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Blinder Passagier

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Heiner zappelte schon wieder auf seinem Platz herum. Diesmal bekam die Nonne einige Püffe ab. Warum sitzt Heiner jetzt neben der Nonne?, fragte sich Hano, doch sein Erstaunen wurde noch größer, als er bemerkte, dass sein Sitz nicht mehr vorhanden war. Die ganze Reihe bestand nur noch aus vier Plätzen: zwei für die Nonnen und zwei für Heiner mit Mutter. Der Mittelplatz fehlte! Verwirrt stand Hano im Gang und wusste nicht, wo er sich hinsetzen sollte.

Eine Flugbegleiterin – die gleiche, welche die Toiletten­tür aufgeschlossen hatte – kam auf ihn zu und fragte: „Kann ich Ihnen helfen?“

„Mein Platz ist verschwunden“, sagte Hano.

„Wo haben Sie denn gesessen?“, hakte die Stewardess nach.

„Na hier!“, behauptete Hano! „Auf dem Mittelplatz zwi­schen den beiden Ordensschwestern und dem Knaben.“

„Hier gibt es keinen Mittelplatz!“, stellte die Dame klar. „Sie müssen sich irren! Das kann ja mal vorkommen!“ Sie wandte sich an die beiden Nonnen. „Haben sie den Herrn schon mal gesehen?“

Die beiden schüttelten den Kopf.

„Aber Heiner muss mich erkennen!“, behauptete Hano. „Wir haben doch beide Pipi gemacht!“

Heiner hob empört den Kopf. „Ich kann schon alleine Pipi machen!“, und die Mutter zog ihn an sich heran. „Was erlauben Sie sich?“

Die Flugbegleiterin zog eine Bordchipkarte aus ihrer Uniformtasche und hielt sie Hano hin. „Das ist alles kein Problem“, lächelte sie freundlich. „Ihren Platz werden wir sofort haben!“

Hano hielt ihr seine rechte Hand hin, und sie strich mit der Karte darüber.

„Merkwürdig“, sagte sie, „ich kann Sie nicht finden. Sie sind gar nicht in dieser Maschine! Genauer gesagt gibt es Sie auch gar nicht!“

„Sie sehen mich doch aber mit eigenen Augen!“, protes­tierte Hano.

„Das mit dem Sehen ist so eine Sache“, widersprach die Dame, „nicht alles, was man sieht, gibt es auch.“

„Aber Gott sieht man auch nicht, und trotzdem gibt es ihn!“, mischte sich eine der Nonnen ein.

„Das ist ganz was anderes!“, wehrte die Stewardess ab. „Das ist eine Frage des Glaubens, doch hier ist es genau umgekehrt. Der Herr glaubt, dass er einen Platz zwischen Ihnen hatte, doch er sieht ihn nicht!“

Die Nonne bekreuzigte sich und murmelte etwas von Exorzismus. Sie glaubte natürlich, Hano würde sie nicht hören, doch sein übernatürlicher Sinn verstand jedes Wort. Er begann, die Zusammenhänge zu begreifen. Hätte er nur nicht mit seiner ID-Chip-Hand in die blaue Brühe gefasst. Dabei war vermutlich sein Chip zerstört worden, und ohne Chip gab es ihn auch nicht mehr.

Hano ahnte nicht, dass er der Wahrheit erstaunlich nah gekommen war. Doch nicht ganz!

„Wie dem auch sei“, stellte die Flugbegleiterin fest, „Sie sind nun einmal da, also müssen wir sie auch irgendwo unterbringen. Kommen Sie mal bitte mit!“

Hano folgte ihr zur Pantry, wo sie ihn bat, vor dem Vor­hang zu warten. Das gab ihm Gelegenheit, die ganze Standard Class zu überblicken. Er war sich sicher, vorhin elf Plätze je Reihe gezählt zu haben. Jetzt waren es nur noch 10 Sitze, davon vier zwischen den Gängen. Sollte er sich so geirrt haben? Andererseits war ein Irrtum ausge­schlossen, denn er hatte ja einen Platz gehabt – der jetzt allerdings nicht mehr vorhanden war. Das galt aber auch für alle anderen Mittelplätze. Wo waren die rund 50 Pas­sagiere, die dort gesessen hatten?

