Читать книгу EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018) - Andreas Bulgaropulos - Страница 7

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*** 7. September 2207 ***

*** Giga-City Omega, Erde ***

John McGloominter kam die Magensäure hoch – Stress und Kaffee forderten den üblichen Tribut. Er befand sich auf dem Weg zur Firma. Das Shuttle passierte in diesem Moment die Grenze des Upper-North-Sektors und überflog die Ausläufer eines Wohngebiets, dessen Häuser von hier oben kaum zu erkennen waren.

Die Sonne schwang sich über der Skyline empor. Ihre Strahlen vertrieben den Frühnebel am Boden und glitten über Johns Gesicht, während das schlanke, silberne Shuttle einen Bogen flog, um sich in eine tiefere Verkehrsroute einzufädeln. Eine Hochhausschlucht tat sich jenseits der Frontscheibe auf. Er registrierte die Gebäude, die vor ihm anwuchsen und kurz darauf vorbeiwischten.

Zeit, dachte John, ich brauche mehr Zeit!

Wenn die Neuberechnungen stimmten, würden sie sich verheerend auf seine Forschungen auswirken. Jahre harter Arbeit standen auf dem Spiel. Zunächst hatte er an einen Fehler geglaubt, als er bis spät in die Nacht hinein über den Formeln gebrütet und den Test wieder und wieder simuliert hatte. Solange, bis seine Frau in der Tür stand, um ihn mit strengem Blick ins Bett zu beordern.

An Schlaf war kaum zu denken gewesen, die Fakten waren alarmierend. Selbst als er vor einer halben Stunde die Wohnung verlassen und unbewusst den Kuss seiner Tochter Louise wahrgenommen hatte, liefen die Berechnungen in seinem Gehirn weiter. Das Ergebnis blieb dasselbe: kein Fehler.

Gott … wir müssen bei null anfangen! Aber die werden mich für verrückt erklären. Oder lasse ich’s drauf ankommen? Mein Team mit der Durchführung beauftragen? Nein … zu riskant! Die Menschheit einer solchen Gefahr auszusetzen, ist mit guten Absichten nicht zu rechtfertigen. Ich trage die Verantwortung für das Experiment!

Sein Vorgesetzter würde an die Decke gehen.

Ich muss ihm die Brisanz aufzeigen, Evan überzeugen. Dann verschiebt er die Tests. Schließlich hat er auch Familie. Doch was, wenn er auf der Durchführung besteht? Mich gegen den Chef auflehnen?

John raufte sich die Haare und wünschte sich, eine Alternative zu sehen.

Ich sollte Nyla und Scott um Hilfe bitten … und die Daten sichern.

Das Shuttle hatte sich durch die Straßenschluchten gekämpft und erreichte das Industriegebiet. Ein markantes Gelände schälte sich aus dem Dunst, stahlgraue Gebäude, die sich dem Morgenlicht entgegen wuchteten.

Um 07:45 Uhr landete John auf dem Areal seiner Firma. Nach den Sicherheitsprozeduren verließ er die Shuttle-Bay und begab sich zum Bereich Quantum-Engineering, wo er seine Kollegen zur Besprechung treffen würde.

Im lichtdurchfluteten Meetingcenter steuerte er auf eines der Transcend-Terminals zu, die jeweils zu einer Gruppe von sechs Liegesesseln gehörten. Er ließ sich in den erstbesten Sessel fallen und loggte sich mittels des SuperMindCell, des Biochips in seinem Gehirn, in den firmeninternen Extended-Reality-Space ein. Sofort wurde sein Körper von einem Antigrav-Feld angehoben und in der Schwebe gehalten. Die Außenwelt samt ihren Gesetzmäßigkeiten verschwand: Ihn umhüllte das milchig weiße Nichts des Ex-R-Space.

Das Logo der »Gyroscope & Bionics Technologies Corporation« erschien in seinem Geist, und im nächsten Moment befand er sich in einem virtuellen Konferenzraum, der einen Rundumblick auf die Stadt bot.

Alle Kollegen waren bereits anwesend. Einige der Wissenschaftler versuchten John in Fachgespräche zu verwickelten, doch er ging nur halbherzig darauf ein. Als das Abbild des Abteilungschefs Evan Yanderbrook erschien, erstarben die Unterhaltungen. Gespannte Gesichter wendeten sich dem Zweimetermann am Ende des Tischs zu.

»Guten Morgen, meine Damen und Herren«, begrüßte Yanderbrook seine Angestellten. »Unser Unternehmen steht kurz davor, den Durchbruch auf dem Gebiet des zielgerichteten Transports von Materie in einem freien Umfeld zu erreichen. Mit anderen Worten, Ihnen, dem Quantumbot-Research-Team, verdanken wir es, dass Gyronics-Tech als erster Konzern die Teleportation zur Marktreife entwickeln wird, und zwar Monate vor der internationalen Konkurrenz!«

Die Anwesenden klatschten Beifall.

John war in Gedanken meilenweit entfernt. Reglos fixierte er den Tisch.

