Читать книгу Abenteuer in Alex - Yennifer Woods - Страница 5
Kapitel 3
ОглавлениеAm nächsten Tag ging es schon früh morgens los. Oma und Opa waren ein bisschen traurig, als wir uns verabschiedeten um endlich in unser neues Reich zu ziehen. Sie hatten sich schon daran gewöhnt uns um sich zu haben. Aber diesmal war es kein Abschied für ein Jahr. Wir wohnten jetzt schließlich nur ca. einhundert Kilometer auseinander. Wir versprachen, sie so schnell wie möglich zu besuchen. Ellen und ich freuten uns riesig und auch unseren Eltern sah man die Freude an. Endlich fing unser neuer Lebensabschnitt so richtig an. Die Möbel waren schon am Vortag eingetroffen, mussten jedoch noch aufgestellt und montiert werden. Das hatte Papi nicht mehr geschafft. Es war ja auch einfach zu viel, um es an einem Tag schaffen zu können. Nach etwa einer Stunde waren wir am Ziel. Mami stieg aus, um das große schmiedeeiserne Tor zu öffnen. Dann fuhren wir die lange Einfahrt hinunter zum Haus. Das Tor ließen wir vorsorglich offen, denn Mami und Papi warteten noch auf Jianni, einen Freund der in Alex wohnte. Er hatte Papi versprochen beim Möbelaufbau zu helfen.
Kaum hatte Papi die Handbremse angezogen, erteilte er auch schon die ersten Anweisungen.
»Es ist wichtig, dass wir als erstes unsere Schlafplätze herrichten. Alles andere eilt nicht ganz so sehr. Also zack, zack, schnappt euch jede erst mal einen Koffer und dann ab noch oben«. Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Voll bepackt mit Gepäckstücken machten wir uns auf den Weg in die erste Etage. Mir fiel ein, dass Ellen und ich ja keine Betten hatten. Unser altes Etagenbett hatte ausgedient und war gar nicht erst aufgeladen worden, sondern auf dem Sperrmüll gelandet.
»Papi sag mal bitte, worauf werden Ellen und ich eigentlich schlafen?«, fragte ich stirnrunzelnd.
»Mach dir mal keine Sorgen, Mami und ich haben noch zwei Klappbetten gekauft. Damit müsste es vorübergehend gehen«, erwiderte Papi. Ich nickte zufrieden. Während Mami anfing in der Küche zu werkeln, gab Papi schon die nächsten Anweisungen.
»Tina, wenn ihr die Koffer abgestellt habt und das Auto soweit leer ist, dann tragt doch bitte mit Ellen erst einmal die Klappbetten nach oben in eure Zimmer, die sind ja nicht so schwer. Ach ja die stehen unten im Wohnzimmer«.
Ellen und ich schleppten wie die Möbelpacker eine Tasche nach der anderen nach oben. Danach schnappten wir uns die Klappbetten, die noch in Folie eingeschweißt waren. Nachdem wir auch diese nach oben getragen und von der Folie befreit hatten, liefen wir nach unten in die Küche. Wir hatten einen Riesendurst. Kein Wunder, es waren ja auch fast fünfunddreißig Grad draußen. Gut, dass der Kühlschrank schon seit dem Vortag eingeschaltet war. Somit war wenigstens für kalte Getränke gesorgt. Und noch besser war, dass wir uns vom Bäcker schon Brötchen und gefüllte Croissants geholt hatten. Darüber fielen wir gleich her, denn so eine Schlepperei machte ganz schön hungrig. Während wir es uns auf den Umzugskartons gemütlich gemacht hatten und unser verspätetes Frühstück genossen, machte Mami eine Entdeckung.
»Herrje, ich glaube wir haben Mäuse. Schau mal Franz, hier ist alles voller Mäusekot«. Papi sah sich die fest eingebauten Küchenschränke von innen an.
»Auweia, ich glaube wir brauchen eine Katze«. Schon sprangen Ellen und ich von unseren Kartons.
