Читать книгу Lucy Heyer-Grote (1891-1991): - Yael Naomi Berit Gsell - Страница 8

Оглавление

2. Die Nachlasserin und ihr Nachlass

„Es gibt verschieden Zugänge zum Leben eines Menschen. Die Biographie im üblichen Sinne sucht den Lebenslauf möglichst lückenlos zu erforschen und einen Längsschnitt durch das Leben zu ziehen. Es wäre die Form der historischen Darstellung. Für schöpferische Menschen wird häufig das Werk in den Mittelpunkt der Betrachtung gesetzt. Der Ausgangspunkt ist ästhetisch. (…)7“ dies schrieb Heyer-Grote als Vorwort zu ihrer Jung Biografie. Die hier vorliegende Arbeit, wenn ich die Worte Heyer-Grotes benutze, ist eine Biografie im üblichen Sinne: Sie ist ein Versuch den Geist und das Wesen Heyer-Grotes zu erfassen und vor allem aus ihrem Leben zu erzählen, sowie ihre Arbeit zu thematisieren. Bereits zu Lebzeiten befasste sie sich (1981) mit dem Gedanken, von ihrem Sohne Anselm Heyer über sich eine Biografie verfassen zu lassen. Doch mit seinem Tode 1983 fragte sie sich, wer nun diese Biografie schreiben würde8. Obgleich sie nicht wusste, ob und wann oder wer überhaupt, über sie eine Biografie verfassen würde, hielt sie an ihrem Ziel fest, ihren Nachlass fertig vorzuordnen. So äusserte sie 1986 zwar den Wunsch, endlich sterben zu dürfen, hoffte aber zugleich das Ordnen ihres Nachlasses noch beenden zu können9. Beim Ordnen wie auch aussortieren von Briefen und Dokumenten half ihr ihre Patentochter Martha Rohde-Liegle. Für die Bearbeitung ihres Nachlasses empfahl ihr ihre Patentochter Rohde, sie solle doch Ingrid Metzger-Buddenberg kontaktieren. Heyer-Grote notierte sich zwar den Vorschlag, kontaktierte aber Frau Metzger-Buddenberg nie10. Ihrer Patentochter gab sie Dokumente und Briefe von Josu Liegle und Rolf Liegle, wie auch Karl Osswald mit. Heyer-Grote selbst vernichtete im August 1980 sämtliche, bis dahin gesammelten Korrespondenzen mit Verlagen. Aber auch sonstige private Korrespondenzen sind kaum "erhalten". So gibt es auffällig wenig Briefe in ihrem Nachlass, für das sie jedes Jahr viel zu viele "Briefschulden" hatte. Noch vor ihrem Tode hatte Heyer-Grote ihre Patentochter darum gebeten, die meisten Briefe zu vernichten. Auffällig ist die vollständig wirkende Korrespondenz zwischen Lucy Heyer-Grote und Gustav Richard Heyer in ihrem Nachlass. Dementsprechend ist in der vorliegenden Arbeit auch das Kapitel 4.1, im Vergleich zu anderen Kapiteln, ziemlich ausführlich ausgefallen11. Gerade aufgrund fehlender Korrespondenzen ist es nur schwer möglich, Aussagen über ihren Bekanntenkreis und die damit verbundene Kontextualisierung ihres Lebens in der Gesellschaft zu machen. So war es, bis zum Fund der Briefe im Archiv des «Institute of Germanic and Romance Studies, University of London» zwar klar, dass Heyer-Grote Friedrich Gundolf kannte, aber es war nicht möglich eine Aussage über deren Beziehungsgeflecht zu machen. Mittels dieser Briefe im Archiv in London können nun freundschaftliche Beziehungen zwischen Lucy Heyer-Grote und Friedrich Gundolf, wie auch zwischen Lucy Heyer-Grote und Elisabeth Salomon belegt werden. Aus den Briefen geht hervor, dass sie sich gegenseitig besuchten, dass Elisabeth Salomon Heyer-Grote (während dem ersten Weltkrieg) mit den Lebensmittelmarken half und ihr (Heyer-Grote) sogar den eigenen Hut lieh. Es bleibt unklar, wieso sie so viele Korrespondenzen vernichten liess12.