Sein Chef lächelte und hob die Hände. »Lassen Sie mich speziell dem Mann danken, der schon in der Vergangenheit durch seine revolutionäre Forschungsarbeit auffiel, mir vor allem aber durch seine Hartnäckigkeit auf den Wecker ging …«, einige Mitarbeiter lachten, »… und der maßgeblich zum Erfolg von GTC als führendem Technologieunternehmen beigetragen hat. Ich bin überzeugt, er wird mit diesem Projekt Geschichte schreiben. Jonathan McGloominter!«

Begeisterter Applaus.

Als sein Name fiel, schreckte John auf. Er erhob sich.

Sein Assistent Scott Greene, ein junger Jamaikaner, klatschte besonders laut und grinste ihn ermutigend an.

John blickte in die Runde, die Züge vom Ernst der Lage gezeichnet. Himmel, wie bringe ich euch das bei … Er wartete, bis sich der Beifall gelegt hatte. »Danke, Mr. Yanderbrook. Danke, Ihnen allen. Wenn ich gewusst hätte, dass man mich heute Morgen wie bei einem Staatsempfang feiert, wäre ich zu Hause geblieben.«

Erneutes Gelächter.

»Wer mich kennt, der weiß, dass ich nur aus wichtigen Anlässen auf Partys gehe. Daher muss ich Ihnen gestehen …« Er zögerte. Eben noch hatte er seine Entdeckung von vergangener Nacht zu erklären versucht, entschied sich jedoch spontan, die Details nur Yanderbrook anzuvertrauen. »… muss ich Ihren Enthusiasmus dämpfen und Ihnen mitteilen, dass ich auf eine Sache gestoßen bin, die in Anbetracht ihrer Bedeutsamkeit die Verschiebung der Tests nötig macht.«

Unter den Wissenschaftlern breitete sich ein Gemurmel der Ratlosigkeit aus.

»Ich weiß, wie viel Herzblut von uns allen in das Projekt geflossen ist. Deswegen möchte ich einen sicheren Ablauf garantieren können, um Tragödien zu vermeiden. Mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen. Ich danke Ihnen.«

Die Anwesenden bestürmten ihn mit Fragen.

John ignorierte den Tumult. Er wandte sich an seinen Assistenten und betete, dass die unzulässige Gesprächsabschirmung, die er soeben per Gedankenbefehl initiiert hatte, hielt. »Scott, hör zu. Es ist wichtig! Du loggst dich sofort aus und gehst runter in die Datenverarbeitung. Lass dir von Nyla helfen, den aktuellen Teil unserer Forschung vom Hauptrechner auf unabhängige Protein-Speichermodule zu kopieren. Verwendet dafür den neuesten Virenfilter. Alle anderen Kopien vernichtest du, verstanden? Und erledige es unauffällig. Ich weiß, du schaffst das!«

Scott nickte mechanisch, doch die Fassungslosigkeit war ihm anzusehen. »Boss … wieso um alles in der Welt latschst du uns so auf die Füße?! Besonders dem Oberguru. Der Termin für die finale Testphase stand, also was soll die Änderung? Und warum befiehlst du mir einen illegalen Datentransfer? Wenn die das merken, schmeißen sie uns raus!«

»Erkläre ich dir später, aber zuerst muss ich mit Evan reden. Geh jetzt und starte den Kopiervorgang. Ich übernehme die Verantwortung für die Aktion!«

Scott Greenes virtueller Körper verschwand aus dem Konferenzzimmer.

Johns Herz pochte ihm bis zum Hals. Er schaute sich nach seinem Chef um und sah, wie dieser das Meeting beendete und ihm ein Zeichen gab. Der Raum löste sich in milchiges Weiß auf, um ein neues Szenario zu formen. Sekunden später stand er in einer Nachbildung des Büros von Evan Yanderbrook, der bereits vor Wut kochte.

»Erläutern Sie mir das gefälligst, John! Ist Ihnen klar, dass der Vorstand für kurzfristige Modifikationen null Verständnis aufbringt? Und ich auch nicht. Das könnte uns die Jobs kosten. Die Konkurrenz schläft nicht!«

»Sir, wir …« John schluckte. Seine Kehle war so trocken wie Sandpapier. »Wir haben einen unzulässigen Systemzugriff.«

»Ist das ein Scherz?! Machen Sie sich wieder Sorgen wegen der Spionageprogramme, die seit Wochen unseren Hauptrechner attackieren?« Die Stimmlage seines Chefs rutschte ins Hysterische ab. »Bis jetzt hat niemand unsere BlackHole-Walls geknackt, und soll ich Ihnen etwas verraten, John? Das schafft auch keiner!«

Ich wusste, es wird schwierig. »Der Zugriff kommt von innerhalb der Firma.«

Yanderbrook setzte eine Miene auf, als hätte ihm jemand die Erde als Scheibe beschrieben. John registrierte das mitleidige Lächeln eines Mannes, der ihm niemals glauben würde, egal wie die Beweise aussahen.

»Jonathan … Sie wollen mir allen Ernstes erzählen, wir hätten einen Eindringling im System? Den Zauberkünstler möchte ich kennenlernen! Unsere Sicherheitsmaßnahmen sind die effektivsten weltweit. Alle MindCell-Signaturen der Angestellten werden permanent überprüft, die Gedanken der SuperMindCell-Träger analysiert und sämtliche Computerzugriffe registriert. Das System ist perfekt!«

Leg ihm trotzdem die Fakten dar, versuchte John sich zu strukturieren und platzte heraus: »Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Sir.«

Er ließ mit einem Gedankenbefehl mehrere Grafiken im Zimmer erscheinen, die zu rotieren begannen.