»Au ja, wann holst du sie Papi? «, rief ich aufgeregt.
»Na nun mal schön eins nach dem anderen. Erst müssen wir uns mal richtig einquartieren, bevor wir uns ein Tier ins Haus holen. Sonst artet es für uns alle nur in Stress aus«, erwiderte Papi gelassen. Ich ließ nicht locker.
»Papi, dass müssen wir so schnell wie möglich erledigen, sonst knabbern die Mäuse noch unsere ganzen Vorräte an. Und außerdem brauchen wir unbedingt auch einen Wachhund«, sprudelte es aus mir heraus.
«Wir wohnen doch so einsam hier. Da ist es unumgänglich sich einen Hund anzuschaffen«, schlussfolgerte ich und sah ihn mit meinen großen kornblumenblauen Augen flehend an. Papi sah Mami nur an und lachte. Ich sah es an seinem Blick, er freute sich wie ein kleiner Junge.
»Nun mal langsam, Tina. Erst müssen wir ja einen Hund finden, der zu uns passt. Alles Weitere sehen wir dann schon«, sagte er augenzwinkernd.
Also eins musste ich meiner Familie schon lassen, sie waren einfach alle super Tierlieb, genau wie ich. Daher konnte ich Leute, die sich vor Tieren ekeln oder Tiere quälen, einfach nicht ausstehen. In Deutschland hatten wir nie die Möglichkeit gehabt ein Haustier zu halten. Meine Eltern waren beide berufstätig und so war den ganzen Tag niemand zuhause. Und außerdem waren wir alle der Meinung, dass ein Hund in einer kleinen Wohnung ohne Garten einfach nicht glücklich sein konnte. Aber nun gab es die besten Voraussetzungen für Haustiere. Ein großes Haus und ein riesiges Grundstück, welches noch so manche Überraschung verbarg.
Nach unserer verspäteten Mittagspause ging es weiter. Mittlerweile war auch Jianni angekommen und mit Papi dabei, die schweren Schlafzimmermöbel nach oben zu tragen. Ellen und ich halfen Mami beim Sortieren der Kartons. Es waren einfach unendlich viele. Zunächst einmal trennten wir die Kartons mit den Kleidungsstücken von den anderen. Diese wollten wir nach oben tragen sobald Papi und Jianni die Kleiderschränke aufgebaut hatten. Nur gut, dass wir die Kartons alle gut beschriftet hatten. Wir kamen gut voran. Die Kartons mit den Küchenutensilien schleppten wir mit vereinten Kräften in die Küche, wo Mami anfing eine Kiste nach der anderen zu sortieren. Mittlerweile war es früher Nachmittag.
»Habt ihr denn noch keinen Hunger«, fragte Papi von oben. Großartige Idee, dachte ich. Mein Magen knurrte schon seit geraumer Zeit.
»Was gibt es denn? « fragte Ellen neugierig.
»Ich habe gedacht ich fahre ins nächste Dorf und hole uns ein paar Suvlaki (das sind Fleischspieße, echt lecker!) und Pommes«, erwiderte Papi.
»Gute Idee, ich bin am verhungern. Bitte beeil dich«, meldete sich nun auch Mami zu Wort.
Ellen wollte unbedingt mit Papi fahren. So saß ich allein da und hatte für den Moment nichts zutun. Also beschloss ich, mir das Grundstück ein bisschen näher anzusehen.
