Читать книгу Ein Dom und sein Krieger - Xenia Melzer - Страница 8

Kapitel 3

Оглавление

„Hi, Leeland, Emilio! Es ist schön, euch zu sehen!“

Leeland konnte bei Collins überschwänglicher Begrüßung ein Lächeln nicht unterdrücken. Der zerstreute Künstler war einfach zu niedlich.

„Hi, Collin. Danke, dass wir kommen durften!“

Collin umarmte zuerst Leeland, dann Emilio. „Nicht der Rede wert. Ich bin so aufgeregt. Die anderen sind schon da und Martin ist bei Richard und ich habe ganz allein Essen bei Mamma’s bestellt und Dean hatte recht, es ist wirklich einfach und wir werden Pasta essen und Salat und Tonnen von Nachspeise, weil Nachspeise einfach nur das Beste ist und Martin hat den Fernseher für mich vorbereitet, damit ich nur zwei Knöpfe drücken muss.“

Leeland grinste. Für einen typischen Collin-Satz war dieser relativ kurz gewesen. „Ich freue mich darauf.“

Sie folgten dem glücklich hüpfenden Collin in die riesige Villa in der er und sein Dom, Martin Carmichael, Mitbesitzer des Clubs Whisper, wohnten. Leeland stellte sicher, dass Emilio in seiner Nähe blieb. Der hübsche Sub mit den dunklen Augen und den sündigen Lippen wirkte zögerlich, was Leeland verstehen konnte. Martins Haus war riesig, der unglaubliche Reichtum seines Besitzers spiegelte sich in jedem kleinen Detail, von den polierten, antiken Messingknöpfen an den Türen über die glänzenden Hartholzböden bis hin zu den sparsam verteilten Dekorationsstücken, die ihren Wert praktisch herausschrien. Und das war nur der Flur. Das Einzige, was die einschüchternde Atmosphäre ein wenig dämpfte, waren die Skizzenblöcke, Pinsel, Kreiden und Bleistifte, die überall herumlagen. Leeland wusste, dass Martin wollte, dass Collin seine Kunst auf das Konservatorium beschränkte, das sein Atelier war, aber das war eine unmögliche Forderung. Collin arbeitete, wo immer ihn die Muse küsste und wenn das im Flur geschah, dann fing er dort zu skizzieren an und vergaß in der Regel, hinterher aufzuräumen. Sie alle hatten gelernt, sich mit Vorsicht in Collins Heim zu bewegen. Auf einem Bleistift auszurutschen war nicht lustig. Auf ihrem Weg zu den anderen, kamen sie an einer Wand vorbei, die bei Leelands letztem Besuch noch leer gewesen war. Jetzt befand sich darauf die große Skizze eines nackten Mannes mit halb ausgebreiteten Flügeln, einem Halsband um seinen Hals und einer Kette in seinen Händen. Die Enden der Kette waren auf eine Weise gezeichnet, dass sie sich in einen Schwarm Schmetterlinge verwandelten, der an der Wand entlangflog. Es gab noch keine Farbe, aber das Bild war bereits faszinierend.

„Das ist wunderschön, Collin.“

Collin hielt an und blickte mit zur Seite geneigtem Kopf nach rechts.

„Ich weiß. Wir sind vor ein paar Tagen gerade vom Whisper zurückgekommen und als Martin die Tür geöffnet hat, habe ich gesehen, wie ein paar Motten im Licht über dem Eingang tanzten und mir wurde klar, wie sehr Flügel mit Subs verbunden sind und wie wichtig es ist zu fliegen und wie die Ketten uns wirklich helfen, wie alles transzendiert und ich konnte nicht aufhören zu zeichnen und ich weiß schon, welche Farben ich brauche und ich bin so froh, dass Martin gesagt hat, es ist in Ordnung die Wand zu benutzen, weil sie einfach dort sein muss und ich kann mir aus irgendeinem Grund nicht vorstellen, wie es auf der Leinwand ist, und ich brauche echte Ketten, die ich einarbeiten werde.“

Leeland lächelte. Es war niedlich, wie aufgeregt Collin wurde, wann immer er über seine Arbeit sprach. Es war auch erfrischend, Zeit mit jemandem zu verbringen, der eine so einzigartige Sicht auf die Welt hatte.