»Ausgangspunkt unserer Teleportationsforschung waren die Nanobots, welche in jedem menschlichen Körper Krankheitserreger bekämpfen, Krebszellen vernichten, Organe oder Wunden heilen, et cetera. Über unzählige Zwischenstufen haben wir daraus die Quantumbots entwickelt. Hier sehen Sie, wie wir die Maschinen in die Blutbahn der zu teleportierenden Testperson schleusen und hier, wie sie mit einem leblosen Objekt in Kontakt gebracht werden. Die Q-Bots hüllen den Körper, beziehungsweise das Objekt, in ein hyperdimensionales Feld aus Vergangenheits- und Zukunftsvariablen, starten die Quantenverschränkung und führen den Von-Ort-zu-Ort-Transport durch … vorausgesetzt, am Zielort existieren ebenso Q-Bots.«

Yanderbrook unterbrach ihn genervt: »Müssen Sie beim Urknall anfangen?«

»Ähm … nein. Entschuldigung. Aber gestern Nacht entdeckte ich zu Hause, dass die Q-Bots der Alpha-Testreihe manipuliert wurden. Sie sind jetzt in der Lage, sich als gewöhnliche Nanobots zu tarnen und in einem MindCell einzunisten. Dort reproduzieren sie sich selbstständig, übernehmen die Kontrolle über den Biochip des Kopfes und letztendlich den Wirtskörper.«

John fixierte seinen Vorgesetzten. »Ich habe keine Ahnung, wer hinter der Manipulation steckt, aber wissen Sie, was das bedeutet, Evan? Dieser Jemand könnte mithilfe unserer Technologie und dem neuen Datenpaket, mit dem die Bots heute ausgestattet werden, einen Menschen zum willenlosen Werkzeug machen. Mehr noch, man könnte den Menschen gezielt an einen bestimmten Ort teleportieren, um ihn als Spion oder Waffe zu missbrauchen! Sie, mich, jeden! Denn nicht einmal die MindCell-Signatur würde dadurch verändert. Wir blieben wir und würden von den Überwachungscomputern als zugelassen eingestuft. Einzig und allein die Wärmebarriere des Umfelds schränkt die Bots stark ein, den Wirtskörper zu verlassen und sich ohne Injektion, sprich durch die Luft, auszubreiten. Denn bis jetzt gelingen uns die Teleportationstests nur bei kalten Temperaturen. Daran arbeiten wir noch.«

Evan Yanderbrook besah sich die schwebenden Diagramme, wirkte aber wenig beeindruckt. »Sie mit Ihrem Fachchinesisch! Ich erkenne hier lediglich, dass Ihre Berechnungen erstens hypothetischer Natur sind und Sie zweitens dem Worst-Case-Szenario eine Chance von unter fünfzehn Prozent einräumen. Das halte ich für ein durchaus vertretbares Risiko. Sie werden es auf null reduzieren, bis wir das Projekt in zwei Wochen abschließen, die Patente einreichen und an die Öffentlichkeit gehen. Aber für die heutigen Tests spielt das keine Rolle. Wir verstehen uns?«

John spürte wieder den Kaffee hochkommen. Er versuchte seinem Chef mit steigender Verzweiflung klarzumachen, wie groß die Gefahr einer Katastrophe war, da der Abschlussversuch den Q-Bots gestattete, sich in einem freien Milieu zu bewegen. Als er bemerkte, dass seine Emotionen die von ihm angeführten Argumente wie die eines Stümpers klingen ließen, zwang er sich zur Selbstbeherrschung.

Er holte Luft.

»Bisher verliefen unsere Experimente nicht zielgerichtet, Evan. Das heißt, wir mussten die Labors mit einem starken, von den Fluktuationskammern erzeugten Energiefeld eindämmen, um das Teleportationsobjekt nicht an die Umwelt zu verlieren. Der Nachteil: Es materialisierte irgendwo in den Labors. Heute jedoch teleportieren wir draußen auf dem Testgelände. Dort benötigen wir dank der aktuellsten Erkenntnisse keine Eindämmung mehr, sondern legen den Zielpunkt fest, indem wir eine mit Quantumbots gesättigte Eiswolke platzieren. Die Bots in der Wolke und diejenigen in der Versuchsperson sind durch ihre Programmierung aufeinander geeicht. So schließen wir den Verlust des Subjekts aus. Ist der Prozess beendet, verflüchtigt sich die Q-Bot-Wolke. Und das bedeutet, sind unsere Maschinen einmal raus, bleiben sie draußen. Gemäß ihrer Natur ›entwischen‹ sie in Raum und Zeit. Wohin, kann niemand sagen. Das Problem ist, sie wurden manipuliert … also könnten sie unter den ungünstigsten Bedingungen Menschen umpolen!«

Yanderbrook umrundete seinen Schreibtisch, über dem eine dreidimensionale Darstellung des Firmengebäudes leuchtete, die jede Mitarbeiteraktivität anzeigte. Er blieb am Fenster stehen und blickte hinaus.