»Mami, ich schau mich mal draußen ein wenig um«, rief ich ihr zu. Eine Antwort bekam ich nicht, da Mami sich gerade mit Jianni unterhielt. Ich ging durchs Wohnzimmer und öffnete eine der Schiebetüren, die wegen der Mittagshitze geschlossen waren. Dann trat ich auf die riesige Terrasse. So auf den zweiten Blick machte alles einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Kein Wunder, hier hatte ja auch seit einiger Zeit niemand mehr gewohnt. Blumentöpfe mit vertrockneten Pflanzen standen traurig in den Winkeln der Terrasse. Einige Steinplatten mussten dringend ausgewechselt werden, sie waren ziemlich ramponiert. Auch an der Fassade bröckelte es hier und dort. Okay, das Haus war schon sehr alt. Überall auf dem Grundstück wucherte Unkraut. Ich wusste, dass ich mich vor Schlangen in Acht nehmen musste. In dieser Gegend gab es viele Kreuzottern. Angst hatte ich keine. Papi hatte mal erzählt, dass Schlangen viel mehr Angst vor Menschen hatten und dass sie bei lauten Geräuschen schnell das Weite suchten. Von der Terrasse führten drei kleine Treppenstufen hinunter in den Garten. Links herum ging es zur Küche. Ich beschloss jedoch, dass Grundstück zu erkunden, Schlangen hin oder her. Also stieg ich die flachen Treppenstufen hinab. Auch hier standen überall dicht an dicht Olivenbäume. Erst mal wollte ich wissen, ob das Grundstück wirklich bis zum Strand führte. Da unser Haus auf einem Hang lag, war das Grundstück recht abschüssig. Nach einem ganzen Stück kam ich tatsächlich unten am Strand an. Ich traute meinen Augen kaum. Das war ja einfach unglaublich. Ein Strand ganz für uns allein. Es war einfach unbeschreiblich schön. Vor mir erstreckte sich eine kleine Bucht, die ringsherum von roten Felsen eingefasst war. Der Kontrast der roten Felsen zum weißen Strand und zum azurblauen Meer war einfach wunderschön. Das würde mir keiner meiner Freunde in Deutschland glauben. Schwimmen wäre jetzt göttlich, dachte ich und wollte zurück zum Haus um meinen Bikini zu holen. Aber vorher wollte ich noch den Rundgang beenden. Ich ging bis zu den Felsen auf meiner rechten Seite, Richtung Westen und dort angekommen sah ich auch den Zaun der unser Grundstück von dem des Nachbarn trennte. Ich beschloss erst einmal am Zaun entlang zu gehen. Nach circa zweihundert Metern traf ich auf einen kleinen alten Stall, der schon ziemlich baufällig war. Hatte die Vorbesitzerin etwa hier Tiere gehalten? Wohl nicht, denn der Stall sah wirklich schon sehr alt aus. >Das ist ja interessant, ob Mami und Papi wohl wussten, dass sich auf unserem Grundstück auch ein Stall befindet<, dachte ich und beschloss meine Entdeckungstour erst mal zu beenden und ihnen von dem Stall und dem tollen Strand zu erzählen. Kurz vor der Terrasse entdeckte ich jedoch noch etwas zwischen den Bäumen. Es war ein kleiner Springbrunnen, der von Unkraut und Gestrüpp überwuchert war. Mir wurde langsam klar, dass noch sehr viel Arbeit vor uns lag, um das Grundstück und das Haus wohnlich zu gestalten.
Als ich gerade die Treppen hinaufsteigen wollte, hörte ich Mami rufen: »Tina, wo steckst du? Das Essen wird kalt«. »Komme schon«, erwiderte ich.
»Na warst du am Strand«, wollte Papi wissen.
»Ja, und ich habe einen alten Stall und einen antiken Springbrunnen entdeckt«, erzählte ich.
»Nun ja, das hatte Frau Tsouka, die Vorbesitzerin uns auch erzählt. Aber er soll sehr baufällig sein. Vielleicht müssen wir ihn wegen Einsturzgefahr auch abreißen lassen. Denn mit einem Stall können wir nun wirklich nichts anfangen«, meinte Papi.