Abbildung 1 "Elli Salomon, Lucy Heyer, Hanno v. Eckhardt Fotografie, ca. 1920er-Jahre (Universitätsbibliothek Basel, NL 335, A Ig)

Was wie weit fehlt, könnte nur ansatzweise rekonstruiert werden. So fehlt beispielsweise auch ein Brief von "Kleist" aus dem Jahre1969 oder 1970, in welchem sie über die Operation an ihrem Sohn Anselm Heyer (aufgrund eines Oesophagus Durchbruchs 1969) informiert wird. Dass dieser Brief existiert hat, kann nur aus ihrer Notiz im Büchlein "Daten zu meinem Leben" geschlossen werden13. Zudem scheinen verschiedene Einträge in ihren Agenden nachträglich eingetragen worden zu sein. So schrieb sie beispielsweise am 12. Juli 1942 in ihre Agenda „H.W. zum letzten Mal mit E. bei mir.“ Ein paar Eintragungen später wird ersichtlich, wieso die Person mit den Initialen H. W. am 12. Juli zum letzten Mal bei ihr war: Am 20. Juli 1942 starb H. W14.

Neben der Vorsortierung und Schmälerung ihres Nachlasses hatte sie für ihre (Auto-)Biografie bereits zwei Zitate von Goethe ausgewählt. „Der Tag an und für sich ist gar miserabel; wenn man nicht ein Lustrum anpackt, so gibt's keine Garbe“ und „Denn das ist der grosse Vorteil des hohen Alters, sich ein ganzes Jahrhundert vorführen zu können, und es beinahe als persönlich gegenwärtig anzuschauen.15“ Wann genau sie sich diese beiden Zitate auswählte ist unklar. Da aber vor 1981 keine Planäusserungen über eine eigene Biografie ihrerseits zu existieren scheinen, hat sie diese wohl erst zwischen 1981 und ihrem Tode ausgewählt. Beide Zitate scheinen wie auf sie und ihren damaligen Lebensabschnitt zugeschnitten zu sein. Wenngleich sie mit dem Gedanken spielte, eine eigene Biografie zu verfassen oder verfassen zu lassen, erlebte sie die Verschriftlichung ihrer Lebensgeschichte nicht mehr. Nach ihrem Tode 1991 nahm ihre Patentochter den Nachlass an sich und übergab diesen, zehn Jahre später 2001, wie mit Heyer-Grote ausgemacht, der Universitätsbibliothek Basel. Noch bis Sept. 2018 waren Publikationen aus dem Nachlass Heyer-Grotes nur mit der Erlaubnis von Rohde-Liegle möglich16.

Was ihre Verbindung zum Stefan George Kreis betrifft, so wechselten G. R. Heyer und sie von der Münchner Universität an die Heidelberger Universität, in der Hoffnung, mit dem dort lebenden Stefan-George Kreis in engeren Kontakt zu kommen. G. R. Heyer und dessen Bruder Wolfgang Heyer, wie auch ihr Kommilitone Edgar Salin wurden von Stefan George eingeladen. Aber, soweit aus ihrem Nachlass hervor geht, hatte sie selber nie persönlich Kontakt zu Stefan George gehabt oder etwas mit dessen Kreise zu tun, vielmehr suchte sie den Kontakt zu einzelnen Personen dieses Kreises, wie den bereits erwähnten Friedrich Gundolf17.