»Auf welchem Weg kontrolliert, nach Ihrer Theorie, der Saboteur die Q-Bots?«

John schöpfte Hoffnung und fuhr durch sein dichtes braunes Haar. »Richtig, Sir. Das vergaß ich zu erwähnen. Der Zugriff geschieht über die atomgroßen Antriebszellen der Bots. Der Saboteur hat einen Weg gefunden, das Brymm der Zellen in Negativ-Energie umzuwandeln, ein Vorgang, den man konkret einleiten muss und den ich bisher für nicht realisierbar hielt. Dieser Jemand kennt sich genauestens mit der Materie aus und ist ehrlich gesagt ein Genie.«

»Klingt weit hergeholt. Doch die Möglichkeiten, die sich daraus ergäben, wären … immens, nicht wahr?«

John runzelte die Stirn. Er vermochte den Unterton in Yanderbrooks Stimme nicht zu definieren. Überhaupt verhielt dieser sich seltsam.

»Wenn tatsächlich ein Eindringling existiert«, ordnete sein Vorgesetzter an, »dann will ich, dass Sie ihn bis heute Nachmittag finden und eliminieren. Und falls es sich um eine echte Person handelt, brauchen wir nur den Namen, damit der Werksschutz es wie einen Unfall aussehen lassen kann. Problem gelöst!«

Entsetzt starrte John den Mann am Fenster an. Niemals hatte er mit einer solchen Skrupellosigkeit gerechnet. Er machte einen letzten Versuch. »Evan, ich beschwöre Sie! Geben Sie mir drei Tage. Bitte! Ich kann unmöglich so schnell …«

Yanderbrook drehte sich um und brüllte: »Genug! Ich habe hier das Sagen! Tun Sie sich selbst einen Gefallen, Jonathan, und vermasseln Sie sich nicht Ihre Karriere. Sie sind schließlich erst Ende dreißig.«

Die Drohung, die der Abteilungschef ausgesprochen hatte, lastete unheilschwanger auf dem Büro.

»Trotz Ihres angeborenen Pessimismus haben Sie sich bis jetzt durchgebissen, und das schätze ich an Ihnen. Sehen Sie zu, dass es so bleibt. Die Tests werden termingerecht über die Bühne gehen, haben wir uns verstanden? Sonst müsste ich mir einen anderen leitenden Quantum-Engineer für das wichtigste Forschungsprojekt in der Firmengeschichte von Gyronics-Tech suchen. Diese Unterhaltung ist beendet!«

Milchiges Weiß.

Jonathan McGloominter loggte sich aus.

Verstört verließ er das Meetingcenter und stieg in eine Gleiterbahn, die ihn über das Firmengelände zu seinem Arbeitsbereich brachte. Als er noch immer wie betäubt bei »Quantum-Researches-Lab« ausstieg, stand sein Entschluss fest.

Am Eingang des Gebäudekomplexes fegte ihm Nyla Singer entgegen, die Empörung in Person.

»John … was läuft hier eigentlich?!«, schnaubte seine Assistentin und ging neben ihm her. »Wie Scott mir vor einer Viertelstunde gebeichtet hat, ist die finale Testreihe von dir abgeblasen worden. Kannst du mir das erklären? Wir stehen kurz vor dem Durchbruch. Du hättest deine Entscheidung mit mir absprechen müssen!«

Beide blieben am Ende des Gangs vor dem Panzerschott stehen, wo der Kontrollpunkt ihre Signaturen scannte. Die Augen der schlanken Frau funkelten. Er wusste, sie erwartete eine verdammt gute Rechtfertigung von ihm.

»Die Tests finden nun doch statt«, gestand John emotionslos.

Wie konnte ich so naiv sein, mir einzubilden, für diese Firma stünde die Sicherheit an erster Stelle?!

Sein Blick ging ins Leere. Und sollte er Nyla einweihen? Ihr von seinem Plan erzählen? Das hieße, sich länger mit ihr zu unterhalten. Jedes Gespräch wurde analysiert.

Riskant! Die Abschirmung fällt auf. Mir bleibt nur eine Möglichkeit …

»Oh«, stichelte Nyla, »dann hat dir Yanderbrook einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kann nicht behaupten, mir täte das leid!«

Das Schott zischte und öffnete sich. Sie begaben sich zu Abteilung 7, Experimentelle Quantumbot-Teleportation.

»Hör zu, John«, lenkte sie ein, »ich bin auf deiner Seite … wirklich. Wie wir aus Erfahrung wissen, kriegst du jedes Mal kalte Füße am Ende eines Projektes, und trotzdem ging immer alles glatt. Hab endlich mehr Vertrauen in deine Fähigkeiten. Sogar unter den neuen Kollegen bist du als Oberzweifler verschrien, weißt du?«

Nyla lächelte. Ihr Ärger verpuffte bereits. Sie besaß eine schwarze Kurzhaarfrisur, war achtundzwanzig, äußerst clever und hübsch, und wäre John nicht verheiratet gewesen, er hätte längst eine Affäre mit ihr angefangen.