»Und was den Brunnen betrifft«, fügte Papi hinzu, »den säubern wir und versuchen ihn wieder in Gang zu bringen. Aber nun wird erst einmal gegessen«. Das ließ ich mit natürlich nicht zweimal sagen. Die Suvlaki schmeckten hervorragend. Nach dem Essen mussten wir uns weiter um unseren Umzug kümmern. Papi und Jianni hatten die Kleiderschränke in unseren Zimmern aufgestellt und Ellen und ich fingen an Kleiderkartons auszupacken. Mami wuselte weiter in der Küche herum und Papi war dabei, den großen Schlafzimmerschrank zusammenzubauen. Mir war nur noch heiß und plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich doch eigentlich schwimmen wollte. »Was haltet ihr von einer Abkühlung im Meer«, rief ich in den großen Flur. Papi steckte den Kopf durch die Schlafzimmertür: »Das ist eine Spitzenidee. Sag Mami Bescheid, ich weiß nämlich nicht, wo sie meine Badehose versteckt hat«. Ellen hatte ihren Bikini schon in der Hand und wollte sich umziehen.
»Das wir nicht früher auf die Idee gekommen sind. Schließlich wohnen wir jetzt direkt am Meer. Und der Umzugsstress läuft uns auch nicht davon«, murmelte Papi. Auch Mami war von meiner Idee begeistert und so liefen wir alle nach ein paar Minuten runter zum Strand. Jianni hatte keine Badehose dabei, wollte es sich aber mit einem Bierchen gemütlich machen, solange wir beim schwimmen waren. Die Sonne stand nicht mehr so hoch am Himmel, da es schon spät am Nachmittag war. Aber das Wasser war wunderbar warm und klar. Man konnte ein paar kleine Fischerboote beobachten, die auf See gefahren waren. Ich ließ mir von Papi erklären, dass im nächsten Dorf, das Makri hieß, ein kleiner Hafen lag. Von dort aus fuhren die Boote los.
Nachdem wir uns erfrischt hatten, ging es wieder zurück zum Haus. Beschwingt machten wir uns wieder an unsere Arbeit und ehe wir uns versahen war es auch schon dunkel. Jianni verabschiedete sich und versprach am nächsten Morgen wiederzukommen, denn es gab noch viel zutun. Wir bedankten uns und sahen ihm nach, wie er die lange Einfahrt hinauffuhr. »So, lasst uns schlafen gehen, es war ein langer Tag. Ihr seit doch sicher alle müde«, sagte Papi. Das waren wir auch. Ellen und ich wünschten Mami und Papi eine Gute Nacht im neuen Haus und dann stiegen wir die Treppen hinauf in unsere neuen Zimmer. Es war für uns das erste mal, dass wir in getrennten Zimmern schlafen würden.
»Tina, was hältst du davon, wenn wir die Türen auflassen«, fragte Ellen mich leise.
»Na klar«, antwortete ich, denn auch mir war es nicht geheuer. In einem so großen Haus hatten wir noch nie geschlafen. Alles war so ungewohnt. So still. Nicht so wie in der Stadt.
»Ach, und wenn du nicht schlafen kannst, komm einfach in mein Zimmer«, bot ich Ellen noch an.
»Gerne«, erwiderte sie.
Ich zog mich um und legte mich in mein Bett. Eine ganze Weile lauschte ich den ungewohnten Geräuschen. Man hörte hier keine Autos, sondern das Zirpen der Grillen und die Schreie der Käuzchen. Und den Wind, der die Olivenbäume sanft hin und her wiegte. In weiter Ferne erklang das Bellen eines Hundes. Irgendwann schlief ich ein.
Am nächsten Morgen erwachte ich, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Wie spät mochte es wohl sein. Zu dumm, ich wusste nicht, wo ich meine Uhr gelassen hatte. Komischerweise war meine Zimmertür geschlossen, obwohl ich sie doch vorsorglich aufgelassen hatte. Ich schlenderte ins Badezimmer. Das Schlafzimmer meiner Eltern, genau wie das von Ellen, war verlassen. Typisch, dachte ich. In meiner Familie galt ich als Langschläferin und da war auch was dran. Ich schlief morgens gerne etwas länger. Im Gegensatz zur übrigen Familie. Die waren alle Frühaufsteher.