7 Zitiert aus: UB Basel, NL 335, D III 1 (Manuskript zu C. G. Jung Biografie, Vorwort I., S. 1-4, hier S. 1).

8 UB Basel, NL 335, A Ic 9 (Rundbrief von Heyer-Grote an ihre Freunde, Jan. 1985).

9 Vorwiegend zwischen 1981 und 1984 ordnete sie ihren Nachlass. Mit zunehmendem Alter machte auch die Einsamkeit Heyer-Grote zu schaffen. So schrieb sie am 13. April 1987 darüber wie einsam sie ist und am 19. April 1987 hielt sie fest, dass sie oft an den Tod denke und sich frage wie sie bei ihrer Gesundheit doch noch sterben könne. UB Basel, NL 335, A Ie 21 (Agenda von 1984, hier Einträge von 12., 17.-18. Mai, 5. Juli, 9., 26. -27. Nov. 1984); A Ie 22 (Agenda von 1985, hier Einträge von 10., 11., 15.-17. Jan., 14. Feb., 17. und 19. Juni und 24., 29. Nov. 1985); A Ie 24 (Agenda von 1986, hier Einträge von 5., 8. und 11. April 1986); A Ie 25 (Agenda von 1987, hier Einträge von 13., 17. und 19. April 1987).

10 Während dem zweiten Weltkrieg gelang es Heyer-Grote nicht, die Familie Liegle zu besuchen. So lernte sie ihre Patentochter erst sehr viel später persönlich kennen. Sie hatten aber bereits vor ihrem ersten persönlichen Treffen Schriftverkehr. Frau Metzger bearbeitete zu dieser Zeit den Nachlass von Edgar Salin. UB Basel, NL 335, A Ie 18 (Agenda von 1981, hier Eintrag vom 29. 6. 1981); C II 64, 1 (Brief von Heyer-Grote an Martha Rohde-Liegle, 29. 5. 1943). Metzger-Buddenberg, Ingrid: Telefongespräch betreffend mögliche Kontaktaufnahme Heyer-Grotes zu Metzger-Buddenberg für eine Nachlassordnung, 24. 10. 2018.

11 UB Basel, NL 335, A Ic 8 (Verschiedenes, hier Eintrag vom 17. Mai und 9. Nov. 1984); A Ie 22 (hier Eintrag vom 9. 1. 1985).

12 Institute of Germanic and Romance Studies, University of London, Friedrich Gundolf papers, V/Letters to Gundolf, H 17 (Briefe von Lucy Grote an Elisabeth Salomon, 7. 2. 1917, 5. 8. 1917 und 30.9.1921). Universitätsbibliothek Basel (HAN): Nachlass 335: Lucy Heyer-Grote (1891-1991), zu finden auf: https://www.ub.unibas.ch/ibb/api/ubnachlass/personen.html, letzter Zugriff: 30. 10. 2018. UB Basel, NL 335, A Ic 8 (Verschiedenes, hier Eintrag vom 17. 5. 1984).

13 In diesem Büchlein schrieb Heyer-Grote aufkommende Erinnerungen aus ihrem Leben nieder oder exzerpierte Informationen aus Dokumenten, wie dem eben genannten Brief von "Kleist". UB Basel, NL 335, A Ic 1 ("Daten zu meinem Leben).

14 Zitiert aus: UB Basel, NL 335, A I e: 5.

15 Heyer-Grote gefielen Goethes Werke. So dass sie auf dem Rückweg von einer Eranos-Tagung nach Basel, festhielt, dass bei Ihrer Fahrt über den Gotthard Goethe immer dabei ist. UB Basel, NL 335, A Ic 6 (Eintrag vom 28. 8. 1964). Zitate im Haupttext aus: UB Basel, NL 335, A Ic 1 ("Daten zu meinem Leben"); A Ic 8, (Motti für mein Opus).

16 UB Basel NL 335, A Ia 1-5 (Todesanzeigen zum Tod von Lucy Heyer-Grote).

17 Friedrich Gundolf war zu dieser Zeit Privatdozent an der Universität Heidelberg und mit dem Dichter Stefan George befreundet. Durch ihn wurden (vor allem männliche) Studenten zu Stefan George eingeladen. Friedrich Gundolf schenkte Heyer-Grote eine Vergil Ausgabe mit einer (lateinischen) Widmung, die sie später dann, aufgrund finanzieller Probleme verkaufen wollte. UB Basel, NL 335, A Ia 1 (Lebenslauf); A Ic 3 (Brief von Heyer-Grote an Sophia Kronig, 1. 1. 1978); D IV 7 (Manuskript über Gustav Richard Heyer, 1985); D VI 3.

Lucy Heyer-Grote (1891-1991):

Подняться наверх