Читать книгу ... kannst du mich lieben? - Barbara Namor - Страница 17

Kapitel 15: Sonntag, 29.7. – 13 Uhr 17

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Als ich wach werde, habe ich keine Ahnung, wo ich mich befinde. Jedenfalls liege ich in einem frisch bezogenen Bett. Die Laken sind noch ein wenig steif und ich kann Bügelfalten auf dem Bezug meiner Decke erkennen. In eben dem Moment, in dem meine Augen das erste Mal blinzeln, sehe ich einen großen Schatten weghuschen.

Das macht mich richtig wach.

Wer war das? Warum hat mein Schlafradar nicht funktioniert, das mir sonst so präzise meldet, wenn mir jemand zu nahekommt, sagen wir mal auf eine Distanz unter zwei Meter?

Direkt links neben dem Bett, in dem ich liege, fast auf Höhe des Kopfkissens steht ein Stuhl. Ich greife prüfend mit einer Hand nach der Sitzfläche. Warm. Also hat da bis gerade eben noch jemand nahe bei mir gesessen.

Ich atme einmal tief durch und versuche, ruhig zu bleiben. Die Umgebung wirkt vollkommen fremd. Wie bin ich hierhergekommen? Nur langsam kommt meine Erinnerung in Gang: Mit Jeff und auf einem Motorrad kreuz und quer durch das Gelände und über kleine kurvige Straßen ist die Anreise erfolgt. Zuletzt bin ich fast von der Maschine gefallen, so müde war ich. Der Rucksack, den Jeff schließlich dazu benutzt hat, mich förmlich auf seinem Rücken festzuschnallen, liegt in einer Zimmerecke. Den habe ich am Ende getragen, aber Jeff hat die Tragegurte ganz lang geschnallt, zusätzlich über seine Schultern gestreift und mich mit dem Beckengurt, den er auch um seine Hüften geschlungen hatte, fixiert, sodass ich nicht wegrutschen konnte.

An einem Haken an der Wand baumeln Kleidungsstücke. Ich liege in T-Shirt und Slip im Bett. Meine rechte Hand pocht und mit jedem Pulsschlag, der schmerzhaft hindurch getrieben wird, kommt ein Stück Erinnerung zurück.


Langsam rapple ich mich von dem Bett hoch, ziehe einen dünnen Vorhang beiseite und schaue aus dem Fenster. Rechts und links stehen kleine Häuser, die einander vollkommen ähnlichsehen und irgendwie wirken, als gehörten sie zu einem Dorf für Liliputaner. Draußen stapfen kleine Kinder in Gummistiefeln an der Hand ihrer Eltern durch große Pfützen. Der Anblick bringt mich nicht weiter, was die Beantwortung der Frage angeht, wo ich mich befinde.

Also tappe ich auf nackten Füßen zur Zimmertür und öffne sie. Jeff sitzt nebenan in einem kleinen Wohnzimmer mit einer Küchenzeile an einem Ende und einer Sitzgruppe am anderen – irgendwie sieht das Ganze nach Ferienwohnung aus.

„Hallo, Jeff!“, begrüße ich ihn und lasse mich auf einen Sessel ihm gegenüber fallen. „Willst du mir mal verraten, wo wir stecken?“

„Ferienpark, Vielsalm, Belgien!“, verkündet er knapp.

„Und? Wie sind wir hierher geraten?“, bohre ich weiter.

„Wollte mit dir woanders hin, aber du warst zu erschöpft und es begann zu regnen. Habe dann ein Ferienhaus gemietet. Wir sind hier sicher.“

Ich warte darauf, dass Jeff weiterspricht. Aber er schweigt. Merkwürdig. Sonst ist er doch ziemlich redselig. Man kann sich normalerweise ausgesprochen gut mit ihm unterhalten.

Schließlich meint Jeff: „Ich habe nur darauf gewartet, bis du wach wirst, damit ich weiß, wie es dir geht. Jetzt besorge ich etwas zu essen.“ Damit steht er auf und marschiert Richtung Tür.

Ich bin total verblüfft. Warum bleibt Jeff so kurz angebunden? Er hat sich noch nicht einmal nach meinem Befinden erkundigt, obwohl er behauptet, dass es ihn interessiert. Ich habe vor allen Dingen noch eine Menge Fragen an ihn! Gerade setze ich zur nächsten an, da meint er nach einem blitzschnellen Blick aus den Augenwinkeln: „Zieh dir was an!“, und verschwindet.

Vielleicht ist Jeff sehr müde? Jedenfalls klingt er total verkrampft und anders als sonst.