Das Badezimmer hatte dringend eine Renovierung nötig. Die sanitären Anlagen waren alt und man konnte noch so viel scheuern, man bekam sie nicht mehr richtig sauber. Doch Papi sagte, dafür fehle momentan das Geld. Wir müssten für einige Zeit eben das Beste draus machen. Nachdem ich mich gewaschen hatte stieg ich die Treppen hinab und ging in die Küche. Mami war dabei Kaffee zu kochen.
»Guten Morgen mein Schatz. Möchtest du einen kalten Kakao oder lieber Orangensaft? «, fragte Mami mich.
»Guten Morgen Mami«, murmelte ich noch etwas verschlafen. »Saft wäre Klasse. Wo sind denn Papi und Ellen? « fragte ich. »Ach, die sind zum Bäcker gefahren, um Frühstück zu holen«, erwiderte Mami. Unsere Küche stand immer noch voller Umzugskartons.
»Was steht denn heute auf dem Programm? «, fragte ich Mami neugierig.
»Ich weiß momentan auch nicht wo mir der Kopf steht. Wichtig ist die Küche«.
»Mami, was würdest du davon halten, wenn wir erst einmal schön gemütlich draußen auf der Terrasse frühstücken«, schlug ich vor.
»Wie sollen wir das denn machen, wir haben doch noch keine Gartenmöbel«, meinte Mami.
»Pass auf, wir nehmen einen großen leeren Karton, den wir umdrehen, als Tisch. Und dann noch unsere Klappstühle hier aus der Küche. So müsste es eigentlich gehen«.
»Gute Idee«, staunte Mami bewundernd. Und so schleppte ich einen großen leeren Karton nach draußen und Mami kam mit den Stühlen hinterher. Als Papi und Ellen kamen saßen wir mit unseren Getränken bereits draußen.
»Frühstück auf der Sonnenterrasse, das ist ja prima«, freute sich auch Papi. Und so saßen wir alle beisammen und genossen unser erstes Frühstück auf der tollen Terrasse.
Nach dem Frühstück halfen Ellen und ich Mami in der Küche. Papi hatte die Türen der Einbauschränke abmontiert um sie zu lackieren. Und wir waren dabei sämtliche Küchenschränke von innen sauber zu scheuern. Mami hatte sich die oberen Schränke vorgenommen und wir krochen auf den Knien herum, um die unteren zu säubern. Mit dieser Aufgabe waren wir den halben Tag beschäftigt, denn die Küche war riesig.
Gegen Mittag bestellten wir uns Pizza und genossen die Pause. Die Küchenschränke waren soweit sauber, nur die lackierten Schranktüren mussten noch trocknen. Mami und Papi wollten später in die Stadt fahren, um sich noch Möbel anzuschauen, die uns fehlten. Ellen und ich hatten die Wahl; entweder mitfahren oder es uns gemütlich machen. Wir beschlossen natürlich zuhause zu bleiben. Schließlich musste man doch das schöne Wetter ausnutzen. Wir wollten viel lieber schwimmen gehen.
Nachdem Mami und Papi losgefahren waren, machten wir uns auf den Weg zum Strand. Lange blieben wir jedoch nicht, da es doch ziemlich langweilig war nur so zu zweit.
»Und was machen wir jetzt«, fragte Ellen mich träge.
»Was hältst du davon, wenn wir unsere Fahrräder holen und ein bisschen die Gegend auskundschaften«, antwortete ich. Ellen war natürlich mit meiner Idee einverstanden.