»Mir war nicht bewusst, dass hier jeder so über mich denkt, Kollegin.«

»Ach komm schon, John! Das ist unfair. Du weißt genau, wie sehr ich deine Fachkompetenz schätze. Nur könntest du von Zeit zu Zeit deine Skepsis daheim lassen, dann würde unsere Arbeit doppelt so flüssig laufen.«

»Ja … ich weiß.« Seine Stimme klang nervös und brüchig. Sie betraten das Labor. »Und du hast recht. Abschlusstests bringen mich aus dem Konzept. Wird schon schiefgehen, was?«

Begleitet von einer Tonfolge entstand ein Heliogramm-Gesicht vor ihnen im Raum. Delphi, die Künstliche Intelligenz, die alle Computerfunktionen des Forschungscenters kontrollierte, manifestierte sich in Form eines Frauenkopfes, der an südeuropäische Marmorbüsten der Antike erinnerte.

»Guten Morgen, Professor McGloominter«, begrüßte ihn die Lichtenergie-Projektion sanft. »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Herfahrt. Laut Tagesplan stehen die Kalkulationen der euklidischen Verzögerungsvariablen für das neue Koordinatensystem an. Sollen wir damit beginnen?«

John wühlte seine Aufzeichnungen durch. »Später, Delphi. Ich habe zuerst etwas mit Nyla und Scott zu besprechen. Würdest du inzwischen die Herstellung der neuen Q-Bot-Serie initiieren und sie mit allen Daten des Raumzeitgefüges füttern, unter Berücksichtigung der Riemannschen Mannigfaltigkeit?«

»Natürlich, Professor McGloominter. Wenn Sie es wünschen …«, bestätigte die KI, und ihr Gesicht verwandelte sich in einen vollständigen Körper. Sie trat auf John zu und hielt ihm ein Autorisierungs-Pad entgegen. »Ich benötige für die Ausführung Ihrer Anordnung eine DNA-Verifizierung.«

»Ja, richtig«, murmelte er. Dass die Projektionen der neuartigen Heliogramm-Technologie feste Formen annehmen und Materie selbstständig bewegen konnten, irritierte ihn manchmal. Obwohl es sich um eine Gyronics-Entwicklung handelte.

Er legte die Hand auf das Pad.

»Ich registriere erhöhte Stressmuster in Ihrer Stimme. Geht es Ihnen gut, Professor McGloominter?« Delphi nahm das Analysegerät wieder an sich.

»Meine Güte … ja doch!« Er riss sich zusammen. »Ich habe letzte Nacht schlecht geschlafen. Das ist alles.«

Ohne eine Erwiderung verschwand das Heliogramm.

John zog seine Assistentin mit sich zum anderen Ende des Raums und schob sie in den Antigrav-Lift. Beide schwebten ein Stockwerk nach unten.

»Sag mal, ist tatsächlich alles in Ordnung?«, hakte Nyla Singer beunruhigt nach. »Du wirkst so zerstreut. Du hast Delphi eine Aufgabe gegeben, die sie bis an ihre Grenzen auslastet. Da bleiben keine Kapazitäten mehr für …«

»Ich weiß.« Seine Miene verhärtete sich, Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn.

Ich habe nur die eine Chance. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, bin ich mitsamt meinen Forschungen erledigt!

Unten traten beide aus der Liftröhre und erreichten die Abteilung, hinter deren Schutzwänden die Fluktuationskammern lagen. In jeder Kammer transformierten mächtige Konverter das Brymm-Mineral zu reiner Energie und erschufen das für die Versuchsreihe wichtige Eindämmungsfeld.

Scott Greene stürzte aus der Photonischen Datenverarbeitung. Als Wunderkind war er bereits mit vierzehn von Gyronics eingestellt worden und hatte sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre zum Computercrack entwickelt.

»Boss!«, regte sich der junge Mann auf. »Irgendwer in der Chefetage hat unseren Zugangsstatus für den Q-Bot-Researches-Bereich gesenkt. Wir stehen infolgedessen so limitiert da, als ob wir Laborgehilfen wären. Das gab’s noch nie!«

John spielte den Gleichgültigen. »Eine Vorsichtsmaßnahme von Yanderbrook wegen eines Sicherheitsproblems. Kein Grund zur Sorge, Scott.« Er dirigierte seine Mitarbeiter in den Computerkernraum und an das Transcend-Terminal.

Greene warf Nyla einen fragenden Blick zu, erntete jedoch ein Schulterzucken. »Aber, Boss … die schicken weitere Sicherheitsdroiden. Zu uns! Ich kriege langsam Muffensausen. Könntest du mich endlich aufklären?«

Der leitende Quantum-Engineer setzte sich in einen Liegesessel und bedeutete den beiden, es ihm gleich zu tun. Jetzt zahlt es sich aus, dass ich in letzter Zeit so paranoid war. »Trefft euch bitte im Ex-R-Space mit mir. Ich möchte die Problematik der Lasermatrix durchgehen.«

Scott stieß ein Zischen aus. »Was? Die haben wir doch ausgiebig …«

Nyla kam ihrem Chef zu Hilfe. Auf ihre Instinkte war immer Verlass gewesen.

»Ach … stimmt ja, John. Da gab es bei der Synchronisierung der Impulse noch Unklarheiten.«

Der junge Jamaikaner ergab sich seinem Schicksal.

Milchiges Weiß. Die drei Physiker loggten sich mit Gedankenbefehlen in die künstliche Realität der GT-Corporation ein.

Sie erschienen an einem Ort, welcher der Kommandozentrale eines Raumschiffs ähnelte, aber organischer designed war. Der Außenbereich hinter den halbtransparenten Wänden stellte eine Weite ohne Grenzen dar, in der bizarre Vielecke und Blitze umher sausten.

