Читать книгу Abenteuer in Alex - Yennifer Woods - Страница 9

Kapitel 7

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Mami und Papi hatten nichts dagegen einzuwenden, dass ich Nico und Maria am Samstag besuchen wollte. Und so machte ich mich am späten Samstagvormittag mit dem Fahrrad auf den Weg. Ellen wollte lieber mit Mami nach Alex fahren und shoppen. Also fuhr ich allein los.

Die Sonne schien und die Schwalben zwitscherten geschäftig. Es war Spätsommer und so langsam fingen sie an sich zu sammeln, um zu ihren Winterquartieren in den Süden aufzubrechen. Ich radelte ziemlich langsam und genoss es, die frische Meeresluft tief einzuatmen. Es stimmte mich etwas traurig, dass der Sommer nun bald endgültig vorbei sein würde. Schließlich wusste keiner von uns, wie es hier im Winter sein würde. Ich verwarf diese trüben Gedanken schnell wieder, denn ich war fast an meinem Ziel angelangt. Zu meiner rechten Seite erstreckten sich die ersten Weidezäune und die Stallgebäude und das große Wohnhaus lagen direkt vor mir. Auf dem Hof war niemand zu sehen. Ich beschloss mein Fahrrad an der Stallmauer abzustellen und zunächst zum Haus zu gehen.

Langsam stieg ich die Treppen zur großen Veranda hinauf. Es war mir nun doch etwas unangenehm und irgendwie kam ich mir wie ein Eindringling vor. Zwei getigerte Katzen lagen zusammengerollt auf den Stühlen und sahen mich müde an. Vor der Haustür angekommen sah ich mich nach der Türklingel um. Doch so etwas schien es hier nicht zu geben. Die Schlüssel steckten im Türschloss. Ich beschloss, anzuklopfen. Zaghaft klopfte ich gegen die Glasscheiben, die in der Haustür eingefasst waren. Dann wartete ich. Nachdem ich das Gefühl hatte, dass mittlerweile eine Ewigkeit vergangen war, öffnete sich die Tür. Eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte, stand vor mir. Sie sah Maria sehr ähnlich. Sie war zierlich und hatte ihre lagen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihre dunklen Augen musterten mich freundlich. Sie war braungebrannt und trug verwaschene Jeans und ein T- Shirt. Sie war mir auf den ersten Blick sympathisch.

»Guten Morgen«, begrüßte sie mich freundlich,

»Du musst Christina sein. Nico und Maria haben mir schon viel von dir erzählt. Ich bin Katerina, die Mutter der beiden«. Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Ich ergriff ihre Hand und stammelte:

»Guten Morgen, freut mich sie kennen zu lernen. Ich war mit Nico und Maria verabredet«.

»Sie sind im Stall, ich bring dich hin«, antwortete sie. Langsam ging sie voraus. Irgendetwas schien sie zu bedrücken. Plötzlich überkam mich ein seltsames Gefühl. Ich folgte ihr zum Stall. Sie öffnete die Tür und wir traten hinein.

Nico, Maria und noch ein Mann, den ich nicht kannte, standen mit den Rücken zu uns vor einer Box. Als sie uns hörten, drehten sie sich zu uns um. Marias Gesicht war tränenverschmiert. Nico sah sehr wütend aus und der Mann, der neben ihnen stand hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er schien sehr müde und bedrückt zu sein. Trotzdem kam er zu mir und begrüßte mich freundlich. Es war der Vater der beiden und er hieß Thomas. Er war sehr groß und muskulös. Seine dunklen Haare fielen im leicht in die Stirn und seine blauen Augen sahen sehr traurig aus. Er sagte zu Nico, dass er den Tierarzt verständigen wolle und verließ mit seiner Frau den Stall.

Ich ging ein paar Schritte auf die Box zu, vor der Nico und Maria die ganze Zeit standen. Dann sah ich, was alle bedrückte und mir stockte der Atem. In der Box stand ein weißes Pferd. Es war bis auf die Knochen abgemagert. Wie ein lebendiges Skelett. Sein Fell war stumpf und voller blutiger Striemen. Es lies den Kopf traurig hängen und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Übelkeit stieg in mir hoch und mir wurde schwindelig. Fassungslos starrte ich auf das Pferd. Dann drehte ich mich um und rannte aus dem Stall. Draußen lehnte ich mich an die Stallmauer und rang nach Luft. Alles schien sich zu drehen. Einige Minuten später ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß und heulte. Irgendwann vernahm ich Schritte und sah durch meine verheulten Augen Nico auf mich zukommen. Wortlos setzte er sich neben mich auf den Boden und hielt mir ein Taschentuch hin. Ich nahm es, putzte mir die Nase und versuchte mich zu beruhigen. Nach einigen Minuten brach Nico das Schweigen.

