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Eine neue Partei

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Es ist vollbracht. Die Partei der Neuen Stärke ist geboren, die Satzung verfasst. Über zehntausend Unterstützungserklärungen, weit mehr als benötigt, sind ein klares Zeichen. Camille und ehemalige Studenten, allen voran Markus Neumayer, unterstützen mich tatkräftig, nachdem ich bei ihnen die richtigen Knöpfe gedrückt habe.

Ich machte kein Hehl aus meiner Intention, demokratische Mitbestimmung vorerst zugunsten rascher, entschlossener Handlungsfähigkeit einzuschränken. Dieser unverblümt ausgesprochene Machtanspruch kollidierte frontal mit Markus’ ethischer Überzeugung und seinem naiven Glauben an den Wert von Mehrheitsentscheidungen. Nach und nach errangen seine akademische Eitelkeit und sein Mitgestaltungsdrang dann die Oberhand über sein Gutmenschen-Bild.

»Die Schuld am Fehlen einer politisch-ökonomisch gebildeten Mehrheit von engagierten Staatsbürgern tragen auch die Politiker. Da müssen wir uns selbst bei der Nase nehmen und ernsthaft versuchen, den Bürgern die EU, demokratische Mechanismen oder wirtschaftliche Zusammenhänge simpel und anschaulich zu erklären«, folgerte ich und gelobte, dementsprechende Bildungsoffensiven zu setzen, mit dem Ziel, in Zukunft Abstimmungen mit gutem Gewissen wieder in die Hände des Volkes legen zu können.

»Markus, ich glaube aufrichtig und mit all der dazu nötigen Naivität an den sozialen Homo oeconomicus – meine Vision von Menschen, die ihre Bürgerrechte auch verdienen. Lass uns gemeinsam daran arbeiten, sie Wirklichkeit werden zu lassen.«

Dies versetzte meiner Seite den siegreichen Ruck beim inneren Tauziehen meines ehemaligen Studenten. Endlich hatte er eine Agenda, für die er sich aus vollem Herzen engagieren konnte.

Camille berichtete ich von meinem Studentenexperiment und erzählte ihr offen von meinen Plänen und Visionen, was in hitzigen Debatten mündete. Ich setzte darauf, dass sie das Vereinte Europa genauso liebte wie ich und ebenso unter dem ständigen Aufschieben nötiger Strukturreformen sowie zunehmendem Populismus und Wählerfrust litt. Aber meine Frau war ein anderes Kaliber, keinesfalls so leicht zu ködern wie Markus. Als glühende Verfechterin eines Rechtsstaates stand sie Machtausweitungen von Regierungen aus tiefster Überzeugung skeptisch gegenüber.

»Demokratie alleine schützt nicht davor, dass eine Mehrheit eine Minderheit unterdrückt oder sogar deren Rechte verletzt. Du weißt, dass es mir nicht um Macht, sondern um das Gemeinwohl geht, Camille. Es ist tragisch, aber die meisten Menschen brauchen Hilfe, die richtigen Entscheidungen zu treffen.«

Wie erwartet hielt meine Frau dagegen: »Bis dato hat die Geschichte noch keinen wohltätigen Diktator hervorgebracht. Willst du als Alpendiktator und Menschenfreund in die Annalen eingehen?«

»Warum habe ich dich nicht mit der Findung eines Parteinamens beauftragt? Wusste ich doch, dass du ungleich kreativer bist«, musste ich lachen. Nach mehrstündigen Diskussionen und geschätzten zehn Spaziergängen gelang es mir langsam, Camilles Gedankenwelt einen Spalt breit für meine Ideen zu öffnen. Sie akzeptierte zumindest ansatzweise, dass ein autokratischer Regierungsstil die notwendige Rosskur gegen frustgenährten Populismus und politische Apathie sei, zwei Entwicklungen, die meiner Frau seit jeher ein Dorn im Auge waren.

»Sei beruhigt, Camille, Entscheidungen in einer Expertenrunde nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne des Gemeinwohls zu treffen, sehe ich nur befristet notwendig. Und zwar solange, bis es mir gelungen ist, das steigende Desinteresse an Politik sowie die Anfälligkeit für Demagogen einzudämmen. Durch Vorbildwirkung, Informationen und bildungspolitische Maßnahmen, die dem Unverständnis für größere Zusammenhänge entgegenwirken. Sind es nicht gerade die Schranken in der Entscheidungsgewalt des Volkes, die den Unterschied zwischen Demokratie und Populismus schaffen?«

Camille schüttelte ihren Kopf so energisch, dass sich eine Strähne aus ihrer Hochsteckfrisur löste: »Macht hat früher oder später noch jeden verdorben, Florian.«

»Genau deswegen brauche ich dich umso mehr. Als Beraterin in rechtsstaatlichen Fragen und als mein Gewissen.«

Meine Angetraute schwankte. Am Ende stand sie auf meiner Seite. Mein Kampf war nun auch ihr Kampf.

Die lächerliche Prozenthürde für den Einzug in den Nationalrat interessiert mich nicht. Ich will mehr als fünfzig Prozent der Wählerstimmen, muss die bevorstehende Wahl mit absoluter Mehrheit gewinnen, wenn ich meine Pläne durchboxen will. Alles oder nichts. Der Wahlkampf ist intensiv, verlangt mir und meinen Unterstützern viel ab. Alle geben ihr Äußerstes. Laut Umfragen stehen die Chancen gut, dass ich mein Ziel erreiche.

Der Alpendiktator und Menschenfreund

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