»Was soll das, John? Wo sind wir hier?«, echauffierte sich Nyla und blickte an ihrem Körper hinunter. Er besaß die Form einer nebelartigen Substanz, die pulsierte. »Und was bin ich?«

Die Nebelsubstanz, die Scott Greene war, jubelte: »Wow, Boss! Ich fasse es nicht. Du hast eine Tarnung für deinen SuperMindCell etabliert!«

John McGloominters Stimme drang stockend aus der dritten Wolkenform. »Ich … hatte keine Wahl. Hört zu … uns bleibt wenig Zeit. Ihr haltet euch außerhalb des Gyronics Ex-R-Space auf, in einem von mir erschaffenen Refugium, das nicht von der Firma überwacht wird. Fälschungen unserer Signaturen besprechen in diesem Moment ein Problem in der Techniksektion. Ich muss mich stark konzentrieren, um die Ablenkung am Laufen zu halten … und trotz Delphis momentaner Auslastung werden ihre Suchroutinen den Schwindel früher oder später entdecken.«

»Cool! Du ziehst Dinger durch, Boss …«

Nyla dämpfte seine Euphorie. »Scott, ich bin zwar auch beeindruckt, doch halten wir uns mit Begeisterungsstürmen zurück. Wenn unser pflichtbewusster John sich solche Maßnahmen gestattet, hat er bestimmt eine Hiobsbotschaft auf Lager.« Sie hätte gerne ein scharfsinniges Gesicht gemacht, scheiterte aber an ihrer Körperform.

Diese Frau trifft wie immer ins Schwarze! »Hast du meine Anordnung ausgeführt, Scott?« Johns Stimme zitterte. »Die Übertragung der Forschungsdaten auf die Speichermodule?«

»Du darfst mich für den Nobelpreis vorschlagen, Boss. Das unbemerkt hinzukriegen, war ’ne harte Nuss. Und ich konnte Nyla vorhin nicht um Hilfe bitten, weil sie mit Delphi vernetzt war. Die fünf frisch replizierten Protein-Speicher liegen nebenan in der Datenverarbeitung. Gemäß deiner Anweisung habe ich den aktuellen Teil unserer Forschung draufgepackt. Der ältere Hauptteil befindet sich in Gebäude-D auf Backup-Einheiten, an die ich nicht rankomme.«

»Das weiß ich. Existieren weitere Sicherheitskopien der Neudaten?«

»Alle vernichtet, Boss.«

»Sehr gut.« Die Erleichterung war John anzuhören. »Ich leite nun den Löschvorgang der Originaldateien ein.«

»Du willst die Originale löschen?!«, brauste Nyla auf. »Das gefährdet nicht nur alles, woran wir in den letzten Wochen gearbeitet haben, es ist absolut unzulässig! Welches Spiel treibst du, John?«

»Die neuen Daten dürfen keinesfalls im System verbleiben! Vertraue mir, Nyla … ich erkläre gleich alles. Rechnet mit Erschütterungen des Ex-R. Ich beginne mit dem Löschen.«

Johns Nebelform leuchtete auf. Seine Mitarbeiter verspürten in der Realwelt ein Verkrampfen ihrer Nackenmuskulatur. Die Wände des Refugiums begannen zu flimmern, und draußen geriet der Informationsfluss der Objekte durcheinander.

Einige Gedanken später normalisierte sich die Situation.

»Geschafft! Das war … komplizierter und schrecklicher als ich dachte!« John sammelte seine Kräfte und schauderte. »Ich wusste es. Ein aggressiver Eindringling hat sich im System von GTC ausgebreitet. Zunächst hielt ich diesen Saboteur für einen Wissenschaftler, eine reale Person. Seit eben weiß ich aber, dass es sich um eine Intelligenz künstlichen Ursprungs handelt, so machtvoll, wie ich sie noch nie erlebt habe. Sie ist es, die unsere Q-Bots manipuliert!«

Die Nyla-Wolke schwebte an ihren Chef heran.

»Es geht um Sabotage? Das ist Blödsinn! Die Bots sind geschlossene Einheiten, die nur bei ihrer Entstehung die mathematischen Formeln empfangen, die sie für die Teleportation benötigen. Später können sie nicht mehr umprogrammiert werden.«

»Der Einfluss kommt nicht von außen«, dröhnte John, »sondern entsteht innerhalb der Bots! Ihre Brymm-Zellen werden korrumpiert und in Anti-Energie verwandelt. Danach befallen sie gezielt einen MindCell, reproduzieren sich und steuern ihn. Niemand außer mir hat das bisher bemerkt, nicht einmal Delphi. Die Lage ist sogar noch dramatischer, denn meiner Beobachtung zufolge entsteht die Aggressor-KI im Herzen unseres Computers … aus Delphi heraus.«

Obwohl Nyla die Sachkenntnis ihres Chefs selten in Frage stellte, blieben ihre Zweifel bestehen. »Du hältst Delphi für den Feind? Und die Q-Bots für ihr Werkzeug? Für ein Virus? Undenkbar!«

»Glaube mir! Wenn wir heute die neuen Daten zum Einsatz bringen und auf dem Testgelände experimentieren, verhindert fast nichts mehr die Ausbreitung der fehlerhaften Bots. Nur das Kälteproblem stünde einer Masseninfektion durch die Teleportation im Weg, doch das würde kaum helfen. Ich habe Beweise.« John übermittelte ihr auf Gedankenbasis die Ergebnisse seiner privaten Simulationen von letzter Nacht.