Wir wollten ins nächste Dorf, das Makri hieß, fahren und uns dort mal ein wenig umschauen. Nachdem wir uns umgezogen hatten, radelten wir los. Die Straße dahin war sehr eng und kurvig und wir waren froh, als wir endlich die ersten Häuser sahen. Strahlend weiß mit roten Dächern lagen sie an einem Hügel. Eigentlich kannten wir das Dorf ja schon dadurch, dass wir immer mit dem Auto durchfahren mussten, um nach Hause zu kommen. Aber so mit dem Rad war das etwas ganz anderes. Es war früher Nachmittag als wir auf den Dorfplatz fuhren. Die Cafés, die die Platia (den Dorfplatz) umrundeten waren nur spärlich gefüllt. Um diese Uhrzeit hielten die meistens Einheimischen wegen der großen Hitze ihren Mittagsschlaf. Die wenigen, die der Hitze trotzten und ihren Frappé (kalter Kaffee, das Kultgetränk schlechthin in Griechenland)oder ihren Ouzo genossen, starrten uns an. Neue Gesichter in unserem kleinen Dorf, schienen sie wohl zu denken. Ellen und ich sahen auch eher wie die Kinder von Touristen aus, so blond und blauäugig wie wir waren. Wir nahmen Kurs auf einen kleinen Kiosk am Rande des Dorfplatzes und holten uns erst einmal ein Eis. Damit setzten wir uns auf eine Bank unter einer großen Pappel.
»Welche Richtung wollen wir einschlagen«, fragte Ellen mich. Es gab drei Richtungen. Eine Straße führte in Richtung Alex, die andere zum Hafen und die dritte wieder zurück nach Hause.
»Wie wäre es wenn wir mal runter zum Hafen fahren«, schlug ich vor. Ellen war mit meinem Vorschlag einverstanden und so fuhren wir weiter, nachdem wir unser Eis gegessen hatten.
Die Straße zum Hafen ging steil bergab. Es machte richtig Spaß mit dem Fahrrad dort hinunter zu fahren. Nach etwa zehn Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. Der kleine Hafen erstreckte sich malerisch vor uns. Er lag in einer kleinen Bucht, die umgeben von Felsen war. Die Kaimauer schützte die bunten Boote vor dem offenen Meer. Hier herrschte trotz der großen Hitze ein reges Treiben. Männer liefen geschäftig hin und her und ab und zu fuhr eins von diesen kleinen lustigen bunten Booten an der Kaimauer entlang aufs offene Meer hinaus. Die Sonne stand noch sehr hoch am Himmel und das Meer glänzte azurblau. Nachdem wir uns gründlich umgesehen hatten, entschlossen wir uns wieder heimzufahren. Wir wollten zu Hause sein, bevor Mami und Papi wieder kamen. Schließlich hatten wir ihnen versprochen, uns noch ein bisschen um unsere Zimmer zu kümmern.
Der Rückweg war nicht so toll, da wir den ganzen Weg vom Hafen bis zum Dorfplatz gegen die Steigung ankämpfen mussten. Wir waren blitzschnell nass geschwitzt. Zum Glück stand auf der Platia ein kleiner Brunnen. Dort hielten wir noch mal an um uns zu erfrischen. Dann ging es zurück nach Hause. Wir fuhren wieder an den unzähligen Olivenbäumen entlang, die links und rechts die Straße säumten. Kurz vor unserer Hofeinfahrt stutzte ich. Da lag eine große weiße Plastiktüte auf der Straße. Wer hatte denn hier wieder seinen Müll entsorgt, dachte ich verärgert. Wenn wir alle eines nicht leiden konnten, dann war das Umweltverschmutzung. Wir wurden schon von klein auf von unseren Eltern angehalten, die Umwelt sauber zu halten und unseren Müll richtig zu entsorgen. Ich beschloss, die Tüte in unsere Mülltonne zu befördern. Also stieg ich ab, stellte mein Fahrrad an einen Baum und ging auf die Tüte zu. Plötzlich hielt ich inne.
»Ellen, die Tüte hat sich bewegt«, rief ich meiner Schwester zu.
»Das hab` ich auch gesehen. Was könnte das nur sein«, erwiderte sie. Und wieder raschelte die Tüte.
