Читать книгу 5 lange und 7 kurze Krimis - A. F. Morland - Страница 31

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„Und da hat uns Robert ein paar wunderbare Zimmer im Grand Hotel in Vancouver gemietet. Haha!“, lachte Le Beau, dass es von den Felswänden widerhallte. Er war stehengeblieben, stützte sich auf den Kiefernstock, den er sich geschnitzt hatte, und sah sich nach den anderen um. Sie kamen im Dunst des Nebels aus dem weißen, bleichen Nichts des Schneetales herauf. Dunkel, drohend wie die riesigen Zähne eines Ungeheuers ragten Felstürme aus dem Schnee heraus. Der Baron und James hatten die junge Schwarze zwischen sich, deren Kopfwunde sich entzündet hatte. Sie schien Fieber zu haben, aber in der Bordapotheke des Flugzeuges war nichts gewesen, womit man Entzündungen verhindern konnte. Keine antiseptischen Mittel, nicht einmal Desinfizientia, erst recht keine Antibiotika. Gerade Verbandszeug und Brandpuder war vorhanden gewesen.

Es war gegen neun Uhr morgens. Sie hatten nach Le Beaus Schätzung etwa fünf oder sechs Kilometer geschafft. Aber nun waren sie bereits erschöpft. Kein Essen, nicht einmal ein Stück Schokolade hatten sie noch gehabt. Nichts war da. Ihr ganzer Besitz, und hier wohl mehr als zehn Kilo Gold wert, waren zwei Schachteln Streichhölzer und ein Feuerzeug. Sie hatten die Nacht über Holz sammeln können, um ein Feuer zu nähren, das wenigstens Wärme spendete.

Helen Teflin stolperte apathisch auf Le Beau zu. Bradley, der sie stützen und ihr helfen sollte, über die Schneewehen hinwegzukommen, ging gut fünf Schritte hinter ihr.

Dieser Bradley, dachte Le Beau, ist auch so ein mieser Scheißer, der nur an sich und seinen Astralleib denkt.

Der Baron und James kamen mit Betty. Sie wirkte aufgedunsen, halte rote Augen und merkwürdige Lippen, die fast violett aussahen. Der bullige James trug das Mädchen mehrmals, dass er es stützte. Auch der Baron hielt sie von der anderen Seite aufrecht. Beide Männer dampften, so schwitzten sie. Durch den tiefen Schnee zu waten, war so schon eine Plage, dann noch mit einem hilflosen Menschen, der kaum einen Schritt allein tun konnte.

„Was hast du gesagt?“, fragte Alexander. Er atmete schwer und sah Le Beau an. Auch James schnaufte wie eine alte Lok.

„Ich sagte, dass Robert uns im Grand Hotel feine Zimmer bestellt hat. Warm, mit fließend warmem und kaltem Wasser, mit Bedienung, mit Teppichen auf dem Boden.“

„Ja, im Grand Hotel, im vierten Stock. Verdammt!“, knurrte Alexander.

James grinste, aber es sah wie eine Grimasse aus.

„Ich würde mir einen Scotch bestellen. Hallo, würde ich sagen, einen Scotch, ein Rinderfilet, halb durch, genug Meerrettich, zwei Scheiben Toast, und Bier. Zwei Liter Bier. Deutsches Bier, das schmeckt am besten. Sie beziehen es aus Deutschland in Dosen. Ich weiß es. Vor einem Jahr, als wir in Vancouver waren, hatten sie auch deutsches Bier. Ich ...“

„Hör auf!“, keuchte Bradley, „Hör mit deinem verdammten Bier, deinem Rinderfilet und dem verfluchten Meerrettich auf! Hör auf oder ich schlage dir etwas auf dein Elefantengehirn!“ James sah sich überrascht nach Bradley um, der breitbeinig stehengeblieben war, wie ein Wilder zum viel größeren James aufsah, fast wie ein Hund, der einen Stier anbellt.

„Bei dir piept’s wohl, was?“, fragte James, und es klang noch immer sanft und gutmütig.