Sekundenlang war seine Assistentin zu keiner Erwiderung fähig. In furchtbarer Gewissheit dämmerte ihr, dass die Bots, die in die Umwelt gelangten, nicht nur über einen Wirt andere Menschen zu befallen vermochten. Um sich ohne Injektion auszubreiten, konnten sie bei längerem Kontakt mit einem Körper ihr eigenes kaltes Umfeld entwickeln und alles in Reichweite infizieren. Spann man den Gedanken weiter, war die Macht im Hintergrund de facto im Stande, eine Armee zu erschaffen und sie zum Zweck einer Invasion an jeden erdenklichen Ort zu teleportieren – wenige Q-Bots am Ziel genügten.

»Oh Gott, John!«, hauchte Nyla. »Selbst ohne die neuen Daten schlittern wir auf ein Desaster zu, weil die Feind-Intelligenz den Hauptteil unserer Forschung kontrolliert. Du musst Yanderbrook davon berichten! Sofort!«

»Ich habe es Evan erzählt, doch er hat die Sache runtergespielt. Er ordnete die Durchführung der Tests an und drohte mir mit Kündigung.«

»Das ist ja … ein Albtraum! Delphi mutiert zum Monster, Yanderbrook wirft alle Verantwortung über Bord, unsere Arbeit eine Gefahr für die Menschheit … Mit anderen Worten, alles war umsonst?! Was sollen wir denn jetzt tun?« Die Wissenschaftlerin verstummte. Sie wurde von der Verzweiflung übermannt.

Auch Scott war ausnahmsweise sprachlos. Niemand sagte mehr etwas.

Plötzlich zerriss ein Alarm die Stille.

Draußen, hinter den Wänden seines Gedankenrefugiums, nahm Jonathan McGloominter eine Veränderung im Fluss der Objekte wahr. Die Bits und Bytes drifteten in eine Richtung – etwas zog sie an. Die Aufrechterhaltung der Signaturspiegelbilder geriet zum Kraftakt für ihn, und schließlich musste er sie fallenlassen.

Durch die Kommandozentrale schwebten rot leuchtende Anzeigen.

»Delphi hat mein … Täuschungsmanöver durchschaut!«, presste John hervor. »Die Forschungsdaten der Alpha-Testreihe dürfen ihr nicht in die Hände fallen … deshalb müssen die Speichermodule aus der Firma verschwinden. Ihr loggt euch aus und übergebt die Module einem der beiden neuen Humoid-Droiden unten auf Ebene 5. Und zwar demjenigen, der noch nicht mit Delphi vernetzt war. Ich habe ihn ›Omikron‹ getauft. Es ist wichtig, dass ihr diesen Humoid wählt … da sein Zwilling gewiss durch die Korruption verseucht wurde. Programmiert ihn so, dass er die Daten mithilfe seiner Verwandlungsfähigkeit in Sicherheit bringt und sich … in ein paar Tagen mit mir trifft. Justiert ihn auf meine Signatur.«

Greene hatte den Schock überwunden, jedoch nicht seine Frustration. »Und wie geht’s weiter, Boss? Man wird dich für das Fehlen der Dateien zur Rechenschaft ziehen. Und uns auch. Die stecken uns in den Knast!«

Auf einmal vibrierte die Kommandozentrale.

Draußen bemerkte John kein einziges Bit/Byte-Vieleck mehr. Dafür hatte sich im Hintergrund des Nichts eine violette Materie gebildet, ein Schwarm aus wimmelnden Teilchen. Schnell vergrößerte sich das Gebilde, schoss heran und packte das Refugium wie eine Riesenfaust.

Die Vibrationen schüttelten den Raum immer stärker, die Alarmsignale schrillten in schnelleren Intervallen.

Johns Nebelform dehnte sich aus und stützte die Wände. »Behaltet … die … Nerven. Wir … kriegen das hin. Los jetzt, ich halte es auf … solange es geht. LOGGT … EUCH … AUS!«

Die Nebel von Nyla und Scott verpufften.

John konnte nicht mehr klar denken. Das violette Etwas griff nach seinem Geist und quetschte ihn zusammen.

Die Wände des Refugiums lösten sich auf.

Ihn durchfuhr ein Ruck. Sofort umgab ihn eine Machtpräsenz, die Kälte ausstrahlte und alle Schutzbarrieren seines MindCell zerstörte, bis er ihr ausgeliefert war. Es schien ihm, als würde ihn eine Fratze anstarren, deren Blick bis in sein Innerstes vordrang, um jedes Geheimnis zu lüften.

Doch in diesen Sekunden der Verbindung, in denen er beinahe seine Identität und den Verstand verlor, ergab sich ein Moment des Austauschs. Er vermochte genauso in die Aggressor-KI zu schauen, wie sie in ihn. Was er dort sah, erschrak ihn zutiefst.

Unter Aufbietung seiner restlichen mentalen Kraft stemmte er sich gegen die Korruption.