Jetzt führte Collin sie ins Wohnzimmer, wo Dean, Richards Ehemann, Peyton, Deans Freund und genialer Inneneinrichter und Curtis, Kunstgalerist und Collins Agent, auf zwei riesigen cremefarbenen Sofas lümmelten, die den Raum dominierten.

„Seht wer gekommen ist!“

Peyton sprang von seinem Sitz auf, um zuerst Leeland und dann Emilio zu umarmen. Dean und Curtis folgten seinem Beispiel. Aus dem Augenwinkel sah Leeland zu, wie Dean Emilio umarmte. Der junge Mann verspannte sich für einen Moment, ehe er locker wurde. Als Deans Eltern versucht hatten, ihm seine Nichte – jetzt Tochter – Emily vor beinahe einem Jahr wegzunehmen, hatten sie einen Privatdetektiv angeheuert, um belastende Beweise zu finden, dass Dean und Richard nicht in der Lage waren, sich um ein Baby zu kümmern. Weil die Sicherheitsvorkehrungen im Whisper zu streng waren, als dass ein Außenstehender einfach so hereinspazieren könnte, hatte der Privatdetektiv Emilio bedroht und ihn gezwungen, Bilder von Dean und Richard in ihrer Lederkluft im Whisper zu machen. Emilio war klug genug gewesen, nichts explizit Sexuelles zu fotografieren, weil er angenommen hatte, dass die Bilder dann wertlos wären, was der Grund war, warum Richard und Martin ihn nicht von seinem Job im Whisper gefeuert hatten. Er hatte seine Strafe erhalten, war aber in der Nähe von Dean immer noch ein wenig nervös, als ob er nicht glauben konnte, dass der Schriftsteller ihm wirklich vergeben hatte. Leeland lächelte. Dean war ein großzügiger Mann, der Emilio mit offenen Armen in ihrer kleinen Gang aus Subs willkommen geheißen hatte.

Es klingelte, was Collin dazu brachte, wieder nach draußen zu rasen.

„Das Essen!“

Nur ein paar Augenblicke später trugen zwei Männer große Wärmeboxen mit dem Logo von Mamma’s auf der Seite ins Wohnzimmer. Der verführerische Geruch ließ Leeland das Wasser im Mund zusammenlaufen. Curtis atmete tief ein, runzelte dann seine Brauen.

„Sollten wir das nicht in die Küche bringen?“

Collin sah verwirrt aus. „Warum?“

„Weil das hier das Wohnzimmer ist, nicht das Esszimmer?“ Curtis erweckte den Eindruck, als würde er versuchen, ein Lachen zu unterdrücken.

Dennoch schien Collin nicht zu verstehen. „Wir essen nicht hier?“

Dean legte einen Arm um Collins Taille. „Es ist dein Haus, Süßer. Wir essen, wo immer du willst. Mr. Gentleman da drüben weiß nur nicht, dass man im Wohnzimmer essen kann. Das ist ein ihm fremdes Konzept.“

Dean warf Curtis ein schelmisches Lächeln zu, eines das der ältere Mann sehr erwachsen mit einer herausgestreckten Zunge erwiderte.

Collins Augen waren groß geworden. „Man isst nicht im Wohnzimmer?“

Curtis grinste. „Wie Dean schon gesagt hat, das hier ist dein Haus. Wir essen, wo du willst. Ich war nur – überrascht von deiner Wahl der Lokalität.“

Collin seufzte erleichtert.

„Ich denke, es ist schön hier zu essen. Das Sofa ist sehr bequem. Peyton hat es ausgesucht. Und heute müssen wir uns keine Sorgen darüber machen, dass Dog alles von unseren Tellern klaut, weil Martin ihn mit zu Richard genommen hat, damit er mit Donar und Thor und Wilma und Fred spielen kann, obwohl er vielleicht ein wenig enttäuscht sein wird, weil Dean gesagt hat, dass Emily schon schläft und Dog liebt es auch, mit ihr zu spielen.“

Leeland und Dean teilten einen Blick. Es war für jeden außer Collin eine Überraschung gewesen, wie gut der Wachhund mit den beiden Hunden von Deans Schwiegervater und den beiden Katzen, die Richard für Emily besorgt hatte, auskam.

