eintreiben. Er selbst bleibt als Geisel unter den „kilikischen Mordbrennern“ zurück.
Plutarch berichtet, wie der Gefangene sich die Zeit verkürzte:
Dabei trieb er es so weit, dass er ihnen in seinem Hochmut Befehl schickte, sich ruhig zu verhalten, wenn er schlafe. Während der 38 Tage, da er sich in ihrer Gewalt befand, spielte und turnte er ohne alle Furcht mit ihnen, als ob er nicht Gefangener, sondern sie seine Trabanten wären. Er verfasste Gedichte und Reden und las sie ihnen vor, und wenn sie ihm keine Bewunderung zollten, schalt er sie unverblümt Barbaren ohne Bildung und Kultur. Oft stieß er lachend die Drohung aus, er werde sie aufknüpfen lassen – und die Kerle hatten ihre Freude daran, hielten sie ihn doch für einen harmlosen, lustigen Patron, der die losen Reden nicht lassen konnte.
Caesar und sein Biograph erzählen das nicht ohne Komik. Der junge Bertolt Brecht war von Plutarchs Bericht so angetan, dass er aus dem Stoff eine Komödie machen wollte: „Caesar bei den Seeräubern.“ Im weiteren Verlauf vergeht aber zuerst den Seeräubern, dann den Lesern der Spaß. Caesar handelt nun. Ähnlich Grillparzers Leon in Wehe dem, der lügt tut Caesar nun im Ernst, was er scheinbar im Scherz angekündigt hat.
Plutarch von Chaironeia
Der populärwissenschaftliche Philosoph, Literat und Biograph verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in der Zurückgezogenheit seines böotischen Heimatstädtchens. Der Katalog seiner Werke umfasste 227 Titel unterschiedlichster Art. Seine Caesarmonographie gehört in die Reihe der Parallelviten, in der jeweils ein Exponent des Griechen- und des Römertums miteinander verglichen werden. Griechisch-makedonischer Widerpart Caesars ist Alexander.
Plutarch verstand sich nicht als Historiker, er wollte Lebensbilder zeichnen. Art der Darstellung und Auswahl des Materials unterstreichen seine pädagogisch-ethischen Absichten. Die Helden besitzen meist Vorbildcharakter. So bemüht sich Plutarch entsprechende Eigenschaften herauszustellen, unterdrückte Kritik jedoch nicht. Kampfdarstellungen interessieren den Biographen nicht, für ihn sind Geschichten wichtig, welche den Charakter des Porträtierten zeigen. Es gibt keinen anderen antiken Autor, der so spannend und pointiert zu erzählen weiß wie Plutarch. Das Bild, das sich die Neuzeit von der Antike macht, beruht wesentlich auf den von ihm verfassten Biographien.
Noch in der Nacht, nachdem er durch öffentliche Gelder der kleinasiatischen Städte freigekauft worden ist, chartert er eine kleine Flotte von Küstenschiffen und kehrt an den Ort seiner Geiselnahme zurück. Er versenkt einen Teil der Piratenschiffe und kapert einen anderen Teil. Nur einige entkommen. Die Seeräuber werden ans Festland gebracht. Offenbar stärker gekränkt, als er zugeben will, ersucht Caesar den Prokonsul Iunius Iuncus, Statthalter von Asien und Bithynien, um die Genehmigung, die Gefangenen hinrichten zu lassen. Dieser verweigert die Erlaubnis. Gefangene ließen sich verkaufen und zu Geld machen. Vielleicht stand er auch in besseren Beziehungen zu den Piraten, als es für einen römischen Beamten schicklich war, denn Seeräuber belieferten den großen Sklavenmarkt auf der Insel Delos: ein einträgliches Geschäft.
So agiert Caesar weiter auf eigene Faust. Bevor eine Anordnung des Statthalters eintreffen kann, gibt er den Befehl, alle Gefangenen zu kreuzigen. Er selbst kehrt seine Milde heraus, denn er lässt die Piraten erdrosseln, bevor sie ans Kreuz geschlagen werden.
Caesar trieb sicher nicht allein Rache. Das Unternehmen brachte ihm auch pekuniären Gewinn. Die Piraten hatten Beute gehortet, die nun als Prise Caesar gehörte. Das Lösegeld fiel zudem in seine Hände zurück. Nachträglich lässt sich verstehen, warum er auf dessen Erhöhung bestanden hatte. Er erstattete es schwerlich den kleinasiatischen Städten zurück, denn sie hatten ihre Aufgabe, die Sicherung der Küstenschifffahrt, vernachlässigt.
Caesar kehrte mit vollen Kassen, vor allem aber mit einer werbewirksamen Geschichte zurück. Er hatte sich so gut ins Gespräch gebracht, dass sogar die Moderne noch staunt. Selbst Christian Meier ist in seiner Caesar-Biographie voll von der Bewunderung, die der Held selbst von sich hegte: „Solche Selbstständigkeit, Selbstherrlichkeit, solch entschiedenes Handeln im Namen, jedenfalls im Sinne der römischen Herrschaft, im Sinne durchschlagender Effizienz, einer Demonstration der Macht; und mit solcher Energie!“1