Ob wir uns hier wirklich in Sicherheit befinden? Ich versuche, mir zunächst keine Gedanken darüber zu machen, sondern gehe zurück in das Zimmer, in dem ich geschlafen habe. Die Jeans, die am Haken hängen, kenne ich. Das sind meine und sie sind immer noch etwas feucht. Aber das T-Shirt, das ich trage, ist mir fremd, mein BH ist vollkommen verschwunden und der Pullover, den ich finde, ist mir mindestens drei Nummern zu groß – ach ja, auf der Militärbasis hatte man mir netterweise meine blutgetränkten gegen frische Sachen ausgetauscht und mir gegeben, was gerade greifbar war. Ich gehe ins Badezimmer, freue mich, dass ich dort einen Haartrockner finde, föhne die Jeans trocken und versuche, mich frisch zu machen, so gut das mit einer dick verbundenen Hand geht. Den Slip möchte ich danach nicht mehr anziehen und streife mir die Jeans kurzerhand einfach so über die Hüften. Den Knopf am Hosenbund nur mit einer Hand zu schließen, erweist sich als erstaunlich schwierig. Der kleine Kamm mit Werbeaufdruck von der Ablage über dem kleinen Waschbecken braucht einige Zeit, um sich durch meine Haare zu arbeiten, aber schließlich sehe ich nicht mehr so zerzaust aus.

Gerade als ich das Badezimmer verlasse, erscheint Jeff wieder. Er trägt eine große Plastiktüte und stellt sie nur mit den Worten: „Hier ist dein Frühstück drin“, auf den Esstisch. „Was brauchst du noch?“

Ich blinzle Jeff einmal zu und sage in dem neckischen Ton, den wir beide gelegentlich pflegen: „Unterwäsche. Ich habe nämlich gerade keine an.“

Jeff kann ich so etwas sagen. Er liebt es, wenn man sich gelegentlich eindeutig zweideutig ausdrückt – kein Wunder bei seinem Verschleiß an Frauen!

Jeff geht überhaupt nicht darauf ein, sondern steuert schon wieder die Tür an. Im Weggehen meint er nur: „Ich kaufe ein, was nötig ist. Dauert bestimmt ein bisschen.“

Ist denn der total übergeschnappt? Ich springe auf und halte ihn an der Schulter fest, bevor er die Tür öffnen kann: „Jetzt warte doch mal! Wohin willst du denn schon wieder? Wieso bist du so kurz angebunden?“

Seine Antwort kommt nach sekundenlangem Zögern: „Ich bin müde.“

Er sagt die Wahrheit – er ist tatsächlich müde, aber ich höre überdeutlich, dass das nicht die ganze Wahrheit ist.

„Jeff, was ist denn los? Habe ich etwas falsch gemacht? Habe ich dich verärgert?“

Er schüttelt den Kopf, die Bewegung wirkt merkwürdig resigniert: „Nein, alles in Ordnung. Ich sehe jetzt zu, dass du bekommst, was du brauchst.“

Er hat gelogen, als er behauptete, alles wäre in Ordnung! Und dann flüchtet er förmlich zur Tür hinaus. Ich bleibe ziemlich verwirrt zurück. Droht uns Gefahr? Ist die Polizei uns schon auf den Fersen? Was könnte so in Unordnung geraten sein, dass es Jeff derart betroffen macht und zu dem hoffnungslosen Versuch verleitet, mich anzulügen?


Um mich abzulenken, schaue ich in die Tüte, in der Jeff mir etwas zu essen gebracht hat und decke mir einen Frühstückstisch. Er kennt offenbar meine Vorlieben; die Tüte enthält eine Auswahl vieler Dinge, die ich wirklich gern mag, aber das ist auch kein Wunder, denn wir haben ja schon etliche Male gemeinsam gefrühstückt. Es kommt mir zwar irgendwie blöd vor, hier allein zu sitzen und zu essen, aber ich habe Hunger – und was sollte ich auch sonst tun?

Als ich schließlich meine Mahlzeit beende, weiß ich nichts mit mir anzufangen. Ich blättere die Informationsmappe durch, die in dem Ferienhaus liegt und bekomme dadurch langsam eine Vorstellung davon, wo ich mich befinde. Draußen ertönen Kinderstimmen. Als ich ans Fenster trete, betrachte ich kurz im Spiegel, an dem ich dabei vorbeikomme, mein eigenes Gesicht: Ich sehe nach meinem langen Schlaf nicht mehr so fix und fertig aus, wie wohl noch im Krankenhaus, aber trotzdem haben die Anstrengungen der letzten zwei Tage Spuren hinterlassen.

Ein Lächeln stiehlt sich in mein Gesicht: Tom freute sich sehr, als er das erste winzige Fältchen neben meinen Augen entdeckt hat! Auch das stellt einmal wieder einen Beweis dafür dar, dass die Beziehung zu dem Mann, den ich liebe, ziemlich ungewöhnlich ist!


... kannst du mich lieben?

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