„Collin, Sugar, wir brauchen aber trotzdem Besteck und Teller. Es macht mir nichts aus, hier zu campen, aber ich werde auf gar keinen Fall aus demselben Behältnis essen wie alle anderen. Dafür ist nicht annähernd genügend Alkohol im Spiel.“ Peyton ließ sein charmantestes Lächeln aufblitzen. „Und wenn einer von euch einen Fleck auf das Sofa oder den Teppich macht, werde ich euch an den Eiern aufhängen, und zwar nicht auf die gute Weise.“

Als sie ihn alle anstarrten, zuckte er mit den Schultern. „Hey, es war ein Albtraum diese Sofas zu bekommen.“

Nach dieser Warnung half Leeland Curtis und Collin, das Geschirr ins Wohnzimmer zu tragen. Peyton hatte die verschiedenen Behälter bereits geöffnet und der himmlische Geruch von Pasta verbreitete sich in der Luft.

Leeland leckte sich die Lippen. „Was hast du bestellt?“

Collin errötete. „Ich wusste nicht, was jeder möchte, darum habe ich sie gebeten, mir eine Auswahl ihrer Pasta-Gerichte zu schicken, etwas Salat und jede Menge Nachspeise.“

„Du meinst jede Menge Tiramisu.“ Leeland grinste, als Collin hilfesuchend zu Dean schaute.

„Ich finde Tiramisu ist die perfekte Wahl.“ Dean tätschelte beruhigend Collins Hand. „Wenn du keines willst, umso besser. Mehr für uns.“

„Hey, denk nicht einmal daran, all diese cremige Köstlichkeit für dich zu beanspruchen! Wir wollen unseren Anteil, nicht wahr, Emilio?“ Peyton stieß den jüngsten Mann in ihrer Mitte mit dem Ellbogen an.

Emilio sah aus wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Leeland war sich nicht sicher, ob Emilio ein schüchterner Mensch war oder ob die Jahre, die er auf der Straße verbracht hatte, ihn so gemacht hatten. Jetzt wand er sich unter der gebündelten Aufmerksamkeit aller Männer.

„Ich … ich sollte wahrscheinlich gar nichts essen. Master Garrett hat eine strikte Diät für mich.“

Leeland runzelte die Brauen. In seinem Hinterkopf fing eine Alarmglocke zu schrillen an. Emilio hatte vor ungefähr vier Monaten angefangen, Sessions mit Master Garrett zu machen. Zwei Monate später hatte der Master ihn auf das erste Date eingeladen. Bis jetzt hatte Leeland den Eindruck gehabt, dass zwischen den beiden alles gut lief. Emilio schien unter der Aufmerksamkeit und Fürsorge, die er von Master Garrett erhielt, aufzublühen.

„Warum lässt er dich Diät halten?“ Curtis stellte die Frage, ehe Leeland es konnte.

Eine tiefe Röte stieg in Emilios Wangen. „Er will meine Kondition verbessern. Für unsere Sessions. Er … Master Garrett kann ziemlich intensiv sein. Er will, dass ich in der Lage bin, die heftigeren Sessions zu überstehen, ohne dass ich am Ende ohnmächtig werde. Ich gehe fünfmal die Woche in sein Fitnessstudio.“

Das ergab Sinn und war nicht das schlimme Szenario, das Leeland sich vorgestellt hatte. Dennoch fühlte es sich irgendwie falsch an. Als ob Emilio nicht ganz glücklich war. Leeland konnte den Standpunkt von Master Garrett verstehen. Dem Mann gehörte eine Kette hochklassiger Fitnessstudios überall in den Staaten. Er war seine eigene beste Werbung, ein perfekt gebauter Prachtkerl, dessen wunderschön geformte Muskeln nicht von einem Gramm Fett verunziert wurden. Emilio war – normal. Er hatte den Körper eines jungen Mannes, der seine Zeit mit Arbeit und Lernen verbrachte. Fitnessratten-Material war er nicht. Als er ihn näher betrachtete, entdeckte Leeland einige Veränderungen an Emilios Körperbau. Seine Oberarme in dem einfachen grünen Polohemd, das er trug, schienen definierter zu sein, sein Brustkorb ein wenig breiter als zuvor. Ja, er trainierte ganz eindeutig.

„Hat er irgendetwas über Essenverbote heute Abend gesagt? Er muss schließlich gewusst haben, dass es hier Essen geben würde.“ Dean klang besorgt.

