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EIN GESCHENK VON MUTTER ERDE


HISTORISCHE RÄUCHERSPUR

Die Geschichte des Räucherns ist fast so alt wie die Menschheit. Schon unsere Vorfahren nutzten und schätzten den aromatischen Rauch. Das belegen Funde in Steinzeitsiedlungen. Archäologen fanden »Räucherkuchen« in der Nähe der Feuerstellen. Anhand dieser verklumpten Pflanzen- und Harzreste können Wissenschaftler heute Rückschlüsse auf die verwendeten Räucherstoffe ziehen. Ursprünglich verräucherten die Menschen ausschließlich Pflanzenmaterial, das in ihrer unmittelbaren Umgebung beschafft werden konnte. Dazu gehörten Wurzeln, Hölzer, Rinde, Nadeln, Flechten und Harze aus nahe gelegenen Wäldern. Und Blätter, Blüten, Knospen und Samen von Pflanzen aus den umliegenden Wiesen und von Bachufern.

In der Jungsteinzeit waren die Menschen sesshaft geworden. Sie bauten Siedlungen und hielten Nutztiere. Trotzdem lebten sie in der Gemeinschaft noch eng im Einklang mit der Natur. Kreativität und Experimentierfreude sind uns Menschen angeboren. Dabei spielten Wildpflanzen eine maßgebliche Rolle. Biegsame Weidenruten waren sowohl hilfreiches Grundgerüst für den Bau von Hütten und Zäunen als auch das perfekte Material zum Flechten stabiler Körbe in unterschiedlichen Größen. In ihnen ließen sich viele Dinge transportieren und aufbewahren. Aus Pflanzenfasern webten die Menschen später mit Fingerfertigkeit Stoffe und zwirbelten Schnüre zu reißfesten Seilen. Und sie sammelten Färberpflanzen, mit denen sie die Wolle ihrer Schafe farbenprächtig einfärben konnten, und Farberden, die sich zum Bemalen der Lehmwände und Stützbalken eigneten. Von den keltischen Kriegern wissen wir, dass sie sich mit blauer Farbe aus dem Färberwaid von Kopf bis Fuß bemalten, bevor sie in den Kampf zogen – vermutlich um den Gegner einzuschüchtern.

Die Siedler bauten Nutzpflanzen vorwiegend als Nahrungsquelle an. Einige unter ihnen waren auch mit der heilenden Wirkung vieler Pflanzen vertraut und wussten diese einzusetzen. Das wertvolle Wissen um die Heilpflanzenkunde wurde von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Das gilt wohl auch für die Wirkung von Räucherpflanzen, die man mit großer Wahrscheinlichkeit am Lagerfeuer herausgefunden hat. Das gesellige Zusammenleben spielte sich damals rund um die wärmende Feuerstelle ab. Sie war der Mittelpunkt jedes Lagers. Hier wurden wichtige Neuigkeiten ausgetauscht und das Essen zubereitet.

Eine der größten Entdeckungen war, dass Rauch Fleisch und Fisch für längere Zeit konservieren konnte. Die so haltbar gemachten geräucherten Vorräte sicherten in langen Wintern das Überleben eines ganzen Dorfes. Die Essensvorräte wurden meist im oberen Teil der Hütte unter dem Dach gelagert, während sich die Schlafstätten im unteren Teil rund um das Feuer befanden. Von dort aus hatte man die Feuerstelle immer im Blick.

HEILSAMEN RAUCH ENTDECKEN

Jede Holzart verströmt im Feuer eine andere Duftnuance. Unsere Vorfahren konnten den edlen Duft der Lärche bestimmt vom würzigen des Wacholders unterscheiden und stellten bald fest, dass der Rauch einen Effekt auslösen konnte. Der Wacholderrauch machte nicht nur das Fleisch haltbarer und schmackhafter, er reinigte auch die Luft und linderte außerdem Schmerzen. Beispielsweise wenn man die von der Gicht gekrümmten Finger hineinhielt. Sie fanden heraus, dass spezielle Pflanzen, wie Bilsenkrautsamen, verräuchert in Ekstase versetzen oder zu Halluzinationen führen konnten und dass einige besonders starke heilsame Kräfte mit dem Rauch freisetzten.

Und diese Entdeckungen passierten nicht nur an unseren heimischen Feuerstätten, sondern weltweit. Rund um den Globus erforschten Menschen die heilsame Kraft von verräucherten Pflanzen. So ist es nicht verwunderlich, dass auf verschiedenen Kontinenten einige herausragende Räucherpflanzen zur Erzielung des gleichen Effekts eingesetzt wurden – und noch heute werden –, wie beispielsweise Salbei-, Beifuß- und Wacholderarten. Es entstand eine regelrechte Räucherkultur.