Bradley deutete auf Helen Teflin, die neben Le Beau stehengeblieben war und sich erschöpft an ihn lehnte und den Kopf an seine Schulter presste.

„Die da, die ist an allem schuld. Ich weiß schon, warum wir sie wegbringen sollten. Aber sie ist wirklich meschugge! Die hätte ruhig in der Klapsmühle bleiben sollen. Als wenn ausgerechnet eine Frau herausfindet, wann eine Maschine nichts taugt. Und dafür sitzen wir jetzt alle im Dreck.“

„Du hättest ja zu Hause bleiben können, Bradley. Die Maschine wäre ohne dich ebenso geflogen. Warum bist du nicht zu Hause geblieben?“, fragte Le Beau bissig. „Denkst du denn, wir hätten uns nach dem Schnee gesehnt? Aber ohne ihn wären wir vielleicht tot, alle. Du auch. Denk mal an Horell!“

„Hätte er mich fliegen lassen, wäre das alles anders gekommen. Ich hätte die Kiste an den Sandstrand gesetzt und nicht hier oben in Kälte und Schnee, dazu noch im Gebirge.“

„Komisch, dass dein Boss Horell und nicht dich zum Kapitän gemacht hat“, höhnte Le Beau. Der Baron legte ihm die Hand auf den Arm,

„Ruhe, Freunde, wir müssen weiter! Es ist noch zu früh, um große Pausen zu machen. Wenn wir uns erst hinsetzen, kommen wir nicht mehr weg. Los! Geht!“

„Ich gehe voraus!“, sagte Bradley. Dann stapfte er weiter bergan. Aber sie befanden sich trotzdem noch in einem dieser endlosen Längstäler, von denen der Baron hoffte, dass sie so ohne große Kletterei bis zur Bahnlinie durchkommen würden. Diese Bahnlinie, das war wie ein Fanal für sie, das vorausleuchtete, das sie immer wieder antrieb. Sie waren alle sicher, irgendwo im Südwesten auf diese Bahn stoßen zu müssen, und vieles deutete darauf hin, dass diese Informationen hier die Nähe der großen Seen ankündigte. Wenn das so war, lagen noch zehn Tagesmärsche vor ihnen. Wenn es ihnen gelänge, täglich wenigstens dreißig Kilometer zu schaffen. Und das mit leerem Magen? Sie zweifelten alle daran.

Bradley ging seinen Weg, und er ging ihn den ganzen Tag, geriet zweimal in eine tote Schlucht, aus der es keinen Ausweg gab, so dass sie umkehren mussten. Doch niemand warf ihm das vor. Abends lagerten sie, suchten mühsam nach Krüppelholz, machten ein Feuer. Helen Teflin war hübsch, aber das interessierte jetzt noch nicht mal Le Beau, der sonst diese Tatsache nie übersehen hätte. Sie waren alle viel zu müde, viel zu fertig, um sich für die Reize einer Frau erwärmen zu können.

Betty ging es trotz der Strapazen besser. Ihr Fieber war etwas gesunken, wie es schien. Ihr Puls ging ruhiger, und die Entzündung der Wunde hatte auch nachgelassen. Trotzdem war sie es, deren Stunde noch an diesem Abend schlug. Aber noch ahnte das keiner. Sie hockten um das Feuer. Bradley war eingeschlafen, Le Beau schnarchte mit James um die Wette. Betty schlief auch bald ein, und nur Helen und der Baron waren noch wach.

„Warum schlafen Sie nicht?“, fragte Helen, der James aus einer Decke eine Art Pluderhose gefertigt hatte, die warm hielt, sonst aber irrsinnig komisch aussah, was hier aber niemanden kümmerte.

„Einer muss wachen“, sagte Alexander. „Das ist so in der Wildnis. Nachher werde ich mich von einem anderen ablösen lassen.“

Sie hielt die steifen Hände über die klein gewordenen Flammen des Feuers.