Emilio schüttelte den Kopf. „Er hat nichts gesagt. Aber das letzte Mal, als ich mich nicht an meine Diät gehalten habe, hat er mich das ganze Wochenende über in einen Cockcage gesteckt und hat mich gefickt, wann immer ihm der Sinn danach stand. Am Montagmorgen hat er ihn abgenommen, mich nach Hause geschickt und mir für die ganze Woche verboten zu kommen.“

Ein kollektives Wimmern kam von Dean und Curtis. Leeland schauderte. Cockcages waren gemein. Und Master Garrett war einer der strengsten Doms im Whisper, sogar noch strenger als Richard und Martin, die im Grunde genommen Weicheier waren und so gründlich um Deans und Collins Finger gewickelt, dass es nicht einmal mehr lustig war. Jonathan hatte etwas mehr Biss, aber auch er konnte ganz leicht mit einem Schmollen oder einem bittenden Blick überzeugt werden. Es war interessant, wie die Liebe eine Person verändern konnte.

„Die Frage ist, willst du bestraft werden?“

Peytons Stimme riss Leeland aus seinen Überlegungen. Wie immer kam der lebhafte Blondschopf gleich zum Kern der Sache. Sich eine Bestrafung einzuhandeln, konnte Spaß machen, je nachdem, welche Art Strafe ein Dom verhängte. Sogar Cockcages hatten ihre guten Seiten, obwohl Leeland nicht allzu scharf auf sie war.

Emilio wirkte hin- und hergerissen. „Ich weiß nicht. Er ist so streng.“

„Ich nehme an, es ihm nicht zu sagen, kommt nicht infrage?“

Peyton klang pragmatisch. Curtis schüttelte den Kopf.

„Ein Sub lügt seinen Master nicht an. Zumindest nicht in einer funktionierenden Beziehung. Absolute Ehrlichkeit ist bei BDSM sehr wichtig.“

„Und ihr Jungs wundert euch, warum ich den Schmerzen keine Chance geben will.“ Peyton warf seine Hände in die Luft. „Triff deine Entscheidung, Emilio. Wirst du böse sein?“

So wie Peyton es sagte, mussten sie alle lächeln. Sogar Emilio, der immer noch unentschlossen wirkte.

„Vielleicht nur ein wenig. Wenn es nur eine kleine Portion ist …“

„Schön, das ist geregelt. Ich bin am Verhungern!“

Mit diesen Worten schnappte Peyton sich einen Teller und fing an, ihn mit den verschiedenen Pasta-Variationen zu beladen. Sie alle folgten seinem Beispiel, Emilio eingeschlossen, der ungefähr vier Spaghetti aglio e olio auf seinen Teller legte, bevor er sich neben Leeland setzte. Für eine Weile herrschte glückliches Schweigen.

Als ihr schlimmster Hunger gestillt war, oder zumindest Peytons schlimmster Hunger, sah er sich mit diesem abenteuerlustigen Glitzern in seinen Augen um, das sie alle zu fürchten gelernt hatten.

„Gibt es irgendwelche saftigen Neuigkeiten, die wir erfahren müssen?“

Leeland spannte sich an, hoffte, dass einer der anderen etwas Haarsträubendes verkünden würde, das sie den ganzen Abend beschäftigen würde. Er hatte kein Glück. Einer nach dem anderen schüttelten die Männer den Kopf. Collin und Martin diskutierten immer noch über das perfekte Datum für ihre Hochzeit und ehe das Datum nicht feststand, hatte Martin ihnen verboten, über die Hochzeit selbst zu reden, weil es Collin verwirrte, wenn er mit so vielen Entscheidungen konfrontiert wurde. Leeland war sich beinahe sicher, dass Martin irgendwann einen Hochzeitsplaner anheuern würde, nur um seinen Boy davon abzuhalten, sich zu sehr zu stressen. Nicht einmal Dean schien irgendwelche Neuigkeiten von der Leihmutterschaft zu haben, ein Thema, das sie immer gut unterhielt. Vor ungefähr fünf Monaten hatten Richard und Dean eine Leihmutter gefunden, die jetzt versuchte, schwanger zu werden. Die erste Runde war fehlgeschlagen und Dean immer noch enttäuscht. Hoffentlich würde der nächste Versuch von Erfolg gekrönt sein.

Leeland holte tief Luft. Er würde es ihnen irgendwann sagen müssen und wenn die anderen dabei waren, würde Peyton vielleicht nicht vollkommen durchdrehen.

