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Ein Leben wie im Roman

Helmut Fricker

Manchmal sagen die Leute: „Helmut, du musst unbedingt dein Leben aufschreiben, was du und deine Ursula alles erlebt haben... “

Das stimmt schon, ich habe hundert Geschichten zu erzählen und als kleiner Bub, der 1936 in Karlsruhe in die Nazizeit und die Kriegsjahre hineingeboren wurde, habe ich Jahre der Entbehrung erlebt und bewundere heute noch meine Mutter, die mit uns vier Kindern praktisch von der Hand in den Mund lebte. Unsere Wohnung in der Scheffelstraße wurde im Krieg ausgebombt und die Fenster mit Brettern vernagelt. Mutter wusste es nicht, ob Vater überhaupt noch lebte, bis er 1950 plötzlich aus russischer Gefangenschaft heimkehrte und vor unserer Haustür stand. Ecke Kriegs-und Scheffelstraße gab es die Blumenbinderei Hamm, die auch Obst und Gemüse verkaufte.

Johanna Hamm, „die schöne Gärtnerin“, wie sie die Karlsruher nannten, war eine energische Frau. Sie gab mir die Möglichkeit, mein erstes Taschengeld als Laufbursche zu verdienen. Ich habe Blumen ausgeliefert und beim Milch-Kiefer mit dem blechernen Milchkännle für sie eingekauft. Dafür bekam ich jede Woche eine Mark. – Später dann heiratete Johanna Hamm den Maler Otto Laible, der mich und meine Schwester Rosi porträtierte. Noch heute sehe ich das Bild vor mir, habe auch schon überall nach ihm geforscht, selbst im Museum in Haslach, aber ohne Erfolg. Nie vergesse ich den freundlichen alten Herrn, der später auch Direktor der Kunstakademie in Karlsruhe wurde und mit seiner Frau in einem kleinen Häuschen in Daxlanden lebte. Als ich mit meiner Frau Ursula später ein Haus in Mörsch bauen wollte, musste ich 2.000 Mark Eigenkapital erbringen. Wen sollte ich darum bitten? Da fiel mir der Maler ein, der mir ohne zu zögern das Geld gab, das ich ihm noch vor meiner späteren Auswanderung nach Amerika zurückbezahlte.

Mit 14 Jahren fing ich als Lehrling in der Buchbinderei Schick an und ließ mich zum Meister der Kunst-Buchbinderei ausbilden. Später wechselte ich dann als Industrie-Buchbinder zum Verlag G. Braun. Meine spätere Frau Ursula, mit der ich jetzt 57 Jahre lang glücklich verheiratet bin, lernte ich als 16-jähriges Mädchen in Rappenwört unter dem Dach des Milchhäusle kennen. Ihre Kollegin, mit der sie damals beim Geschirr-und Geschenkhaus Eberhard am Ludwigsplatz angestellt war, hatte ich auf dem Rosenball kennengelernt. Als die beiden eines Tages das Schaufenster dekorierten, kam ich zufällig vorbei und sie sagte zu Ursula: „Guck, da isch der widder vom Roseball ... “ Und als ich kurze Zeit später in Rappenwört war und ein Regenguss einsetzte, flüchtete ich unter das Dach des Milchhäusle, sah Ursula und verliebte mich in sie. Die andere versuchte uns auseinanderzubringen, erzählte Ursula, dass ich sie geküsst hätte, aber das hatte sie nur erfunden, um uns auseinanderzubringen.

Sie war zwanzig, ich war dreiundzwanzig, als wir heirateten, ohne einen Pfennig Geld und mit Hilfe der Familie ein Haus in Mörsch bauten, das heute noch steht. Gemeinsam mit Ursula richtete ich dort einen Lebensmittelladen ein, der gut lief, bis der erste Supermarkt „Cash und Carry“ eröffnete. Sechs kleine Läden starben damals innerhalb eines Jahres. Wie mühsam hatten wir uns unser Haus erspart, jeden Nagel hatte ich auf der Straße aufgehoben und ihn gerade gebogen, jedes Stück Holz aufgesammelt, bei einem Architekten das Einschalen und Zementieren gelernt und nebenher machte ich noch Musik mit meiner Band, die wir „Ruck Zuck“ nannten und mit der ich erfolgreich bei Karlsruher Veranstaltungen auftrat. Ich spielte Posaune, Trompete, Ziehharmonika – und singen und in die Bütt steigen konnte ich auch. Auch das Fotografieren und das Entwickeln der Bilder in meinem kleinen Labor benutzte ich dazu, um hin und wieder ein Foto an die Badischen Neuesten Nachrichten zu verkaufen. Wie stolz war ich, als unter den Pressefotos der Name Fricker stand. Nachts um drei bin ich noch in die BNN geradelt, wenn irgendwo ein Unfall war oder wie damals in der IWKA ein Feuer ausgebrochen war.

Die Musik aber, die wurde später, als ich mit meiner Frau und unseren beiden Kindern nach Amerika auswanderte, der Grundstein für meinen Erfolg als Entertainer und Tiroler Jodler in Lederhosen und Trachtenjanker im Tiroler-Spezialitäten-Restaurant. Bald schon hatte ich die Idee, gemeinsam mit dem Paulaner Bräu, das erste „Oktoberfest“ in Denver auf die Beine zu stellen. Die Amerikaner waren so begeistert, dass ich schon bald das erste Fernsehinterview hatte und lange Berichte in den lokalen Zeitungen über mich erschienen. Ich konnte ja kaum ein paar Sätze Englisch und gestikulierte wie die Italiener mit Händen und Füßen. Aber zurück nach Karlsruhe. Dort habe ich bei meinen Auftritten als junger Musiker die Leute begeistert mit Texten wie:

Karlsruh wird, man weiß net wie,

bald e Weltstadt sei.

Früher lags bloß an der Alb

und heut liegts scho am Rhein.

Bald wird Schtuttgart oigemeint,

Pforze a, hajo,

Bade-Bade wart scho druff

Und scho isch’d Weltstadt do!

Und wie kam ich von Karlsruhe nach Amerika?

Unsere Nachbarn in Mörsch waren deutsche Frauen, die mit amerikanischen Offizieren verheiratet waren. Wir freundeten uns an und irgendwann konnten sie uns dazu bewegen, alles zu verkaufen und mit zwei Kindern, zwei Koffern und 85 DM unser Glück in Amerika zu versuchen. Meinen Beruf als Buchbinder übe ich in Amerika heute noch aus und meine Musik und mein Gesang im Nobelskiort Vail in Denver haben dazu geführt, dass der frühere Ex-Präsident Ford und seine Frau Betty, die in Vail ein Haus hatten, auf mich aufmerksam wurden. Ford lud einmal jährlich andere Politiker ein wie Helmut Schmidt und seine Frau Loki oder auch Giscard d’Estaing und viele andere berühmte Ex-Präsidenten. Meine Frau Ursula machte dann das Catering und ihre berühmte Linzer Torte und ich sorgte für das Entertainment. Einmal hatte ich die Idee, die ganze Runde zu mir nach Hause einzuladen, und alle sind gekommen.

Hopfenduft und Butterbrezel

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