„Ich bin froh, dass es Betty besser geht. Sie ist ein feiner Kerl und hat mir viel geholfen in der Anstalt.“

„Dafür werden wir sie auch belohnen.“

„Glauben Sie, dass wir hier gefunden werden?“

„Ich glaube, dass wir uns selbst helfen müssen. Wenn wir an der Bahn sind, ist es geschafft.“

„Und wenn kein Zug kommt?“, fragte sie. „Oder wenn er nicht hält?“

„Neben der Bahn liegen Telegrafen und Telefonleitungen. Es gibt allerorten und an jedem zehnten Mast ein Signaltelefon, eine Art kleines Morsegerät. Das haben die Kanadier an den einsamen Bahnstrecken eingerichtet. Man kann wie bei einem Autobahntelefon um Hilfe bitten.“

„Aber wenn wir nun viel zu weit bis zur Bahn haben? Wir müssen doch etwas zu essen bekommen. Wir verhungern doch. Hat den niemand eine Waffe? Ich habe heute etwas gesehen, das wie eine Ziege aussah. Ein Dickhornschaf. Kann es ein Dickhornschaf gewesen sein?“

„Vielleicht. Ich habe es nicht gesehen, nur gegen Mittag zwei Hasen. Wir werden bald Schlingen legen müssen, um welche zu fangen. Morgen früh werde ich mit Le Beau nach Spuren suchen. Dann legen wir Schlingen. Ich hasse das, Wild so zu jagen, aber ich glaube, in so einer Lage würde selbst ein passionierter Jäger keine andere Wahl haben.“

„Hoffentlich fangen wir was. Ich gehe ein vor Hunger.“

„Schlafen Sie! Oder wollen Sie noch etwas trinken?“

Sie schüttelte den Kopf und ließ den Kopf auf die Brust sinken. In der Hocke schlief sie wie eine alte Indianerin.

Alexander stützte den Kopf aufs Kinn. Er war müde wie die anderen, aber es musste jemand wachbleiben. Es könnte hier Wölfe geben, von der plötzlichen Kälte ebenso überrascht wie die Menschen, vielleicht auch vor dem Winter her nach Süden gelaufen. Vielleicht bestanden auch andere Gefahren, von denen sie gar nichts ahnten. Er jedenfalls spürte, dass irgendein Unheil in der Luft lag. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren. wie er zu diesem Gefühl kommen konnte. Er gab viel auf solche Empfindungen. Bis jetzt hatten sie immer gestimmt. Aber nie war er in der Lage gewesen, im Voraus zu sehen, welche Gefahr ihnen drohte. Und er konnte es auch diesmal nicht.

Nach zwei Stunden weckte er Le Beau. Der fluchte und schnaubte, doch dann tat er seine Pflicht und blieb seine zwei Stunden wach. Im Gegensatz zum Baron, der das Feuer in Gang gehalten hatte und aus einem Stück Flugzeugkabeldraht eine Wildschlinge hergestellt hatte, blieb Le Beau nicht sitzen, sondern lief in der Umgebung des Lagers herum und suchte nach Spuren. Der helle Mond, die unzähligen Sterne am klaren Nachthimmel sorgten dafür, dass er etwas im Schnee sehen konnte. Er entdeckte unweit, neben vielen älteren Fährten, eine frische, die seiner Meinung nach von einem Bergschaf stammte. Da er kein Wildkenner und erst recht kein routinierter Spuren- und Fährtendeuter war, bedeutete ihm diese Fährte so viel wie ein Hinweis auf Fleisch. An einer Stelle, wo der offensichtliche Wildwechsel durch Gebüsch ging, legte Le Beau seine Schlinge aus, befestigte das Ende dicht über der Wurzel an einem Strauch und ging, während er seine Spur mit Schnee verdeckte, wieder zurück. Die zwei Stunden waren um. Er weckte Bradley, der mürrisch aufstand, sich die Arme um die Schultern schlug und knurrte: „Warum nicht dein Freund, der Elefant?“

„Du bist dran, basta! Immer hast du was zu quatschen! Also, in zwei Stunden wirst du James wecken. Und nun lass mich in Frieden.“ Le Beau deutete auf das Feuer. „Vergiss nicht, was hineinzulegen, sonst friert uns der Hintern an!“

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