„Äh, ich habe … irgendwie Neuigkeiten.“

Leeland spürte, wie sich alle Augen auf ihn richteten. Ein kalter Schauder lief an seinem Rückgrat nach oben. Es würde ein Massaker werden.

„Jonathan hat mich gebeten, bei ihm einzuziehen und ich – habe zugestimmt.“

Das Zimmer explodierte in Chaos.

„Leeland, wie wunderbar! Glückwunsch!“ Das war Dean.

„Ooh, umzuziehen kann Spaß machen, man findet Sachen, von denen man nicht wusste, dass man sie hat, das ist wie ein Abenteuer!“, fügte Collin hinzu.

„Herzlichen Glückwunsch, Leeland. Du und Jonathan, ihr seid so ein gutes Paar. Ich bin mir sicher, dass es hervorragend wird.“ Curtis, freundlich und unterstützend wie immer, mit einer Spur Traurigkeit und Sehnen in seinen Augen.

„Das ist toll, Leeland.“ Emilio sagte nichts weiter. Er sorgte sich wahrscheinlich immer noch wegen der drei Nudeln, die er zu sich genommen hatte.

„Was?“ Der schrille Klang von Peytons Stimme erhob sich mühelos über die der anderen. „Ich habe gerade Wochen damit zugebracht, das Apartment perfekt zu machen, und jetzt willst du ausziehen? Und noch dazu in diesen Schweinestall? Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie lange ich gebraucht habe, um die perfekte Farbe für die Küche zu finden? Oder um diese Kommode zu bekommen, von der du gesagt hast, dass sie dir so gut gefällt? Es war ein Albtraum, das kann ich dir sagen. Ich musste in diese kleine Hinterwäldlerstadt fahren, an deren Namen ich mich nicht einmal erinnern kann und mit einer alten Hexe verhandeln, die sich aus ‚sentimentalen Gründen‘ nicht davon trennen wollte und ich musste ungefähr eine Tonne ihrer steinharten Kekse essen und reden, bis mir die Zunge ausgefallen ist, ehe sie endlich zugestimmt hat, sie zu verkaufen. Und ich will erst gar nicht mit dem Holzboden in deinem Schlafzimmer anfangen oder ich werde dich töten müssen!“

Peytons Stimme wurde mit jedem Wort lauter, bis sie eine Höhe erreichte, von der Leeland sich vorstellen konnte, dass der Schrei einer Banshee so klingen würde, wenn diese Kreaturen existierten. Leeland zuckte zusammen. Es war übel.

„Es tut mir leid. Wirklich. Ich weiß, wie hart du gearbeitet hast und ich weiß das zu schätzen. Sehr sogar. Es ist nur so, das ist das erste Mal, dass ich bei jemandem einziehe.“

„Ja, lass ihn in Ruhe, Peyton. Das sind großartige Neuigkeiten.“ Dean versuchte, Peyton zu beruhigen, wofür Leeland dankbar war.

Peyton sah für einen Moment zögerlich aus, wog eindeutig die Vorteile, seinen Anfall weiterzuführen gegen die Möglichkeit, herunterzufahren, ab. Ein gefährliches Glitzern glomm in seinen Augen. Mit einem Mal fühlte Leeland sich wie eine Maus, die von einer athletischen Katze in die Ecke getrieben worden war. Nicht noch so viel Selbstverteidigungstraining konnte ihn auf Peyton vorbereiten, wenn der eine seiner Stimmungen hatte.

„Nun, ich werde dir vielleicht vergeben. Da meine Bemühungen in deinem Apartment ganz eindeutig umsonst waren, könnte ich davon überzeugt werden, nicht länger wütend auf dich zu sein, wenn du mir freie Hand bei Jonathans Apartment lässt.“

Leeland schluckte. Jonathan hat gesagt, dass er alles tun würde, erinnerte er sich selbst. Wie schlimm konnte es werden? Du sagst der Harley besser auf Wiedersehen. Für einen Moment zögerte Leeland, aber dann gab er nach. Welche Wahl hatte er schon? Er wollte wirklich mit seinem Master zusammenwohnen.