Der duftende Rauch stellt eine Verbindung zu den höheren Mächten her, zwischen Erde und Himmel. Deshalb unterstützt wohlriechendes Räucherwerk seit Jahrtausenden in allen Kulturen rituelle und sakrale Handlungen. Unsere Menschheitsgeschichte verbindet sozusagen eine historische Räucherspur.

In Nordamerika hat Räuchern bei den indianischen Völkern eine lange Tradition. Es ist für sie ein Geschenk von Mutter Erde. Räucherpflanzen können den Kontakt zu den Ahnen herstellen, vertreiben schlechte Geister, heilen Krankheiten und bewirken den Einklang mit der Natur. Räucherwerk wird vor allem bei Ritualen und in der Schwitzhütte entzündet. Mayas, Inkas und Azteken in Mittel- und Südamerika und die Medizinmänner afrikanischer Stämme verbrannten ausgesuchte Harze und Pflanzen bei ihren magischen und medizinischen Zeremonien.


Die sagenumwobene Weihrauchstraße war einer der wichtigsten Handelswege der Antike.

Wo wurde geräuchert?

Es gab kulturelle Zentren, die Räucherrituale vollzogen, in der Antike, im Orient, in Tibet, Nepal und auf dem indischen Subkontinent. In einigen dieser Länder entwickelte sich das Räuchern zum wichtigen Bestandteil des täglichen Lebens – bis heute. Die ausgeprägte Duft- und Räucherkultur Indiens spiegelt sich im Ayurveda, der indischen Heilslehre, wider, die des Orients in den arabischen Geschichten aus »Tausendundeiner Nacht«. In China wurde sowohl in Tempeln als auch in Privathäusern geräuchert, um sich vor allem der Gegenwart der Götter zu versichern. Duftendes Räucherwerk begleitete aber auch erotische Rituale. Einmalig ist wohl die Koh-Do-Zeremonie der Japaner, die auch der »Weg des Räucherns« genannt wird. Bei dieser meditativen Räucherzeremonie soll man den »Klang des Duftes« hören.

Wenn man sich in Nordeuropa auf Räucherspurensuche begibt, trifft man unweigerlich auf die Kelten. Sie waren fast tausend Jahre lang das führende Kulturvolk Europas. In der Hallstattzeit (800–450 v. Chr.) erstreckte sich ihr Gebiet von Ungarn und Böhmen über den Alpenraum bis nach Ostfrankreich. In der La-Tène-Zeit (450–15 v. Chr.) stießen die Kelten bis nach Kleinasien, Griechenland, Spanien und zu den Britischen Inseln vor. Im Gefolge der römischen Truppen und Alexanders des Großen kamen sie bis Persien und brachten von dort die ersten ausländischen Harze mit. Bald gab man sich in Europa nicht mehr mit dem vertrauten Angebot an Räucherstoffen zufrieden. Insbesondere Weihrauch und Myrrhe wurden zu begehrten Räucherwaren. Die waren jedoch anfangs so kostbar und unerschwinglich, dass sie nur dem Adel und der Kirche vorbehalten waren. Der rege Handel ließ sogar eine Welthandelsstraße entstehen, die »Weihrauchstraße«, auf der edelstes Räucherwerk länderübergreifend zu Tempeln, Klöstern, Kirchen und Palästen transportiert werden konnte.

Wie sieht es mit unserer Räucherkultur aus?

In unserem Kulturkreis haben sich leider sehr wenige Räucherbräuche erhalten. Nur die Raunächte und der Dreikönigstag sind vielen Menschen noch ein Begriff. Und in der katholischen Kirche wird bei besonderen Gottesdiensten oder bei Beerdigungen der Weihrauchkessel geschwenkt. Von einer Räucherkultur kann da kaum die Rede sein. Einige Zeit schien es fast so, als würde das Wissen um die Heilkraft des Räucherns in Vergessenheit geraten. Es wird also höchste Zeit dafür, unsere Räucherkultur wieder aufleben zu lassen! Mit Räuchern schöpfen Sie neue Kraft für Körper, Geist und Seele.

Räuchern können Sie das ganze Jahr über, immer wenn Ihnen danach ist, oder zu bestimmten Anlässen. Es entschleunigt, der sich kräuselnden Rauchsäule zuzusehen. Besonders reizvoll sind Räucherrituale zu den Jahreskreisfesten. Probieren Sie es doch aus!

Räuchermomente im Jahreskreis

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