»Vielleicht ist es eine Schlange«, sagte Ellen ängstlich.
»Ach quatsch, wer packt denn eine Schlange in eine Plastiktüte«, entgegnete ich ihr. Irgendwie musste ich die Tüte von der Straße bekommen, bevor das nächste Auto kam. Beherzt griff ich zu. Wieder dieses Rascheln. Vorsichtig legte ich die Tüte am Fahrbahnrand wieder ab und begann sie zu öffnen. Sie war ziemlich gut verknotet. Ich zog und zerrte an dem Plastik und endlich gab der Knoten nach. Was wir dann sahen, verschlug uns die Sprache. Drei kleine Katzenbabys sahen uns total verängstigt an. Sie waren noch ganz winzig. Wir waren einfach nur sprachlos.
»Los Ellen, fahr schnell vor und öffne das Tor. Ich nehme die Kätzchen«, bat ich Ellen. Sie flitzte los. Mein Fahrrad würde ich später holen. Erst mussten wir diese kleinen Kätzchen hier versorgen. Vorsichtig griff ich nach der Tüte. Die kleinen Geschöpfe fingen an zu fauchen. Doch das beeindruckte mich wenig. Schließlich waren sie total verängstigt.
Ellen kam mir schon mit einem kleinen Karton entgegen, in den sie ein altes Tuch gelegt hatte. Prima Idee, dachte ich und vorsichtig legte ich die Kätzchen dort hinein. Die armen kleinen drängten sich verängstigt aneinander und sahen uns mit großen hellblau schimmernden Augen an. Eins war ganz schwarz, das zweite schwarz- weiß und das dritte grau- weiß. Wie herzlos mussten diese Menschen nur sein, die so etwas tun konnten. Ich war einfach nur wütend.
»Du Tina, was geben wir den kleinen denn zu fressen?«
»Ich weiß auch nicht so genau. Es ist besser, wenn wir auf Mami und Papi warten«, entgegnete ich. Sie nickte.
Mami und Papi ließen auch nicht mehr lange auf sich warten. Wir empfingen sie schon an der Haustür. Aufgeregt erzählten wir ihnen von unserem Fund. Dann zogen wir sie zu den Karton. Auch unsere Eltern waren fassungslos. Nachdenklich sah sich Papi die kleinen Kätzchen an. Er sprach laut aus, was ich auch schon gedacht hatte.
»Hoffentlich bekommen wir sie durch. Sie scheinen noch sehr klein zu sein. Wenn sie nicht selbstständig fressen können, haben wir ein Problem. Habt ihr schon ausprobiert, sie zu füttern?«
»Nein, wir wussten nicht wie«, antwortete ich. Wir hatten schließlich noch nie Kätzchen gehabt. Zum Glück wusste Mami Rat.
»Wir probieren es erst mal mit Milch«, schlug sie vor. Dann lief sie in die Küche.
»Papi können wir sie behalten?«, flehten Ellen und ich fast gleichzeitig. Papi grinste nur.
»Wir wollten uns doch sowieso Katzen zulegen, schon allein wegen der Mäuse«, meinte er. Die Zuversicht die Papi ausstrahlte, ließ uns hoffen, dass es die Kätzchen doch schaffen würden. Und da kam auch Mami mit einem Schälchen Milch aus der Küche. Vorsichtig stellte sie es im Karton ab. Die Kätzchen fingen schon wieder an zu fauchen. Doch auch Mami ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie tunkte ihren Finger in die Milch und ließ die Kätzchen daran schnuppern. Und dann, ganz vorsichtig fing das erste an, Mami den Finger abzuschlecken. Auch bei den anderen beiden klappte es. Langsam setzte Mami das erste Kätzchen direkt vor das Schälchen mit der Milch. Und siehe da, es fing an zu trinken. »Na also«, freute sich Mami.
»Und morgen holen wir Katzenfutter«, fügte sie lachend hinzu- Die Erleichterung war ihr ins Gesicht geschrieben.