„Schön. Ich werde es Jonathan sagen.“

Ein zufriedenes Grinsen sagte Leeland, wie sehr er gerade manipuliert worden war. Er konnte jedoch nicht böse sein. Trotz seiner Unberechenbarkeit war Peyton ein guter Freund – und Jonathans Apartment konnte eine kleine Auffrischung vertragen. Nun ja, nicht so klein, wenn Peyton das Sagen hatte, aber es würde den Wiederverkaufswert enorm steigern. Und wenn er weiter gute Gründe fand, würde er am Ende vielleicht sogar an einen davon glauben.

„Jetzt, da das geklärt ist, … Collin, welchen Film hast du ausgesucht?“

Peyton wirkte vollkommen ruhig, wahrscheinlich, weil er gerade seinen Willen ohne große Anstrengungen von seiner Seite bekommen hatte. Leeland konnte eine gewisse Schadenfreude nicht unterdrücken, als Peyton das glückliche Lächeln sah, das sich auf Collins Lippen formte, während sein eigenes Gesicht lang wurde.

„Nein! Nicht SCHON WIEDER The Nightmare Before Christmas!“

Collin zog einen Schmollmund. „Hey, dieser Film ist großartig. Aber keine Sorge. Wir werden uns Corpse Bride anschauen.“

Jetzt waren Curtis und Dean an der Reihe zu stöhnen.

„Ich weine am Ende dieses Films immer. Wegen jemandem, der schon tot ist!“ Curtis wimmerte beinahe.

„Ich habe Taschentücher“, bot Collin hilfsbereit an.

Ehe Curtis eine Antwort geben konnte, mischte Peyton sich ein. „Du hast Nerven. Du hast uns gezwungen, Eyes Wide Shut anzusehen, als wir das letzte Mal bei dir waren!“

„Dieser Film ist ein Klassiker!“, protestierte Curtis.

„Das macht ihn nicht gut. Das nächste Mal treffen wir uns in meinem Apartment.“

Curtis schnaubte. „Auf gar keinen Fall. Ich werde nicht noch einen Vin Diesel Marathon über mich ergehen lassen.“

Peyton verdrehte die Augen. „Vin ist ein Hengst.“

„Das mag ja sein, aber seine Filme sind Müll.“ Curtis‘ hitziges Argument wurde von einem wild nickenden Dean bekräftigt.

Peyton hielt seine Hände protestierend in die Höhe. „Hey, nur weil es nicht viel Dialog gibt –“

„Versuch es mit gar keinem“, murmelte Dean leise, was ihm einen bösen Blick von Peyton einbrachte.

„– heißt das nicht, dass es keine tiefere Bedeutung …“

„Oh bitte, welche tiefere Bedeutung kann es in The Fast and the Furious schon geben?“ Curtis klang entnervt.

„Schnallt euch immer an?“ Emilios Stimme war leise, schüchtern, als ob er sich nicht sicher war, wie seine Bemerkung aufgenommen werden würde.

Für einen Moment herrschte erstauntes Schweigen. Dann fingen die Männer zu lachen an, Peyton inklusive.

„Schön, das muss ich zugeben.“ Peyton hatte Tränen in den Augen.

Emilio lächelte schüchtern, eindeutig glücklich, dass sein Scherz so gut aufgenommen worden war. Dean schlug ihm auf die Schulter.

„Wie wäre es, wenn wir nächste Woche einen Colin Firth Marathon machen? Ich denke, wir sind uns alle einig, dass er ein Prachtkerl ist, und seine Filme sind angemessen intellektuell – na ja, die meisten jedenfalls.“

Die anderen nickten. Die Wahl des Films führte immer zu einer lebhaften Diskussion in ihrer kleinen Gruppe. Nach den Regeln hatte der Gastgeber das Recht zu entscheiden, was manchmal anstrengend sein konnte. Es führte auch dazu, dass sie alle Filme sahen, die sie sonst nie ausgesucht hätten, darum funktionierte das System Leelands Meinung nach. Sie brachten ihr schmutziges Geschirr weg, holten Schüsseln, die sie mit Tiramisu und Pannacotta füllten und machten es sich dann auf den beiden Sofas bequem, um zu sehen, wie die Toten lebendig wurden.

Als der Schmetterling anfing, durch die seltsam getönte Welt der Corpse Bride zu fliegen, lehnte Leeland sich zurück und musterte seine Freunde. Collin starrte mit der fokussierten Aufmerksamkeit eines Fünfjährigen auf den Bildschirm, formte die Worte des ersten Liedes mit seinen Lippen. Dean und Curtis saßen nebeneinander, die Schachtel Taschentücher stand zwischen ihnen. Peyton tat immer noch so – vergeblich – als wäre er von der Wahl des Films beleidigt.

