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XXVIII

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Der Morgen bricht mit einem schrägen Regen an wie alle Morgen vorher. Vor dem Hotel Savoy steht ein Polizeikordon. Polizei sperrt die schmale Gasse von beiden Seiten ab.

Die Menge steht auf dem Marktplatz und wirft Steine in die leere Gasse. Die Steine füllen die Straßenmitte. Man hätte sie neu pflastern können.

Der Polizeioffizier steht mit seinen wildledernen Handschuhen im Eingang. Er hält Zwonimir und mich zurück, als wir hinausgehen wollen.

Zwonimir schiebt ihn zur Seite. Wir schleichen hart an den Mauern, um von den Steinen nicht getroffen zu werden. Wir passieren den Polizeikordon, drängen uns durch die Menge.

Zwonimir hat viele Freunde. Sie rufen:

»Zwonimir!«

»Freunde«, ein Mann redet auf einem Brunnen, »man erwartet Militär. Heute abend werden sie dasein.«

Wir gehen durch die Stadt, sie ist still, die Läden sind geschlossen. Ein jüdischer Leichenzug begegnet uns, die Leichenträger rennen mit dem Toten auf den Schultern, und die Frauen hasten schreiend nach.

Wir wissen, daß wir das Hotel Savoy nicht mehr wiedersehn. Zwonimir lächelt schlau: »Unser Zimmer ist nicht bezahlt!«

Wir kommen an jenem Tabakladen vorbei, an dem die Treffer der kleinen Lotterie ausgestellt werden. Ich erinnere mich an das Los.

»Gestern war Ziehung«, sagt Zwonimir.

Der Laden ist ängstlich und dicht verschlossen, aber die Ziehungen sind neben der grünen Ladentür an der Wand befestigt. Ich sah meine Nummern nicht, vielleicht hat man sie gestern mit Kreide aufgeschrieben – und der Regen hat sie ausgelöscht.

Abel Glanz treffen wir im Judenviertel. Er hat gar nicht im Hotel geschlafen. Er erzählt Neuigkeiten:

»Neuners Villa ist zertrümmert, Neuner und seine Familie sind im Auto fortgefahren.«

»Umbringen!« schreit Zwonimir.

Wir kommen zum Hotel zurück, die Menge weicht nicht.

»Vorwärts!« schreit Zwonimir.

Ein paar Heimkehrer wiederholen den Ruf.

Ein Mann drängt sich durch die Menge, bleibt vorn. Plötzlich sehe ich, wie er die Hand ausstreckt, es knallt, der Polizeikordon wankt, die Menge wälzt sich in die Gasse.

Der Polizeioffizier schreit einen schrillen Kommandoruf. Ein paar armselige Schüsse knattern, ein paar Menschen fallen, einige Frauen kreischen.

»Hurra!« schreien die Heimkehrer.

»Platz frei!« ruft Taddeus Montag, der Zeichner. Er ist lang und dünn und überragt alle um einen halben Kopf. Er schreit zum erstenmal in seinem Leben.

Man läßt ihn hinaus, und ihm folgen andere. Viele Bewohner des Hotels drängen durch die Menge dem Marktplatz zu.

Der Hoteldirektor steht auf dem Marktplatz, unbemerkt ist er hierhergekommen. Er hält beide Hände vor den Mund und ruft und reckt den Kopf angestrengt gegen die Fenster des siebenten Stockwerks empor: »Herr Kaleguropulos!«

Ich höre ihn rufen und breche eine Bahn zu ihm. Es geschieht so vieles hier. Mich aber geht Kaleguropulos an.

»Wo ist Kaleguropulos?«

»Er will nicht fort!« schreit der Direktor, »er will ja nicht!«

In diesem Augenblick geht oben die Dachluke auf und Ignatz erscheint, der alte Liftknabe. Hat ihn heute sein Fahrstuhl so hoch hinaufgeführt?

»Das Hotel brennt!« schreit Ignatz.

»Kommen Sie doch herunter!« ruft der Direktor.

Da bricht eine helle Stichflamme aus der Dachluke, Ignatz’ Kopf verschwindet.

»Wir müssen ihn retten«, sagt der Direktor.

Eine gelbe Flammengarbe bricht aus wie ein Tier.

Im sechsten Stockwerk brennt es auf, man sieht weiße Lichtbündel hinter den Fenstern.

Im fünften brennt es, im vierten. Es brennt in allen Stockwerken, während die Menge das Hotel stürmt.

Ich erblicke Zwonimir im Getümmel und rufe ihn.

Die Glocken der Stadttürme und Kirchen fallen schwer in den großen Lärm.

Trommelwirbel erdröhnt, harter Schritt genagelter Stiefel, ein Kommandoschrei zuckt auf.

Joseph Roth: Gesamtausgabe - Sämtliche Romane und Erzählungen und Ausgewählte Journalistische Werke

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