Durch den geschlossenen Vorhang konnte er jedes Wort verstehen, obwohl die Flugbegleiterin sich Mühe gab, leise zu sprechen. Von seinen besonderen Fähigkeiten wusste sie ja nichts.

Der Purser Harald Gniesewitz teilte gerade die Kabinen­crew ein. Die erste Mahlzeit sollte serviert werden.

„Wir haben einen überzähligen Passagier an Bord“, mel­dete die Flugbegleiterin.

„Einen Blinden Passagier?“, fragte Gniesewitz. „Wie soll das möglich sein?“

„Schauen Sie selbst!“ Sie hielt ihm ihre Bordchipkarte hin. Er zog diese durch einen Schlitz und überzeugte sich, dass der Mann vor dem Vorhang gar nicht exis­tierte. Er war nicht nur für diesen Flug nicht gemeldet, sondern es gab ihn gar nicht. Das war unmöglich. Jeder legale Mensch hatte eine gespeicherte Identität. Der hier nicht!

Das bedeutete, dass er illegal war. Doch wie war er an Bord des Flugzeugs gekommen? Die Sicherheitsmaßnah­men ließen dies gar nicht zu!

Der Purser musste eine Entscheidung treffen, bei der er schlichtweg überfordert war. Das war Sache des Flugka­pitäns.

„Hier Gniesewitz, Kapitän, wir haben eine illegale Per­son an Bord!“, teilte er über Intercom mit.

Kapitän Hovman überprüfte gerade mit seinem Kopilo­ten die Koordinaten des Autopiloten und liebte keine Unterbrechung.

„In die Krankenstation!“, befahl er kurz und knapp und unterbrach das Gespräch wieder.

„Er soll in die Krankenstation!“, gab Gniesewitz an die Flugbegleiterin weiter. „Ich mach das selbst!“

Die Krankenstation wurde auch als Arrestraum benutzt, wenn ein Passagier mal ruhiggestellt werden musste. Sie befand sich im Crewbereich, der für Passagiere sonst nicht zugänglich war.

Hano hatte alles mit angehört und folgte dem Purser bereitwillig. Er verstand die Welt nicht mehr, und jetzt hielt man ihn sogar für krank … oder verrückt!

Gniesewitz führte ihn die Treppe zum VUC-Bereich hin­auf. Dort wurden die VIPs betreut. Hano sah erstaunt die bequemen Polstermöbel, die vollautomatisch in Schlaf­liegen umgewandelt werden konnten. Im hinteren Teil gab es nicht nur Toiletten, sondern auch Duschkabinen und einen Whirlpool, in dem sich gerade ein fetter Mann mit zwei vollbusigen Damen amüsierte. Ja, so konnte das Reisen Spaß machen!

Am Ende des Ganges befand sich eine unauffällige Tür, die vom Purser mit einem Spezialschlüssel geöffnet wurde. Eine Fahrstuhltür öffnete sich. Der Lift brachte sie weiter nach oben zu den Mannschaftsruheräumen. Mehrere Liegen standen bereit, doch zurzeit war alles leer. Eine Tür war mit einem grünen Kreuz gekennzeich­net. Offensichtlich die Krankenstation. Gniesewitz schob Hano hinein. „Machen Sie es sich bequem!“, sagte er höflich. Dann schloss er die Tür und verriegelte sie von außen. Hano war gefangen.

Außer einem Bett mit mehreren Decken befanden sich nur noch ein Hocker in dem Raum und ein Waschbecken an der Wand. Das war auf jeden Fall besser als in den engen Sitzreihen der Standard Class. Zufrieden streckte sich Hano auf dem Bett aus und war nach kurzer Zeit ein­geschlafen.

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