»Geht`s wieder?« fragte er mich. Ich nickte. Dann holte ich tief Luft und fragte mit brüchiger Stimme:

»Wer tut so etwas. Wie kann man einem Tier nur so etwas antun«.

»Es gibt Menschen, die betrachten Tiere nur als Gegenstände. Für sie sind es Sachen, mit denen man umgehen kann, wie man möchte. Sie sehen nur ihren Profit. Das auch Tiere schmerzen verspüren und leiden, genauso wie wir Menschen, interessiert sie nicht. Anderen wiederum macht es Spaß, Tiere einfach nur zu quälen. Solange es hier kein Gesetz zum Schutz der Tiere gibt und Tierquälerei nicht härter bestraft wird, werden viele so weiter machen wie bisher«. Nico hatte Recht, dass wusste ich. Nachdem was er gesagt hatte, musste ich an unsere Kätzchen denken. Die hatte auch jemand entsorgt, als wären sie Müll.

»Wo habt ihr das Pferd gefunden?«, fragte ich Nico mit tränenerstickter Stimme.

»Es ist eine Stute und mein Vater hat sie zufällig heute Morgen in einem Dorf entdeckt durch das er gefahren ist, als er zu einem Termin musste. Sie war an einem Zaun angebunden. Vater hat sie dem Besitzer nach langem hin und her abgekauft«. Nico ballte seine Hände zu Fäusten.

»Nur wer hindert den Mistkerl daran, sich ein anderes Pferd zu kaufen und es genauso schlecht zu behandeln wie dieses? «, fügte er zornig hinzu.

Ich war verzweifelt.

»Meinst du, der Tierarzt kann ihr helfen«, fragte ich Nico mit zitternder Stimme. Dabei wagte ich nicht ihn anzusehen. Auch Nico sah mich nicht an, sondern ließ seinen Blick über das Meer wandern, als er mir schließlich zögernd antwortete.

»Ich weiß es nicht, aber ich hoffe er kann helfen. Wir können jetzt nur abwarten bis er kommt«. Sein Gesichtsausdruck war wie versteinert. Ich konnte nicht erkennen was in ihm vorging. Und das machte mir Angst. Ich beschloss, nach Hause zu fahren. Es war vielleicht feige von mir, mich einfach so zu verdrücken, aber ich hielt diese Ungewissheit einfach nicht aus.

»Nico, es tut mir leid aber ich halte es nicht aus, hier zu warten. Ich fahre jetzt nach Hause«, sagte ich leise. Nico nickte kurz und murmelte etwas. Sein Blick lag weiterhin in der Ferne. Langsam stand ich auf und ging auf mein Fahrrad zu, das noch an der Stallmauer lehnte. Dort angekommen drehte ich mich noch mal zu Nico um. Er lehnte noch immer an der Stallmauer, die Arme über den Knien verschränkt und den Kopf auf die Arme gestützt. Ich sah, dass er weinte. Er ließ seinen Tränen freien Lauf. Dieses Bild ließ den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte noch mehr wachsen. Die Lage schien für die kleine Stute wirklich aussichtslos zu sein. Ich musste hier weg, und zwar so schnell wie möglich. Ich wollte nicht mit ansehen müssen, wie sie eingeschläfert werden könnte. Und so radelte ich so schnell ich konnte nach Hause um mich zu verkriechen und irgendwie Trost zu finden.

Natürlich lief ich Mami direkt in die Arme, als ich mich gerade auf mein Zimmer schleichen wollte.

»Was ist denn mit dir los? Ist etwas passiert?«, fragte sie mich besorgt. Ich musste schrecklich aussehen. Mein Gesicht war geschwollen und rot vom weinen und mein Haar ganz zerzaust.