Leeland lächelte. Ein Abend mit engen Freunden, köstliches Essen und ein verdammt guter Film, ganz egal was Peyton dachte. Und zu Hause wartete sein atemberaubend heißer fester Freund. Das Leben konnte nicht viel besser werden.

Um halb zwölf verabschiedeten Leeland und Emilio sich von Collin. Curtis war bereits gegangen, hatte Peyton mitgenommen. Dean half Collin in der Küche, was bedeutete, dass er die Spülmaschine auf eine Weise belud, die Martin später dazu bringen würde, das ganze schmutzige Geschirr wieder herauszunehmen und es „auf vernünftige Weise“ einzuräumen, wie er es bezeichnete. Leeland hatte gesehen, wie sich exakt diese Szene jedes Mal abspielte, wenn Collin sich um die Spülmaschine kümmerte und er war sich nicht ganz sicher, ob der zerstreute Künstler es nicht absichtlich machte. Oder vielleicht gab es wirklich eine künstlerische Weise, wie man das Geschirr in der Spülmaschine verteilen konnte, die niemand außer Collin begriff. Andererseits war Dean verdächtig eifrig darauf bedacht, Collin zu helfen, und Leeland kannte seinen Freund gut genug, um das potenzielle Entertainment zu sehen, das Dean hier für sich herausziehen konnte. Und Dean hatte die letzten Spuren seiner Unschuld verloren, kurz nachdem Richard ihn in die Welt des BDSM eingeführt hatte. Hier handelte es sich um ein Mysterium, das Leeland nicht unbedingt lösen wollte, zumindest nicht an diesem Abend.

Er setzte sich hinter das Lenkrad des Volvos, den er sich von Jonathan geliehen hatte, während Emilio auf der Beifahrerseite einstieg. Jonathan bestand darauf, dass Leeland in einem sicheren Auto fuhr, was auf eine sehr neandertaler-hafte Weise niedlich war und auch irgendwie herablassend, weil Jonathans liebste Transportmethode seine Harleys waren, die nicht unbedingt für ihre Sicherheit bekannt waren. Andererseits war es nett, ein Auto zu fahren, das über eine Sitzheizung verfügte, einen Parkassistenten, ein höllisch gutes Soundsystem und all die anderen Annehmlichkeiten, die Geld kaufen und ein fester Freund mit seiner eigenen Werkstatt in ein Auto einbauen konnte. Leeland liebte mittlerweile den sich automatisch anpassenden Fahrersitz und die Massagefunktion, die Jonathan eingebaut hatte und die man aktivieren konnte, wann immer das Auto anhielt. Im Stau zu stehen war noch nie so entspannend gewesen.

Emilio starrte aus dem Fenster und Leeland wurde klar, dass er sogar noch stiller als gewöhnlich war.

„Alles in Ordnung?“ Leeland konnte die Frage nicht unterdrücken, auch wenn er sich ein wenig neugierig fühlte. Er war sich beinahe sicher, dass Emilio sich an ihn wenden würde, wenn er etwas brauchte. Beinahe.

„Ja. Es war ein langer Tag.“

„Bist du immer noch nervös wegen des Essens?“

Emilio schüttelte den Kopf. „Nein. Ich meine ja, bin ich, aber nicht so, wie du denkst. Es war meine Entscheidung, es zu essen und es war köstlich.“ Emilios Hände wanderten zu seinem Gemächt. „Und schon bald werde ich herausfinden, ob es das wert war.“

„Wenn du gewollt hättest, dass es sich lohnt, hättest du auch das Tiramisu essen sollen. Wenn eine Strafe ohnehin feststeht, warum dann nicht ganz eintauchen und es genießen?“

Emilio seufzte. „Du hast wahrscheinlich recht.“

Leeland grinste. Er spürte, dass er an diesem Abend nichts aus Emilio herausbringen würde und wollte die Stimmung aufhellen. „Ich habe beinahe immer recht. Frag nur nicht Jonathan, er könnte vielleicht anderer Meinung sein. Und wo wir gerade dabei sind, es gibt etwas, das ich dich fragen möchte.“

Leeland nahm Emilios schüchternen Seitenblick als Stichwort.

