Читать книгу In Dankbarkeit und Freude - Adalbert Ludwig Balling - Страница 24

Der Schwarzmarkt blühte allenthalben

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»Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstvertrauens ...« – Dieses Wort von Marie von Ebner-Eschenbach könnte über unsere Mama gesprochen worden sein. Selbstbewusstsein als Verankerung in Gottes Liebe und Fürsorge; als Urvertrauen in seine Güte – unerschütterlich und ohne Vorbehalte. Vor allem in den schweren Jahren nach dem Krieg; zur Zeit der Flüchtlingsströme, der Hamsterer und Hausierer, der Heimatlosen und Notleidenden.

Viele von ihnen zogen fast täglich durch die Bauerndörfer: Einen alten schäbigen Rucksack auf dem Rücken und eine verbeulte Tragetasche in den Händen. Ärmlich gekleidet und halb verhungert stolperten sie durch die Dörfer und bettelten um einen Esslöffel Schweinefett, um ein Stückchen Brot, um ein paar Eier oder auch um zwei, drei Holzscheite. Den Einheimischen waren sie lästig, diese von Hof zu Hof ziehenden Hamsterer, wie sie eher abfällig genannt wurden. Weil es so viele von ihnen waren! Weil man unmöglich allen helfen konnte!

Aber Mama hatte für alle ein gutes Wort. Meistens auch etwas Mehl, ein paar Kartoffeln oder Äpfel und einen Schluck Most. Mamas Augen waren immer voller Mitleid, ihre Gesten sagten zwar, wir hätten leider keine Wundertöpfe, aber ihr Mitgefühl und ihr Verlangen, diesen Hungernden zu helfen, waren stärker.

Damals blühten auch Schwarzmarkt und Tauschgeschäfte. Eingetauscht wurden vor allem Kleider, Anzüge, Mäntel und dgl. gegen Esswaren. Es gab zwar im ganzen Land Lebensmittelmarken für alle Bewohner, aber wo waren die vollen Läden? Und was man auf den Marken zugestanden bekam, reichte oft nicht aus, um den Hunger zu stillen.

Auch größere Artikelwie Pelzmäntel, Nähmaschinen, Fahrräder oder auch kleine Motorräder wurden mitunter angeboten – etwa gegen mehrere Riemen geräucherten Schinken oder gegen ein paar Säcke Kartoffel oder Mehl.

Unser NSU-Motorrad (125 Kubik, Baujahr 1939 oder anfangs der 1940er Jahre) wurde auf diese Weise eingetauscht. Wir, mein Bruder und ich, fuhren es nach Papas Tod noch mehrere Jahre lang. Einen gebrauchten Volkswagen konnte sich unsere Familie erst viel später leisten. Papa hat es nicht mehr erlebt. Er hatte vor dem Krieg im Wolfsburger VW-Werk eine Bestellung aufgegeben und auch vorausbezahlt: 999 Reichsmark! Das war um 1938. Doch dann brach der Krieg aus und alle noch nicht ausgelieferten Wagen wurden konfisziert und für die Wehrmacht umgebaut. Das Geld erhielten wir nie zurück.

Gelassenheit war nie Papas herausragende Eigenschaft; das war Mamas Markenzeichen: Gleichmut, Dankbarkeit, Humor, Gottvertrauen – und Mitleid mit allen Minderbemittelten, Kranken, Schwachen und Leidenden. Sie sorgte sich um alle, die in Bedrängnis waren, und half mit, ihre Not zu lindern.

Das spürten auch wir Kinder. Nicht, dass sie uns alles durchgehen ließ. Nein, aber wenn sie mal eine Schelte erteilen musste, dann tat es ihr gleich wieder leid – und wir sahen es ihren Augen an, dass sie uns trotz allem sehr gerne hatte.

In Dankbarkeit und Freude

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