»Mami, es war so schrecklich, da war…,« ich stockte und wieder liefen mir die Tränen über das Gesicht. Plötzlich merkte ich, dass sich in Mamis Augen Panik ausbreitete. Sie musste denken dass etwas Schreckliches passiert sei. Als ich das bemerkte beendete ich meinen Satz mit zitternder Stimme: »Da war ein Pferd bei Nico, es war in einem katastrophalen gesundheitlichen Zustand. Der, der letzte Besitzer hat es fast zu Tode gequält«, stotterte ich. Mami sagte gar nichts mehr. Ich sah, wie Traurigkeit in ihre Augen stieg. Dann nahm sie mich ganz fest in den Arm und wiegte mich sanft hin und her, wie damals als ich klein war. Irgendwie tröstete mich das ein wenig. Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte führte Mami mich in die Küche und machte mir erst mal eine kalte Limonade. Dann setzten wir uns zusammen nach draußen in den Schatten. Aber wir schwiegen. Keiner von uns wollte ein Gespräch beginnen. Mami schien durch meine Geschichte auch sehr mitgenommen. Eine ganze Weile starrte sie wortlos aufs Meer. Ich sah nur auf meine Fußspitzen, bis Mamis Stimme mich aus meinen Gedanken riss.

»Ich werde solche Tierquäler nie verstehen. Was geht nur in deren Köpfe vor? Sie müssten viel härter bestraft werden um so etwas nie wieder zu tun«. Ihre Stimme zitterte richtig vor Zorn. Dann stand sie auf.

»Tina, ich weiß du bist aufgebracht, aber hilf mir bitte ein bisschen in der Küche. Ich muss das Essen fertig machen. Du musst auf andere Gedanken kommen. Später rufe ich dann bei den Eltern von Nico an und erkundige mich nach dem Pferd«. Erst verdrehte ich noch die Augen, doch dann überlegte ich es mir anders. Mami hatte Recht. Es half keinem wenn ich hier nur saß und Trübsal blies. Davon wurde die Stute auch nicht wieder gesund. Und ich fand es toll von Mami, dass sie sich später noch mal telefonisch nach dem Gesundheitszustand der Stute erkundigen wollte. Sie wusste dass ich nur ungern telefonierte, denn mein griechisch war noch nicht so gut. Ehrlich gesagt hätte ich mich auch nicht getraut bei Nico anzurufen. Also folgte ich Mami schweigend in die Küche.

Es gab Spaghetti Bolognese, eigentlich eines meiner Lieblingsessen, aber heute brachte ich keinen Bissen runter. Mami ließ mich gewähren. Auch sie schien keinen Hunger zu haben. Sie stocherte nur lustlos in ihren Nudeln rum und zwang sich regelrecht etwas zu essen. Papi und Ellen hatten von Mami alles erfahren. Auch sie machten betretene Gesichter. Wir schwiegen uns an. Und dann, als die Stille unerträglich wurde, meldete sich Mami zu Wort.

»Ich werde jetzt dort anrufen. Mittlerweile muss der Tierarzt ja dort gewesen sein«, sagte sie nur und sprang auf, um im Flur zu telefonieren. Ich sprang auf und lief ihr nach. Im Türrahmen blieb ich stehen und lauschte. Zum Glück meldete sich sofort jemand. Es schien Nicos Mutter zu sein. Mami sprach einfach zu schnell, ich verstand nicht einmal die Hälfte. Nach einer kleinen Ewigkeit legte sie auf. Ich hielt den Atem an. Mami drehte sich zu mir um.

»Der Tierarzt war da gewesen und hat der Stute ein paar Spritzen gegeben und sie soweit versorgt. Die nächsten vierundzwanzig Stunden sind kritisch. Wenn die Stute die übersteht, besteht Hoffnung. Es wird bestimmt alles gut«, versuchte Mami mir Mut zu machen. Dann ging sie zurück in die Küche um Papi und Ellen die Neuigkeiten zu erzählen.

Ich machte mich auf den Weg zum Strand. Ich wollte ein bisschen allein sein. Ich rief etwas in Richtung Küche und verkrümelte mich.

Am Strand angekommen legte ich mich einfach auf den warmen Sand. Ich starrte in den blauen Himmel, sah jedoch immer wieder die Stute vor mir. Lange suchte ich nach einer Lösung; wie man so etwas in Zukunft vermeiden könnte, aber mir viel nichts ein. Ich fühlte mich einfach nur klein und hilflos.

