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Die Waffen des Feindes ablehnen

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Viele meiner Freunde in der ökonomischen Zunft – die mutmaßten, dass ich drauf und dran war, den schlimmsten Job im Universum zu ergattern – versicherten mich per E-Mail oder per Telefon ihrer Unterstützung. Einige schlugen vor, ich sollte an meinem ersten Tag im Amt Kapitalverkehrskontrollen einführen. Das heißt, statt zu warten, dass die EZB unsere Banken schließen und unsere Geldautomaten sperren würde unter dem Vorwand, den Bankensturm aufzuhalten, den sie gerade ausgelöst hatte, könnten wir ihnen zuvorkommen und Restriktionen verhängen, wie viel Bargeld Konteninhaber abheben und ins Ausland überweisen konnten. Die Idee dahinter war, dass wir, wenn wir den Bankensturm abschwächten, mehr Zeit gewinnen könnten, bevor die Banken geschlossen wurden, Zeit, um unter ruhigeren Umständen zu verhandeln. Gegen diesen Vorschlag sprachen drei Überlegungen.

Erstens wäre die Verhängung von Kapitalverkehrskontrollen der offensichtliche erste Schritt, der anzeigte, dass die Partei beabsichtigte, zu einer nationalen Währung zurückzukehren, um sie dann abzuwerten und damit wieder wettbewerbsfähig zu werden: In dem Fall würden Kapitalverkehrskontrollen verhindern, dass Geld abfloss, weil die Menschen eine Abwertung erwarteten. Mit anderen Worten: Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen wäre nur dann der richtige Schritt, wenn wir vorhätten, die Eurozone zu verlassen – wenn wir den Grexit wollten –, und würde deshalb sowohl meinen Verhandlungszielen widersprechen wie meiner Strategie, zu vermitteln, dass wir es mit unseren Zielen ernst meinten. Selbst wenn wir es schaffen sollten, Brüssel davon zu überzeugen, dass wir den ernsthaften Wunsch hatten, im Euro zu bleiben, würden Kapitalverkehrskontrollen signalisieren, dass wir bereit waren, innerhalb der Eurozone zu Bürgern zweiter Klasse zu werden, zu Nachzüglern, die zwar Euros hatten, aber damit nicht tun konnten, was sie tun wollten. Und ich wollte genau das gegenteilige Signal aussenden.

Zweitens wurde die Zeit, die für Verhandlungen zur Verfügung stand, durch unseren Terminplan für die Schuldenrückzahlungen bestimmt, deshalb konnten wir mit Kapitalverkehrskontrollen nicht wirklich Zeit kaufen. Die Rückzahlungen sollten im April 2015 beginnen und bis August weitergehen, darum brauchten wir allerspätestens im Juni 2015 eine neue Vereinbarung. Selbst wenn ich einen Zauberstab hätte, um den Bankensturm zu stoppen, müssten die Verhandlungen trotzdem innerhalb von höchstens vier bis fünf Monaten abgeschlossen sein. Kapitalverkehrskontrollen würden daran nicht das Geringste ändern.

Drittens passten Kapitalverkehrskontrollen nicht zu einer Währungsunion, sie verstießen gegen ihren Geist und gegen ihre Realität. Das Argument für die Eurozone oder einen anderen gemeinsamen Währungsraum ist gerade, dass das Geld ungehindert zirkulieren kann. Würde ich am ersten Tag unserer Regierungszeit Kapitalverkehrskontrollen einführen, wie könnte ich dann die EZB dafür kritisieren, dass sie uns eben damit drohte? Würde ich das tun, wären alle Vorwürfe gegen mich und die Syriza-Regierung – dass wir antieuropäisch seien, dass wir Griechenland auf den Grexit vorbereiteten, dass wir die Einheit der Eurozone untergruben – gerechtfertigt. Mehr noch, unser eigenes Volk wäre verwirrt: Warum hindert uns eine Regierung, die für eine gute Vereinbarung in einem gemeinsamen Währungsraum kämpft, daran, dass wir unser Geld von unseren Bankkonten holen und in andere Länder desselben Währungsraums überweisen? Wir hätten das Schwarze-Peter-Spiel verloren, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen hätten.

Einen weiteren Vorschlag, wie man einer Syriza-Regierung helfen könnte, während der Verhandlungen Zeit zu kaufen, brachte unter anderem Thomas Mayer vor, der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Er hatte die Idee, in Griechenland eine zweite Währung parallel zum Euro einzuführen, um mehr Liquidität und für uns mehr Handlungsspielraum zu schaffen. Die Idee war interessant, aber ich hatte sie schon 2010 als Lösung für die Eurokrise geprüft und verworfen.19 Im Kern bedeutete sie, dass Lohnerhöhungen, die die Austerität beenden sollten, in einer neuen Währung gezahlt werden sollten, die durch Staatsschulden gedeckt wäre. Die neue Währung würde natürlich sofort gegenüber dem Euro an Wert verlieren. Während also die Löhne und Renten der griechischen Arbeitnehmer ein bisschen steigen würden, würden die griechischen Stundenlöhne in Euro im Verhältnis zu deutschen, französischen und portugiesischen sinken, wodurch Griechenland an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen würde.

Ich nannte Thomas Mayer zwei Gründe, warum ich eine Parallelwährung nicht unterstützte. Erstens: »Parteien und Interessen, die gegen uns sind, erzeugen bereits ein Klima des Terrors, indem sie behaupten, wir hätten eine heimliche Agenda, Griechenland aus dem Euro zu führen, die Ersparnisse des Volks zu plündern und Griechenland zu einem zweiten Argentinien zu machen. Der Propagandawert Ihres Vorschlags für unsere Gegner wäre unermesslich.« Zweitens bestand keine Notwendigkeit dafür, weil das parallele Zahlungssystem, an dem ich arbeitete, uns die nötige Flexibilität bringen würde.

Monate später ging mir auf, dass Deutschlands Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble die beiden Vorschläge – Kapitalverkehrskontrollen und eine Parallelwährung – gegen mich verwenden würde. Die rasche Entscheidung, die Waffen des Feindes abzulehnen, war also richtig gewesen. Trotzdem wurde mir bald nach meinem Rücktritt als Finanzminister im Juli 2015 vorgeworfen, ich hätte teuflische Pläne geschmiedet, beides einzuführen!

So ist das Leben in Bailoutistan.

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