Dann war es vorbei. Ein Energiestoß durchzuckte sein Gehirn und schleuderte ihn aus dem Ex-R-Space.

John riss die Augen auf und rang nach Luft. Er fühlte sich wie nach einem stundenlangen Aufenthalt in den Fluktuationskammern ohne Strahlenanzug.

Himmel! Delphi benutzt meine Forschungsarbeit für ihre perfiden Machenschaften. Wie konnte sie unbemerkt damit durchkommen?!

Sein Schädel hämmerte. Er bemerkte auf den Computer-Displays die Sicherheitsdroiden des Werksschutzes, die in das Labor eindrangen. Panisch sprang er von der Liege hoch, taumelte aber vor Schwäche. Ihm gelang es, sich zum Kontrollfeld des Computers zu schleppen und mit wenigen Kommandos den Antigrav-Lift der Abteilung zu sperren. Durch das Blockieren der Lift-Türen wollte er seinen Assistenten Zeit verschaffen. Hielten sich die Werksschutz-Roboter an ihr Standardprogramm, würden sie erst nach einer Minute sprengen, wenn ihnen das Öffnen der Türen nicht auf normalem Weg gelang.

Hoffentlich funktioniert das!, betete John. Die Maschinen waren heute zu drastischen Maßnahmen autorisiert, er hatte ihre Befehle eben im Ex-R gesehen.

Endlich erschienen auf einem der Holo-Schirme Nyla und Scott. Die beiden Physiker näherten sich dem Lift auf Ebene 5 in Begleitung eines Humoids. Erleichtert wollte John sie kontakten und sich im Aufwärtsstrom mit ihnen treffen. Sie alle blickten einem Gerichtsverfahren und fristloser Kündigung entgegen, was angesichts der Lage das geringere Übel war.

Seine Hoffnungen zerstoben jedoch innerhalb eines Augenblicks, als der Humoid seine Kollegen mit einer Waffe bedrohte.

Nein! Sie haben das Zwillingsmodell erwischt!

Im Schacht donnerte es: Die Türen wurden aufgesprengt.

Der Quantum-Engineer hetzte auf die Röhre des Antigrav-Lifts zu. Er sah Scott, Nyla und die Menschmaschine nach oben schweben und ließ sich ebenso in den Strom gleiten. Niemals würde er die Daten diesem Monstrum von KI in die Hände fallen lassen. Er trug die Verantwortung für seine Erfindung, er würde deren Missbrauch verhindern und sie notfalls zerstören. Auch wenn es sein Leben kostete.

Oben angekommen beobachtete John, wie seine Assistenten von den Droiden in Arrest genommen wurden. Der Humoid war verschwunden.

Seine Gedanken überschlugen sich. Ich muss sie warnen! »Nyla! … Scott! …«, brüllte er. »Verhaltet euch passiv … die haben Anweisung, zu …«

John bekam einen Hustenanfall. Übelkeit und Schwindel befielen ihn. Er wollte den beiden zurufen, was er über die Intelligenz herausgefunden hatte und welche Intrigen sie spann. Doch ihm versagte die Stimme. Vor seinen Augen tanzten Funken.

Was … stimmt nicht … mit mir?

Scott Greene wehrte sich lautstark, stieß zwei der Roboter beiseite und startete einen Fluchtversuch. Er umklammerte etwas, das wie die Protein-Speichermodule aussah. Während er auf die Tür zulief, suchte er Johns Blickkontakt und sendete ihm eine Gedankenbotschaft.

»Boss! Die echten Module sind im …«

Unvermittelt hob einer der Droiden die Waffe und schoss.

Greene hörte das Projektil in sein Fleisch eindringen, gleichzeitig schleuderte ihn die Wucht des Aufschlags herum. Sein Gesichtsausdruck spiegelte Verblüffung wider. Er sackte mit einem rauchenden Loch in der Brust zusammen.

Nyla Singer stieß einen Schrei aus, ging in die Knie und kroch wimmernd neben die Leiche. Schließlich schleppten die Maschinen sie an Armen und Beinen weg.

Unter Schock und wie durch einen Schleier verfolgte John das Geschehen. Bevor er an die Daten oder an Flucht denken konnte, packten ihn mechanische Hände und pressten ihn gegen die Wand. Seine Wahrnehmung streikte auf allen Ebenen, trotzdem vernahm er die Meldung des Droiden-Commanders an die Firmenleitung.

»Mr. Yanderbrook, Sir … der Laborkomplex befindet sich unter unserer Kontrolle. Wir haben den Eindringling und seine Komplizen gefasst.«

Die Stimme von Johns Chef ertönte aus dem VidCom: »Sind die Daten sichergestellt, Commander?«

»Ja, Sir.«

»Sehr gut. Ich schicke ein Ersatzteam von Wissenschaftlern rüber zu Ihnen, damit wir unverzüglich die Abschlusstests einleiten können.«

»Was soll mit den Gefangenen geschehen, Sir?«

»Bringen Sie die Frau zur Gehirnwäsche ins Restrukturierungs-Center.«

»Und den Mann?«, schnarrte die Maschine.

Die Kaltherzigkeit der Antwort jagte einen Schauer über Jonathan McGloominters Rücken.

»Bei ihm muss es wie ein Unfall aussehen, Commander.«

Brymm … Die Stadt war erwacht.

EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)

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