Lange hielt ich es am Strand nicht aus. Langsam lief ich zurück zum Haus. Ellen saß auf der Terrasse und spielte mit den Kätzchen. Als sie mich bemerkte, sah sie auf.

»Mami und Papi sind noch mal kurz nach Makri gefahren, um ein paar Besorgungen zu machen. Geht es dir etwas besser?«, fragte sie mich besorgt. Ich nickte. Dann setzte ich mich zu ihr. Die Kätzchen wuselten um uns herum und waren ganz begeistert, dass wir so ausgiebig mit ihnen spielten. Wir sagten nicht viel. Ellen ließ mich in Ruhe und stellte nicht so viele Fragen und dafür war ich ihr sehr dankbar. Irgendwann faselte ich etwas von Hausaufgaben und verkrümelte mich auf mein Zimmer. Die Hausaufgaben waren natürlich eine Ausrede; stattdessen schrieb ich wieder einmal einen lagen Brief an Sandra. Danach fühlte ich mich etwas besser. In der Zwischenzeit waren auch meine Eltern wieder da. Wir aßen gemeinsam zu Abend und danach gab es noch eine Überraschung; Wir fuhren ins Kino. Das war das erste Mal seitdem wir nach Alex gezogen waren. Wo das Kino war wussten wir. Es lag genau an unserem Schulweg. Also fuhren wir los.

Papi war wie immer wenn es um die Parkplatzsuche in der Stadt ging sehr nervös. Es war wirklich eine Glücksache abends nach acht Uhr einen Parkplatz zu ergattern. Der Filmstart rückte immer näher und Papi fuhr ununterbrochen seine Runden um das Kino. Irgendwann war uns das Glück dann doch Hold und wir stürmten ins Kino. Wir waren auf lange Schlangen an der Kasse vorbereitet, doch hier im Kino tat sich gar nichts. Ein älterer Herr (der Besitzer, wie sich später rausstellte) saß allein vor dem Eingangsbereich. Er begrüßte uns freundlich und kam zu dem Kassenhäuschen, was nicht besetzt war. Nachdem wir die Eintrittskarten bezahlt hatten führte er uns in den Kinosaal. Wir trauten unseren Augen kaum. Es waren gerade mal drei! Zuschauer außer uns da. Wir schauten uns alle ziemlich verdutzt an. Dann suchten wir uns die besten Plätze aus, was nun mal überhaupt nicht schwer war und machten es uns gemütlich. Papi lief noch einmal los um etwas zu knabbern zu besorgen. Dann endlich begann der Film.

Das komische in Griechenland ist ja, das die Filme nicht auf griechisch sondern in der Originalsprache mit Untertitel laufen. Das hieß für uns, außer natürlich für Mami, wir kamen nur halbwegs mit. So schnell lesen, das war einfach noch nicht drin. Und so gut war unser Englisch auch nicht. Aber es machte Spaß und ich kam ein wenig auf andere Gedanken, was ja auch Papis und Mamis Absicht war.

Nach der Vorstellung gab es für jeden noch ein superleckeres Eis und dann fuhren wir wieder nach Hause. Morgen war schließlich Montag und der Schulalltag hatte uns wieder.

Morgens erwachte ich mit gemischten Gefühlen. Einerseits freute ich mich Maria wieder zu sehen, andererseits hatte ich Angst dass sie mir erzählen würde, dass die Stute es nicht geschafft hat.

Frühstücken konnte ich beim besten Willen nicht. Eilig kippte ich nur meinen Kakao runter und schon eilten Ellen und ich zur Straße um den Bus anzuhalten. Ellen war wie immer pünktlich fertig, nur ich kam mal wieder nicht in die Gänge. Mami ermahnte mich noch ich sollte morgens vielleicht ein bisschen früher aufstehen, doch das hörte ich schon gar nicht mehr. Wir hatten es so gerade geschafft. Glück für uns, denn der nächste Bus fuhr erst in zwei Stunden. Wir zwängten uns in den wie immer vollen Bus und ich schaute mich suchend nach Maria um. Doch leider sah ich sie nicht. Das hieß, ich musste mich gedulden, bis wir ausstiegen.