„Da ich bei Jonathan einziehen werde, wollte ich das Apartment vermieten. Ich mache mir aber ein wenig Sorgen. Du weißt ja, nicht alle Mieter sind verlässlich und nach all der Arbeit, die Peyton sich gemacht hat, um das Apartment hübsch zu machen, will ich es nicht schlecht behandelt sehen. Nicht zu vergessen Peytons Reaktion, wenn irgendetwas mit der Küche oder seiner kostbaren Kommode passiert. Du hast ihn da drinnen gehört.“ Leeland schauderte. „Darum hätte ich gerne, dass jemand dort wohnt, den ich bereits kenne.“

Emilio antwortete nicht. Da es zu spät am Abend war, um lange um den heißen Brei herumzureden, ging Leeland direkt vor.

„Ich würde es zu schätzen wissen, wenn du bei mir einziehen könntest, Emilio.“

Emilio errötete so heftig, dass Leeland den Farbwechsel sogar im schwachen Licht der Fahrerkonsole sehen konnte. „Das ist sehr nett von dir, Leeland, aber ich habe das Geld nicht. Ich kann kaum die Miete für meine Ein-Zimmer-Wohnung bezahlen.“

Leeland schüttelte den Kopf. „Das weiß ich, Emilio. Wie viel bezahlst du?“

„Sechshundert.“

„Wie wäre es dann, wenn du die Hauseigentümerkosten für mein Apartment übernimmst, während ich mir überlege, was ich damit mache?“

„Leeland! Das kann ich nicht annehmen. Du könntest für das Apartment mindestens zweitausend verlangen. Wahrscheinlich mehr, jetzt wo Peyton damit fertig ist.“

Emilio hatte natürlich Recht, aber Leeland hatte andere Gründe, ihm die Wohnung anzubieten.

„Es geht nicht ums Geld, Emilio. Ich verdiene im Whisper genug und Jonathan hat klargemacht, dass er keine Miete von mir verlangen wird. Ich habe Glück. Und ich will, dass andere ebenfalls Glück haben. Dir das Apartment zu vermieten, ist eine Art, dem Universum sozusagen etwas zurückzuzahlen. Außerdem wohnt auf diese Weise jemand dort, dem ich vertraue.“

Emilio war eindeutig aufgeregt. „Bist du dir sicher?“ Er klang nicht so, als könnte er glauben, dass tatsächlich jemand nett zu ihm war und das brach Leeland das Herz und erhärtete seinen Entschluss, dass Emilio in seinem Apartment wohnen würde. Der Junge verdiente ein paar gute Dinge in seinem Leben, nach all dem Scheiß, den er durchgemacht hatte. Er streckte die Hand aus und tätschelte tröstend Emilios Oberschenkel. Wenn Emilio nur erkennen würde, dass nicht alle Menschen selbstsüchtige, herzlose Bastarde waren wie seine Familie und ehemaligen Freunde.

„Absolut. Ich will dich nicht beschämen, aber deine Wohnung …“

„Ich weiß. Sie ist eine Absteige.“ Emilio wandte den Blick ab und es brauchte kein Genie, um zu erkennen, dass er sich schämte. Leeland konnte das nicht zulassen. Er wollte, dass Emilio Selbstvertrauen gewann, nicht es verlor.

„Hey, hör mir zu, Emilio. Es ist unglaublich, was du ganz alleine geschafft hast. Du hast sehr hart gearbeitet, um dort zu sein, wo du jetzt bist, mit deiner eigenen Wohnung und einem Stipendium an der Miami Dade. Lass dir das von niemandem nehmen. Ich bewundere dich für deine Stärke – das tun wir übrigens alle – und darum will ich dir helfen.“

Ein Lächeln erblühte auf Emilios Gesicht und erhellte es. „Danke, Leeland. Von dir bedeutet mir das eine Menge.“

„Haben wir einen Deal?“

„Wir haben einen Deal.“

Leeland grinste glücklich. Jetzt musste er nur noch Jonathan von dem Handel, den er mit Peyton gemacht hatte, erzählen – etwas, auf das er sich nicht freute – und von seinen Plänen, Emilio im Apartment wohnen zu lassen – wovon er sich sicher war, dass Jonathan es gutheißen würde.

Alles in allem war das Leben gut.

Ein Dom und sein Krieger

Подняться наверх