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Das Angebot

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Das Angebot traf mich vollkommen unerwartet. Gegen Mitternacht verlagerte sich die Diskussion in Alexis’ Wohnung von Abschreckung und parallelen Zahlungssystemen zur praktischen Politik. Alexis informierte mich, dass Neuwahlen sehr wahrscheinlich seien. Die Amtszeit der Regierung lief noch über zwei Jahre, aber es war zweifelhaft, ob sie den März 2015 überstehen würde, den Monat, in dem die fünfjährige Amtszeit des Präsidenten der Republik endete. Sofern es Ministerpräsident Samaras nicht gelang, rund um seinen Präsidentschaftskandidaten eine gestärkte parlamentarische Mehrheit zu mobilisieren, würde das Parlament automatisch aufgelöst, und Neuwahlen würden anberaumt werden.7 Und dann trug Alexis unter den wachsamen Augen von Dragasakis ganz beiläufig sein Angebot vor.

»Wenn wir gewinnen, und daran besteht kein Zweifel, möchten wir, dass du unser Finanzminister wirst.«

Während meiner Reise von Austin nach Athen hatte ich immer wieder die Worte vor mich hin gesagt, mit denen ich sein Angebot ablehnen würde – nur dass ich mit einem ganz anderen Angebot gerechnet hatte, dem des Chefunterhändlers unter Finanzminister Dragasakis. Aber nun schlug Alexis mir vor, die beiden Rollen zu vereinen und mir zu übertragen.

Um Zeit zu gewinnen und ehrlich verwirrt wandte ich mich an Dragasakis: »Aber ich dachte, du würdest das Finanzministerium übernehmen?«

Alexis schaltete sich ein: »Dragasakis wird als stellvertretender Ministerpräsident die drei Wirtschaftsressorts kontrollieren.« Damit meinte er das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium und ein neues Ministerium für Produktiven Wiederaufbau.8

Das veränderte alles. Die vorgeschlagene Kabinettsstruktur war vernünftig. Der einzige Grund, Alexis’ Angebot jetzt abzulehnen, wären Zweifel an den wahren Absichten von ihm und Dragasakis, an ihrem Format und Charakter. Es wäre, gelinde gesagt, merkwürdig gewesen, derart fundamentale Bedenken direkt vorzubringen. Stattdessen sprach ich eine andere prinzipielle Frage an.

»Wie du weißt, habe ich erhebliche Vorbehalte gegen das Programm von Thessaloniki. Tatsächlich kann ich ihm kaum etwas abgewinnen, und da ihr es dem griechischen Volk als euer wirtschaftliches Versprechen präsentiert habt, sehe ich beim besten Willen nicht, wie ich als Finanzminister die Verantwortung für seine Umsetzung übernehmen könnte.«

Erwartungsgemäß schaltete sich Pappas an der Stelle ein und wiederholte, das Programm von Thessaloniki sei für mich nicht bindend. »Du bist nicht einmal Mitglied von Syriza.«

»Aber wird man nicht erwarten, dass ich als Finanzminister Mitglied werde?«

Alexis hatte die Antwort offensichtlich schon vorbereitet: »Nein, auf keinen Fall. Ich will nicht, dass du Mitglied von Syriza wirst. Du sollst unbelastet von den verworrenen kollektiven Entscheidungsprozessen in unserer Partei bleiben.«

In meinem Kopf schrillten mehrere Alarmglocken. Alexis’ Argument war vernünftig, barg aber enorme Risiken. Auf der einen Seite würde es mir wertvolle Freiheit verschaffen, wenn ich halbwegs unabhängig von Syriza agieren konnte, einer Partei, deren mehr als dünne wirtschaftspolitische Strategie ich seit Jahren kritisierte. Alexis konnte dann bei all meinen Entscheidungen, die der Parteilinie zuwiderliefen, auf die Tatsache verweisen, dass ich nicht an die Parteilinie gebunden war. Aber das konnte jederzeit als Vorwurf auf mich zurückfallen, und dann hätte ich die Partei gegen mich, deren Unterstützung ich im Kampf gegen die Troika und die griechische Oligarchie doch dringend brauchen würde. Auch diese Sorge konnte ich nicht mit ihnen teilen.

Der Druck, mich zu entscheiden, wuchs, doch ich musste sicher sein: Waren wir uns über Ziele und Mittel wirklich einig? Wenn nicht, wäre mein Leben herrlich unkompliziert geblieben.

»Schauen wir, ob wir uns über Grundlegendes einigen können, bevor wir über meine Rolle in einer Syriza-Regierung sprechen«, schlug ich vor.

Ich beabsichtigte, ihnen eine aktualisierte, feste, klar umrissene Version der Fünf-Punkte-Strategie vorzulegen, die ich Alexis 2012 präsentiert hatte und die dann so schmählich abgelehnt worden war.9

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