An unserer Haltestelle angekommen sprang ich aus dem Bus und lief auf die hintere Tür zu. Da war Maria. Erleichtert winkte ich und lief auf sie zu. Sie sah mich und lächelte. Ihre Augen verrieten mir, was mir brennend auf der Seele lag. Erleichterung machte sich in mir breit. Erfreut umarmte ich sie.

»Es ist alles in Ordnung. Sie schafft es. Der Tierarzt war heute noch mal da gewesen«, hörte ich sie sagen.

»Gott sei Dank«, erwiderte ich. Beschwingt machten wir uns dann auf den Weg zur Schule. Aus den Augenwinkeln suchte ich nach Nico, konnte ihn aber nirgendwo entdecken.

»Wo ist eigentlich dein Bruder?«, fragte ich Maria nach einer Weile.

»Ach, weißt du, dem ging es heute Morgen nicht so gut. Er ist zuhause geblieben«. Maria sah meinen besorgten Blick und fügte schnell hinzu: »Nichts schlimmes, er war nur die ganze Nacht bei der Stute. Mein Vater war heute Morgen richtig sauer. Er mag es nicht, wenn wir wegen der Tiere den Unterricht versäumen. Das gibt bestimmt noch Ärger«.

Ich nickte nur. An Nicos Stelle wäre ich auch die ganze Nacht bei der Stute geblieben, egal was meine Eltern gesagt hätten.

Der Schultag zog sich wieder wie ein Kaugummi in die Länge. Meine Motivation ließ auch zu wünschen übrig. Ich war richtig erleichtert als mittags das Ende eingeläutet wurde.

Maria wartete schon am Schultor und gemeinsam gingen wir zur Bushaltestelle. Sehr gesprächig waren wir beide nicht. Zum Glück war der Bus pünktlich. Wir stiegen ein und setzten uns nach ganz hinten. In Chili stieg auch Ellen ein und setzte sich zu uns. Während der Fahrt erzählte sie uns von Hundewelpen, die frei auf dem Schulhof rumliefen und niemanden zu gehören schienen.

»Sie sind total mager, strubbelig und verlaust aber total lieb und anhänglich«, erzählte Ellen mit Begeisterung.

»Und du meinst, sie gehören niemanden?«, fragte ich Ellen. Bevor Ellen antworten konnte, meldete sich Maria hastig zu Wort.

»Das ist typisch. Wo man auch hinsieht gibt es hier streunende Hunde. Sie sind nicht sterilisiert und vermehren sich ständig. Aber die kleinen Welpen haben kaum eine Überlebenschance. Wenn sich keiner der Kleinen annimmt, verhungern sie oder werden von Autos überfahren«.

»Das ist hier leider ein Dauerzustand und man kann nichts dagegen unternehmen«, fügte sie traurig hinzu. Wütend starrte ich aus dem Busfenster. Sprechen konnte ich nicht. Die Hilflosigkeit, die ich plötzlich in mir spürte schnürte mir die Kehle zu. Tränen bahnten sich ihren Weg, obwohl ich mit allen Mitteln versuchte, sie zurückzudrängen. Fragen über Fragen kreisten in meinen Gedanken: <Warum kann man nichts dagegen unternehmen, warum bin ich nicht älter, dann hätte ich bestimmt eine Lösung gefunden, warum sind viele Menschen einfach so herzlos, warum…>, dachte ich.

Dann endlich hielt der Bus an und wir konnten aussteigen. Maria nickte mir noch kurz zu und schon stiegen Ellen und ich die Bustreppen hinunter. Es tat gut die frische Meeresbrise auf meinem Gesicht zu spüren. Ich atmete einige Male tief durch. Dann überquerten wir die Straße und gingen die steile Einfahrt zu unserem Haus hinunter.

Mami wartete schon mit dem Essen. Ein Blick auf unsere Gesichter genügte ihr, um zu merken dass mit mir etwas nicht stimmte.

»Na was für eine Laus ist euch beiden denn über die Leber gelaufen«, fragte sie uns mit einem Lächeln.

Ellen und ich erzählten ihr sofort von den kleinen Hundewelpen, die herrenlos auf dem Schulhof herumirrten. Mami schaute uns traurig an. Aber eine Lösung hatte auch sie nicht. Später, als Papi von der Arbeit kam, erzählten wir auch ihm von unserem Kummer. Papi blickte uns mit zusammengekniffenen Augenbrauen an.

»Das ist wirklich schrecklich, aber wir können hier nicht alle herrenlosen Tiere aufnehmen, ihr braucht mich überhaupt nicht so flehend anschauen«, fügte er noch schnell hinzu. Davon war zwar nie die Rede, doch Papi wusste wohin dieses Gespräch führen würde, bevor es überhaupt angefangen hatte. Ich versuchte es trotzdem.

»Aber Papi, du hast doch selber gesagt, wir bekommen hier auch einen Hund, der uns und das Haus bewacht«, fing ich vorsichtig an. Jetzt bloß keinen Fehler machen, dachte ich.

»Tina, wir wissen weder, ob die Hunde wirklich herrenlos sind, noch ob sie vielleicht irgendwelche Krankheiten haben, wie groß sie werden und, und, und...«, fing Papi an.

»Die sind wirklich herrenlos, dass sagen alle Kinder bei uns auf der Schule«, erwiderte Ellen schnell.

»Und wir können sie uns ja erst einmal anschauen und dann weitersehen«, fügte ich rasch hinzu. Ich wusste, dass mein Vater seine Meinung ändern würde, sobald er die kleinen Welpen sah. Papi öffnete noch mal den Mund um noch irgendetwas zu erwidern, besann sich dann jedoch und nickte langsam.

»In Ordnung, ihr habt mich überstimmt. Nach dem Abendessen fahren wir zum Schulhof und sehen uns die Welpen einmal an«, versprach er uns dann.

Wie versprochen, ging es nach dem Abendessen los. Wir fuhren zur Schule und Papi parkte am Straßenrand. Lange suchen brauchten wir die Hündin und ihre Welpen nicht. Sie bemerkten uns sofort, als wir den Schulhof betraten und kamen sofort auf uns zugelaufen. Mami hatte mir eine Tüte mit Essensresten und Brot in die Hand gedrückt. Die Hündin vernahm die Gerüche und kam auf mich zu. Ich sprach leise auf sie ein und schüttete den Inhalt der Tüte auf den Boden. Sofort begann die Hündin zu fressen. Die Welpen waren etwas vorsichtiger. Es waren insgesamt fünf. Papis Blick verfinsterte sich als er sah, wie ausgehungert die Hündin war. Man konnte ihre Rippen zählen. Dann hörte ich Papi seufzen. Er drehte sich zu mir um und machte ein Gesicht als hätte er Zahnschmerzen.

»Tina mach` bitte den Kofferraum auf, wir nehmen alle mit«.

Erst sah ich sah ihn sprachlos an. Es verging ein kleiner Moment, ehe ich mich wieder gefangen hatte. Dann lief ich zum Auto und machte mir am Kofferraum zu schaffen. Wir lockten die Hündin ins Auto und fingen dann die Welpen ein, um sie zu der Hündin zu setzten. Wunderlicherweise ließen die Hunde alles mit sich geschehen. Es war als spürten sie, dass wir ihnen helfen wollten.

Dann fuhren wir los. Ellen plapperte fröhlich vor sich hin. Ich saß auf dem Beifahrersitz und sah Papi an. Er hatte eine steile Sorgenfalte auf der Stirn. Er spürte meinen Blick und sah mich an.

»Ich möchte da etwas klarstellen; wir können nicht alle behalten. Wir werden versuchen, ein neues Heim für die Welpen zu finden«.

Ich nickte und war einfach nur glücklich, denn ich wusste, die Hunde waren erst einmal in Sicherheit.

Mami erwartete uns schon. Als sie das Auto bemerkte, kam sie raus und staunte nicht schlecht als wir den Kofferraum öffneten (zum Glück hatten wir einen Kombi) und die Hündin mit ihren Welpen zum Vorschein kam. Erstaunt wandte sie sich an Papi.

»Konntet ihr euch nicht entscheiden?« fragte sie mit einem Lächeln. Ich spürte, dass auch sie erleichtert war. Die Hunde sprangen aus dem Kofferraum und begannen, den Hof zu inspizieren. Papi nahm Mami in den Arm und Ellen und ich liefen ins Haus, um ein paar alte Decken für die Hunde zu holen. Die Katzen hielten wir vorerst im Haus, weil wir nicht wussten ob sie sich mit den Hunden vertragen würden.

Abenteuer in Alex

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